vorgestellt Thomas Ax
Gegen die Entscheidung des Gerichts in einem selbstständigen Beweisverfahren, den Sachverständigen nicht entsprechend § 404a Abs. 1 ZPO anzuweisen, die vom Antragsteller für erforderlich erachtete Bauteilöffnung vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen, ist das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht statthaft. OLG Naumburg, Beschluss vom 05.11.2019 – 12 W 30/19 vorhergehend: LG Stendal, 10.04.2019 – 23 OH 14/18
Gründe:
I.
Die Antragsteller begehren im selbständigen Beweisverfahren die Feststellung von Mängeln der von dem Antragsgegner erbrachten Werkleistung bei dem Um- und Ausbau und der Renovierung des Bades im Erdgeschoss ihres Hauses. Das Landgericht hat mit den Beschlüssen vom 17. Juli 2018, vom 12. September 2018 und vom 12. November 2018 entsprechende Beweisanordnungen getroffen. Der gerichtlich bestellte Sachverständige K. hat mit Schreiben vom 20. November 2018 und abermals mit Schreiben vom 8. Dezember 2018 die beweispflichtige Partei gebeten, in seinem Beisein den behaupteten bzw. beanstandeten Einschnitt am Waschtischschrank zur Vermessung freizulegen. Daraufhin haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 14. Januar 2019 beantragt, das Gericht möge dem Sachverständigen aufgeben, die Bauteilöffnung der Silikonfuge am Waschtisch im Haus der Antragsteller zur Freilegung des darunter befindlichen Einschnitts durch ein vom Sachverständigen zu beauftragendes Unternehmen auszuführen.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 10. April 2019 diesen Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Sachverständige durch das Gericht nicht gemäß § 404a ZPO angewiesen werden könne, eine Bauteilöffnung zu veranlassen, wenn er nicht selbst dazu bereit sei. Vielmehr sei es Sache des Beweisführers, die faktischen Voraussetzungen für die Begutachtung zu schaffen. Hiergegen haben sich die Antragsteller mit Schriftsatz vom 2. Mai 2019 mit der sofortigen Beschwerde gewandt. Zur Begründung haben sie ausgeführt, dass bei Beauftragung der Bauteilöffnung durch eine der Parteien Streit über die entstehenden Kosten vorprogrammiert wäre. Vertragsverhältnisse, etwaige Gewährleistung und Kostenregelung der anfallenden Kosten für die ausgeführten Arbeiten wären nämlich unklar. Dies werde umgangen, wenn die Beauftragung im Rahmen des Gutachtenauftrages durch den Sachverständigen erfolge. Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde durch Beschluss vom 6. Mai 2019 nicht abgeholfen und das Verfahren dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Mangels Statthaftigkeit ist die sofortige Beschwerde nicht zulässig.
Zu der in der Rechtsprechung umstrittenen Frage, ob die Entscheidung des Gerichts in einem selbständigen Beweisverfahren, den Sachverständigen nicht entsprechend § 404a Abs. 1 ZPO anzuweisen, die vom Antragsteller für erforderlich erachtete Bauteilöffnung vorzunehmen oder durch Dritte vornehmen zu lassen, der sofortigen Beschwerde unterliegt, schließt sich der Senat der Ansicht an, dass das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde nicht eröffnet ist (z. B. OLG Köln, Beschluss vom 15. März 2010, 11 W 14/10; OLG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 2017, 16 W 152/17; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. August 2019, 8 W 29/19). Eine ausdrückliche Bestimmung im Gesetz, wonach die sofortige Beschwerde in vorliegender Konstellation statthaft ist, gibt es nicht (§ 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Ein Beschwerderecht ergibt sich aber auch nicht aus § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, da dessen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, wenn es sich um eine Entscheidung handelt, die das Gericht von Amts wegen zu treffen hat, selbst wenn damit zugleich ein „Gesuch“ der Partei ablehnend beschieden wird (z. B. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2004, VI ZB 33/03). Unter einem „Gesuch“ ist nur ein förmlicher Antrag zu verstehen, eine Anregung der Partei genügt demgegenüber nicht. Die Parteien sollen nicht die gesamte Amtstätigkeit des Gerichts einer Beschwerde zugänglich machen können. Deshalb ist dem Antragsteller die Beschwerde versagt, wenn die angefochtene Entscheidung ohne die Notwendigkeit eines Antrags von Amts wegen ergehen kann (z. B. BGH, Beschluss vom 29. November 2016, VI ZB 23/16). Die Entscheidung des mit dem selbstständigen Beweisverfahren befassten Gerichts, ob und welche Anweisungen es dem Sachverständigen nach § 404a ZPO erteilt, hat das Gericht von Amts wegen nach seinem Ermessen zu treffen (z. B. OLG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 2017, 16 W 152/17; OLG Frankfurt, Beschluss vom 29. August 2000 19, 8 W 29/19).
Zwar wird die Beschwerde einer Partei gegen die Zurückweisung ihres Gesuchs auf Erteilung von Weisungen bisweilen als statthaft erachtet, weil die Ablehnung der Anweisung zur Bauteilöffnung die Zurückweisung eines Gesuchs nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO darstelle. Dabei wird einerseits ohne jegliche Begründung von der Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde ausgegangen (z. B. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 8. Januar 2018, 19 W 41/17; OLG Celle, Beschluss vom 1. Dezember 2016, 5 W 49/19; OLG Rostock, Beschluss vom 4. Februar 2002, 7 W 100/01; OLG Bamberg, Beschluss vom 9. Januar 2002, 4 W 129/01, zitiert nach beck-online), andererseits die sofortige Beschwerde ohne weitere Begründung für zulässig erachtet, weil die Ablehnung der Anweisung zur Bauteilöffnung die Zurückweisung eines Gesuches darstelle (z. B. OLG Jena, Beschluss vom 18. Oktober 2006, 7 W 302/06). Zum Teil wird zwar konzediert, dass die Ablehnung einer Weisung an den Sachverständigen zwar keine ausdrückliche Zurückweisung eines das Verfahren betreffenden Gesuchs darstelle, aber doch einer Aufhebung des Beweisbeschlusses gleichkomme und damit einer Zurückweisung des Beweissicherungsantrages (z. B. OLG Celle, Beschluss vom 8. Februar 2005, 7 W 147/04; OLG Frankfurt, Beschluss vom 13. November 2003, 15 W 87/03). Dies überzeugt allerdings nicht. Das Gesuch ist lediglich als eine Anregung an das Gericht in Bezug auf eine von Amts wegen zu treffende Entscheidung zu verstehen. Als solche hat es verfahrensrechtlich keine eigenständige Funktion. Die Zurückweisung des Gesuchs lässt sich auch nicht als nachträgliche Zurückweisung des Antrags auf Einleitung des selbständigen Verfahrens an sich verstehen, die nach §§ 490 Abs. 1, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO anfechtbar wäre. Durch die Entscheidung, dem Sachverständigen eine Anweisung zur Bauteilöffnung nicht zu erteilen, sondern diese dem Antragsteller zuzuweisen, hat das Landgericht den Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens nicht zurückgewiesen. Auch ihrem qualitativen Gewicht nach kann die Entscheidung nicht einer Zurückweisung gleichgestellt werden. Dem Antragsteller ist es unbenommen und auch zumutbar, die für die Begutachtung notwendige Bauteilöffnung selbst vorzunehmen, um das Verfahren nicht zum Stillstand zu bringen (z. B. OLG Schleswig, Beschluss vom 14. Dezember 2017,16 W 152/17; OLG Köln, Beschluss vom 15. März 2010, 11 W 14/10). Dass hier keine Zurückweisung des Antrages auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens in Rede steht, kann auch daran abgelesen werden, dass von der fraglichen Bauteilöffnung lediglich eine von 17 Beweisfragen berührt wird, zumal es auch nur um die Freilegung einer einzigen Silikonfuge geht.
Hinzu kommt, dass die Beweis- und Beschwerdemöglichkeiten im selbständigen Beweisverfahren nicht weiter gehen als im Hauptprozess (z. B. Beschluss vom 9. Februar 2010, VI ZB 59/09). Im Hauptprozess ist eine Beweisanordnung aber grundsätzlich nicht selbständig anfechtbar, eine Ausnahme gilt entsprechend 252 ZPO allenfalls dann, wenn die Beweisanordnung faktisch zu einem Stillstand des Verfahrens führt (z. B. OLG Köln, Beschluss vom 15. März 2010, 11 W 14/10). Davon kann hier keine Rede sein, weil die Beantwortung der einen von der Bauteilöffnung berührten Beweisfrage lediglich davon abhängt, dass die Antragsteller die eine Silikonfuge am Waschtisch beseitigen, was ihnen jedenfalls mit einem Fachunternehmen unschwer möglich sein muss. Auch eine weitere Ausnahme kommt nicht in Betracht. Anfechtbar ist eine Beweisanordnung ausnahmsweise dann, wenn bereits diese Zwischenentscheidung für eine Partei einen bleibenden rechtlichen Nachteil zur Folge hat, der sich im weiteren Verfahren nicht mehr oder jedenfalls nicht mehr vollständig beheben lässt (z. B. BGH, Beschluss vom 18. Dezember 2008, I ZB 118/07). Hier können die Antragsteller nicht nur selbst die Voraussetzungen für die weitere Begutachtung schaffen. Sie können in einem etwaigen Hauptsacheverfahren etwaige Rechtsfehler des Landgerichts hinsichtlich der Beweiserhebung im selbständigen Beweisverfahren zur Überprüfung stellen. Einwendungen gegen das Gutachten im selbständigen Beweisverfahren können nämlich auch im Prozess noch vorgetragen werden und sind dort zu beachten (z. B. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2011, IX ZR 155/10). Hierdurch sind die rechtlichen Interessen der Antragsteller hinreichend gewahrt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Trotz der divergierenden Entscheidungen mehrerer Oberlandesgerichte zur Statthaftigkeit und Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde gegen eine unterbliebene Anweisung des Sachverständigen gemäß § 404a Abs. 1 ZPO durch das Gericht ist der Senat an einer Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 1 und 2 ZPO gehindert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Rechtsbeschwerde nämlich nur statthaft, wenn bereits die sofortige Beschwerde statthaft war. War die Ausgangsentscheidung unanfechtbar, fehlt es auch an einer Grundlage für das Rechtsbeschwerdeverfahren (z. B. BGH, Beschluss vom 21. Januar 2016, IX ZB 24/15).