Ax Vergaberecht

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Vergabe als Straftat?

Bei Vergaben kann sich die Frage stellen, ob und welche Straftaten verwirklicht werden können, wenn öffentliche Aufträge vergaberechtswidrig vergeben werden. In diesem Zusammenhang ist vielfach von Interesse, wie sich ein Schaden berechnet, wenn derartige Aufträge nicht im Wettbewerb von Auftragsnehmern und ohne Wirtschaftlichkeitsuntersuchung vergeben wurden. Auch bei der rechtswidrigen Vergabe öffentlicher Aufträge Straftatbestände verwirklicht werden. Bei einem vergaberechtswidrigen Verhalten können unterschiedlichste Strafbarkeitsrisiken auftreten. Zu erwähnen ist zunächst § 298 Strafgesetzbuch (StGB)5, der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen unter Strafe stellt. Auch weitere Strafnormen, wie Betrug oder Untreue können relevant werden.

Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen
In Betracht kommt zunächst eine Strafbarkeit wegen wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen gemäß § 298 Abs. 1 StGB. Diese Strafrechtsnorm hat folgenden Wortlaut:
„(1) Wer bei einer Ausschreibung über Waren oder Dienstleistungen ein Angebot abgibt, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen, wird mit Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) Der Ausschreibung im Sinne des Absatzes 1 steht die freihändige Vergabe eines Auftrages nach vorausgegangenem Teilnahmewettbewerb gleich.
(3) Nach Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, dass der Veranstalter das Angebot annimmt oder dieser seine Leistung erbringt.
Wird ohne Zutun des Täters das Angebot nicht angenommen oder die Leistung des Veranstalters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Annahme des Angebots oder das Erbringen der Leistung zu verhindern.“
Strafrechtlich relevant können auch solche Absprachen sein, die gegen das Kartellrecht verstoßen. Darunter fallen insbesondere Absprachen, die gegen das Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die kartellrechtlichen Normen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)8 verstoßen. Erfasst werden sowohl horizontale Absprachen (Absprachen zwischen den Bietern) als auch vertikale Absprachen (Absprachen zwischen dem Veranstalter und den Bietern).
Der Bundesgerichtshof (BGH) geht davon aus, dass eine täterschaftliche Verwirklichung des § 298 Abs. 1 StGB auch für den Veranstalter einer Ausschreibung in Betracht kommt:
„Täter kann daher nicht nur derjenige sein, der selbst ein Angebot abgibt. Da seit der Neufassung des § 1 GWB auch vertikale Absprachen den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfüllen, müssen sich vielmehr auch Veranstalter als Täter strafbar machen können, sofern ihnen nach den allgemeinen Regeln der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme die Abgabe des Submissionsangebots im Sinne des § 25 StGB zurechenbar ist; ansonsten würde der mit der kartellrechtskonformen Ausgestaltung von § 298 StGB verfolgte Zweck
– Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Kartellrecht und Strafrecht – unterlaufen.“
Der § 298 Abs. 1 StGB schützt als Rechtsgut den Wettbewerb bei öffentlichen Ausschreibungen, beschränkten Ausschreibungen und nicht offenen Verfahren;  das Vermögen des Veranstalters wird nur mittelbar geschützt. Für eine Strafbarkeit nach § 298 Abs. 1 StGB kommt es demnach nicht auf den Eintritt eines Vermögensschadens beim Veranstalter an.
Erfasste Vergabeverfahren sind
– die Öffentliche Ausschreibung oder das Offene Verfahren,
– die Beschränkte Ausschreibung oder das Nichtoffene Verfahren und
– das Verhandlungsverfahren oder die Freihändige Vergabe.

Untreue
In Betracht kommt weiter eine täterschaftliche Verwirklichung der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB. Wegen Untreue wird bestraft, „wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt“. In der Praxis kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen insbesondere dann in Betracht, wenn vergaberechtswidrig die Durchführung einer Ausschreibung unterlassen wurde (sogenannte „Direktvergabe“). Der Tatbestand der Untreue differenziert zwischen dem Missbrauchstatbestand und dem Treuebruchtatbestand.

Missbrauchstatbestand
Der Missbrauchstatbestand verlangt den Missbrauch einer dem Täter eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten. Dies setzt zunächst voraus, dass der Täter eine Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis über fremdes Vermögen innehat. Eine solche Befugnis bezeichnet die rechtliche Möglichkeit des Täters, Vermögensrechte eines anderen wirksam zu übertragen, aufzuheben, zu belasten oder zu ändern oder ihn Dritten gegenüber wirksam zu solchen Verfügungen zu verpflichten. Die Strafbarkeit setzt weiter voraus, dass die eingeräumte rechtliche Befugnis missbraucht wird. Von einem solchen Missbrauch ist auszugehen, wenn der Täter ein im Außenverhältnis zu Dritten rechtlich wirksames Verfügungs- oder Verpflichtungsgeschäft vornimmt, das jedoch im Widerspruch zu seinen Pflichten aus dem Innenverhältnis zu dem Geschädigten steht. Dies erfordert zunächst die Bestimmung des jeweiligen Pflichtenkreises des Innenverhältnisses zwischen Täter und Geschädigtem. Schließlich setzt der Missbrauchstatbestand in objektiver Hinsicht zwingend den Eintritt eines kausalen Vermögensnachteils beim Geschädigten voraus. Dies bedeutet, dass dem vertretenen Hoheitsträger durch die vergaberechtswidrige Vergabe des öffentlichen Auftrags ein Vermögensnachteil entstanden sein muss. Hierfür ist ein Vergleich des Vermögens vor und nach der vergaberechtswidrigen Vergabe anzustellen, wobei nachgewiesen werden muss, dass durch den Verstoß gegen das Vergaberecht ein Schaden eingetreten ist, bloße Vermutungen reichen nicht aus. Die Strafgerichte müssen im Einzelfall den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach beziffern und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darlegen.

In subjektiver Hinsicht setzt eine Strafbarkeit wegen des Missbrauchstatbestands der Untreue voraus, dass der Täter vorsätzlich in Bezug auf die Pflichtwidrigkeit seines Tuns und den Eintritt eines Vermögensnachteils beim Geschädigten gehandelt hat. Dies entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

Treuebruchtatbestand
Der Treuebruchtatbestand ist erfüllt, wenn der Täter eine beliebige vermögensrelevante Handlung vornimmt, die die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Wiederum ist die Pflichtverletzung akzessorisch zum Vergaberecht festzustellen, sodass eine Strafbarkeit davon abhängt, ob die Vergabe des öffentlichen Auftrags gegen Vergaberecht verstößt.
Auch der Treuebruchtatbestand setzt den Eintritt eines Vermögensschadens und ein vorsätzliches Handeln des Täters bezüglich der Pflichtwidrigkeit seines Handelns und dem Eintritt eines Schadens beim Geschädigten voraus. Auch dies entscheidet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles.