Ax Vergaberecht

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-vergaberecht.de

Mein Hausbau - Schwerpunkt Nachbarrecht (9)

OLG Düsseldorf – Az.: I-5 U 46/16 – Urteil vom 22.12.2016: Schäden an Nachbargebäude durch Abrissarbeiten, Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch

Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.03.2016 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Duisburg – Einzelrichterin – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Das erstinstanzliche Urteil und das Berufungsurteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Abriss eines alten Sparkassengebäudes auf dem Grundstück der Beklagten zu 1) geltend.

Die Klägerin ist Eigentümerin des im Jahr 1910 mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks R.straße in D. Die Beklagte zu 1) betreibt ihre Hauptgeschäftsstelle auf der gegenüberliegenden Straßenseite, der F.Straße in D. und beabsichtigte dort ein neues Sparkassengebäude zu errichten. Sie beauftragte die Beklagte zu 2) mit den Abbrucharbeiten des alten Teils der Sparkasse.

Vor Beginn der Abrissarbeiten im März 2010 ließ die Beklagte zu 2) durch das Sachverständigenbüro G. eine Bauzustandsbesichtigung der straßenseitigen Fassade des Hauses der Klägerin durchführen, wobei an der straßenseitigen Fassade mehrere Risse, Abplatzungen und Kantenausbrüche festgestellt wurden.

Nach Beendigung der Abrissarbeiten wurde am 17.06.2010 durch das Sachverständigenbüro eine weitere Begutachtung des Hauses der Klägerin durchgeführt und Veränderungen dokumentiert. Der Zustand der straßenseitigen Fassade stellte sich für den Sachverständigen nahezu unverändert dar. An der rechten unteren Fensterbankkante des 2. Fensters von links im 1. OG war ein ca. 40 cm langer Riss im Außenputz hinzugekommen.

Am 09.09.2010 teilte die Klägerin der Beklagten zu 1) mit, dass es bei dem Abriss des Altbaus und dem Einbringen der Pfähle in den Untergrund durch starke Erschütterungen zu Rissen in ihrem und benachbarten Häusern gekommen sei. Etwa zwei Wochen später, am 22.09.2010, kam es zu einer weiteren Bauzustandsbesichtigung durch das Sachverständigenbüro G. Der Sachverständige beurteilte die vorhandenen und dokumentierten Rissbildungen als unverändert, nahm aber zwei weitere Punkte über neue Rissbildungen in seine Begutachtung auf. Nachdem die Beklagte zu 1) eine Aufstellung der Beschädigungen gefordert hatte, übersandte die Klägerin ihr am 04.10.2010 eine Übersicht der von ihr festgestellten Beschädigungen im Inneren des Hauses und im Außenbereich.

Im Dezember 2010 wurden hinter dem Grundstück der Klägerin an der W.straße sieben Einzelgaragen abgerissen.

Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1), die P., erstattete der Klägerin im Dezember 2012 unter Bezugnahme auf ein Gutachten des Sachverständigen M. vom 02.04.2012 und ein Angebot des Malerbetriebes W. vom 27.09.2011 einen anteiligen Betrag von 5.202,50 €, der sich ausschließlich auf die Beseitigung von Rissen im Innenbereich des Hauses bezog.

Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte zu 2) habe bei den mehrwöchigen Abbrucharbeiten schwerstes Gerät eingesetzt. Durch die Abbruch- und anschließenden Verdichtungsarbeiten mit schweren Rüttelplatten sei es zu Schwingungen und Vibrationen gekommen, die Schäden an ihrem Haus verursacht hätten. Die einzelnen Risse an der Fassade hat sie mit Schriftsatz vom 20.12.2012 beschrieben ( Bl.106 ff. d.A. ). Sämtliche – vor dem Abriss des Sparkassengebäudes nicht vorhandenen – Beschädigungen seien durch die Bauarbeiten der Beklagten zu 2) verursacht worden. Die Haftpflichtversicherung der Beklagten zu 1) habe bei der Schadensberechnung nicht alle Risse berücksichtigt. Für die notwendigen Verpressungsarbeiten an der Außenfassade fielen Kosten in Höhe von 4.949,41 € an. Die Aufstellung eines Arbeits- und Schutzgerüstes sei mit Kosten in Höhe von 1.248,- € verbunden. Schließlich seien aus dem Angebot des Malermeisters W. noch Positionen in Höhe von 1.380,- € offen.

Der Abriss der sieben Garagen sei nicht mit den Abbrucharbeiten der Sparkasse zu vergleichen gewesen und habe keine Auswirkungen auf ihr Haus gehabt.

Die Beklagte zu 1) hat behauptet, durch die Abrissarbeiten der Beklagten zu 2) seien keine Risse an der Fassade des Gebäudes der Klägerin entstanden. Lediglich ein Riss im Kellergeschoss, der bei einer Ortsbesichtigung des Sachverständigen M. im Jahr 2010 festgestellt worden sei, könne auf die Abbrucharbeiten zurückzuführen sein. Aus diesem Grund sei nur eine anteilige Schadensregulierung durch die Versicherung erfolgt.

Die Beklagte zu 2) hat vorgetragen, bei den Abbrucharbeiten Bagger und Abbruchhämmer eingesetzt zu haben. Zudem seien Bohrpfahlarbeiten im Drehbohrverfahren durchgeführt worden. Der Abbruch sei mit Beißzangen erfolgt und habe keine Schwingungen erzeugt. Nach dem Einbringen von Schottermaterial für die Drainageschicht sei mit einer normalen Rüttelplatte gerüttelt worden. Bei diesen Arbeiten seien die Schwingungen auf der anderen Straßenseite normalerweise nicht spürbar.

Die den Kostenvoranschlägen der Klägerin zugrundeliegenden Risse seien schon vor den Abbrucharbeiten vorhanden gewesen. Die Vibrationen und Schwingungen, die bei Verwendung des Pressluftmeißels bei dem Abriss der Garagen entstanden und in den Räumen der Sparkasse zu spüren gewesen seien, seien geeignet gewesen, Schäden an dem Gebäude der Klägerin zu verursachen. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Abriss der Garagen die von der Klägerin behaupteten Beschädigungen verursacht habe. Schließlich müsse berücksichtigt werden, dass sich das Haus der Klägerin – unstreitig – in einem ehemaligen Bergwerksgebiet befinde und der Untergrund ständigen Bewegungen ausgesetzt sei.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung von Zeugen und Einholung eines Sachverständigengutachtens. Mit dem angefochtenen Urteil hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass weder die Beklagte zu 1) noch die Beklagte zu 2) der Klägerin zum Schadensersatz verpflichtet seien. Ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB scheitere an einer schuldhaften Pflichtverletzung der Beklagten zu 1). Ein Anspruch aus § 831 BGB sei nicht gegeben, da Unternehmer und Handwerker keine Verrichtungsgehilfen des Bauherrn seien. Auch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB könne die Klägerin von der Beklagten zu 1) keinen Schadensersatz verlangen. Die Klägerin habe nicht bewiesen, dass die von den Bauarbeiten auf dem Grundstück der Beklagten zu 1) ausgehenden Einwirkungen ihr Eigentum beschädigt hätten. Nach der Beweisaufnahme stehe nicht mit dem erforderlichen Grad an Gewissheit fest, dass die von den Klägerin beanstandeten Risse in ihrem Haus kausal auf die auf dem Grundstück der Beklagten zu 1) durchgeführten Arbeiten zurückzuführen seien. Der Sachverständige F. habe dies nicht bestätigt. Es könne dahinstehen, ob ein Anscheinsbeweis eingreife. Ein solcher wäre jedenfalls erschüttert, da konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen anderer Schadensursachen vorhanden seien. Jedenfalls die Risse an den Seiten und der Rückseite des Gebäudes seien nach den Ausführungen des Sachverständigen auf andere Ursachen zurückzuführen. Daher könne nicht ausgeschlossen werden, dass auch die Risse an der Vorderfront auf anderen, etwa witterungsbedingten Einwirkungen beruhten.

Ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) bestehe ebenfalls nicht. Für einen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB fehle es an einem Verschulden. Zum Ausgleich nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB sei die Beklagte nicht verpflichtet, weil sie nicht “Benutzer” des benachbarten Grundstücks sei.

Hiergegen richtet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Berufung. Sie rügt eine fehlerhafte Beweiswürdigung des Landgerichts. Dieses habe verkannt, dass die Grundsätze des Anscheinsbeweises hätten zu Anwendung kommen müssen. Zwischen den durchgeführten Abrissarbeiten als möglicher Schadensverursacher und den Rissbildungen in ihrem Wohngebäude bestehe ein enger zeitlicher Zusammenhang. Für den Anscheinsbeweis spreche zudem, dass die Schäden die zur Zeit der Bauarbeiten im Inneren des Wohngebäudes entstanden seien, reguliert worden seien. Entscheidend sei jedoch das Fehlen von vernünftigen Anhaltspunkten für andere Ursachen.

Der Umstand, dass der Sachverständige H. aus Kostengründen nur eine straßenseitige Bauzustandsbesichtigung vorgenommen habe, könne nicht zu ihren Lasten ausgelegt werden.

Die Klägerin beantragt, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Duisburg vom 11.03.2016 die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 7.577,41 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % – Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen; festzustellen, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr alle weiteren Schäden zu ersetzen, die darauf resultieren, dass die Beklagten am alten Sparkassengebäude im Jahr 2010 auf dem Grundstück F.Straße 31-37 in D. Abbrucharbeiten vorgenommen haben.

Die Beklagten beantragen, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte zu 1) verteidigt das Urteil des Landgerichts und vertritt die Auffassung, dass die Grundsätze des Anscheinsbeweises nicht anwendbar seien. Es gäbe keinen allgemeinen Grundsatz, der besagen würde, dass Risse an Wohngebäuden zwingend durch Abbrucharbeiten in mehreren Metern Entfernung entstehen würden. Der Anwendbarkeit des Anscheinsbeweises stünde entgegen, dass gerade kein enger räumlicher Zusammenhang zwischen den durchgeführten Abrissarbeiten und den Rissbildungen bestehe. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass an dem alten Gebäude der Klägerin schon vor den Abbrucharbeiten Risse dokumentiert worden seien. Nach den Gesamtumständen sei kein typischer Geschehensablauf gegeben. Für diese Frage sei unerheblich, ob die hinter ihr stehende Haftpflichtversicherung bereits eine anteilige Regulierung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht vorgenommen habe.

Die Beklagte zu 2) verteidigt ebenfalls das Urteil des Landgerichts und verweist auf die Ausführungen des Sachverständigen F.

II.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg, denn sie hat nicht bewiesen, dass es bedingt durch die Abrissarbeiten der Beklagten zu 2) zu Rissbildungen an ihrem Haus gekommen ist. Die Klägerin war hierfür darlegungs- und beweispflichtig, da die Voraussetzungen des Anscheinsbeweises nicht begründet worden sind.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte zu 1) kein Schadensersatzanspruch zu.

Nach der Berufungsbegründung der Klägerin ist davon auszugehen, dass sie sich nicht gegen die Verneinung der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 823 Abs. 1, 831 BGB durch das Landgericht wenden will, da sich ihr Berufungsvorbringen ausschließlich mit der Frage des Anscheinsbeweises im Rahmen des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB befasst.

Unabhängig davon hat das Landgericht Ansprüche aus §§ 823 Abs. 1, 831 BGB zu Recht verneint. Zwar hat der Bauherr, der auf seinem Grundstück Baumaßnahmen veranlasst, eine eigenverantwortliche Pflicht zu Überprüfung, ob von dem Bauvorhaben Gefahren ausgehen (KG Berlin, Urteil vom 18.10.2012, 22 U 226/09, juris Rd. 43). Jedoch genügt nach ständiger Rechtsprechung des BGH ein Grundstückseigentümer dieser Verpflichtung regelmäßig dadurch, dass er sorgfältig ausgewählte, fachkundige Architekten, Ingenieure und Bauunternehmen mit der Lösung der anfallenden bautechnischen Aufgaben und deren sachgemäßer Durchführung betraut (BGH, Urteil vom 04.07.1997, V ZR 48/96, WM 1997, 2262). Die sorgfältige Auswahl der mit der Planung und der Bauausführung befassten Fachleute reicht zur Entlastung des Bauherrn und Grundstückseigentümers nur dann nicht aus, wenn auch für ihn erkennbar eine erhöhte Gefahrenlage gegeben war oder wenn Anlass zu Zweifeln bestand, ob die eingesetzten Fachkräfte in ausreichendem Maß den Gefahren und Sicherheitserfordernissen Rechnung tragen würden ( BGH, Urteil vom 04.07.1997, aaO. ). Derartige Umstände hat die Klägerin nicht schlüssig vorgetragen.

Eine Haftung nach §§ 823, 831 BGB scheidet aus, da die Beklagte zu 2) keine Verrichtungsgehilfin der Beklagten zu 1) ist. § 831 BGB ist auf den selbständigen Bauunternehmer nicht anwendbar (Werner / Pastor, Der Bauprozess, 15. Auflage, Rd. 2627M KG Berlin, Urteil vom 18.10.2012, 22 U 226/09).

a)

Einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 1) in Höhe von 7.577,41 € kann die Klägerin auch nicht auf § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB stützen.

Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch entsprechend § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB besteht nach der Rechtsprechung regelmäßig dann, wenn von einem Grundstück im Rahmen privatwirtschaftlicher Nutzung Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die zwar rechtswidrig sind und deshalb nicht geduldet werden müssen, der betroffene Eigentümer jedoch aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen gehindert ist, solche Störungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu unterbinden und die dadurch entstehenden Nachteile das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung überschreiten (BGH, Urteil vom 02.03.1984, V ZR 54/83, NJW 1984, 2207; OLG Düsseldorf, Urteil vom 09.07.2012, 9 U 138/11, BauR 2012, 1979;). Der Ausgleichsanspruch ist nicht auf die Zuführung unabwägbarer Stoffe beschränkt, sondern hat auch andere Störungen, etwa die Entstehung von Rissen an Gebäuden zum Gegenstand.

Anspruchsberechtigt sind grundsätzlich nicht allein die unmittelbaren Grundstücksnachbarn, da § 906 BGB keine Beschränkungen auf das Nachbarverhältnis der Grundstückseigentümer vorsieht. Die als ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten zu 1) einzustufenden Bauarbeiten musste die Klägerin nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB dulden, da unterstellt werden kann, dass eine öffentlich-rechtliche Baugenehmigung für den Neubau der Sparkassenfiliale vorgelegen hat.

Die Klägerin war für die Entstehung der in ihrem Schriftsatz vom 20.12.2012 aufgeführten Risse an der Außenfassade ihres Hauses kausal bedingt durch die Abrissarbeiten der Beklagten zu 2) darlegungs- und beweispflichtig. Sie kann sich nicht mit Erfolg auf den Grundsatz des Beweises des ersten Anscheins berufen.

Der Anscheinsbeweis erlaubt bei typischen Geschehensabläufen den Nachweis eines ursächlichen Zusammenhangs oder eines schuldhaften Verhaltens ohne exakte Tatsachengrundlagen, sondern auf Grund von Erfahrungssätzen. Hierfür muss zunächst ein typischer Geschehensablauf feststehen, d.h. ein Sachverhalt, bei dem nach der Lebenserfahrung auf das Hervorrufen einer bestimmten Folge oder die Verursachung durch ein bestimmtes Verhalten geschlossen werden kann. Dieser Sachverhalt muss entweder unstreitig oder mit Vollbeweis bewiesen sein (Zöller-Greger, ZPO, 30. Auflage, Vor § 284 Rd. 29). Der behauptete Vorgang muss zu jenen gehören, die schon auf den ersten Blick nach einem durch Regelmäßigkeit, Üblichkeit und Häufigkeit geprägtem “Muster” (BGH, Urteil vom 03.07.1990, VI ZR 239/89, NJW 1991, 230) abzulaufen pflegen. Hierbei ist der Sachverhalt in seiner gesamten Breite, nicht etwa nur in einem typische Züge aufweisenden Sachverhaltskern zu betrachten. In der Bewertung des Geschehens als typisch sind also alle bekannten Umstände – sei es, dass der Kläger sie selbst vorträgt oder, dass sie unstreitig oder vom Gericht festgestellt sind – einzubeziehen; dies ist keine Frage der Entkräftung, sondern der Begründung des Anscheinsbeweises.

Allein die Wahrscheinlichkeit, dass Abrissarbeiten auf einem benachbarten Grundstück zu Erschütterungen führen, die wiederum Rissbildungen an benachbarten Grundstücken verursachen können, reicht unter Berücksichtigung der weiteren Umstände dieses Rechtsstreits nicht aus, einen Anscheinsbeweises zu begründen.

Unstreitig ist das Haus der Klägerin 100 Jahre alt und ist seit Jahren den täglichen Klima- und Umwelteinflüssen ausgesetzt. Die Fassade des Hauses befand sich schon vor den Abrissarbeiten in keinem einwandfreien Zustand, sondern wies bei der ersten Bauzustandsbesichtigung am 05.03.2010 an der straßenseitigen Fassade unterschiedlich lange ( 30 – 70 cm ) Risse, Abplatzungen und Kantenbrüche auf. Der Sachverständige F. hat in die alte Zeichnung der Straßenansicht des Hauses mit roten Ziffern die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20.12.2012 vorgetragenen Risse eingezeichnet. Diese Risse waren fast alle schon in der Bilddokumentation des Sachverständigenbüros G. vom 05.03.2010 sichtbar. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass an den nicht in Augenschein genommen anderen Fassadenteilen des Hauses vor den Abrissarbeiten ebenfalls Risse vorhanden gewesen sind.

Hinzukommt, dass sich das Haus der Klägerin unstreitig in einem Bergwerksgebiet befindet, in dem Erdbewegungen stattfinden können, die Risse erzeugen können. Berücksichtigt werden muss weiterhin, dass es Ende des Jahres 2010 zu Abrissarbeiten von sieben Garagen auf der Rückseite des klägerischen Hauses gekommen ist. Da die in dem Schreiben der Klägerin vom 04.10.2010 beschriebenen Risse in Anzahl und Art nicht mit denen im Schriftsatz vom 20.12.2012 beschriebenen Risse korrespondieren, kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Abrissarbeiten der Garagen ursächlich oder mitursächlich für die Risse geworden sind.

In dem Angebot des Malermeisters W. vom 27.09.2011 ist unter Position 3 von “alten” Rissen die Rede. Das Angebot der Firma K. vom 09.02.2012 weist als Schadensursache eine “Bodensenkung” aus, die auch durch den Bergbau hätte ausgelöst werden können. Schließlich ist der Sachverständige F. aufgrund seiner Prognoseberechnung zu dem Ergebnis gelangt, dass es aus technischer Sicht sehr unwahrscheinlich sei, dass die durch die Baumaßnahmen aufgetretenen Erschütterungen die Anhaltswerte der DIN 4150-3 überschritten hätten. Bei den Rissen im seitlichen und vor allem hinteren Bereich des Hauses sei ein auslösender Einfluss der aufgetretenen Erschütterungen als unwahrscheinlich anzusehen.

In der Gesamtschau dieser einzelnen Umstände reicht daher die bloße Wahrscheinlichkeit, dass Erschütterungen zu Rissbildungen führen können, nicht aus, die Voraussetzungen des Vorliegens eines Anscheinsbeweises zu begründen.

Die Darlegungs- und Beweislast verblieb in vollem Umfang bei der Klägerin.

Den Beweis, dass die von ihr im Schriftsatz vom 20.12.2012 dargelegten Risse ausschließlich auf die Abrissarbeiten der Beklagten zu 2 ) zurückzuführen sind, hat sie nicht geführt. Bei den folgenden Ausführungen wird nach Hausseiten differenziert:

Das Gutachten des Sachverständigen F. befasst sich unter den Punkten 7.7., 7.8. und 7.9. mit Rissen an der straßenseitigen Hausfassade.

Bei Punkt 7.7. dürfte es sich um die in der 2. Nachbegehung vom 23.09.2010 neu festgestellten Risse handeln. Hierzu hat der Sachverständige F. ausgeführt, dass zumindest der Riss Bild 33 schon bei der Bestandsdokumentation vom 05.03.3010 sichtbar gewesen sei ( dort Bild 7 ). Aufgrund der Symmetrie der beiden Risse ( 33, 34 ) müsse davon ausgegangen werden, dass der Riss 34 in ähnlicher Ausprägung auf der linken Seite bereits vorhanden gewesen sei und bei der Bestandsdokumentation, wie der Riss 33, lediglich übersehen worden sei. Aufgrund der Konstruktion und des vorgefundenen Rissverlaufs direkt unter den hoch belasteten Mittelpfetten sei zu vermuten, dass es sich um typische baukonstruktiv bedingte Risse handele. Ein alleiniger Zusammenhang zur Baumaßnahme sei aufgrund seiner Prognoseberechnung nicht herstellbar. Nach dieser Berechnung müsse davon ausgegangen werden, dass die durch die Baumaßnahme aufgetretenen Erschütterungen die Anhaltswerte der DIN 4150-3 nicht überschritten hätten.

Die Risse zu den Punkten 7.8. und 7.9. an der straßenseitigen Fassade konnte der Sachverständige ebenso wenig eindeutig auf die Abrissarbeiten zurückführen. Der mit Ziffer 37 bezeichnete Riss schien schon bei der Vorbesichtigung am 05.03.2010 vorhanden gewesen zu sein. Auch die verschmierte Fuge Ziffer 41 sei auf dem Foto 4 der Bestandsdokumentation erkennbar gewesen.

Die Punkte 7.1., 7.2., 7.3. und 7.4. betreffen die ersten 4 Risse, die im Schriftsatz der Klägerin vom 20.12.2012 genannt sind und die sich sämtlich auf der baustellenabgewandten Rückseite des Gebäudes befinden. Dieser Fassadenteil wurde vor den Bauarbeiten nicht in Augenschein genommen. Zu Punkt 7.1. hat der Sachverständige F. ausgeführt, dass die begründete Vermutung bestehe, dass es sich um typische baukonstruktive Risse handele. Ein alleiniger Zusammenhang zur Baumaßnahme sei nicht feststellbar. Diese These wird durch das Angebot W. gestützt. Dort ist nämlich hinsichtlich des aus zwei Ebenen bestehenden Balkons von “alten Rissen” die Rede.

Der Riss unter Punkt 7.2. sei im Jahr 2005, mithin lange vor den streitgegenständlichen Arbeiten, bereits einmal verschlossen worden und sei somit in den Grundzügen vorhanden gewesen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen F. sei dieser Riss lediglich verspachtelt und nicht fachgerecht saniert worden. Dass sich der Riss im Laufe der Zeit wieder öffnen würde, sei bei der gewählten “Sanierungsmethode” zu erwarten gewesen. Ein ursächlicher Zusammenhang mit den Abrissarbeiten sei nicht feststellbar.

Auch bezüglich der unter den Punkten 7.3. und 7.4. beschriebenen Mängel hat der Sachverständige ausgeführt, dass es sich um baukonstruktiv bedingte Risse handele. Zudem müsse berücksichtigt werden, dass die Entfernung der Rückseite des Hauses zu der Baustelle etwa 30 Meter betrage. Die Risse unter denn Stützpfeilern könnten schon aufgrund ihrer Breite von über 1 mm nicht durch Erschütterungen verursacht worden sein.

Mit einem Riss an der von der Straßenseite aus gesehen rechten Hausfassade befasst sich Punkt 7.5. des Gutachtens ( Riss 30 ). Hier hat der Sachverständige festgestellt, dass aufgrund der Tatsache, dass sich der Riss unter dem Fenster fortsetze und vor der Baumaßnahme schon einmal verschlossen worden sei, die begründete Vermutung bestehe, dass ein Zusammenhang zu den Erschütterungen im Zuge der Baumaßnahmen nicht herstellbar sei.

An der Hauseingangsseite ( linke Hausfassade ) befinde sich der unter Punkt 7.6. beschriebene Riss. Die Rissseite betrage 1 mm und die Rissflanken seien stark erodiert und verschmutzt. Es handele sich um einen Mauerwerksbereich, der aufgrund seiner Lage als sehr rissanfällig bezeichnet werden müsse. Auch hier sei zu vermuten, dass es sich um typische baukonstruktiv bedingte Risse handele.

Die Punkte 7.10. und 7.11. beschreiben schließlich Risse im mittleren Keller. Die zu Punkt 7.10. von dem Sachverständigen festgestellte Hohllage des Putzes könne nicht durch Erschütterungen verursacht worden sein. Hierfür müssten andere Gründe verantwortlich sein, die nicht im Zusammenhang mit der Baumaßnahme stünden. Allein ursächlich für den Riss sei die Hohllage.

Zu Punkt 7.11. hat der Sachverständige ausgeführt, dass anhand der Putzstruktur deutlich zu erkennen gewesen sei, dass dieser Riss schon mindestens einmal provisorisch verschlossen worden sei und sich danach wieder geöffnet habe. Der Putz im oberen Bereich liege hohl. Zwar könne nicht ausgeschlossen werden, dass dieser Riss sich im Zuge der Baumaßnahmen wieder geöffnet habe, aber eine zur Risssanierung erforderliche Rissaufweitung habe wohl nicht stattgefunden.

Zusammenfassend konnte der Sachverständige nicht feststellen, dass ein alleiniger Zusammenhang zwischen den durch die Abrissarbeiten der Beklagten zu 2) entstandenen Erschütterungen und den Rissbildungen geben ist. Allein die Vermutung einer Mitursächlichkeit der Erschütterungen für die Entstehung einzelnen Risse an der straßenseitigen Vorderfront reicht nicht aus, eine kausale Rissbildung konkret zu beweisen. Diese Feststellungen sind zudem nicht für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO geeignet. Die Klägerin hat einen kausalen Schadenseintritt nicht bewiesen und kann von der Beklagten zu 1) keinen Schadenersatz verlangen.

b)

Aus diesem Grund kann auch der Feststellungsantrag keinen Erfolg haben.

2.

Hinsichtlich der Beklagten zu 2) sind die Voraussetzungen für eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB ebenfalls nicht erfüllt. Die Klägerin hat eine schuldhafte Eigentumsverletzung durch die Beklagte zu 2) nicht schlüssig dargelegt.

Ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs.2 Satz 2 BGB besteht – unabhängig von dem Beweisergebnis – gegenüber dem Bauunternehmer nicht. Der Bauunternehmer, der Arbeiten für einen anderen Bauherrn auf einem benachbarten Grundstück ausführt, wird dadurch nicht zu dem Benutzer des Nachbargrundstücks, der dem Eigentümer nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB zum Ausgleich verpflichtet ist ( BGH, Urteil vom 16.07.2010, V ZR 217/09, NJW Spezial 2010, 588 ).

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr.10, 711, 713 ZPO. Gründe gemäß § 543 Abs. 2 ZPO, die es gebieten, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.

Streitwert für die Berufungsinstanz: 11.077,41 €