Ax Vergaberecht

Erkennbarkeit der Wahl der falschen Verfahrensart?

von Thomas Ax

Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt. Die Antragstellerin hat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten.

Nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die aufgrund der Auftragsbekanntmachung (Nr. 2) bzw. aufgrund der Vergabeunterlagen (Nr. 3) erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Für die Erkennbarkeit nach § 160 Abs. 3 S.1 Nr. 2 und Nr. 3 GWB gilt ein objektiver Maßstab. Erkennbar sind Verstöße, die vom durchschnittlichen Unternehmen des angesprochenen Bieterkreises bei üblicher Sorgfalt und üblichen Kenntnissen bereits in tatsächlicher und in laienhaft rechtlicher Hinsicht erkannt werden können (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19.10.2020 – Verg 33/20). Dabei ist es erforderlich, dass der geltend gemachte Fehler nicht nur in tatsächlicher, sondern auch in einer rechtlichen Hinsicht erkennbar ist für den durchschnittlichen Bieter; der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebotes auffallen muss (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.02.2023 – Verg 6/22.).

Eine Rügepräklusion hinsichtlich der Wahl der falschen Verfahrensart kommt nicht in Betracht, wenn in den Vergabeunterlagen zwar Informationen zur Verfahrenswahl enthalten sind, diese jedoch nicht geeignet sind, der Antragstellerin eine in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ausreichende Grundlage zu vermitteln, einen Vergaberechtsverstoß betreffend die Wahl der Verfahrensart zu rügen. Um einschätzen zu können, ob der öffentliche Auftraggeber die richtige Verfahrensart gewählt hat, ob insbesondere eine Dienstleistungskonzession in Abgrenzung zur Vergabe eines öffentlichen Dienstleistungsauftrages vorliegt, bedarf es weitergehender Informationen, als dass gegebenenfalls Zuschusszahlungen notwendig werden, sowie der Kenntnis der tatsächlichen Grundlagen, die den Auftraggeber zu seiner Entscheidung für einen Dienstleistungsauftrag bewogen haben. Fehlen diese, kommt eine Rügepräklusion nicht in Betracht.