von Thomas Ax
Eine Anfechtung ist möglich, wenn der Erklärende die Willenserklärung bei Kenntnis der Sachlage und bei verständiger Würdigung des Falles nicht abgegeben haben würde. Nicht anfechtbar ist hingegen ein sog. Kalkulationsirrtum, der vorliegt, wenn der Irrtum im Stadium der Willensbildung unterlaufen ist. Er berechtigt grundsätzlich nicht zur Anfechtung, weil derjenige, der aufgrund einer für richtig gehaltenen, in Wirklichkeit aber unzutreffenden Berechnungsgrundlage einen bestimmten Preis oder eine Vergütungsforderung ermittelt und seinem Angebot zugrunde legt, auch das Risiko dafür trägt, dass seine Kalkulation zutrifft. Dabei macht es keinen wesentlichen Unterschied, wenn die falsche Berechnung auf Fehlern einer vom Erklärenden verwendeten Software beruht (BGH, Urteil vom 7. Juli 1998 – X ZR 17/97, juris Rn. 13; BGH, Urteil vom 26. Januar 2005 – VIII ZR 79/04, juris Rn. 17).
Ist der Irrtum bereits im Vorfeld des Gebots entstanden, nämlich bei der Kalkulation der Einheitspreise, nicht erst bei der Übertragung der Kalkulation in das Formular, ist er als Irrtum im Beweggrund (Motiv) unbeachtlich, denn der Bieter trägt das Risiko für die Richtigkeit der Kalkulation des Einzelpreises. Anders ist der Fall des OLG Karlsruhe, in dem das Gericht davon ausgegangen ist, dass der Irrtum bei der Abgabe der Erklärung selbst geschehen sei (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11. Januar 2011 – 15 Verg 11/11, BeckRS 2014, 14634).
Selbst bei unterstellter Anfechtbarkeit des Angebots liegen die Voraussetzungen für einen Ausschluss wegen fehlender Angabe der geforderten Preise nicht vor. Als fehlende Preisangabe im Sinne von § 13 Absatz 1 Nr. 3 VOB/A ist eine Auslassung oder eine Angabe mit unbestimmtem Bedeutungsgehalt zu bewerten oder wenn die Preisangaben offensichtlich unzutreffend sind (vgl. Herrmann im Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 57 VgV Rn. 40).
Alleine der Umstand, dass das Gebot anfechtbar sein soll, führt nicht zu einer fehlenden Bestimmtheit der Einzelpreise. Der Bieter kann sein Gebot nur im Gesamten anfechten. Eine Unklarheit bestünde allenfalls hinsichtlich der Frage, ob der Bieter von seinem Anfechtungsrecht Gebrauch macht, nicht hingegen bezüglich der Höhe der – bei Verzicht auf dieses Anfechtungsrecht – geforderten Einzelpreise (vgl. Herrmann, ebda. in Fn. 105 mit diesen Gründen den von der Beklagten herangezogenen Beschluss des OLG Karlsruhe, a.a.O., ablehnend; ebenfalls zweifelnd Opitz in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl. 2019, § 16c VOB/A-EU Rn. 18; a.A. von Wietersheim in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B, 22. Aufl. 2023, § 16c VOB/A Rn. 8, dem Beschluss des OLG Karlsruhe ohne weitergehende Begründung zustimmend).
Die Preise sind auch bis zur Klarstellung nicht deswegen unklar oder unbestimmt, weil sie auslegungsbedürftig sind. Soweit eine Auslegung überhaupt für zulässig erachtet wird (ablehnend OLG Saarbrücken, Beschluss vom 27. Mai 2009 – 1 Verg 2/09, juris Rn. 80), wäre eine solche allenfalls dann möglich, wenn sich eindeutig und zweifelsfrei aus den Angebotsunterlagen ergibt, dass ein ganz bestimmter Einheitspreis gewollt war, woran es schon dann fehlt, wenn Nachforschungen über das wirklich Gewollte beim Bieter erforderlich sind (so OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. März 2016 – VII-Verg 48/15, juris Rn. 20). Die Voraussetzungen für eine entsprechende Auslegung sind offensichtlich nicht gegeben, wenn es sich nicht eindeutig und zweifelsfrei aus den Unterlagen ergibt, welch anderer Einheitspreis als der angebotene gewollt gewesen sein soll.
Ein Ausschluss ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass der Bieter durch den konkludent erklärten Verzicht auf sein Anfechtungsrecht im Sinne von § 15 Absatz 3 VOB/A unzulässigerweise über eine Änderung der Angebote oder Preise verhandelt hätte (so aber OLG Karlsruhe, ebda.). Der Bieter verändert sein Angebot nicht. Er erklärt lediglich, zu den Preisen zu stehen. Darin unterscheidet sich die Lage von dem Beschluss der Vergabekammer Baden-Württemberg (vom 22.04.2021 – 1 VK 8/21, IBRRS 2022, 1702), in dem anlässlich einer Nachfrage eine missverständliche Preisangabe klargestellt werden sollte. In der bloßen Bestätigung einer nicht auslegungsbedürftigen Preisangabe kann schon deshalb keine unzulässige Nachverhandlung erkannt werden, weil ansonsten bereits die Nachfrage durch den Auftraggeber den Ausschluss eines Bieters heraufbeschwören würde. Eine verfahrenskonforme Reaktion wäre dem Bieter kaum noch möglich, denn auch eine fehlende Mitwirkung (§ 15 Absatz 2 VOB/A) oder gar eine Änderung der Preise (§ 15 Absatz 3 VOB/A) würde zum Ausschluss führen. Der Bieter kommt im Zweifel lediglich dem Verlangen nach Aufklärung über das Angebot (§ 15 Absatz 1 Nr. 1 VOB/A) nach, indem er die bereits angebotenen Preise bestätigt.
Und das ist es dann auch nur.