Ax Vergaberecht

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Blauer Engel als relevantes Alleinstellungsmerkmal zum Verzicht auf Wettbewerb?

von Thomas Ax

In der öffentlichen Beschaffung kann neben den funktionalen Eigenschaften von Produkten auch deren Umweltverträglichkeit berücksichtigt werden. Öffentliche Einrichtungen tragen hiermit dazu bei, Umweltbelastungen zu reduzieren, die Markdurchdringung umweltfreundlicher Produkte zu unterstützen und ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden. Vielfach lassen sich auch Kosten einsparen, wenn neben den Anschaffungskosten auch die Lebenszykluskosten in die Wertung von Angeboten einbezogen werden. Gleiches gilt für die Beschaffung in Unternehmen.

Die Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Umweltzeichen haben sich mit der Vergaberechtsreform 2016/2017 erweitert. Diese sind mit deutlichen Erleichterungen sowohl für öffentliche Auftraggeber als auch für Bieter verbunden. So können bei der Formulierung der technischen Anforderungen, der Zuschlagskriterien und der Auftragsausführungsbedingungen öffentliche Vergabestellen nun auf bestimmte Umweltzeichen, wie dem Blaue Engel und dem EU-Umweltzeichen, verweisen. Diese können auch als Nachweis gefordert bzw. genutzt werden. Gleichwertige Umweltzeichen müssen akzeptiert werden. Nur in bestimmten Fällen muss der öffentliche Auftraggeber als Nachweis andere geeignete Belege akzeptieren (§ 34 VgV/ § 24 UVgO).

Falls es keine oder nur wenige Produkte mit dem Blauen Engel gibt, können auch die konkreten Kriterien des Blauen Engels in Ausschreibungen als Anforderungen aufgenommen werden. Die Einhaltung der Kriterien kann dann sowohl durch das Umweltzeichen als auch durch andere Nachweise (zum Beispiel Prüfprotokolle) belegt werden.

Sämtliche für die Bedarfsdeckung erforderlichen Umweltaspekte sind in der Leistungsbeschreibung durch den Auftraggeber niederzulegen. Dabei ist die Leistung eindeutig und erschöpfend zu beschreiben, so dass vergleichbare Angebote erwartet werden können. Eine Leistungsbeschreibung durch einen pauschalen Verweis auf Gütezeichen (gemäß § 34 VgV; § 24 UVgO) ist zulässig. Die öffentliche Beschaffungsstelle hat in diesem Zusammenhang lediglich darauf zu achten, dass die Leistung auch durch den pauschalen Verweis eindeutig und transparent beschrieben wird. Dies ist der Fall, solange sämtliche Merkmale des Gütezeichens für die Leistungserbringung relevant sind, das heißt mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen. Beispielsweise darf für einen pauschalen Verweis das Gütezeichen keine Kriterien enthalten, die die allgemeine Unternehmensführung des Bieters betreffen.

Ein pauschaler Verweis auf ein Gütezeichen ist sinnvoll, wenn es eine hinreichende Anzahl an Produkten unterschiedlicher Hersteller gibt, die mit dem Gütezeichen gekennzeichnet sind. Im Fall der Produkte aus Recyclingkunststoffen wird öffentlichen Beschaffungsstellen daher empfohlen, zunächst auf der Internetseite des Umweltzeichens (www.blauer-engel.de) zu prüfen, ob ausreichend (beispielsweise mehr als drei) Produkte gekennzeichnet und am Markt verfügbar sind.

Wenn dies nicht der Fall ist, wird empfohlen, anstatt des pauschalen Verweises die Kriterien des Umweltzeichens als Ausschluss- und gegebenenfalls als Zuschlagskriterien (Bewertungskriterien) festzulegen.

Ein Verzicht auf Wettbewerb wird vor diesem Hintergrund nur bedingt möglich sein.

Das Vergaberecht regelt nur, in welchem Verfahren und nach welchen Regeln zu beschaffen ist. Die Definition des Beschaffungsbedarfs ist der eigentlichen Vergabe somit vorgelagert (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22. Oktober 2009 – Verg 25/09; Beschluss vom 17. Februar 2010 – Verg 42/09; Beschluss vom 13. April 2016 – Verg 47/15; OLG Jena, Beschluss vom 25. Juni 2014 – 2 Verg 1/14). Eine Vergabe ohne vorhergehende Veröffentlichung einer Bekanntmachung muss die absolute Ausnahme darstellen.

Die Durchführung eines Vergabeverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb erfordert das vom öffentlichen Auftraggeber darzulegende und gegebenenfalls zu beweisende objektive Fehlen von Wettbewerb (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juli 2017 – VII -Verg 13/17 – juris Rn. 29).

Angesichts der negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb sollten Vergabeverfahren ohne vorherige Veröffentlichung einer Auftragsbekanntmachung nur unter sehr außergewöhnlichen Umständen zur Anwendung kommen. Es muss auch ausgeschlossen sein, dass für die Auftragsdurchführung weitere Unternehmen in Frage kommen, die die für den Auftrag notwendigen Fähigkeiten und Ausstattungen rechtzeitig erwerben können. Zweckmäßigkeitsüberlegungen oder rein wirtschaftliche Vorteile im Falle der Leistungserbringung durch ein bestimmtes Unternehmen reichen nicht aus (Ziekow/Völlink/Völlink, 4. Aufl., VgV § 14 Rn. 51 m. w. N.).

Es darf auch keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung geben und der mangelnde Wettbewerb darf nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter sein. Die grundsätzlich gegebene Freiheit des Auftraggebers, den Gegenstand der Beschaffung nach seinen Zwecken und Bedürfnissen zu bestimmen, unterliegt insoweit engeren vergaberechtlichen Grenzen als dies bei Durchführung eines wettbewerblichen Verfahrens der Fall ist.

Eine Leistungsbestimmung, die zu einem völligen Wettbewerbsverzicht führt, bedarf größerer Rechtfertigungstiefe als eine solche, die unter Aufrechterhaltung des Vergabewettbewerbs im Ergebnis (nur) zu einer hersteller- oder produktbezogenen Leistungsspezifikation gemäß § 31 Abs. 6 VgV führt (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Juli 2017 – VII-Verg 13/17 – juris Rn. 35; Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 14 Rn. 46 mwN). Im Ausgangspunkt ist es im Sinne der auch dem öffentlichen Auftraggeber zustehenden Privatautonomie seine Sache, zu definieren, was er beschaffen möchte.

Nur Situationen einer objektiven Ausschließlichkeit können den Rückgriff auf das Verhandlungsverfahren ohne vorherige Veröffentlichung rechtfertigen, sofern die Ausschließlichkeitssituation nicht durch den öffentlichen Auftraggeber selbst mit Blick auf das anstehende Vergabeverfahren herbeigeführt wurde. Ist die Ausschließlichkeitssituation auf technische Gründe zurückzuführen, so sollten diese im Einzelfall genau beschrieben und nachgewiesen werden. Als solche könnten beispielsweise angeführt werden, dass es für einen anderen Wirtschaftsteilnehmer technisch nahezu unmöglich ist, die geforderte Leistung zu erbringen.“ Vor diesem Hintergrund sind an die Dokumentation im Vergabeverfahren besondere Anforderungen zu stellen. Die Umstände, die die Anwendung dieses Verfahrens rechtfertigen, sind vom Vergabevermerk umfasst. Diese Pflicht dient dazu, die Gründe für Auswahlentscheidungen nachvollziehbar zu machen und sichert so das Transparenzgebot ab.

Zwingend nötig ist eine anforderungsgerechte Markterkundung.

Im Rahmen der Markterkundung kann zwar nicht verlangt werden, dass der öffentliche Auftraggeber sich so umfassende Kenntnisse aneignet, die etwa vergleichbar der bei dem Hersteller vorhandenen Expertise sein müssten. Dies würde gerade bei hochkomplexen Beschaffungsgegenständen wie dem vorliegenden auf eine Überforderung des Auftraggebers hinauslaufen und die zwingende Beauftragung von Gutachtern zur Festlegung des Beschaffungsgegenstandes erforderlich machen. Regelmäßig dürfte es ausreichen, wenn sich der Auftraggeber bei anderen Nutzern vergleichbarer Produkte über die Vor- und Nachteile und die insoweit bestehenden Erfahrungen erkundigt und öffentlich verfügbare Quellen, wie hier z.B. Forschungsberichte, die Angaben zu den verwendeten […] und den diesbezüglichen Umständen beinhalten, zu Rate zieht.

Was nicht ausreicht (Bsp.):

„Dieser Anforderung genügt die vorgelegte Dokumentation in der Vergabeakte nicht, auch nicht unter Hinzuziehung des Vortrags im Laufe des Nachprüfungsverfahrens. Hinsichtlich der geführten Gespräche bleibt z.B. unklar, nach welchen Gesichtspunkten die Gesprächspartner ausgewählt wurden, welcher Gesprächspartner welche Information geliefert hat, welche […]Modelle welcher Generation von den Gesprächspartnern konkret verwendet wurden, ob die Kontaktperson selbst einen eigenen Vergleich der Geräte der Bg wie der ASt vornehmen konnte oder nur über Erfahrungen mit einem der infrage kommenden Hersteller berichten konnte. Mangels hinreichender Dokumentation der Gespräche wird schon nicht deutlich, ob sich diese im Ergebnis mit der Vergabeentscheidung der Ag decken oder ob hier, z.B. hinsichtlich einzelner Gesichtspunkte oder auch deren Gewichtung, auch abweichende Auffassungen vertreten wurden.“

Zudem muss eine ausreichende Befassung mit möglichen Alternativen dokumentiert sein. Es darf keine vernünftige Alternative oder Ersatzlösung bestehen und der mangelnde Wettbewerb darf nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung der Auftragsvergabeparameter ist. Die technischen Besonderheiten, auf die der Auftraggeber das Fehlen von technischem Wettbewerb stützt, müssen von herausragender Bedeutung sein. Das Fehlen einer vernünftigen Ersatzlösung oder Alternative ist nicht schon dann anzunehmen, wenn das vom öffentlichen Auftraggeber favorisierte Produkt in einzelnen Merkmalen anderen am Markt erhältlichen Produkten überlegen ist (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07. Juni 2017 – VII-Verg 53/16, juris-Rn. 37). Der oben zitierte Erwägungsgrund der Richtlinie spricht sogar weitergehend davon, dass es für einen andern Wirtschaftsteilnehmer „technisch nahezu unmöglich“ sein muss, die Leistung zu erbringen.

Was nicht ausreicht (Bsp.):

 „Es stellt keine Überspannung der Anforderungen an die Intensität der Markterkundung dar, die Berücksichtigung derartiger allgemeiner Umstände von einem Endanwender hochtechnisierter Geräte wie der hier streitgegenständlichen […]e zu verlangen. Wenn aus der Vielzahl möglicher qualitativer Unterschiede zwischen den Produkten unterschiedlicher Hersteller einzelne herausgegriffen werden, um das Fehlen von Wettbewerb aus technischen Gründen zu bejahen, besteht eine besondere Begründungslast auf Seiten des Auftraggebers, der die Ag vorliegend, ausgehend von der Dokumentation des Vergabeverfahrens und der Stellungnahmen im Nachprüfungsverfahren, nicht genügt hat.“

Die auf Basis einer solchen Markterkundung getroffene Entscheidung kann dazu führen, dass grundsätzlich bestehender Wettbewerb nicht nur durch eine produktspezifische Ausschreibung eingeschränkt, sondern gänzlich ausgeschlossen wird, was einer wesentlich größeren Rechtfertigungstiefe bedarf (vgl. OLG Düsseldorf, Beschl. v. 07. Juni 2017 – VII-Verg 53/16, juris-Rn. 34). Eine solche Rechtfertigung bedarf auch einer eingehenden Dokumentation.

Gerne können wir wenn denn das gewünscht sein sollte eine Markterkundung durchführen und diese dokumentieren.

Sprechen Sie uns gerne an.