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OLG Dresden: Putz löst sich von den Wänden: Keine Mängelhaftung trotz fehlender Bedenkenanzeige

vorgestellt von Thomas Ax

Der Auftragnehmer haftet nicht für die Ablösung des Putzes von den Wänden, wenn die Ursache hierfür nicht auf eine mangelhafte Leistung zurückzuführen ist, sondern auf eine Restfeuchte in den Betonnestern hinter den Polystyrolelementen, und eine Bedenkenanzeige durch den Auftragnehmer nicht veranlasst war.
OLG Dresden, Urteil vom 23.09.2022 – 22 U 1625/21

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten aus einem Bauvertrag vom 07./14.01.2014 über das Gewerk Innenputz zum Bauvorhaben “Einfamilienhaus …allee .. in O1” nach der Beseitigung von angezeigten Mängeln Aufwendungsersatz i.H.v. 41.143,01 EUR. Wegen des unstreitigen Sachverhaltes, des streitigen Vortrages sowie der Antragstellung der Parteien in erster Instanz wird auf den übersichtlichen Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 20.07.2021 abgewiesen. Zwar stehe außer Streit, dass in verschiedenen Räumen des von der Klägerin erbauten Einfamilienhauses Putz großflächig hohl lag und von den Wänden zu fallen drohte. Eine Ablösung des Putzes von den Wänden sei jedoch nicht auf eine mangelhafte Werkleistung des Beklagten zurückzuführen; eine Bedenkenanzeige durch ihn sei nicht veranlasst gewesen. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Gegen dieses ihr am 23.07.2021 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 04.08.2021 beim Oberlandesgericht eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag Berufung eingelegt und diese mit am selben Tag eingegangenem Schriftsatz vom 16.09.2021 begründet. Sie habe im Anschluss an das Beweissicherungsverfahren bei dem Labor … GmbH (M…) ein weiteres Gutachten zur Materialuntersuchung vom 28.10.2020 (Anlage K 13) eingeholt zur Aufklärung des Widerspruchs, warum bei ca. 30 % des Innenputzes dieser großflächig keine Bindungswirkung zu Mauerwerk erzielt habe und deshalb großflächig abgefallen sei. Nach dem Gutachten (SV1) empfehle der Hersteller des Gipsputzes eine Verwendung von Betonkontakt für sein Gipsputz nicht; vielmehr werde das unstreitig verwendete Betonkontaktmittel Primo Color nur als Haftbrücke zur Verbesserung der Putzhaftung auf schalglatten Beton und für gipshaltige Maschinenputze empfohlen. Der Gerichtssachverständige SV2 habe nicht geprüft, ob das verwendete Betonkontaktmittel für den hier vorliegenden Untergrund aus Styropor geeignet sei. Diesen Widerspruch habe das Landgericht nicht aufgeklärt und sei daher zu fehlerhaften Schlussfolgerungen hinsichtlich der Mangelverursachung gekommen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Leipzig, Az.: 02 O 2361/20 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 41.143,01 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (17.12.2020) zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Die Behauptung des Sachverständigen SV1 in dem von der Klägerin beauftragten Untersuchungsbericht vom 28.10.2020, die Firma F1 GmbH empfehle einen Betonkontakt nicht, sei substanz- und zusammenhangslos sowie ohne jedwede Quellenangabe in den Raum geworfen. Zudem hätte sich der Putz – hätte es keine kraftschlüssige Verbindung gegeben – sofort und nicht Jahre später abgelöst. Da kein roter Betonkontakt an der Putzunterseite der Proben festgestellt worden sei, müsse es entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen SV2 über einen längeren Zeitraum durch Austritt von Restfeuchte im Wandkern (Beton) zur Zerstörung der Gipskristalle und damit zur Ablösung des Putzes vom Betonkontakt gekommen sein.

Vor Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung hat der Senat nach § 358a ZPO mit Beweisbeschluss vom 02.11.2021 den erstinstanzlich beauftragten Sachverständigen SV2 beauftragt, seine gutachterlichen Feststellungen aus dem vor dem Landgericht Leipzig im selbständigen Beweisverfahren (Az.: 02 OH 37/18) erstellten Gutachten vom 10.12.2019 sowie aus der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2019, die das Landgericht im hiesigen Ausgangsverfahren (Az.: 02 O 2361/19) zur Grundlage seiner Entscheidung genommen hat, zu ergänzen. Insbesondere sollte der Sachverständige zu den von der Klägerin im Berufungsschriftsatz vom 15.09.2021 in Bezug genommenen fachlichen Ausführungen aus dem von ihr eingeholten Gutachten des Herrn SV1, Labor … GmbH vom 28.10.2020 (Anlage K 13) gutachterlich Stellung nehmen und darlegen, ob sich an dem Ergebnis seiner erstinstinzlichen Feststellungen hierdurch Änderungen ergeben. Dabei sollte er zudem auf einzelne, vom Senat besonders hervorgehobene Punkte näher eingehen.

Der Sachverständige erstellte sein ergänzendes Gutachten unter dem 02.03.2022. Während der Beklagte hierzu in der Folge keine Stellung genommen hat, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 04.05.2022 zusätzliche Fragen an den Sachverständigen gerichtet. Zudem hat sie die Frage aufgeworfen, ob nicht ein ergänzendes Sachverständigengutachten eingeholt werden müsse.

Darüber hinaus trägt die Klägerin mit dem Schriftsatz vom 04.05.2022 – erstmals, in der Folge aber unbestritten – vor, dass die Parteien einen (als Anlage zum Schriftsatz beigefügten, GA 118) Rahmenvertrag abgeschlossen hätten, der auch für die streitgegenständliche vertragliche Vereinbarung gelte und nach dem die Oberfläche für die Herstellung des Innenputzes vor Beginn der Arbeit mit einem Stahlbesen scharf abzufegen sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 08.07.2022 hat der Senat den Sachverständigen ergänzend angehört. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 08.07.2022 Bezug genommen.

Mit entsprechend nachgelassenem Schriftsatz vom 16.08.2022 hat die Klägerin zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung genommen. Zudem hat sie erstmalig den Beklagtenvortrag aus der mündlichen Verhandlung bestritten, wonach dieser in den vergangenen Jahren bei den rund 200 verputzten Häusern die von ihm näher beschriebene Technologie angewandt habe, wonach er immer den Teil der Putzflächen, den er an dem Tag schaffen konnte, aufgeraut habe, während er den anderen Teil mit Betonkontakt vorbehandelt habe. Sie beruft sich ferner darauf, dass der Beklagte keine Feuchtemessung durchgeführt habe und nach den vertraglichen Vereinbarungen sämtliche Flächen mit einem Stahlbesen scharf abzufegen hatte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil, die zu den Akten gelangten Schriftsätze samt Anlagen sowie den Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.

II.

Die gemäß § 511 ZPO statthafte und zulässige, insbesondere gemäß §§ 517, 519, 520 ZPO form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Auf den hier maßgeblichen Bauvertrag vom 07. / 14.01.2014 über das Gewerk Innenputz zum Bauvorhaben “Einfamilienhaus …allee … in O1”, in dem die Parteien nicht die Geltung der VOB/B vereinbart haben, ist das Werkvertragsrecht des BGB (§§ 631 ff.) in seiner bis zum 31.12.2017 (und damit vor Einführung der §§ 650a ff. BGB) geltenden Fassung anzuwenden.

2. Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil die streitgegenständliche Ablösung des Putzes von den Wänden – entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht auf eine mangelhafte Werkleistung des Beklagten zurückzuführen ist und eine Bedenkenanzeige durch ihn nicht veranlasst gewesen ist.

Nach den §§ 633, 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 BGB kann die Klägerin als Bestellerin wegen eines Mangels des Werkes nach erfolglosem Ablauf einer zur Nacherfüllung bestimmten angemessenen Frist den Mangel selbst beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn nicht der Unternehmer – hier der Beklagte – die Nacherfüllung zu Recht verweigert (hat).

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme scheitert der Anspruch der Klägern bereits daran, dass das Werk des Beklagten – Aufbringen eines neuen Innenputzes – nicht mangelhaft gewesen ist.

Hierzu hatte bereits das Landgericht im angefochtenen Urteil überzeugend ausgeführt, dass sich nach dem schriftlichen Gutachten des Sachverständigen SV2 vom 10.12.2019 aus dem beigezogenen selbständigen Beweisverfahren des Landgerichts Leipzig (Az.: 02 OH 37/18) sowie dessen Ausführungen aus der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2019 nicht bestätigt habe, dass der Mangel des Putzes durch den Beklagten zu vertreten sei. Zur Vermeidung von Wiederholungen kann auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil zunächst vollumfassend Bezug genommen werden.

Die hiergegen von der Klägerin mit der Berufung geltend gemachten Einwendungen greifen nach dem Ergebnis der weiteren durch den Senat vorgenommenen Beweisaufnahme nicht durch. Auch nach dem ergänzenden Gutachten des Sachverständigen SV2 vom 02.03.2022 und dessen informatorischer Anhörung im Termin zu mündlichen Verhandlung vom 08.07.2022 steht zur Überzeugung des Senats (weiterhin) fest, dass die Klägerin eine mangelhafte Werkleistung des Beklagten nicht nachgewiesen hat.

a) Insbesondere hat sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme gerade nicht ergeben, dass das unstreitig verwendete Betonkontaktmittel “Primo Color” als Haftbrücke auf den streitgegenständlichen Wandoberflächen aus Styropor bzw. Polystyrol (Schalsteine des Herstellers Ax) ungeeignet gewesen ist.

Der Sachverständige SV2 hat für den Senat schlüssig und nachvollziehbar zum Ausdruck gebracht, dass die ergänzenden Fragen der Klägerin aus ihrer Berufung keinen Anlass geben, seine Ausführungen aus der mündlichen Verhandlung vom 30.07.2019 sowie aus seinem schriftlichen Gutachten vom 10.12.2019 zu ändern. Nach seinen Feststellungen, insbesondere dem technischen Merkblatt der Haftbrücke “Primo Color”, handelt es sich bei diesem Produkt um eine “gefüllte, quarzhaltige Emulsion mit Feinputzcharakter auf Acrylbasis zur Herstellung von Haftbrücken im Innenbereich”. Es sei deshalb für die Verarbeitung auf nicht oder kaum saugfähigen Untergründen vorgesehen. Dazu zählten Beton und das hier verwendete Polystyrol. Eine Unverträglichkeit oder eine zu geringe Haftung liege hier nicht vor; denn bei der Bauteilöffnung sei eine ausreichende Haftung gerade festgestellt worden. Die Grundierung auf dem Polystyrol habe eine einwandfreie Haftung gehabt. Problematisch gewesen sei lediglich die Haftungsvermittlung zwischen Grundierung und Putz. Zwar habe die Ablösung des Gipsputzes genau auf der Oberfläche des Betonkontakts stattgefunden; dies lasse sich jedoch dadurch erklären, dass es aufgrund der bereits im Erstgutachten festgestellten Restfeuchte im Beton und deren verzögerter Diffusion durch das Polystyrol zu einer Umkristallisation gekommen sei. Insofern habe die Grundierung die Feuchte über einen längeren Zeitpunkt zusätzlich zurückgehalten, sodass sie erheblich länger habe einwirken können. Dadurch seien die Kristalle zu anderen modifiziert wodurch, wodurch die Haftung verloren gegangen sei.

Der Senat schließt sich in seiner Überzeugungsbildung vollumfänglich den Ausführungen des Sachverständigen SV2 an. Dieser hat sein Gutachten überzeugend und gut nachvollziehbar, ohne Widersprüche und Lücken erstattet sowie die Umstände zu den Ursachen, die zur Ablösung des Putzes an den Wandflächen des streitgegenständlichen Objekts geführt haben, so klar und verständlich dargelegt, dass der Senat diesem ohne Mühe folgen konnte.

Es steht daher zur Überzeugung des Senats fest, dass Ursache der Ablösung des Putzes die Restfeuchte in den Betonnestern hinter den Polystyrolelementen gewesen ist. Da diese aber nicht der Beklagte zu verantworten hat, sondern die Klägerin, kommt eine Mängelhaftung des Beklagten diesbezüglich nicht in Betracht.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 16.08.2022 hat der Beklagte den Mangel der Putzoberflächen auch nicht deshalb zu vertreten, weil er eindeutige Vorgaben für die Vorbereitung der Oberflächen aus dem zwischen Klägerin und Beklagten bestehenden Rahmenvertrag (vgl. Anlage zum Schriftsatz vom 04.05.2022, GA 118) verletzt hätte.

Zwar ist richtig, dass es dort unter dem Abschnitt ‘Leistungsumfang der Innenputzarbeiten’ heißt, dass “die Wandflächen … vor dem Putzauftrag mit einem Stahlbesen scharf abzufegen” seien. Gleichzeitig heißt es jedoch in dem vorhergehenden Abschnitt ‘Grundsätzlich gelten’: “Der Auftragnehmer hält strikt die Verarbeitungsvorschriften des Putzherstellers ein.” Insofern erweisen sich die vertraglichen Vorgaben für den Beklagten als widersprüchlich. Denn nach dem technischen Merkblatt zu dem hier verwendeten Putz “Baumit 2000” (Anlage B 2, dort Unterpunkt “Untergrund”) waren “die Betonflächen (max. Betonfeuchte 3 Gew.-%) und andere glatte, nicht saugfähige Untergründe, mit einem geeigneten Haftvermittler, z. B. BetonKontakt, vor(zu)behandeln”. Folgerichtig hatte der Beklagte, da er sich strikt an die Verarbeitungsvorschriften des Putzherstellers zu halten hatte, einerseits einen Haftvermittler aufzutragen, aber andererseits auch die Wandflächen vor dem Putzauftrag mit einem Stahlbesen scharf abzufegen. Insofern räumt die Klägerin (zu Recht) selbst ein, dass beides gleichzeitig nicht möglich bzw. sinnvoll ist. Besteht aber ein offensichtlicher Widerspruch, kann dem Beklagten nicht vorgehalten werden, dass er die deutlich strenger gehaltene Vorgabe aus dem Rahmenvertrag (strikte Einhaltung der Verarbeitungsvorschriften des Putzherstellers) eingehalten hat.

c) Schließlich liegt auch kein Mangel der Werkleistung darin bzw. kann dem Beklagten auch nicht vorgeworfen werden, er habe keine Feuchtemessung durchgeführt.

Unabhängig davon, dass die Durchführung einer entsprechenden Feuchtemessung zwischen den Parteien streitig geblieben ist, hat der Sachverständige im Termin zur Überzeugung des Senats ausgeführt, dass aufgrund der diffusionsbremsenden Eigenschaft des verwendeten Polystyrols Duotherm unmittelbar vor Durchführung des Verputzens nicht damit zu rechnen war, dass die Feuchtigkeit aus den Betonnestern bereits zu einer überhöhten Feuchtigkeit im Polystyrol geführt hätte. So hat der Sachverständige auf Vorhalt der Klägerseite ausdrücklich ausgeführt, dass, wenn der Beklagte seinerzeit mit einem Messgerät 2 cm unterhalb der Oberfläche des Polystyrols gemessen habe, die Feuchtigkeit ohne weiteres darunter gelegen haben könnte, da die Schichtdicke immerhin 54 m betrage. Zu einer tieferen Messung wäre der Beklagte auch nicht verpflichtet gewesen, da nach Aussage des Sachverständigen die Feuchte auf dem Putzgrund zu messen ist, wobei Putzgrund “Oberfläche Styropor” bedeutet.

III.

Eine Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.

V.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 3 ZPO, §§ 43, 47, 48 GKG.