von Thomas Ax
Bei einer Funktionalausschreibung (Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm) verzichtet der Auftraggeber weitgehend auf eine eigene Planung. Er gibt lediglich einen Rahmen mit Anforderungen vor, welche die bauliche Anlage erfüllen muss (Raumprogramm, Qualitäten, gestalterische Vorgaben und andere). Es ist dann Sache des Bieters und späteren Auftragnehmers, die bauliche Anlage unter Berücksichtigung der Vorgaben des Auftraggebers zu planen und im Auftragsfall zu erstellen.
Das Leistungsprogramm umfasst eine Beschreibung der Bauaufgabe, aus der die Unternehmen alle für die Entwurfsbearbeitung und ihr Angebot maßgebenden Bedingungen und Umstände erkennen können und in der sowohl der Zweck der fertigen Leistung als auch die an sie gestellten technischen, wirtschaftlichen, gestalterischen und funktionsbedingten Anforderungen angegeben sind, sowie gegebenenfalls ein Musterleistungsverzeichnis, in dem die Mengenangaben ganz oder teilweise offengelassen sind.
Von dem Bieter ist ein Angebot zu verlangen, das außer der Ausführung der Leistung den Entwurf nebst eingehender Erläuterung und eine Darstellung der Bauausführung sowie eine eingehende und zweckmäßig gegliederte Beschreibung der Leistung – gegebenenfalls mit Mengen- und Preisangaben für Teile der Leistung – umfasst.
Bei Beschreibung der Leistung mit Mengen- und Preisangaben ist vom Bieter zu verlangen, dass er
| 1. | die Vollständigkeit seiner Angaben, insbesondere die von ihm selbst ermittelten Mengen, entweder ohne Einschränkung oder im Rahmen einer in den Vergabeunterlagen anzugebenden Mengentoleranz vertritt, und dass er |
| 2. | etwaige Annahmen, zu denen er in besonderen Fällen gezwungen ist, weil zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe einzelne Teilleistungen nach Art und Menge noch nicht bestimmt werden können (z. B. Aushub-, Abbruch- oder Wasserhaltungsarbeiten) – erforderlichenfalls anhand von Plänen und Mengenermittlungen – begründet.
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Als Vorteile einer Funktionalausschreibung kommen in Betracht:
- Firmen haben die Möglichkeit, innovative Ideen, etwa hinsichtlich der Bauweise und der Baudurchführung einzubringen. Diese Ideen beruhen gegebenenfalls auf firmenspezifischen Besonderheiten, etwa mit Blick auf die dem Unternehmen zur Verfügung stehende Fertigungstechnik.
- In der Regel ein geringerer Zeitbedarf für die Baudurchführung, als bei fachlosweiser Vergabe.
- Möglichkeit der Vereinbarung eines sogenannten garantierten Maximalpreises (Baukostenobergrenze).
- Gewisse Vorteile bei der späteren Baudurchführung (verringerte Risiken).
Bei Funktionalausschreibungen wird der Auftrag an einen sogenannten Totalunternehmer (respektive Totalübernehmer) erteilt. Der Totalunternehmer ist alleiniger Vertragspartner des Auftraggebers. Einen Großteil der Leistung erbringt er selbst, den Rest vergibt er an Nachunternehmer. Darüber hinaus erbringt er auch Planungsleistungen. Er plant die von ihm angebotene Bauleistung selbst, auf Grundlage des vom Auftraggeber verwendeten Leistungsprogramms. Der Totalübernehmer erbringt demgegenüber keine Bauleistungen im eigenen Betrieb, er vergibt sämtliche Leistungen an Nachunternehmer.
Bei europaweiten Vergaben ist die Beauftragung eines Totalübernehmers möglich. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass der Totalübernehmer Verpflichtungserklärungen seiner Nachunternehmer vorlegt, wonach diese ihre Kapazitäten dem Totalübernehmer im Auftragsfall zur Verfügung stellen (§ 6d EU Abs. 1 Satz 2 VOB/A).
Die funktionale Ausschreibung darf gewählt werden, wenn es nach Abwägen aller Umstände zweckmäßig ist, zusammen mit der Bauausführung auch den Entwurf für die Leistung dem Wettbewerb zu unterstellen, um die technisch, wirtschaftlich und gestalterisch beste sowie funktionsgerechteste Lösung der Bauaufgabe zu ermitteln.
Dass die Funktionalausschreibung im vorgenannten Sinn zweckmäßig ist, muss der Auftraggeber, wenn er sich für diese entscheidet, darlegen.
Dabei sind folgende Punkte zu beachten:
- Der Auftraggeber muss die beiden Vergabeformen einander gegenüberstellen und die wesentlichen Vor- und Nachteile beider Vergabeformen in den Vergleich miteinbeziehen.
- Es dürfen nur solche Vorteile der Funktionalausschreibung berücksichtigt werden, die mit dem Vergaberecht im Einklang stehen. Die bloße Einsparung von Personal- und Koordinierungsaufwand gehört genauso wenig dazu, wie die bloße Überwälzung von Risiken auf den Auftragnehmer.
- Die Darlegung der Zweckmäßigkeit muss sich auf den konkreten Einzelfall beziehen. Der Auftraggeber hat, was die Abwägung und die Gewichtung der für oder gegen die jeweilige Vergabeform sprechenden Argumente anbelangt, einen Ermessenspielraum.
- Die Abwägung / Darlegung der Zweckmäßigkeit ist zu dokumentieren (§ 20 VOB/A).
Funktionalausschreibungen gehen typischerweise mit der Vereinbarung eines Pauschalpreises einher. Die Vereinbarung einer Pauschale ist nur zulässig, wenn die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 VOB/A (bzw. § 4 EU Abs. 1 Nr. 2 VOB/A) vorliegen. Die zu vergebende Leistung muss also nach Ausführungsart und Umfang hinreichend bestimmt sein. Außerdem darf mit Änderungen in der Ausführung nicht zu rechnen sein.