Seit Inkrafttreten der Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen (NachprV) vom 26. Februar 2021 (GVBI. S. 123) am 1. Juni 2021 ist eine wirksame Nachprüfung von Vergabeverfahren unterhalb des EU-Schwellenwertes in Rheinland-Pfalz möglich. Grundlage der Landesverordnung ist § 7a Mittelstandsförderungsgesetz vom 26. November 2019 (GVBI. S. 333).
Vergabeverfahren von wirtschaftlich bedeutsamen öffentlichen Aufträgen über Liefer-, Dienst- und Bauleistungen können seitdem vor der beim Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau (MWVLW) eingerichteten Vergabeprüfstelle im Rahmen eines strukturierten Nachprüfungsverfahrens überprüft werden. Die Grundzüge für die strukturierte Nachprüfung von unterschwelligen Vergabeverfahren sind im Einführungsschreiben des MWVLW vom 31. März 2021 erläutert. Dieses Schreiben ist auch weiterhin auf der Homepage des MWVLW abrufbar.
Rheinland-Pfalz hatte mit diesem Nachprüfungsverfahren Neuland betreten und daher die Bestimmungen der vorbezeichneten Landesverordnung zunächst bis 30. Juni 2024 befristet. Vor einer Fortführung des Nachprüfungsverfahrens in Rheinland-Pfalz sollten die Bestimmungen der Landesverordnung und ihre Auswirkungen auf die Vergabepraxis evaluiert werden. Dies erfolgte im Lauf des Jahres 2023 auf der Grundlage interner Erkenntnisse der Vergabeprüfstelle und durch eine externe Befragung von an Vergabeverfahren beteiligten Unternehmen und öffentlichen Auftraggebern.
Die Ergebnisse der Evaluation zeigten deutlich, dass sich die Bestimmungen über die Nachprüfung von Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich grundsätzlich bewährt haben. So hält eine deutliche Mehrheit der teilnehmenden Auftraggeber und Unternehmen die Möglichkeit der Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens im Unterschwellenbereich für sinnvoll und sachgerecht. Neben der grundsätzlichen Akzeptanz wurden auch einige wenige Anregungen für eine Weiterentwicklung der Nachprüfungsregelungen gegeben. Der Bericht über die Evaluation ist auf der Homepage unseres Hauses ab ruf bar (https://mwvlw.rlp.de/themen/oeffentiiche-auftrmabe/nachpruefungsverfahren).
Beigefügt erhalten Sie nun die Erste Landesverordnung zur Änderung der Landesverordnung über die Nachprüfung von Vergabeverfahren durch Vergabeprüfstellen vom 12. Juni 2024 (GVBI. S. 188), die am 21. Juni 2024 in Kraft getreten ist. Nachfolgend werden die Änderungen und Ergänzungen der Landesverordnung kurz erläutert; zudem werden Ihnen zu den neuen Regelungen verschiedene Musterschreiben zur Verfügung gestellt, die über die Homepage des MWVLW abrufbar sind.
1. Nachprüfungsverfahren vor Ablauf der Angebotsfrist
(§ 5 Abs. 3 NachprV neu)
Der neue Absatz 3 des § 5 NachprV ermöglicht es, dass ein Bieter oder Bewerber nunauch vor Ablauf der Angebotsfrist ein Nachprüfungsverfahren anstoßen kann. Voraussetzung ist, dass ein Bieter oder Bewerber die Nichteinhaltung von Vergabevorschriften beanstandet, nachdem seiner zuvor erhobenen Rüge durch den Auftraggeber nicht ab geholfen wurde. Bisher musste sich das Unternehmen zunächst mit einem Angebot an dem Vergabeverfahren beteiligen, die Angebotsfrist und schließlich die Vorabinformation abwarten, bevor es mit einer Beanstandung Klärung durch die Vergabeprüfstelle herbeiführen konnte. Die neue Bestimmung führt somit zu einer zeitlich deutlich früheren Klärung von möglichen Vergaberechtsverletzungen und damit zur Beschleunigung des Vergabeverfahrens. Damit kann zudem unnötiger administrativer Aufwand sowohl bei dem Unternehmen als auch bei dem Auftraggeber vermieden werden.
Die Beanstandung muss innerhalb von sieben Kalendertagen nach Absendung der Mitteilung des Auftraggebers, der Rüge nicht abhelfen zu wollen, gegenüber dem Auftraggeber geltend gemacht werden. In der Mitteilung über die Nichtabhilfe sind der Bieter oder Bewerber über die Beanstandungsfrist von sieben Kalendertagen und das weitere Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 3 zu informieren. Der weitere Verfahrensablauf nach Eingang der Beanstandung bei dem Auftraggeber wird durch den Hinweis auf § 5 Abs. 1 NachprV vorgegeben. Eine Mitteilung an das Unternehmen über die Nichtabhilfe der Beanstandung durch den Auftraggeber ist in dem Fall, in dem die Rüge kurz zuvor zu rückgewiesen wurde nicht erforderlich. Ansonsten würde dies zu einer unnötigen Doppelung führen.
Praxishinweis:
Muster für ein Nichtabhilfeschreiben zu § 5 Abs. 3 NachprV
2. Neuer Präklusionstatbestand nach § 10 Abs. 3 Nr. 4 NachprV
Im unmittelbaren Zusammenhang mit der neuen Beanstandungsmöglichkeit nach § 5 Abs. 3 NachprV steht die Ergänzung in § 10 Abs. 3 NachprV. Hat der öffentliche Auftraggeber einer Rüge im laufenden Vergabeverfahren nicht abgeholfen und sind auf die Nichtabhilfemitteilung sieben Kalendertage verstrichen, kann der Bieter oder Bewerber in einem späteren Nachprüfungsverfahren mit diesem Einwand nicht mehr gehört wer den. Mit § 10 Abs. 3 Nr. 4 NachprV wurde also ein weiterer Präklusionstatbestand auf genommen.
Diese Regelung ist § 160 Abs. 3 Nr. 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen in der Fassung vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1750, 3245), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. Juni 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 190) für das Kartellvergaberecht nachgebildet. Es sei darauf hingewiesen, dass für die Fristberechnung der sie ben Kalendertage auf die Absendung der Nichtabhilfemitteilung durch den Auftraggeber und nicht auf den Eingang der Mitteilung beim Bieter oder Bewerber abzustellen ist. Im Zusammenwirken mit § 5 Abs. 3 (neu) dient § 10 Abs. 3 Nr. 4 NachprV dazu, Vergabeverfahren zu beschleunigen.
3. Nachprüfungsverfahren nach Aufhebung eines Vergabeverfahrens
(§ 5 Abs. 4 NachprV neu)
Im neuen § 5 Abs. 4 NachprV ist nun ausdrücklich die Möglichkeit einer Nachprüfung im Falle der Aufhebung eines Vergabeverfahrens durch den öffentlichen Auftraggeber vorgesehen. Die Vergabeprüfstelle hatte in der Vergangenheit-wie im Oberschwellenbereich – auch über die Rechtmäßigkeit von aufgehobenen Vergabeverfahren entschieden. Wurde ein Vergabeverfahren aufgehoben, stellte sich jedoch die Frage, innerhalb welcher Frist eine mögliche Beanstandung gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber einzureichen war. Denn weder die Mitteilung über die Aufhebung nach § 17 der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen – Teil A (BAnz. AI 19.02.2019 B2, 3) noch § 48 der Unterschwellenvergabeordnung (BAnz. AI 07.02.2017 B1; 08.02.2017 B1) sehen eine Belehrung über die Beanstandungsfrist oder weitere Informationen vor. Künftig sind daher im Aufhebungsschreiben die Bieter oder Bewerber über die Beanstandungsfrist von sieben Kalendertagen und das weitere Verfahren im Sinne des § 4 Abs. 3 NachprV zu informieren. Der weitere Verfahrensablauf im Falle einer Beanstandung richtet sich ebenfalls nach § 5 Abs. 1 NachprV.
Praxishinweis:
• Muster für ein Aufhebungsschreiben mit Belehrung nach § 5 Abs. 4 NachprV
• Muster für eine Nichtabhilfemitteilung nach § 5 Abs. 4 NachprV
4. Frist für die Entscheidung der Vergabeprüfstelle (§ 9 Abs. 1 Satz NachprV)
Die in § 9 Abs. 1 Satz 1 geregelte Entscheidungsfrist wurde von zwei auf drei Wochen verlängert. Dies ist eine Reaktion auf das Ergebnis der Evaluation. Mehr als 80% der überprüften Vergabeverfahren machten öffentliche Aufträge über umfangreiche und komplexe Bauleistungen aus. So musste festgestellt werden, dass die bisherige Entscheidungsfrist nach Vorlage der vollständigen Vergabeakte sehr häufig nicht einzuhalten war. Zur Gewährleistung einer sachgerechten Entscheidungsfindung wurde die Regelfrist für die Entscheidung daher auf drei Wochen festgesetzt. Die für Ausnahmefälle vorgesehene Verlängerungsmöglichkeit nach § 9 Abs. 1 Satz 2 beträgt nun höchstens zwei Wochen.
5. Zu den Schlussbestimmungen (§§ 12 und 13 NachprV)
Durch die erste Änderungsverordnung wurde die Möglichkeit der Nachprüfung von Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich für weitere drei Jahre bis 30. Juni 2027etabliert. Die Übergangsregelung wurde entsprechend angepasst.
Die Anwendung und die Auswirkungen der Bestimmungen über das Nachprüfungsverfahren sind durch das für die Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens zuständige Ministerium bis zum 30. Juni 2026 erneut zu evaluieren.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass für die Entscheidung im Einzelfall der Text der Landesverordnung maßgebend ist.
Ich bitte die Ressorts, die Vergabestellen sowie die Bewilligungsbehörden ihres Geschäftsbereichs entsprechend zu informieren. Die Rundschreiben zur Nachprüfung von Vergabeverfahren im Unterschwellenbereich sind gemeinsam mit den Rechtsgrundlagen und den Mustervorlagen auf der Internetseite des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau (https://mwvlw.rlp.de/thernen/oeff&fitlicheauftraeqeundverqabe/nachpruefungsverfahren) abrufbar.
Mit freundlichen Grüßen
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