von Thomas Ax
Die Antragsgegner vorgenommene Zurückversetzung des Verfahrens ist rechtsdogmatisch als (Teil-)Aufhebung des Vergabeverfahrens anzusehen (vgl. Portz in: Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, 2. Aufl. 2022, § 63 VgV, Rn. 30; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2015 – VII-Verg 29/14).
Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht dazu verpflichtet, ein begonnenes Vergabeverfahren durch Zuschlagserteilung abzuschließen (vgl. Mehlitz in: Beck’scher Vergaberechtskommentar (Hrsg. Burgi/Dreher), Bd. 2, 3. Aufl. 2019, § 17 VOB/A-EU, Rn. 13).
Er kann grundsätzlich jederzeit rechtswirksam auf die Vergabe des Auftrags verzichten, unabhängig davon, ob ein gesetzlich normierter Aufhebungsgrund i.S.v. § 17 EU Abs. 1 VOB/A vorliegt oder nicht (vgl. statt vieler: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.02.2021 – Verg 22/20; OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.03.2024 – 54 Verg 2/23,; VK Südbayern, Beschluss vom 21.05.2024 – 3194.Z3-3_01-24-8). Auch selbstverschuldete Aufhebungsgründe hindern den öffentlichen Auftraggeber nicht daran, ein Vergabeverfahren abzubrechen (vgl. zur weitestgehend identischen Aufhebungsregelung des § 63 VgV: Mehlitz in: Beck’scher Vergaberechtskommentar (Hrsg. Burgi/Dreher), Bd. 2, 3. Aufl. 2019, § 63 VgV, Rn. 18 m.w.N. auf: EuGH 16.10.2003 – Rs. C-244/02, Rn. 36 und EuGH 11.12.2014 Rs. C-440/13). Die Rechtswirksamkeit der Aufhebung setzt lediglich voraus, dass der öffentliche Auftraggeber für seine Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder nur zum Schein erfolgt (vgl. statt vieler: OLG Düsseldorf, Beschluss v. 10.05.2023 – Verg 45/22 m.w.N).
Bei der Rückversetzung handelt es sich nur dann um eine Scheinaufhebung, wenn der Auftraggeber unter Missbrauch seiner Gestaltungsmöglichkeiten nur den Schein einer Aufhebung gesetzt hat (vgl. OLG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28.03.2024 – 54 Verg 2/23).
Wie und in welchem Umfang ein öffentlicher Auftraggeber einen erkannten Fehler in seiner Ausschreibung behebt, unterliegt seiner Gestaltungsfreiheit, die allerdings an die vergaberechtlichen Gebote der Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung gebunden ist (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2015 – VII-Verg 29/14).
Die Rechtsprechung vertritt die Auffassung, dass ein fairer Wettbewerb in den Fällen nicht mehr gewährleistet ist, in denen die von der Änderung betroffenen Positionen die Preisstruktur des Angebots im Übrigen mitbestimmen und das Preisgefüge des Angebots in relevanter Weise berühren kann (vgl. vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2015 – VII-Verg 29/14). Ob ein Einzelpreis für die übrige Preiskalkulation von Bedeutung ist und deshalb einer isolierten Neufestsetzung entzogen ist, bestimmt sich nach seinem im Einzelfall bestehenden Einfluss auf andere Angebotspreise. Aus Gründen des fairen Wettbewerbs und des Gebots der Gleichbehandlung muss der öffentliche Auftraggeber, bevor er eine nur auf bestimmte Preispositionen beschränkte, zweite Angebotsrunde eröffnet, prüfen, ob die auf bestimmte Preise bezogene Preisänderung Einfluss auf das Preisgefüge im Übrigen haben kann. Schon wenn dies nur zu befürchten steht, ist der Auftraggeber an einer solchen Fehlerkorrektur gehindert und muss vollständig neue Angebote einholen. An die Prüfungstiefe öffentlicher Auftraggeber dürfen dabei nicht zu hohe Anforderungen gestellt werden, weil sie in aller Regel nicht über das gleiche Fachwissen und Knowhow verfügen wie die am Wettbewerb beteiligten Bieter (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss v. 12.01.2015 – VII-Verg 29/14).
Bei seiner Entscheidung zur Zurückversetzung hat der Auftraggeber von dem ihm bei solchen Aufhebungsentscheidungen zustehenden Ermessen ordnungsgemäß Gebrauch zu machen und seine entsprechenden Erwägungen im Vergabevermerk zu dokumentieren. Kann die Vergabekammer keine Ermessensfehler erkennen, ist sie an die diesbezügliche Entscheidung des Auftraggebers gebunden (vgl. zur mit § 17 EU VOB/A weitestgehend identischen Aufhebungsregelung des § 63 VgV: Mehlitz in: Beck’scher Vergaberechtskommentar (Hrsg. Burgi/Dreher), Bd. 2, 3. Aufl. 2019, § 63 VgV, Rn. 82).