Ax Vergaberecht | Rechtsanwalt

Praxistipp: Bieterfragen dürfen nicht nur selektiv beantwortet werden

von Thomas Ax

Der Grundsatz der Gleichbehandlung erfordert, dass ein öffentlicher Auftraggeber regelmäßig jede Auskunft, die er einem anfragenden Bieter gibt, auch allen anderen Bietern erteilt. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Auftraggeber gegen das Gebot der Gleichbehandlung und Chancengleichheit aller Bieter verstößt.

Denn der Gleichbehandlungsgrundsatz erhebt einen umfassenden und unmittelbaren Geltungsanspruch. Im Hinblick auf die Gewährleistung fairer Wettbewerbsbedingungen bei der Abgabe der Angebote sind die Bieter gleichmäßig über nachträgliche Ergänzungen oder Erläuterungen zu den Vergabeunterlagen zu informieren. Das bedeutet, dass wettbewerbsrelevante Fragen eines Bieters nicht ausschließlich individuell gegenüber diesem beantwortet werden dürfen, sondern die Antworten und, soweit es zwecks Nachvollziehbarkeit ihres Inhalts und ihrer Relevanz erforderlich ist, auch die gestellten Fragen allen Bietern mitzuteilen sind (VK Bund, Beschluss vom 27. Januar 2017 – VK 2-131/16).

Die unterlassene Weiterleitung von Bieterfragen und -antworten begründet einen schwerwiegenden Verfahrensfehler (VK Bund, Beschluss vom 10. März 2020 – VK 2 – 9/20).

Werden nur einem Unternehmen wettbewerbs- und preisrelevante Informationen zur Verfügung gestellt, kann diese Ungleichbehandlung die Vergleichbarkeit der Angebote aufheben und zur Rückversetzung oder im Ausnahmefall zur Aufhebung des Vergabeverfahrens führen. Dabei reicht es aus, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die unterbliebene Bieteröffentlichkeit auf die Angebotserstellung Auswirkungen hatte (BayObLG, Beschluss vom 1. August 2024 – Verg 19/23).

Ein Auftraggeber kann allenfalls im Einzelfall eine Bieterfrage individuell beantworten, wenn es sich nicht um eine zusätzliche sachdienliche Auskunft handelt. Der Begriff der zusätzlichen Auskunft ist dabei weit auszulegen. Sachdienlich sind Auskünfte, wenn sie objektiv mit der Sache zu tun haben und Missverständnisse ausräumen oder Verständnisfragen zu den Vergabeunterlagen beantworten (VK Thüringen, Beschluss vom 25. April 2019 – 250-4002-11352/2019-N-006-EF). Ein Ausnahmefall kann vorliegen, wenn offensichtlich ein individuelles Missverständnis des Bieters betroffen ist und die allseitige Beantwortung der Frage Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse verletzen oder die Identität des Bieters preisgeben würde (VK Sachsen, Beschluss vom 24. August 2016 – 1/SVK/017-16 m. w. N.).

Die weite Auslegung des Begriffs der sachdienlichen zusätzlichen Auskunft ist geboten, weil die Bieter einen Anspruch haben, sich selbst eine Meinung über die Relevanz von zusätzlich erteilten Auskünften zu bilden und selbst einzuschätzen, inwieweit sie diesen Bedeutung für die eigene Angebotserstellung beimessen. Anderes gilt allenfalls für solche Fragen, deren Beantwortung sich in bloßen Wiederholungen von ohnehin bekannten und zweifelsfrei transparenten Vorgaben erschöpfen und die damit die Schwelle zur Auskunft oder Zusatzinformation nicht überschreiten, sondern die lediglich einem rein subjektiven, redundanten Informationsbedürfnis des Fragestellers entspringen. Nur in solchen Fällen kann es vorstellbar sein, dass eine bloße Wiederholung nicht allen Bietern zur Verfügung gestellt werden muss (VK Bund, Beschluss vom 28. Januar 2017 – VK 2 – 129/16). Die Weiterleitung der Antwort darf deshalb nicht von einer qualitativen Überprüfung des Frageinhaltes abhängig gemacht werden (Franzius in: Pünder/Schellenberg, § 12a VOB/A Rn. 13).
Es reicht daher für einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz aus, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass die unterbliebene Bieteröffentlichkeit auf die Angebotserstellung Auswirkungen haben könnte (VK Bund, Beschluss vom 27. Januar 2017 – VK 2 -131/16; Völlink in: Ziekow/Völlink, § 12a VOB/A, Rn. 15 und § 20 VgV Rn. 15).

Im Ergebnis müssen alle interessierten Unternehmen die gleichen Informationen erhalten, damit sie die gleichen Erfolgschancen haben (VK Bund, Beschluss vom 10. März 2020 – VK 2-5/20).

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