vorgestellt von Thomas Ax
Eine Bauhandwerkersicherheit nach § 648a BGB a.F. (§ 650f BGB n.F.) soll keine Vorleistung des Unternehmers absichern, sondern dessen Vergütungsanspruch. Deshalb reicht es für den Anspruch des Unternehmers auf Leistung der Sicherheit aus, dass ihm noch ein Vergütungsanspruch zusteht. Die Vorschrift des § 648a Abs. 5 Satz 1 BGB a.F. lässt den einklagbaren Sicherungsanspruch des Unternehmers unberührt und gibt diesem für den Fall nicht bzw. unzureichend erbrachter Sicherung ein Kündigungsrecht sowie ein Leistungsverweigerungsrecht für den Fall, dass vom Besteller die Fortsetzung der Arbeiten bzw. Mängelbeseitigungsarbeiten verlangt werden.
OLG München, Beschluss vom 21.11.2019 – 28 U 3648/19 Bau
Gründe
I.
Die Klägerin begehrt vom Beklagten die Stellung einer Bauhandwerkersicherheit gem. § 648a BGB a.F..
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts München I vom 04.06.2019 Bezug genommen.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Stellung einer Bauhandwerkersicherheit in Höhe von 201.364,84 Euro verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen (eingeklagt war zuletzt eine Bauhandwerkersicherheit in Höhe von 203.432,28 Euro).
Hinsichtlich der Antragstellung erster Instanz wird auf den Tatbestand und hinsichtlich der Begründung des Ersturteils wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen landgerichtlichen Urteils sowie auf die Zusammenfassung unter Ziffer I. der Senatsverfügung vom 30.10.2019 Bezug genommen.
Der Beklagte will mit seiner Berufung eine Abänderung des Ersturteils und Klageabweisung erreichen.
Wegen der Berufungsrügen des Beklagten wird auf die Zusammenfassung unter Ziffer II. der Senatsverfügung vom 30.10.2019 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt der Beklagte,
unter Abänderung des am 04.06.2019 verkündeten Urteils des Landgerichts München I, Aktenzeichen 5 O 9957/18, die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt im Berufungsverfahren:
Die Berufung des Beklagten gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 4.6.2019 zu Aktenzeichen 5 O 9957/18 wird abgewiesen.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass sie auch nach der durch den Beklagten erklärten Kündigung des Bauvertrages sowohl vor als auch nach der Abnahme ihrer bis dahin erbrachten Werkleistungen einen Anspruch gem. § 648 a BGB a.F. habe, wobei aufgrund übereinstimmender Erklärungen der Parteien im Vorprozess vor dem Landgericht München I, Az.: 2 O 11107/18 von einer Abnahme durch Ingebrauchnahme am 1.6.2017 auszugehen sei.
Ausreichend sei eine schlüssige Darlegung seiner Vergütungsforderung durch den Werkunternehmer, Streitfragen zu einzelnen Abrechnungspositionen seien im Zahlungsprozess zu klären. Etwaige beklagtenseits behauptete Gegenforderungen seien bei der Bemessung der Höhe der zu bestellenden Sicherheit unbeachtlich.
Die Argumentation des Beklagten, wonach der Anspruch auf Gestellung der Sicherheit schon deshalb entfalle, weil beklagtenseits keine Mängel gerügt oder Gewährleistungsansprüche geltend gemacht worden seien, verfange nicht. Der diesbezügliche Sachvortrag des Beklagten sei präkludiert. Im Übrigen führe die Auffassung des Beklagten zu dem absurden Ergebnis, dass ein Auftraggeber sich seiner Verpflichtung zur Gestellung einer Sicherheit bereits mit dem Argument entziehen könne, dass er keine Gewährleistungsansprüche behaupte.
Die Berufung verkenne den eigentlichen Hauptzweck der Regelung des § 648a BGB a.F. Dieser bestehe darin, den Unternehmer – auch nach Beendigung des Bauwerkvertrages – vor dem Risiko einer ungesicherten Werkleistung zu schützen. Gerade die bisherige Vorgehensweise des Beklagten, welcher versucht habe, sich durch völlig unbegründete Einwände seinen Verpflichtungen zu entziehen, zeige, wie notwendig die Absicherung der klägerischen Werklohnforderung sei.
Im Übrigen stimme es nicht, dass der Beklagte keine Gewährleistungsansprüche geltend mache, auch sei die Gewährleistungsfrist noch nicht abgelaufen.
Der Senat hat mit Verfügung vom 30.10.2019 (Bl. 108/111 d.A.) darauf hingewiesen, dass und – Seite 4 – warum er beabsichtigt, die Berufung gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Hierzu ging fristgemäß ein Schriftsatz des Berufungsführers vom 15.11.2019 (Bl. 112/114 d.A.) ein.
Auf die Schriftsätze der Parteien im Berufungsverfahren wird im Übrigen Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 04.06.2019, Aktenzeichen 5 O 9957/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 30.10.2019 Bezug genommen.
Die Ausführungen in der Gegenerklärung geben zu einer Änderung keinen Anlass.
Hierzu ist Folgendes auszuführen:
1. Keine ausstehenden Leistungen der Klägerin
a) In seiner Gegenerklärung argumentiert der Beklagte, wie bereits in der Berufungsbegründung, damit, dass es keine Leistungen gebe, welche von der Klägerin noch zu erbringen wären, da der Bau nach der außerordentlichen Kündigung durch Dritte vollständig fertiggestellt worden und durch den Beklagten in Gebrauch genommen worden sei, wobei weder vor noch nach Abnahme Mängel gerügt worden seien. Da es nichts von der Klägerin zu verweigern gebe, könne auch keine Sicherheit für eine Mangelbeseitigung gefordert werden.
b) Diese Argumentation vermag der Berufung des Beklagten nicht zum Erfolg zu verhelfen.
Der Senat hält an der im vorangegangenen Hinweis dargelegten Auffassung fest, wonach der auf den vorliegenden Fall anzuwendende § 648a BGB in der Fassung vom 23.10.2008 (gültig vom 1.1.2009 bis 31.12.2017) keine Vorleistung des Unternehmers absichern soll, sondern dessen Vergütungsanspruch, weshalb es für den Anspruch des Unternehmers auf Leistung der Sicherheit ausreicht, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht.
Entgegen der Auffassung der Berufung geht es bei § 648a BGB in der Fassung vom 23.10.2008 nicht um eine Absicherung des Unternehmers für etwaige Mängelbeseitigungsarbeiten, sondern um die Absicherung seines Vergütungsanspruchs.
Während der Unternehmer nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung vom 2.1.2002 vom Besteller Sicherheit “für die von ihm zu erbringenden Vorleistungen einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen” verlangen konnte und ihm für den Fall, dass der Besteller die geforderte Sicherheit nicht binnen einer ihm vom Unternehmer gesetzten angemessenen Frist leistete, lediglich ein Leistungsverweigerungsrecht zustand, hat sich der Gesetzgeber im Forderungssicherungsgesetz dafür entschieden, dem Unternehmer einen klagbaren Anspruch auf Sicherheitsleistung für seinen Vergütungsanspruch zu gewähren.
Dies ergibt sich eindeutig aus § 648a Abs. 1 Satz BGB in der Fassung vom 23.10.2008, wonach der Unternehmer Sicherheit “für die auch in Zusatzaufträgen vereinbarte und nicht gezahlte Vergütung einschließlich dazugehöriger Nebenforderungen” fordern kann.
Dementsprechend hat der BGH in seinem Urteil vom 6.3.2014, Az.: VII ZR 349/12 ausgeführt:
“Das Gesetz bezweckt danach ersichtlich eine Abkehr von dem zweifelhaften Ansatz des § 648 BGB a.F., wonach Voraussetzung eines Sicherungsanspruchs ist, dass noch Vorleistungen ausstehen. Die Altfassung führt dazu, dass nach Beendigung eines Vertrages noch die volle Sicherheit gefordert werden kann, wenn geringe Mängel abzuarbeiten sind, ein Sicherungsbegehren jedoch erfolglos bleibt, wenn der Unternehmer mangelfrei gearbeitet hat. Für dieses Ergebnis gibt es keine innere Rechtfertigung, weil ein Sicherungsbedürfnis in beiden Fällen vorliegt. Nunmehr stellt das Gesetz in der Neufassung konsequent auf das Sicherungsinteresse des Unternehmers ab, das solange besteht, wie sein Vergütungsanspruch nicht befriedigt worden ist. Nach der Neuregelung des § 648 a Abs. 1 Satz 1 BGB reicht es daher für einen Anspruch des Unternehmers gegen den Besteller auf Leistung einer Sicherheit aus, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht.“
Aus dem durch die Berufung bemühten § 648a Abs. 5 Satz 1 BGB in der Fassung vom 23.10.2008 ergibt sich nichts Gegenteiliges.
§ 648 a Abs. 5 Satz 1 BGB in der Fassung vom 23.10.2008 lautet:
“Hat der Unternehmer dem Besteller erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung der Sicherheit nach Absatz 1 bestimmt, so kann der Unternehmer die Leistung verweigern oder den Vertrag kündigen.“
§ 648a Abs. 5 Satz 1 BGB lässt den einklagbaren Sicherungsanspruch des Unternehmers unberührt und gibt diesem für den Fall nicht bzw. unzureichend erbrachter Sicherung ein Kündigungsrecht sowie ein Leistungsverweigerungsrecht für den Fall, dass vom Besteller die Fortsetzung der Arbeiten bzw. Mängelbeseitigungsarbeiten verlangt werden.
Die in der Gegenerklärung zitierte Literatur und Rechtsprechung aus dem Zeitraum vor Inkrafttreten des § 648a BGB in der Fassung vom 23.10.2008 am 1.1.2009, betrifft naturgemäß die vorangegangene Fassung der Vorschrift und ist nicht einschlägig.
c) Soweit sich der Beklagte in seiner Gegenerklärung auf die Kommentierung in Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 4. Auflage 2014 bezieht, aus der sich ergebe, dass Voraussetzung für eine Klage auf Sicherheit nach § 648a BGB in der Fassung durch das Forderungssicherungsgesetz sei, dass der Unternehmer tatsächlich in der Lage und bereit sei, Mängel zu beseitigen, ist dies der angegebenen Kommentierung tatsächlich nicht zu entnehmen.
Unter Rn. 135 a.a.O wird ausgeführt, dass noch nicht geklärt sei, welchen Gegenstand die Sicherheit im Falle der Kündigung abdecken soll und dass vieles dafür spreche, nicht nur das bestehende, restliche Vorleistungsrisiko abzusichern, sondern auch die Vergütung für bereits erbrachte Leistungen.
Nach Auffassung des Senats hat der BGH in seinem Urteil vom 6.3.2014, Az.: VII ZR 349/12 zum Ausdruck gebracht, dass es für einen Sicherungsanspruch des Unternehmers nach § 648a Abs. 1 Satz 1 BGB in der Fassung des Forderungssicherungsgesetzes nicht mehr um die Absicherung etwaiger zu erbringender Vorleistungen sondern um die Absicherung des Vergütungsanspruchs des Unternehmers geht. Diese Rechtsauffassung wird vom Senat geteilt.
Im Übrigen ist vorliegend die Gewährleistungsfrist für die durch die Klägerin erbrachten Leistungen noch nicht abgelaufen, weshalb es jedenfalls nicht ausgeschlossen ist, dass die Klägerin diesbezüglich noch Mängelbeseitigungsarbeiten zu erbringen hat.
2. “Zum Bauen bestimmte Finanzmittel“
Soweit der Beklagte in seiner Gegenerklärung unter Bezugnahme auf das Urteil des BGH vom 6.3.2014 meint, dass die Klägerin sich im Zeitpunkt ihrer Klage auf Sicherheit keinen Zugriff auf “zum Bauen bestimmte Finanzmittel” mehr eröffnen könne, da der Bau bereits seit 1 Jahr vollständig fertiggestellt und vom Beklagten bezogen worden sei, verfängt dies nicht.
Die Behauptung des Beklagten, wonach der BGH in seinem Urteil ausführe, dass es sich bei den Finanzmitteln “um zum Bauen bestimmte Finanzmittel” handle, ist ersichtlich irreführend und unzutreffend.
Der BGH verwendet den Begriff “die zum Bauen bestimmten Finanzmittel des Bestellers” in Rn. 18 seines Urteils im Zuge seiner zusammenfassenden Darstellung der bisherigen veröffentlichen Rechtsprechung zu der Frage, ob eine Kündigung an der von dem Unternehmer zu beanspruchenden Sicherheit der Höhe nach etwas ändere. Den Entscheidungsgründen ist jedoch nicht zu entnehmen, dass der BGH sich diesen Begriff zu Eigen gemacht hätte. An keiner Stelle seines Urteils finden sich Anhaltspunkte dafür, dass der BGH davon ausgeht, dass die Fertigstellung und Ingebrauchnahme des Werks des Unternehmers dessen Anspruch auf Sicherheit entfallen lassen könnte. Im Gegenteil lässt es der BGH für den Anspruch des Unternehmers auf Gestellung einer Sicherheit ausreichen, dass dem Unternehmer noch ein Vergütungsanspruch zusteht.
Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgt gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 3 ZPO, 47, 48 GKG bestimmt.