Ax Vergaberecht

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-vergaberecht.de

Ob der Angebotspreis angemessen und der Bieter in der Lage ist, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen, prognostiziert der öffentliche Auftraggeber aufgrund gesicherter tatsächlicher Erkenntnisse

von Thomas Ax

Nach § 60 Abs. 3 S. 1 VgV darf der öffentliche Auftraggeber den Zuschlag auf ein Angebot nicht erteilen, wenn der Preis oder die Kosten eines Angebots im Verhältnis zu der zu erbringenden Leistung ungewöhnlich niedrig erscheinen und der öffentliche Auftraggeber nach Prüfung die geringe Höhe des angebotenen Preises oder der angebotenen Kosten nicht zufriedenstellend aufklären kann.

Die Feststellung, dass ein Preis ungewöhnlich niedrig ist, kann sich aus dem Preis- und Kostenabstand zu den Konkurrenzangeboten ergeben, aus Erfahrungswerten, die der öffentliche Auftraggeber beispielsweise aus vorangegangenen vergleichbaren Ausschreibungen gewonnen hat, oder aus dem Abstand zur Auftragswertschätzung (Senatsbeschluss vom 16. April 2020 – Verg 37/19).

In der Rechtsprechung der Vergabesenate sind insoweit Aufgreifschwellen anerkannt, bei deren Erreichen eine Verpflichtung des Auftraggebers angenommen wird, in eine nähere Prüfung der Preisbildung des fraglichen Angebots einzutreten, wobei diese Aufgreifschwelle bei einem Preisabstand von 10 % bis 20 % zum nächsthöheren Angebot eingreifen kann (zum Streitstand BGH, Beschluss vom 31. Januar 2017, X ZB 10/16 -; OLG Celle, Beschluss vom 30. September 2009, 13 Verg 10/10 -). Die Aufgreifschwelle ist hier nicht erreicht.

Die Entscheidung darüber, ob der Angebotspreis angemessen und der Bieter in der Lage ist, den Vertrag ordnungsgemäß durchzuführen, prognostiziert der öffentliche Auftraggeber aufgrund gesicherter tatsächlicher Erkenntnisse, wobei ihm – wie bei der Prüfung der Eignung – ein dem Beurteilungsspielraum rechtsähnlicher und von den Vergabenachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbarer Wertungsspielraum zukommt (Senatsbeschlüsse vom 29. Mai 2020 – Verg 26/19 -, und vom 8. Juni 2016 – Verg 57/15 -). Die Prüfung muss zwar einerseits darauf gerichtet sein, eine gesicherte Erkenntnisgrundlage für die nach § 60 Abs. 3 S. 1 VgV zu treffende Entscheidung zu schaffen.

Die Anforderungen an den zu erreichenden Grad der Erkenntnissicherheit sind jedoch beschränkt.

Wegen des Interesses nicht nur des öffentlichen Auftraggebers, sondern auch der Allgemeinheit an einer zügigen Umsetzung von Beschaffungsabsichten und einem raschen Abschluss von Vergabeverfahren sowie wegen der begrenzten Ressourcen und Möglichkeiten des öffentlichen Auftraggebers sind seiner Überprüfungspflicht durch den Grundsatz der Zumutbarkeit Grenzen gesetzt (Senatsbeschlüsse vom 11. Juli 2018 – Verg 19/18 -, und vom 17. Februar 2016 – Verg 28/15 -).