Ax Vergaberecht

Warum Klimaschutz in der Umsetzung nur schwer bis gar nicht funktioniert – oder: wie wir uns selbst behindern und gegenseitig im Weg stehen

Öffentliche Beschaffung
Umweltaspekte lassen sich in allen Phasen eines Vergabeverfahrens berücksichtigen:
Bereits bei der Auswahl des Auftragsgegenstandes besteht die Möglichkeit, von vornherein eine umweltfreundliche Alternative zu wählen. In die Leistungsbeschreibung können Umweltanforderungen als technische Spezifikationen einfließen. Im Rahmen der Eignungsprüfung darf verlangt werden, dass das Unternehmen bestimmte Normen für das Umweltmanagement erfüllt – soweit diese für die Ausführung des Auftrags relevant sind. Umweltkriterien können darüber hinaus als Zuschlagskriterien in die Angebotswertung einbezogen werden. Es ist auch zulässig, Umweltkriterien in die zusätzlichen Bedingungen für die Ausführung des Auftrags einfließen zu lassen.

Gesetzgebungsdefizit
Unbestimmte, unklare nur Soll- oder Kann-, keine Mussvorschriften:
Bsp. VwV Beschaffung
Nach der neuen Verwaltungsvorschrift der bawü Landesregierung über die Vergabe öffentlicher Aufträge (VwV Beschaffung) vom 23. Juli 2024, – Az.: WM17-02-134/171 – ist „Nachhaltige Beschaffung … das Ziel der Landesregierung.
Dabei heißt Nachhaltigkeit in diesem Zusammenhang, neben wirtschaftlichen Aspekten – unter Berücksichtigung von § 7 Landeshaushaltsordnung (LHO) – qualitative, innovative, soziale, klima- und umweltbezogene Aspekte angemessen zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass die zur Verfügung stehenden Ressourcen nicht auf Kosten kommender Generationen verbraucht werden.
Und weiter sind „Bei der Erstellung der Leistungsbeschreibung … nachhaltige Aspekte zu berücksichtigen, soweit sachgerecht und sofern ein sachlicher Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand besteht, es sei denn eine Berücksichtigung ist nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich.
Das mündet dann darin, dass
„Die Auftraggeber … von den Unternehmen ein klimafreundliches Verhalten auch bei der Ausführung des Auftrags fordern (sollen), solange es sich um Bedingungen handelt, die sich auf die Auftragsausführung beziehen und im sachlichen Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand stehen.
Bsp
5.2 CO2-Schattenpreis, CO2-Emissionen
In Umsetzung von § 8 Absatz 2 Klimaschutz- und Klimawandelanpassungsgesetz Baden-Württemberg (KlimaG BW) soll bei der Beschaffung von Liefer- und Dienstleistungen durch das Land im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung ein rechnerischer Preis veranschlagt werden. Dieser Preis entspricht dem vom Umweltbundesamt wissenschaftlich ermittelten und empfohlenen Wert für jede über den Lebenszyklus der Maßnahme entstehende Tonne Kohlenstoffdioxid (CO2) (CO2-Schattenpreis).
Bsp
Ein CO2-Schattenpreis ist nicht zu veranschlagen, wenn der Auftragswert die Höhe von 100 000 Euro ohne Umsatzsteuer nicht übersteigt. Ein CO2-Schattenpreis ist auch dann nicht zu veranschlagen, wenn keine verlässlichen und belastbaren Hilfestellungen für die Berechnung von CO2-Emissionen der Leistung beziehungsweise Leistungs- oder zumindest Produktgruppe verfügbar sind.
Bsp.
11.2.2 Nachhaltige Beschaffung von Lebensmitteln
Bei der Beschaffung von Lebensmitteln und Speisen sind die Leitsätze der Ernährungsstrategie des Landes Baden-Württemberg und die Ziele des Biodiversitätsstärkungsgesetzes des Landes Baden-Württemberg zu beachten. Umweltund klimagerechte Aspekte, wie zum Beispiel nachhaltige, transparente und nachvollziehbare Lieferketten und kurze Transportwege von pflanzlichen und von tierischen Produkten, sollen berücksichtigt werden.
Bsp.
11.2.4 Fair gehandelte Produkte
Im Rahmen der Vergabevorschriften sollen unter den für den vorgesehenen Verwendungszweck gleichwertig geeigneten Erzeugnissen beziehungsweise Dienstleistungen fair gehandelte Produkte bevorzugt werden. Dies kommt insbesondere bei Agrarprodukten wie zum Beispiel Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis,
Orangen- oder Tomatensaft, Blumen sowie bei Sportartikeln, insbesondere Bällen, Teppichen und Textilien in Betracht.
Eine Berücksichtigung von fair gehandelten Produkten im Rahmen der Zuschlagskriterien setzt voraus, dass die für die Ausschreibung relevanten Kriterien des fairen Handels in der Leistungsbeschreibung aufgeführt sind.
Bsp
13 Wertung der Angebote, Zuschlagserteilung
Die Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots erfolgt auf der Grundlage des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses. Neben dem Preis oder den Kosten können unter anderem auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Zuschlagskriterien berücksichtigt werden.
Bei der Berücksichtigung nachhaltiger Aspekte einschließlich gegebenenfalls ermittelter Lebenszykluskosten ist der unter Umständen höhere Preis für die Beschaffung kein Hindernis, sofern er unter Berücksichtigung des § 7 LHO als wirtschaftlich angesehen werden kann.
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Zum Zwecke der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebotes sollen sogenannte Bewertungsmatrizen erstellt werden, in denen die maßgeblichen Zuschlagskriterien entsprechend der vorher festgelegten Gewichtung aufgeführt werden und in denen für die einzelnen Angebote Punktzahlen vergeben werden.
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Vollzugsdefizit-Beschaffung der öffentlichen Hand
Eindrücke aus unserer Beratungstätigkeit:
Beschaffungsstellen werden ihrer Rolle als Manager, Förderer und Berater für nachhaltige Beschaffung nicht ausreichend gerecht.
Beschaffungsstellen regeln nicht verbindlich, dass und wie die gesetzlichen und sonstigen Vorgaben von den Beschäftigten im jeweiligen Geschäftsbereich anzuwenden sind.
Es ist überwiegend der Eigeninitiative der Bedarfsträger und Beschäftigten der Beschaffungsstellen überlassen, wo und wie sie mit vertretbarem Aufwand recherchieren, um möglichst viele Nachhaltigkeitsaspekte zu finden, die sie im Vergabeverfahren berücksichtigen können.
Beschaffungsstellen versäumen, bei der Abwicklung von Beschaffungen sicherzustellen, dass die Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien oder Gründe für ihre Nichtberücksichtigung bei allen Vergabeverfahren dokumentiert werden.
Beschaffungsstellen versäumen, die Beschäftigten systematisch und regelmäßig zum Thema nachhaltige Beschaffung weiterzubilden.
Die Beschäftigten der Vergabestellen berücksichtigten bei Vergaben überwiegend überhaupt keine Nachhaltigkeitskriterien.
Die Beschäftigten der Vergabestellen sind auch nicht bestrebt, bei jeder Beschaffung möglichst viele Nachhaltigkeitsaspekte einzubeziehen.
Behörden und Einrichtungen prüfen nicht, ob Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt werden können.
Behörden und Einrichtungen prüfen nicht, ob zusätzlichen Kriterien, die über die zwingend vorgeschriebenen oder von den Bedarfsträgern benannten Kriterien hinausgehen, einbezogen werden können.
Behörden und Einrichtungen beziehen zur Ermittlung des wirtschaftlichen Angebots regelmäßig Nachhaltigkeitsaspekte bei der Wertung nicht ein.
Behörden und Einrichtungen beziehen zur Ermittlung des wirtschaftlichen Angebots regelmäßig innovative Aspekte nicht ein und lassen Nebenangebote in der Regel nicht zu.
Behörden und Einrichtungen stellen nicht durch ihre internen Vorgaben sicher, dass die Beschäftigten Nachhaltigkeitsaspekte in der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung berücksichtigten.