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Thema: Schnittstelle Vergaberecht/ Strafrecht - BVerfG: Verwendung des Ausdrucks "Angebot" in § 298 Abs. 1 StGB ist nicht zu beanstanden

vorgestellt von Thomas Ax

Art. 103 Abs. 2 GG verpflichtet den Gesetzgeber, die Voraussetzungen der Strafbarkeit so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straftatbestände sich aus dem Wortlaut ergeben oder jedenfalls durch Auslegung ermitteln lassen. Das schließt allerdings nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die in besonderem Maß der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Strafrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Ferner ist es wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Strafnormen unvermeidlich, dass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Jedenfalls im Regelfall muss der Normadressat aber anhand der gesetzlichen Vorschrift voraussehen können, ob ein Verhalten strafbar ist. In Grenzfällen ist auf diese Weise wenigstens das Risiko einer Bestrafung erkennbar (stRspr, vgl. BVerfGE 92, 1 <12>).

Nach diesen Maßstäben ist die Verwendung des Ausdrucks “Angebot” in § 298 Abs. 1 StGB nicht zu beanstanden. Insbesondere im Zusammenhang mit öffentlichen Ausschreibungen ist klar, was damit gemeint ist. Wenn im Schrifttum – wie der Beschwerdeführer vorträgt – die Auffassung vertreten wird, im Hinblick auf den Schutzzweck des § 298 StGB seien nicht annahmefähige Angebote nicht erfasst, handelt es sich um eine einschränkende Auslegung, die von Verfassungs wegen zweifellos möglich, aber nicht zwingend ist, und die die Bestimmtheit des Straftatbestands nicht in Frage stellt.

§ 298 Abs. 3 StGB enthält auch keine gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstoßende ungerechtfertigte Privilegierung. Die Vorschrift regelt einen Fall tätiger Reue. Sie soll Anreize schaffen, von einem wettbewerbswidrigen Angebot vor der materiellen Beendigung der Tat Abstand zu nehmen (vgl. Fischer, Strafgesetzbuch, 56. Aufl. 2009, § 298 Rn. 21). Insofern bewegt sie sich innerhalb des dem Gesetzgeber zustehenden Einschätzungsspielraums. Es ist nicht zu sehen, wieso sie auf Fälle der Einreichung nicht annahmefähiger Angebote ungeachtet jeder Anzeichen für tätige Reue übertragen werden müsste.

Wenn die Gerichte im vorliegenden Fall der vom Beschwerdeführer vorgeschlagenen einschränkenden Auslegung des § 298 Abs. 1 StGB nicht gefolgt sind, entspricht das der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Danach wird ein Angebot nicht dadurch unbeachtlich, dass es gemäß § 25 Nr. 1 VOB/A der Ausschließung unterliegt. Ansonsten liefe, wie der Bundesgerichtshof treffend bemerkt, die Vorschrift des § 298 Abs. 1 StGB in einem wesentlichen Bereich leer, da jedes Angebot, das auf einer wettbewerbswidrigen Preisabsprache beruht, auszuschließen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Dezember 2002 – 1 StR 366/02 -, NStZ 2003, S. 548). Diese Auslegung der Vorschrift ist willkürfrei und verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.

BVerfG 2 BvR 1468/08 (2. Kammer des Zweiten Senats) – Beschluss vom 2. April 2009 (OLG Düsseldorf/LG Düsseldorf)