vorgestellt von Thomas Ax
1. Insbesondere bei abstrakten Wertungskriterien ist die Wertungsentscheidung eingehend und nachvollziehbar zu dokumentieren (hier verneint).
2. Die Wertungsentscheidung ist vom Auftraggeber selbst zu treffen. Der Einsatz sachkundiger Personen (z. B. Nutzer) kann im Einzelfall geboten sein.
VK Niedersachsen, Beschluss vom 28.11.2024 – VgK-25/2024
Begründung:
I.
Die Antragsgegnerin hat mit EU-Bekanntmachung vom ….2024 den Betrieb einer städtischen Unterkunft in 3 Losen im offenen Verfahren ausgeschrieben.
Streitgegenständlich ist Los 1, der “Betrieb der Unterkunft und soziale Betreuung der dort untergebrachten Personen. Die Unterkunft wird mit … Garantietagesplätzen und … belegungsabhängigen Plätzen ausgeschrieben. Die Wochenarbeitszeit der sozialen Arbeit beträgt … Wochenstunden”.
Nach Ziffer 5.1.3 der Bekanntmachung beginnt die Laufzeit der Leistungserbringung am 02.12.2024 und endet am 01.12.2028. Es besteht eine einseitige Verlängerungsoption für die Auftraggeberin über jeweils ein Kalenderjahr (Ziffer 5.1.1), dies ist maximal zweimal möglich (Ziffer 5.1.4).
Nach der Bekanntmachung sind die Zuschlagkriterien der Preis und die Qualität. Die Qualität wird durch das Konzept über die soziale Betreuung bestimmt. Die Konzeptbewertung erfolgt anhand der Bewertungsmatrix in der Leistungsbeschreibung.
Gemäß der Aufforderung der Angebotsabgabe wird das wirtschaftlichste Angebot für Los 1 wie folgt ermittelt:
– Preis mit einer Gewichtung von 35 %
– Konzept mit einer Gewichtung von 65 %
Für die Wertung der Angebote gilt nach Ziffer 3) Kriterien der Zuschlagerteilung (Los 1) der Leistungsbeschreibung (Seite 12 und 13):
Bei der Bewertung der Angebote werden sowohl der Angebotspreis als auch das inhaltliche Konzept zur sozialen Betreuung berücksichtigt.
Dabei werden die Angebotspreise in Punkte von 0 bis 35 umgerechnet. Das preisgünstigste Angebot erhält 35 Punkte. Die übrigen Angebotspreise werden entsprechend ihrer prozentualen Abweichung vom günstigsten Angebot bewertet. So führt beispielsweise eine Abweichung um 10 % zu einer Bewertung mit 31,5 Punkten (= 35 Punkte – 35 Punkte * 10 %). Angebote mit einer Abweichung von über 100 % werden mit 0 Punkten bewertet. Die Punkte für den Preis gehen zu 35 % in die Gesamtpunktsumme ein. Das inhaltliche Konzept zur sozialen Betreuung wird ebenfalls mit 35 Punkten, aufgeteilt auf fünf Bereiche mit unterschiedlicher maximaler Punktzahl, bewertet. Eine detaillierte Bewertungsmatrix ist nachfolgend beigefügt. Die Punkte für das inhaltliche Konzept zur sozialen Betreuung gehen zu 65 % in die Gesamtpunktsumme für Los 1 ein. Den Zuschlag von Los 1 erhält der/die Bieter/-in mit der größten Gesamtpunktsumme aus Preis und inhaltlichem Konzept.
Das inhaltliche Konzept hat dabei folgende Bereiche zu berücksichtigen:
1. Beratung (maximal 8 erreichbare Punkte)
2. Betreuung (maximal 7 erreichbare Punkte)
3. Konfliktmanagement (maximal 6 erreichbare Punkte)
4. Vernetzung (maximal 7 erreichbare Punkte)
5. Qualität (maximal 7 erreichbare Punkte)
Die detaillierte Darstellung der Wertungskriterien ist der Leistungsbeschreibung auf den Seiten 13-17 zu entnehmen.
Nach Ziffer 5) “Besichtigung und Bieterfragen” der Leistungsbeschreibung (Seite 3) gilt:
Bei Unklarheiten oder Unstimmigkeiten in den Vergabeunterlagen oder Unvollständigkeit dieser ist die Auftraggeberin mittels einer Bieterfrage unverzüglich hierauf hinzuweisen. Bieterfragen sind über das e-Vergabe Portal … zu stellen.
Mit dem Informationsschreiben nach § 134 GWB teilte die Antragsgegnerin am ….2024 mit, dass auf das Angebot des Antragstellers der Zuschlag nicht erteilt werden kann, weil dieser nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben hat. Zur Erläuterung wird ausgeführt:
Wie den Verdingungsunterlagen zu entnehmen war, floss das eingereichte Konzept zur sozialen Betreuung zu 65 % in die Bewertung ein; der Preis mit 35 %. Ihre sich daraus ergebende Gesamtpunktzahl mit … war niedriger als die des Unternehmens …, welche … bezifferte.
Der Zuschlag soll am ….2024 erteilt werden.
Daraufhin rügte der Antragsteller am 26.09.2024, dass
1. die Frist zwischen Absendung des Schreibens und angekündigten Zuschlagsdatum nicht den Vorgaben des § 134 Abs. 2 GWB entspricht;
2. die Mitteilung der Gründe der Nichtberücksichtigung ebenfalls nicht den Vorgaben des § 134 GWB entspricht;
3. die Bezeichnung des für den Zuschlag vorgesehenen Unternehmens unzureichend ist.
Zudem weist der Antragsteller darauf hin, dass soweit inzwischen der Zuschlag erteilt worden sein sollte, dieser wegen § 135 Abs. 1 Nr. 1 GWB von Anfang an unwirksam ist.
Mit Datum vom ….2024 stellt die Antragsgegnerin ein neues Informationsschreiben zu. Die beabsichtigte Zuschlagerteilung soll demnach am ….2024 erfolgen. Das für den Zuschlag vorgesehene Unternehmen wird jetzt mit dem Zusatz … benannt. Alle weiteren Erläuterungen sind identisch zum ersten Informationsschreiben vom ….2024.
Zudem teilt die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30.09.2024 mit, dass
1. der Rüge hinsichtlich der unzutreffenden Fristberechnung abgeholfen werde;
2. eine differenzierte Darlegung der erzielten Punkte für seinen Angebotspreis und sein Konzept nicht möglich sei; weil über die Punkteberechnung durch einfachen Dreisatz der Angebotspreis des Bestbieters nachvollzogen werden könne. Dieser falle jedoch unter das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis;
3. die Rechtsform des obsiegenden Bieters ergänzt werde.
Daraufhin rügte der Antragsteller mit Schreiben vom 02.10.2024, dass
1. die zwischen Absendung des Schreibens und angekündigten Zuschlagsdatum festgesetzte Frist erneut nicht den Vorgaben des § 134 Abs. 2 GWB entspreche;
2. die Mitteilung der Gründe der Nichtberücksichtigung nach wie vor nicht den Anforderungen des § 134 GWB genüge:
3. die Festlegung und Gestaltung der Zuschlagskriterien vergaberechtswidrig sei.
Als Reaktion auf die Rüge teilte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 04.10.2024 mit, dass die Frist nach dem Informationsschreiben ausreichend gewesen sei, sich inhaltlich mit dem Ablehnungsschreiben zu befassen. Es seien 5 Arbeitstage verblieben, um einen Nachprüfungsantrag innerhalb der üblichen Geschäftszeiten einzureichen. Zudem sei der Anwalt des Antragstellers bereits involviert und mit der Materie vorbefasst. Der Gesetzgeber habe bei Vorabinformation per Fax oder auf elektronischem Weg eine Frist von 10 Kalendertagen für angemessen und ausreichend angesehen, ohne dass es auf den Zugang bei dem betroffenen Bieter ankäme und damit auch in Kauf genommen, dass je nach Lage der Wochenenden regelmäßig nur 6 bis maximal 8 Arbeitstage zur Verfügung stünden.
Zu der gerügten unzureichenden Mitteilung der Gründe für die Nichtberücksichtigung trug die Antragsgegnerin die Ausführungen vom 30.09.2024 erneut vor und hilft dieser Rüge nicht ab. Nach Erhalt des Ablehnungsschreibens habe der Antragsteller gemäß § 62 Abs. 2 Nr. 3 VgV die Möglichkeit, Informationen über die Merkmale und Vorteile des erfolgreichen Angebots einzuholen. In einem solchen “Feedback” würden ihm soweit wie möglich detailliertere Informationen zur Wertung ihres Angebots mitgeteilt.
Auch die Rüge zur Gestaltung der Zuschlagkriterien wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin würde die Bewertungsmatrix seit Anfang 2023 nutzen. Der Antragsteller habe schon an anderen Verfahren teilgenommen, würde die Wertungsmatrix daher kennen und habe bisher Ablehnungen ebenso akzeptiert wie Zuschläge, ohne die Bewertungsmatrix zu bemängeln. Zudem habe er keine Bieterfragen zur Bewertungsmatrix gestellt und sei daher seiner Mitwirkungspflicht nicht nachgekommen.
Daraufhin reichte der Antragsteller am 07.10.2024 einen Nachprüfungsantrag ein.
Der Nachprüfungsantrag sei sowohl zulässig als auch begründet. Die Darlegung der Gründe für die Nichtberücksichtigung des Angebots des Antragstellers sei rechtswidrig und verletze den Antragsteller in seinen subjektiven Rechten.
Der Antragsteller sei so nicht ansatzweise in der Lage, die Angebotswertung der Antragsgegnerin nachvollziehen zu können, und ihm werde ein substantiierter Vortrag gegen die Auswertung praktisch unmöglich gemacht. Die Vorabinformation dürfe sich nicht in einer formelhaften Begründung erschöpfen, sondern die Bieter müssten in die Lage versetzt werden, zu entscheiden und abschätzen zu können, ob ein Nachprüfungsantrag Aussicht auf Erfolg habe.
Obwohl die qualitativen Zuschlagskriterien jeweils einer subjektiven Ermessensentscheidung bedürfen, versetze die Mitteilung nach § 134 GWB den Antragsteller nicht im Ansatz in die Lage, die Wertung seines Angebots nachvollziehen zu können, geschweige denn, die maßgeblichen Grundlagen der vergleichenden Bewertung der Angebote nachvollziehen zu können. Denn er erhalte demnach weder Informationen über die preisliche Position seines Angebots noch über die insgesamt fünf qualitativen Wertungskriterien, die einer subjektiven Beurteilung der Auftraggeberin bedürfen.
Der Antragsteller weist darauf hin, dass er nicht die Offenlegung der Punkte gefordert habe, sondern eine Darstellung nachvollziehbarer Gründe für die Nichtberücksichtigung. Ferner sei eine Rückrechnung bereits durch die Bekanntgabe der Gesamtpunktzahl ermöglicht worden. Allerdings könne der Antragsteller hier nicht auf die insgesamt 13 Preispositionen zurückrechnen, sondern allenfalls auf den Gesamtpreis. Zudem werde bestritten, dass Angebotspreise des Bestbieters grundsätzlich Geschäftsgeheimnisse seien, würde doch das Formblatt für die notwendige EU-Bekanntmachung über vergebene Aufträge gerade eine solche Angabe fordern.
Die Gründe für die Nichtberücksichtigung dürften nicht von der Gestaltung der Zuschlagskriterien abhängig sein. So könnte die Verpflichtung zur Bekanntgabe der Gründe der Nichtberücksichtigung grundsätzlich unterlaufen und damit den Sinn und Zweck des § 134 GWB aushebeln und dem Sinn und Zweck des § 134 GWB zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes widersprechen.
Ein Verweis der Antragsgegnerin auf eine Darlegung nach Zuschlagserteilung gemäß § 62 VgV entfalte keine dem § 134 GWB vergleichbare Wirkung, insbesondere keine Nichtigkeitsfolge im Fall von Verstößen. Zudem bleibe dabei unklar, welche weiteren Informationen die Antragsgegnerin im Rahmen des § 62 VgV erteilen könne, die im Rahmen des Schreibens nach § 134 GWB Gegenstand von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sein sollen.
Zudem sei die Bewertung der “Kriterien für die Zuschlagserteilung (Los 1)” intransparent und verletze den Antragsteller in seinen subjektiven Rechten, da eine objektive und nachvollziehbare vergleichende Bewertung der Angebote nicht möglich sei. Die Intransparenz werde exemplarisch an Kriterium 1 “Beratung” anhand folgender Aspekte zur Bewertung nach 7 oder nach 8 Punkten deutlich:
– Gestrichene Aspekte: Wie viele Punkte erhält ein Bieter, der die in der 7-Punkte-Kategorie verbleibenden Aspekte gebracht hat? Falls bspw. der fünfte Aspekt (“Weiterleitung”) nicht erfüllt ist, fällt ein Bieter auf “drei Punkte” zurück (dort hatte er zuletzt alles vollständig) oder zieht der Auftraggeber Punkte ab (falls ja, wann und in welcher Höhe)?
– Fett hinterlegt: Welche/wie viele Teilbereiche welchen Konzepts müssen über besonders gute Ansätze verfügen, um eine 7-Punkte-Bewertung zu erreichen? Was sind “besonders gute Ansätze”?
– Kursiv gestellt: Was ist der Unterschied zwischen besonders “guten Ansätzen” (7 Punkte) und “eigenen Ideen” (8 Punkte)?
Unklar sei, ob es sich bei den jeweiligen den Punkten zugeordneten Aspekten um Mindestanforderungen handele, bei deren bloßem Vorhandensein die jeweiligen Maximalpunkte erreicht werden.
Mit Schriftsatz vom 30.10.2024 trägt der Antragsteller neu und ergänzend vor, dass er seinen hilfsweise gestellten Antrag auf einen unwirksam erteilten Zuschlag nicht aufrechterhalte. Zudem verfolge er seine Rüge hinsichtlich einer nicht vergaberechtskonformen Fristsetzung nach § 134 GWB nicht weiter.
Die von der Antragsgegnerin dokumentierte Auswertung sei nicht mit dem Vorbringen der Antragsgegnerin insb. dem Abhilfeschreiben sowie der Antragserwiderung in Einklang zu bringen. Die verwendete Methode dürfe keine Veränderung der Zuschlagskriterien oder ihrer Gewichtung bewirken. Dem werde die dokumentierte Auswertung der Antragsgegnerin nach den Ergebnissen der Akteneinsicht nicht gerecht. Die Checklisten seien nur “abgehakt” und die Ergebnisse der zwei Bewerterinnen dann jeweils addiert und ohne weiteren Abgleich auf Schlüssigkeit gemittelt worden.
Zudem sei die Auswertung intransparent und widerspreche den Grundsätzen, die der BGH im Rahmen seiner sog. Schulnotenrechtsprechung aufgestellt habe. Ferner sei die dokumentierte Bewertung unplausibel und in sich nicht stimmig. Die Begründungen zu den jeweiligen Ergebnissen der Einzelbewerterinnen würden keine Hinweise auf die Ausübung von Ermessen enthalten. Die Checklisten der Bewerterinnen seien von dem Antragsteller nicht eindeutig zuzuordnen. Bewerterin 1 habe sich lediglich mit dem jeweiligen Aspekt befasst, in den das Konzept ihres Erachtens nach einzuordnen sei. Die Prüfung eines Ausgleichs etwaig fehlender Angaben, seien offenbar nicht in Betracht gezogen worden, denn die Bewerterin habe über sämtliche Leistungsbereiche hinweg lediglich eine einzige Kategorie geprüft und mit Anmerkungen versehen. Beide Bewerterinnen würden in der Begründung nicht auf sämtliche gefundene Aspekte und insbesondere nicht auf die vermeintlich fehlenden Aspekte eingehen. Die Bewerterinnen hätten ihre Ergebnisse demnach nicht miteinander abgeglichen. Objektive Aspekte, die keiner Ermessenserwägung zugänglich gewesen seien, seien einmal als fehlend und einmal als vorhanden vermerkt. Aus der Bewertung lasse sich weder eine durchgehende Systematik noch regelmäßig der Ansatz einer Begründung entnehmen, warum die Bewerterinnen jeweils objektiv im Konzept des Antragstellers enthaltene Aspekte nicht positiv berücksichtigt haben.
Die Antragsgegnerin habe das Angebot des Antragstellers um mindestens 5 Punkte zu niedrig bewertet. Die nicht berücksichtigten oder jedenfalls nicht transparent dargelegten Aspekte würden … (Wertungs-)Punkte ausmachen. Demnach liege der Antragsteller auf Platz 1 der Gesamtwertung und wäre für den Zuschlag vorzusehen.
Im Konzeptbereich 1 “Beratung” würde von Bewerterin 1 der Punkt “Der Teilbereich des Konzeptes verfügt über besonders gute Ansätze.” nicht abgehakt, aber in der Begründung als erfüllt angegeben: Zudem werde angegeben: “Eigene Ideen werden gut dargestellt.”. Bei Bewerterin 1 fehle es an Anhaltspunkten, warum sie “6 und 7 Punkte” nicht bewertet habe. Nach Bewerterin 1 würden angeblich die Aspekte
– die Beratungsarbeit wird mit Einbezug der Bewohner*innen evaluiert und das Beratungsangebot daraufhin weiterentwickelt,
– Probleme und Grenzen innerhalb der sozialen Beratung sowie Lösungsansätze werden dargestellt,
fehlen. Gleichwohl würden die Evaluation auf Seite 7 und die Beratungsarbeit auf Seite 4 ff. des Konzeptes dargestellt.
Im Konzeptbereich 2 “Betreuung” sei gemäß Bewerterin 2 der Aspekt “Es wird dargestellt, welche Angebote von den Sozialarbeiter*innen der Unterkunft und welche Angebote von Externen durchgeführt werden.” nicht auffindbar. Tatsächlich werde dieser auf Seite 8 dargestellt. Dieser nicht entdeckte Aspekt führe zwingend zu der Bewertung bei Bewerterin 1 mit mindestens 5 Punkten, da dann dort sämtliche Aspekte abgebildet seien.
Zum Konzeptbereich 3 “Konfliktmanagement” fehle es bei beiden Bewerterinnen an Hinweisen auf die Ausübung von Ermessen. Bei Bewerterin 1 fehle es konkret an Hinweisen, warum jedenfalls 5 und 6 Punkte nicht erreicht sein sollen. Bei Bewerterin 2 fehle es nach der Checkliste, an dem Wertungsbereich “Der Teilbereich des Konzeptes verfügt über besonders gute Ansätze.” Dem widersprechend werde in der Begründung ausgeführt, dass es viele gute Ansätze gebe.
Zum Konzeptbereich 4 “Vernetzung” gebe es bei Bewerterin 1 keine Hinweise warum jedenfalls 5 und 6 Punkte nicht erreicht sein sollten. Bei Bewerterin 2 gebe es keine Anhaltspunkte, warum der Teilbereich des Konzeptes nicht über besonders gute Ansätze verfüge. Tatsächlich werde auf Seite 12 die konkrete Zusammenarbeit mit den Kooperationspartner/-innen unter Berücksichtigung des sozialräumlichen Umfelds und der Zielgruppe mit einer exemplarischen Darstellung beschrieben.
Bei den Wertungen zum Konzeptbereich 5 “Qualität” gebe es keine Hinweise auf Ermessen.
Zudem sei die Dokumentation fehlerhaft und intransparent, weil die Antragsgegnerin nach dem Leistungsverzeichnis feststellt: “Die inhaltlichen Konzepte wurden in vier Leistungsbereiche unterteilt und von vier verschiedenen Mitarbeiterinnen beurteilt.”, wohingegen es sich um fünf Konzepte handele, die von zwei Mitarbeitern bewertet worden seien.
Zudem sei die Prüfung der Angemessenheit der Preise auf einer völlig unzureichenden Grundlage durchgeführt worden. Grundlage einer Prüfung sei allerdings eine ordnungsgemäße Kostenschätzung. Die Antragsgegnerin habe dazu ausgeführt:
Zur Kostenschätzung wurde eine andere Flüchtlingsunterkunft herangezogen. Die Unterkünfte unterscheiden sich jedoch in der Größe und in der Beschaffenheit, so dass der Personaleinsatz nicht identisch ist. Zudem konnten unterschiedliche gebäudeabhängige Kosten, wie z.B. Instandhaltung, nicht abgebildet werden. Eine zutreffende Kostenschätzung, die alle Variablen von vornherein miteinbezieht, war nur schwer möglich.
Diesen Anforderungen werde eine Kostenschätzung nicht gerecht, deren Grundlage wie dokumentiert nicht vergleichbar mit den verfahrensgegenständlichen Leistungen ist. Die Formulierung zur Preisprüfung sei im Übrigen bei sämtlichen streitgegenständlichen Vergabeverfahren identisch, so dass von einer Leerformel ohne jedweden Inhalt und dahinterliegender Prüfung auszugehen sei.
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 20.11.2024 trägt der Antragsteller vor, dass die Antragsgegnerin es versäumt habe, bei den Konzeptwertungen in unklaren und aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbaren Sachverhalten aufzuklären. Eine Wertungsentscheidung könne sich nicht zulasten des Bieters auf einen ungeklärten Sachverhalt stützen. Zudem habe die Antragsgegnerin einen Ermessensausfall gestanden, indem nach ihren Ausführungen in der Verhandlung am 13.11.2024 lediglich die Spitzennoten mit Ermessen auszufüllen gewesen seien. Die Antragsgegnerin sei der Anforderung, dass auch die Ausübung von “Ermessen” Regeln folgen müsse, nicht nachgekommen. Ferner werden zu den einzelnen Wertungsbereichen die Konzeptbereiche benannt, die als besonders guter Ansatz einzuordnen wären.
Der Antragsteller beantragt nunmehr,
1.der Antragsgegnerin die Erteilung des Zuschlags auf das Angebot der Beigeladenen in dem vorbezeichneten Vergabeverfahren zu untersagen;
2.die geeigneten Maßnahmen zu treffen, um die Rechtsverletzung des Antragstellers zu beseitigen und eine Schädigung seiner betroffenen Interessen zu verhindern,
3.die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gemäß § 182 Abs. 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 3 Satz 2 VwVfG für notwendig zu erklären, sowie
4.der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen;
5.die Antragsgegnerin zu verpflichten, die für die Rechtsverfolgung des Antragstellers notwendigen Kosten zu ersetzen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
alle Anträge zurückzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 14.10.2024 führt die Antragsgegnerin aus, dass die in § 134 Abs. 2 GWB normierte Frist nach Ablauf von 10 Kalendertagen enden würde. Wochenenden und Feiertage würden die gesetzte Frist daher grundsätzlich nicht verlängern. Dem Antragsteller seien insgesamt fünf volle Werktage zur Überprüfung und Einlegung eines Nachprüfungsantrages geblieben, denn bei dem 04.10.2024 handele es sich um einen regulären Werktag, “Brückentage” seien keine “halben Feiertage” oder etwas in der Art. Da der Antragsteller rechtzeitig vor Erteilung des Zuschlags einen Nachprüfungsantrag habe stellen können, könne es im Ergebnis dahinstehen, ob die hier zur Verfügung stehenden vollen fünf Werktage im Ergebnis ausreichend waren.
An die Darlegung der Gründe für die Nichtberücksichtigung dürften keine überspannten Anforderungen gestellt werden. Dem Antragsteller sei die Gesamtpunktzahl des erfolgreichen Bieters und seine eigene Gesamtpunktzahl mitgeteilt worden. Daraus könne er ersehen, dass er den Zuschlag relativ knapp verpasst habe. Er habe aber weder einen Anspruch auf den konkreten Angebotspreis des obsiegenden Bieters, noch einen Anspruch auf eine differenzierte vergleichende Darstellung der einzelnen “Qualitätskriterien” (“einschließlich der Unterkriterien”). Sollte eine ergänzende und umfassende Information erfolgen, könne das anhängige Nachprüfungsverfahren nicht mehr erfolgreich auf eine (ursprünglich) unzureichende Information gestützt werden und müsste nicht in den Stand vor Versand der Schreiben nach GWB zurückversetzt werden.
Mit dem Vortrag, die Bewertung der Qualitätskriterien sei vergaberechtlich intransparent, sei der Antragsteller präkludiert, da er diesen vermeintlichen Verstoß nicht bis zum Ablauf der Angebotsfrist gerügt habe. Die gerügten Umstände seien für den Antragsteller ohne Weiteres auch bereits nach Einsichtnahme in die Vergabeunterlagen erkennbar gewesen. Maßstab sei, ob ein durchschnittlicher Bieter, der sich nicht zum ersten Mal an einer Ausschreibung beteilige, sondern schon über eine gewisse Erfahrung in Vergabeverfahren verfüge, bei Anwendung der üblichen Sorgfalt und unter Zugrundelegung der üblichen Kenntnisse den behaupteten Rechtsverstoß identifizieren könne und müsse. Das sei hier der Fall, denn die Bewertungsmatrix werde von der Antragsgegnerin in dieser Form seit Anfang 2023 angewandt. Seitdem habe der Antragsteller bereits mehrfach als Bieter an Vergabeverfahren teilgenommen, ohne dass er diese Bewertungsmatrix gerügt habe. Zudem sei der Antragsteller eine der größten … und zugleich ein großes Unternehmen der …. Umfangreiche Erfahrung in Vergabeverfahren sei daher zu unterstellen. Er habe im Rahmen der Angebotsphase vor dem Submissionstermin keine Bieterfragen zu der gerügten Bewertungsmatrix gestellt und sei so seinen Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen. Gleichwohl habe er ein Angebot eingereicht. Bei den aufgeworfenen Fragen handele es sich um reine Verständnisfragen, die jeder Bieter bei Anwendung der üblichen Sorgfalt und unter Zugrundelegung der üblichen Kenntnisse bereits vor Ablauf der Angebotsfrist in Form einer Bieterfrage hätte klären können und müssen. Die Argumentation, er habe diese Punkte erst aufgrund der Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten als vergaberechtswidrige Gestaltung erkennen können, sei nicht nachvollziehbar.
Sollte der Rechtsauffassung hinsichtlich der Präklusion nicht gefolgt werden können, weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass die Zuschlagskriterien so festgelegt und bestimmt seien, dass der Zuschlag nicht willkürlich erteilt werden könne und eine wirksame Überprüfung möglich sei. Die Bewertungsmatrix mache bei sorgfältiger Lektüre konkret deutlich, welche Inhalte in welchem Umfang für jeden (Teil-)Aspekt von den Bietern erwartet würden. Je mehr Aspekte erbracht, bzw. mit Inhalten gefüllt würden, desto mehr Punkte seien erreichbar.
Bei systematischer Abarbeitung aller in der Matrix angeführten Aspekte, könne von den Bietern regelmäßig bereits die dritthöchste Punktzahl (in dem Beispiel: 6 Punkte) erzielt werden. Die zweithöchste Punktzahl könne in einem Teilbereich erreicht werden, wenn darüber hinaus von einem Bieter noch “besonders gute Ansätze” in das Konzept eingebracht worden seien. “Besonders gute Ansätze” seien solche, die in ihrer Ausgestaltung über das hinausgehen, was ohnehin durchschnittlich bzw. regelmäßig angeboten werde oder solche Konzeptideen, die besonders gut auf die hier betroffene Zielgruppe zugeschnitten seien. Um diese Beurteilung ein Stück weit zu “objektivieren”, würden die Konzepte der Bieter von mindestens zwei Personen – in der Regel aber sogar von vier Personen – bewertet. Willkürliche Entscheidungen seien insoweit nicht möglich, da der Beurteilungsspielraum durch die konkreten inhaltlichen Vorgaben in der Bewertungsmatrix hinreichend überprüfbar sei.
Wenn einzelne Aspekte nicht erbracht wurden, werde dennoch weiterbewertet und ein “Ausgleich” sei möglich. Sei der im Beispiel benannte Aspekt nicht erbracht worden, so fällt der Bieter nicht zwangsläufig auf 3 Punkte zurück. Vielmehr würden alle weitergehenden erbrachten Punkte gleichwohl bei der Wertung berücksichtigt und in der Matrix entsprechend eingeordnet. Werde z.B. im Konzept ein Aspekt in der Wertungskategorie 4 (Punkte) nicht dargestellt, könne dies über einen Aspekt in einer höheren Kategorie ausgeglichen werden, so dass weiterhin das Erreichen von 4 Punkten möglich sei. Ein solcher Ausgleich könne darüber hinaus auch durch “besonders gute Ansätze” in anderen Aspekten oder durch das Einbringen “eigener Ideen” erfolgen. “Eigene Ideen” seien solche Ideen bzw. Aspekte, die ein Bieter zusätzlich einbringt, die also über die anderen in der Matrix ausdrücklich geforderten Aspekte hinausgehen würden.
Mit Schriftsatz vom 16.10.2024 an die Vergabekammer, teilt die Antragsgegnerin das Ergebnis der Konzeptwertung für den Antragsteller mit. Das von dem Antragsteller eingereichte Angebot habe qualitativ besser abgeschnitten als das Angebot der Beigeladenen, preislich sei der Antragsteller aber teurer als deren Angebot, so dass die Beigeladene im Ergebnis das wirtschaftlichste Angebot abgegeben habe und den Zuschlag erhalten solle. Ein anhängiges Nachprüfungsverfahren hindere den Auftraggeber nicht daran, Versäumtes nachzuholen und das Ergebnis in das laufende Verfahren einzuführen. Daher seien durch diese ergänzenden Informationen das ursprünglich mangelbehaftete Informationsschreiben geheilt und der Schutzzweck des § 134 GWB erfüllt.
Mit Schriftsätzen vom 30.10. und 08.11.2024 trägt die Antragsgegnerin neu und ergänzend vor, dass durch die gewährte Akteneinsicht kein Rechtsschutzbedürfnis des Antragstellers an dem begehrten Informationsschreiben mehr bestehe.
Die Antragsgegnerin habe ihre Wertungsentscheidung nachvollziehbar dokumentiert. Dabei sei das Konzept des Antragstellers sogar am besten bewertet worden, preislich sei es jedoch deutlich unterlegen. Die Bewertungen der ersten Bewerterin und der zweiten Bewerterin würden aufgrund des Ermessensspielraums zum Teil voneinander abweichen. Die individuelle Wertungsentscheidung der Antragsgegnerin sei überwiegend fehlerfrei. Soweit aufgrund von berechtigten Einwänden die qualitative Bewertung nachgebessert worden sei, führe dies zu keinem anderen Ergebnis.
Die Wertung des Konzeptbereichs “Beratung” sei für Bewerterin 1 fehlerhaft, insofern für das Betreuungskonzept das Kriterium “Probleme und Grenzen innerhalb der sozialen Beratung sowie Lösungsansätze werden dargestellt” objektiv erfüllt worden sei. Dafür seien 6 Punkte zu vergeben. Bewerterin 2 habe “eigene Ideen” in dem Konzept entdeckt, so dass ein weiterer Punkt erteilt wurde und somit insgesamt 7 Punkte vergeben worden seien.
Bei der Wertung des Konzeptbereiches “Betreuung” hätten beide Werterinnen die Ausführungen zu den Angeboten der Sozialarbeiterinnen und den Angeboten von Externen als zu oberflächlich angesehen. So sei die Durchführung von Sprechstunden originäre Aufgabe der Sozialarbeit und die Ausführungen zu den Angeboten durch Erzieher innen und Sozialarbeiterinnen seien nicht hinreichend konkret. Die vergebene Punktzahl sei somit vertretbar.
Im Wertungsbereich “Konfliktmanagement” habe Bewerterin 1 im Konzept weder Maßnahmen für ein friedliches und interkulturelles Zusammenleben entdeckt, noch verfüge das Konzept über “besonders gute Ansätze”. Zudem könne ein Bewerter im Rahmen der Begründung keine Ermessensausführungen dazu machen, wenn Ansätze nicht im Konzept vorhanden seien.
Hinsichtlich des Konzeptbereiches “Vernetzung” habe Bewerterin 1 die Aspekte “Öffentlichkeitsarbeit unter Einbezug der Bewohnenden” und “Pressearbeit des Betreibers und die Unterkunft selbst” versehentlich übersehen. Bewerterin 2 hätten “besonders guten Ansätze” oder “eigene Ideen” gefehlt, so dass nicht mehr als 5 Punkte zu erreichen gewesen seien. Die exemplarisch genannte konkrete Kooperation habe nicht verifiziert werden können. Insgesamt wäre hier mit 5 + 5 statt mit 4 + 5 Punkten zu werten.
Für den Konzeptbereich “Qualität” hätten die Bewerterinnen im Konzept des Antragstellers keinen Ansatz gefunden, welcher die Vergabe von 6 Punkten oder 7 Punkten rechtfertigen würde.
Selbst wenn der Antragsteller für den Teilbereich “Beratung” insgesamt 13 Punkte und für den Teilbereich “Vernetzung” 10 Punkte erhalten würde, wäre er immer noch nicht Erstplatzierte.
Tatsächlich seien fünf Teilbereiche der inhaltlichen Konzepte von zwei verschiedenen Mitarbeitern bewertet worden. Bei dem Widerspruch zu deren Vortrag habe es sich um eine Unaufmerksamkeit bzw. einen Fehler auf Seiten der Antragsgegnerin gehandelt. Aufgrund personeller Engpässe im zuständigen Fachbereich hätten nur jeweils 2 Bewertende die Bewertungen durchführen können.
Vorliegend habe der Preisunterschied des günstigsten Bieters zum zweitgünstigsten Bieter mehr als 20 % ausgemacht und es sei eine Überprüfung der Auskömmlichkeit vorgenommen worden. Anhand der Überprüfung der Urkalkulation sowie einem ergänzenden Aufklärungsgespräch sei die Antragsgegnerin zu dem Ergebnis gekommen, dass auskömmliche Preise vorliegen würden.
Die Beigeladene hat sich schriftsätzlich nicht geäußert.
Wegen des übrigen Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Vergabeakte und das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 13.11.2024 Bezug genommen.
II.
Der teilweise zulässige Nachprüfungsantrag ist begründet, auch wenn nicht alle Argumente überzeugen.
Gemäß dem gesetzlichen Leitbild in § 160 Abs. 3 GWB kann der Antragsteller mit seiner nach der Wertung erhobenen Rüge nur Inhalte der Wertung angreifen, nicht aber Inhalte der Vergabeunterlagen (vgl. nachfolgend zu 1).
Die Antragsgegnerin hat gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie mindestens die Angebote des Antragstellers und der Beigeladenen in einer Weise wertete, die es nicht zulässt, die Erwägungen nachzuvollziehen. An der Wertung des Betriebskonzeptes sollten Personen mit konkreter Sachkunde des maßgeblichen Betriebs beteiligt sein, die “in der Lage leben” (vgl. nachfolgend zu 2a). Der Antragsteller ist nicht durch ein Unterkostenangebot der Beigeladenen in seinen Rechten verletzt (vgl. nachfolgend zu 2b).
1. Der Nachprüfungsantrag ist nur teilweise zulässig. Die Antragsgegnerin ist als Gebietskörperschaft öffentliche Auftraggeberin gemäß § 99 Nr. 1 GWB. Der streitbefangene Auftrag übersteigt den für die Zuständigkeit der Vergabekammer maßgeblichen Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 1 GWB. Der 4. Teil des GWB gilt nur für Aufträge, deren geschätzter Auftrags- oder Vertragswert ohne Umsatzsteuer die Schwellenwerte erreicht oder überschreitet, welche aufgrund der EU-Richtlinien festgelegt sind. Bei den ausgeschriebenen Leistungen handelt es sich um einen Dienstleistungsauftrag i.S.d. § 103 Abs. 4 GWB, für den gemäß § 106 Abs. 2 Nr. 1 GWB i.V.m. der Richtlinie 2014/25/EU in der ab dem 01.01.2024 und damit zur Zeit der Auftragsbekanntmachung des Vergabeverfahrens geltenden Fassung ein Schwellenwert von 221.000 Euro gilt. Dieser wird laut Auftragssumme des Vermerks “Vergabevorschlag” und “Vermerk Kostenschätzung” sowie ausweislich der eingegangenen Angebote für die feste und optionale Gesamtdauer deutlich überschritten.
Der Antragsteller ist gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt, da er ein Interesse am Auftrag hat und die Verletzung von Rechten durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften geltend macht, indem er die unter I. genannten Beanstandungen erhebt. Voraussetzung für die Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB ist, dass das antragstellende Unternehmen einen durch die behauptete Rechtsverletzung entstandenen oder drohenden Schaden darlegt. Das bedeutet, dass der Antragsteller diejenigen Umstände aufzeigen muss, aus denen sich schlüssig die Möglichkeit eines solchen Schadens ergibt (vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 23). Nach herrschender Meinung in Literatur und Rechtsprechung sind an diese Voraussetzungen keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Es genügt für die Zulässigkeit eines Nachprüfungsantrags, wenn der Bieter schlüssig einen durch die behauptete Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet, also darlegt, dass durch den behaupteten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag zumindest verschlechtert sein können (BVerfG, Urteil vom 29.07.2004 – 2 BvR 2248/04; Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, GWB § 160, Rn. 43; vgl. Beck VergabeR/Horn/Hofmann, 4. Aufl. 2022, GWB § 160, Rn. 34; Schäfer in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB-Vergaberecht, 5. Aufl., § 160, Rn. 30 ff.). Ob tatsächlich der vom Bieter behauptete Schaden droht, ist regelmäßig eine Frage der Begründetheit (vgl. BGH, Beschluss vom 29.06.2006 – X ZB 14/06, zitiert nach VERIS).
Soweit der Antragsteller sich noch im Nachprüfungsantrag gegen die ursprüngliche, zu kurze Frist zwischen Bieterinformation und beabsichtigter Zuschlagserteilung wendet, hat die Antragsgegnerin dem bereits vor Erhebung des Nachprüfungsantrages durch die nicht nur verlängerte, sondern komplett neu in Gang gesetzte und dabei auch ausreichend bemessene Frist nach § 134 GWB bieterfreundlich abgeholfen. Eine mögliche Beschwer bestand daher zu keinem Zeitpunkt des Nachprüfungsverfahrens. Die Argumentation, bei der Wartefrist müssten innerhalb der Wartefrist liegende Feiertage hinzugerechnet werden, ist vom Gesetzeswortlaut nicht gedeckt, weil der Gesetzgeber ausdrücklich den Begriff der Kalendertage verwendet. Ob das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.10.2016 – Verg 24/16; OLG Düsseldorf, NZBau 2015, 178) seine sehr weitgehenden Entscheidungen zum vor 2016 geltenden Vergaberecht, eine über mehrere Feiertage gelegte Frist habe nicht wirksam begonnen, so noch einmal treffen würde, ist offen. Andere OLG haben diese Auffassung nicht übernommen (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 07.07.2022, 13 Verg 4/22).
Selbst wenn man auf die Werktage oder die Arbeitstage (Montag bis Freitag ohne Feiertage) abstellen würde, könnte das im vorliegenden Fall keine Antragsbefugnis begründen, weil der Antragsteller durch die über das Notwendige hinausgehende Abhilfe der Antragsgegnerin bei der zu kurz bemessenen Wartefrist privilegiert worden ist. Sie hatte zwischen dem Zugang der ersten Bieterinformation und dem final beabsichtigten Vertragsschluss insgesamt 10 Arbeitstage und 14 Werktage Zeit, um die Erfolgsaussichten einer Rüge und eines Nachprüfungsantrags zu prüfen und diese vorzubereiten. Beides ist ihm gelungen. Somit bleibt keine mögliche Beschwer durch eine zu kurze Wartefrist.
Soweit der Antragsteller sich gegen den Inhalt der Bieterinformation nach § 134 GWB wendet, ist die Antragsbefugnis spätestens nach Erhebung des Nachprüfungsantrages und erteilter Akteneinsicht entfallen. Zwar war die Bieterinformation unzureichend, weil der Antragsteller nicht informiert wurde, ob sein Angebot wegen des Preises oder wegen der Qualität weniger überzeugt habe. § 134 Abs. 1 Satz 1 GWB fordert eine Information über die vorgesehenen Gründe der Nichtberücksichtigung seines Angebots. Das umfasst auch eine Darstellung, in welchen Bereichen (und warum) der Bieter nicht die Höchstpunktzahl erreicht hat (OLG Celle, Beschluss vom 07.07.2022, 13 Verg 4/22). Auch eine Information über den belegten Rang in der Wertungsreihenfolge wäre wünschenswert gewesen.
Durch die inhaltlich unzureichende Bieterinformation ist eine mögliche Beschwer zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr erkennbar. Das Argument kann daher keine Maßnahme nach § 168 GWB rechtfertigen. Ein Nachprüfungsantrag kann zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nicht mehr auf die angeblich ursprünglich unzureichende Information gestützt werden (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16.10.2019, Verg 6/19; OLG Celle, Beschluss vom 12.05.2016, 13 Verg 10/15; Gnittke/Hattig in: Müller-Wrede, GWB-Kommentar, § 135, Rn. 61). Dazu bedarf es eines weiteren über § 134 GWB hinausgehenden Verstoßes. Eine Anordnung der Vergabekammer zur Wiederholung der Bieterinformation mit inzwischen bekanntem Inhalt aber neu anlaufenden Fristen wäre eine überflüssige Förmelei und verstieße gegen das Beschleunigungsgebot aus § 163 Abs. 1 Satz 4 GWB.
Der Einwand eines unzureichenden Informationsschreibens nach § 134 GWB erledigt sich regelmäßig durch die fristgerechte Einreichung des Nachprüfungsantrags, spätestens mit Antragserwiderung oder Akteneinsicht. Zweck der Regelung ist die Gewährleistung eines effektiven Primärrechtsschutzes für Bieter gegen eine sie benachteiligende Vergabeentscheidung (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.08.2019, 15 Verg 10/19; OLG München, Beschluss vom 12.05.2011 – Verg 26/10 = NZBau 2011, S. 630 ff., 634). Ein Antragsteller macht mit Einreichung des Nachprüfungsantrags umfassend die Verletzung seiner subjektiven Rechte geltend. Was ihm weder aufgrund der Bieterinformation bekannt war noch aufgrund der Vergabeunterlagen erkennbar war, ist von der Rügepräklusion nicht betroffen, kann er daher nach Akteneinsicht vortragen. Der Zweck des § 134 GWB ist daher regelmäßig mit einem fristgerechten Nachprüfungsantrag vor Zuschlagserteilung erschöpft.
Ein ausschließlich aufgrund einer angeblich unzureichenden Bieterinformation erhobener Nachprüfungsantrag wäre spätestens nach einer inhaltlich aussagekräftigen Antragserwiderung oder einer Akteneinsicht in die Wertung des eigenen Angebots für erledigt zu erklären, um eine Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers zu verhindern.
Der Nachprüfungsantrag ist unzulässig, soweit sich der Antragsteller gegen die angeblich vergaberechtswidrige Festlegung und Gestaltung der Zuschlagskriterien wendet. Der Antragsteller hat seine Rügeobliegenheit gemäß § 160 Abs. 3 Nr. GWB nicht erfüllt. Nach dieser Vorschrift ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit Verstöße gegen Vergabevorschriften, die erst in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt werden. Diese Vorschrift setzt den Grundsatz von Treu und Glauben um. Die potenziellen künftigen Vertragspartner sollen auch bereits im vorvertraglichen Verhältnis konstruktiv zusammenarbeiten, Konflikte baldmöglichst und niedrigschwellig lösen, insbesondere Rügen nicht zurückhalten (Schäfer/Wiese in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB Vergaberecht, § 61, Rn. 79). Auf ungerügte Fehler kann ein Bieter sich dann aber nachträglich nicht mehr berufen (Hofmann in Müller-Wrede, GWB Vergaberecht, 2. Auflage 2022, § 160, Rn. 43). Die unterlassene Rüge versperrt den Weg zu den Nachprüfungsinstanzen.
Die angeblich vergaberechtswidrige Festlegung und Gestaltung der Zuschlagskriterien war für den vergaberechtlich sehr erfahrenen Antragsteller gerade wegen der wiederholten Verwendung dieser Kriterien in Vergaben, an denen er beteiligt war, objektiv erkennbar (umfassend zur Erkennbarkeit zuletzt VK Niedersachsen, Beschluss vom 14.11.2023, VgK-3112024 “digitalisierter Posteingang”). Die Antragsgegnerin hat die Struktur und Größe des Antragstellers in der Antragserwiderung zutreffend beschrieben. Der Antragsteller ist zwar ein örtlicher …, er kann aber auch kurzfristig auf die Hilfe seines … mit umfassender vergaberechtlicher Expertise zurückgreifen. Daher waren angebliche Schwächen der Vergabeunterlagen für ihn erkennbar, er ist mit diesem Vortrag in diesem Nachprüfungsverfahren ausgeschlossen. Folglich kann er gemäß dem gesetzlichen Leitbild in § 160 Abs. 3 GWB mit einer nach der Wertung erhobenen Rüge nur Inhalte der Wertung angreifen.
Der Antragsteller hat die Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 1 GWB von 10 Tagen nach Erhalt der Bieterinformation vom ….2024 eingehalten. Der Nachprüfungsantrag ging am 07.10.2024 und damit am 10. Tag nach Erhalt des Schreibens nach § 134 GWB bei der Vergabekammer ein.
Der Antragsteller hat die Frist des § 160 Abs. 3 Nr. 4 GWB von 15 Tagen nach Nichtabhilfe der Rüge mit ihrem Nachprüfungsantrag eingehalten. Der Nachprüfungsantrag ist damit überwiegend zulässig.
2. Der Nachprüfungsantrag ist begründet, auch wenn nicht alle Argumente des Antragstellers überzeugen.
a. Die Antragsgegnerin hat gegen das Transparenzgebot aus § 97 Abs. 1 GWB verstoßen, indem sie mindestens die Angebote des Antragstellers und der Beigeladenen in einer Weise wertete, die es nicht zulässt, die Erwägungen nachzuvollziehen. Das Transparenzgebot bedeutet, dass der öffentliche Auftraggeber die Wertung so durchführen muss, dass sie dem jeweiligen Bieter oder einer Nachprüfungsinstanz nachträglich in einer nachvollziehbaren Weise erläutert werden kann. Diese Verpflichtung steht in einem Spannungsverhältnis zu dem bei jeder Beurteilung vorhandenen umfangreichen Beurteilungsspielraum des öffentlichen Auftraggebers.
Bei der Wertung der Angebote anhand der Zuschlagskriterien steht dem öffentlichen Auftraggeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu, der von den Nachprüfungsinstanzen nur eingeschränkt überprüfbar ist. Die Vergabekammer ist keinesfalls die Fachaufsicht des jeweiligen Auftraggebers, die ihre eigenen Erwägungen oder Wertungen an die Stelle des Auftraggebers setzen darf. Die Vergabekammer hat vielmehr den umfangreichen Beurteilungsspielraum des Auftraggebers zu respektieren (vgl. u.a. VK Westfalen, Beschluss vom 28.11.2017, VK 1 – 27/17, m. w. N). Die Überprüfung durch die Nachprüfungsinstanzen beschränkt sich darauf, ob der Auftraggeber das vorgeschriebene Verfahren eingehalten hat, von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen ist, keine willkürlichen oder sonstigen nicht nachvollziehbaren Erwägungen eingeflossen sind und einzelne Wertungsgesichtspunkte objektiv nicht fehlgewichtet wurden.
Im vorliegenden Fall wendet sich der Antragsteller gegen drei Wertungsschritte, nämlich die vorgegebenen Wertungskriterien, das Wertungsverfahren und die Wertungsdokumentation.
i. Die Kritik an den Wertungskriterien ist unbegründet. Der Antragsteller behauptet, die Wertungskriterien seien nachträglich verändert worden und unterfielen daher nicht der Präklusion gemäß Ziffer II.1. Die Antragsgegnerin hat hier ein detailliertes qualitatives Wertungskonzept entwickelt, das, von Ausnahmen abgesehen, stufenweise höhere Anforderungen an die Darstellung im Konzept mit höheren Punkten honoriert. Das Konzept wurde auf Seite 13-17 der Leistungsbeschreibung allen Bietern vorab sehr transparent vorgestellt, ebenso die Verteilung der Punkte. Es enthält Optimierungspotential, wie zum Beispiel die von einer sonst durchgehend positiven Wertungszuordnung abweichende Formulierung “Die Zielgruppe wurde nicht berücksichtigt oder verfehlt.” in der Kategorie Beratung, Prüfniveau 2 Punkte. Das haben aber alle Bieter hinzunehmen.
Die von der Antragsgegnerin entwickelten Wertungspunkte lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Zum einen handelt es sich um sachlich nachprüfbare Anforderungen wie zum Beispiel: “Die Weiterleitung an externe Fachberatungsstellen wird dargestellt.” Ob dieses Kriterium erfüllt ist, lässt sich anhand des Wortlautes detailliert aus dem jeweiligen Konzept ableiten und klar mit “Ja” oder “Nein” beantworten. In der mündlichen Verhandlung konnte klargestellt werden, dass die Antragsgegnerin Differenzierungen in durchschnittliche, bessere oder herausragende Erfüllung bewusst nicht vorgesehen hat.
Es ist aus den detaillierten Vorgaben ab Seite 13 der Leistungsbeschreibung ableitbar, dass nicht nur die abstrakte Behauptung in Wiederholung der Anforderung genügen soll, sondern eine ergänzende sachverhaltsbezogene Darstellung gefordert wird. Der Beurteilungsspielraum der Bewerterinnen reduziert sich daher auf die Einschätzung, ob die Darstellung schon hinreichend konkret genug ist, um die sachverhaltsbezogene Erfüllung zu bejahen. Die Bewertung kann sich auf die Benennung der Stelle im Konzept beschränken, an der diese Darstellung zu finden ist, möglicherweise ergänzt durch eine kurze Erläuterung, warum die Stelle des Konzeptes inhaltlich ausreicht, um den Punkt zu vergeben. Jenseits dessen sind diese Kriterien für eine Nachprüfungsinstanz in vollem Umfang prüfbar.
Andere Kriterien wie zum Beispiel “verfügt über besonders gute Ansätze” oder “eigene Ideen” enthalten bereits in der Formulierung Wertungen. Es liegt daher innerhalb des individuellen Entscheidungsspielraums der jeweiligen Bewerterin, ob sie den jeweiligen geschilderten Ansatz für so gut oder so singulär hält, dass er eine höhere Punktezahl erhalten soll. Der Beurteilungsspielraum ermöglicht es, dass die jeweils für die Wertungen aller Kriterien einer Unterkunft eingesetzten zwei Bewerter zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen und dennoch beide Bewertungen nicht objektiv falsch sind. Solange beide Bewertungen mit ihrer Abweichung in einem vertretbaren Rahmen liegen, die Intention der Bewertung aus der Begründung erkennbar wird, wird die Vergabekammer diese Bewertungen nicht aufheben.
Es handelt sich bei den beiden oben beschriebenen Kriterien um abstrakte Wertungskriterien. Die Vorgabe abstrakter Wertungskriterien ist vom BGH (BGH, Beschluss vom 04.04.2017, X ZB 3/17) in der sogenannten Schulnotenentscheidung als zulässig bestätigt worden. Der BGH hat dies mit der Forderung verknüpft, dass die Anwendung der abstrakten Kriterien durch eine konkrete Dokumentation für Nachprüfungsinstanzen nachvollziehbar wird.
Die Behauptung des Antragstellers, die Antragsgegnerin habe diese Kriterien nachträglich geändert, erfolgt ins Blaue hinein und damit unsubstantiiert. Sie trifft darüber hinaus auch nicht zu. Die Absprachen, gelegentlich derer der Antragsteller die Auffassung vertritt, es seien Wertungskriterien verändert worden, betreffen ausschließlich das Bewertungsverfahren, also die Frage, wie die Bewerterinnen mit den vorgegebenen und unveränderten Kriterien aus der Leistungsbeschreibung umgehen sollten, um eine gleichmäßige Bewertung zu erzielen. Der Antragsteller kann sich daher nicht argumentativ der durch seine Passivität eingetretenen Präklusion entwinden.
ii. Über das Verfahren der Bewertung trifft weder die Leistungsbeschreibung noch ein anderes Dokument der Vergabeunterlagen eine Aussage. Die von der Antragsgegnerin dargestellte Möglichkeit, einem Bieter, der eine bestimmte Kategorie nicht vollständig erfüllt hat, wegen einer anderen Bewertung aus einer höheren Stufe dennoch die volle Punktzahl zu geben, ist nicht in den Vergabeunterlagen vorgegeben. Es gab nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung eine Absprache der Bewerter, zumindest in den drei bei der Vergabekammer anhängigen Vergabeverfahren so zu verfahren. Eine solche Absprache verändert nicht die Vergabeunterlagen. Sie ist zulässig, denn sie dient dem Interesse der Bieter. Die Antragsgegnerin kann deren Inhalte damit vollständig und unabhängig von der vorgegebenen Bewertungskaskade gewichten. Überdies erhöht der gleiche Prüfmodus die Vergleichbarkeit der Wertungen. Diese Absprache ist daher ausdrücklich als positiv im Sinne der Transparenz zu werten.
Da die Vergabeunterlagen keine Vorgaben zum Wertungsverfahren enthalten, da der EuGH (EuGH, Urteil vom 14.07.2016, C – 6/15 Rn. 26) die nachträgliche Entwicklung sogar von Zuschlagskriterien zugelassen hat, sieht die Vergabekammer keine Einwände, dass die Antragsgegnerin solche einheitlich anzuwendenden Vorgaben auf einer Stufe unterhalb der ersten Wertungsebene einfügt, damit die Bewertung aller Angebote einheitlich erfolgt. Die Vorgabe muss aber auch von allen Bewerterinnen umgesetzt werden.
Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Bewerterinnen ihre individuellen Produktbewertungen nicht nachträglich miteinander abgeglichen und abgestimmt haben. Das ist zulässig. Für dieses Verfahren spricht auch, dass die Antragsgegnerin aus den beiden Bewertungen jeweils den Mittelwert gebildet hat.
Der Antragsteller kann nicht mit seinem Argument durchdringen, die Bewerterinnen hätten fehlerhaft ihr Ermessen nicht ausgeübt, weil sie nicht im Detail begründet hätten, warum das jeweilige Angebot die höherwertigen Prüfungsniveaus in den Kategorien verfehlt habe.
Das Bewertungsprofil ist ausweislich der Kriterien in der Prüfliste aufsteigend aufgebaut. Die Bewerterinnen sollen jeweils begründen, warum der jeweilige Bieter 2, 3 oder mehr Punkte erhält. Dementsprechend ist die Antragsgegnerin nur verpflichtet, die vergebenen Punkte zu begründen. Soweit der Antragsteller für eine bestimmte Kategorie mehr Punkte erhalten möchte, obliegt es ihm, konkret darzulegen, in welchem Umfang er einen Anspruch auf eine höhere Bewertung hat. Dazu muss er auf die konkreten Inhalte seines Konzeptes verweisen.
Anders wäre dies bei einem absteigend aufgebauten System. Die Bewerterinnen müssten dann erläutern, warum nicht die beste oder zweitbeste Bewertung möglich ist, sie im Konzept beispielsweise nicht sehen, dass der Bieter eigene Ideen vorbringt.
Der Antragsteller trägt zur Bewertung immer wieder vor, es würden Ermessenserwägungen fehlen oder es sei nicht dargelegt, warum ein bestimmtes Kriterium nicht erfüllt sei. Hier geht der Antragsteller erkennbar von einem absteigenden Bewertungssystem aus, missversteht damit den von der Antragsgegnerin vorgegebenen Prüfungsmodus. Entsprechend sind die Anforderungen an die Begründung geringer. Es ist einfacher darzulegen, was erfüllt ist, als zu erläutern, warum eine vorhandene textliche Darlegung den Kriterien nicht genügt. Vollends unmöglich ist der von dem Antragsteller der Antragsgegnerin immer wieder abverlangte Vortrag negativer Tatsachen.
Im nachgelassenen Schriftsatz vom 20.11.2024 geht der Antragsteller auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 08.11.2024 ein. Angesichts der Dokumentationsdefizite ist es nicht mehr entscheidungserheblich, ob alle Argumente zutreffen. Die Antragsgegnerin wird bei der neuen Wertung prüfen müssen, ob die aufgeführten Inhalte ausreichend sachverhaltlich angesprochen werden. Wie in der mündlichen Verhandlung erörtert genügt die abstrakte Nennung noch nicht. Wie tief die sachverhaltsbezogene Darstellung bei einer Begrenzung auf insgesamt 15 Seiten gehen muss, soll die Antragsgegnerin vor allem angebotsübergreifend nach einheitlichen Maßstäben entscheiden. Dabei kann eine besonders gute Darstellung in einem anderen Konzept die Ansprüche des Auftraggebers erhöhen.
Der Antragsteller irrt über die Funktion des Nachprüfungsverfahrens, das nicht eine bestimmte Bewertung erstreitet, sondern allenfalls wegen Wertungsfehlern zur Zurückversetzung führen kann. Er hat schriftsätzlich vorgetragen, ihm stünde in bestimmten Kriterien ein Punkt mehr zu als bisher vergeben. Nachdem die Antragsgegnerin dem zustimmte, erhöhte er in der mündlichen Verhandlung die Forderung um einen weiteren Punkt.
iii. Wie oben ausgeführt bedarf es zur Herstellung der Transparenz bei abstrakten Wertungskriterien einer vertieften Dokumentation nach § 8 VgV. Der BGH führt in der oben zitierten Schulnoten Entscheidung hierzu aus:
“… muss der Auftraggeber seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend dokumentieren, dass nachvollziehbar ist, welche konkreten qualitativen Eigenschaften der Angebote mit welchem Gewicht in die Benotung eingegangen sind. Wird die Auswahlentscheidung zur Vergabenachprüfung gestellt, untersuchen die Nachprüfungsinstanzen auf Rüge gerade auch die Benotung des Angebots des Antragstellers als solche und in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten. Auch wenn dem öffentlichen Auftraggeber bei der Bewertung und Benotung ein Beurteilungsspielraum zustehen muss, sind seine diesbezüglichen Bewertungsentscheidungen in diesem Rahmen insbesondere auch daraufhin überprüfbar, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden.”
Die Begründungen der Bewerterinnen zu Erläuterung ihrer Punkte genügen nicht den obigen Anforderungen des BGH.
Es ist zwar fehlerhaft, aber unschädlich, dass die Bewerterin 1 in der Prüfliste ihre Kreuze nicht bereits bei dem niedrigsten Prüfniveau 1 oder 2 begonnen hat, sondern erst bei dem ihr relevant erscheinenden Prüfniveau. Fehlerhaft ist es, weil die Antragsgegnerin von dem eigentlich stringenten Aufbau, die Prüflisten der vorherigen Prüfniveaus zu wiederholen, bei der Beratung und bei der Vernetzung abgewichen ist. In der Kategorie Beratung wird das Prüfmerkmal “Inhalte und Schwerpunkte werden beschrieben” nicht nur wiederholt, sondern auf den verschiedenen Prüfniveaus verändert und ausgebaut. In der Kategorie Vernetzung wird das Prüfmerkmal die “die konkrete Zusammenarbeit mit den Kooperationspartnerinnen wird beschrieben” ebenfalls in verschiedenen Prüfungsniveaus ausgebaut.
Unschädlich ist der Fehler, weil in den von der Bewerterin 1 geprüften Prüfniveaus jeweils eine Fassung dieser Prüfliste enthalten ist, die alle vorherigen einschließt. Die Bewertung erscheint fehlerhaft, weil Bewerterin 1 davon ausgeht, die Beratungsarbeit werde nicht evaluiert. Auch das ist unschädlich, weil die Bewerterin dennoch in der Beratung 5 Punkte vergeben hat. Bewerterin 1 ist allerdings von dem nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung von allen Bewertern abgesprochenen System, auch dann, wenn ein Prüfniveau nicht vollständig abgeschlossen werden kann, auch höherwertigere Prüfniveaus zu untersuchen, abgewichen. In der Prüfliste hat sie in keinem einzigen Fall nach einem unvollendet gebliebenen Prüfniveau höherwertigere Prüfniveaus teilweise angekreuzt.
Die Begründung der Bewerterin 1 ist recht kurz und erlaubt es dem Leser nicht, Rückschlüsse zu ziehen, welche Passage des Konzeptes sie davon überzeugt hat, dass sie innerhalb des Prüfniveaus einer Kategorie einen Prüfinhalt als erfüllt angesehen hat.
Das OLG Düsseldorf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27.04.2022, Verg 47/21) weist darauf hin, dass die individuelle Wertungsentscheidung naturgemäß immer eine subjektive Note habe, da sie auf dem Hintergrund und auf der Erfahrung der betreffenden Persönlichkeit beruhe (OLG München, Beschluss vom 25.09.2014, Verg 9/14). Die Dokumentation sei “einerseits eingehend zu dokumentieren, andererseits dürften an die Nachvollziehbarkeit der Bewertungsbegründung keine allzu hohen Anforderungen gestellt werden”.
Hier entfaltet die Begründung der Bewertung in der schriftsätzlichen Erläuterung weder verborgene fachliche Inhalte noch ist sie vollständig, sondern sie bleibt unvollständig.
Bei der Bewerterin 2 hat die Antragsgegnerin im Konfliktmanagement eine Fehlbewertung eingeräumt, die nicht schädlich ist, weil der Antragsteller einen Punkt mehr erhalten hat, als ihm eigentlich zustünde. Die Bewerterin 2 hat die Prüfliste gemäß den Vorgaben und gemäß den vorherigen Absprachen ausgefüllt. Die kurze Darstellung der Begründung ist etwas aussagekräftiger als die der Bewerterin 1.
Die Bewertung des Angebots der Beigeladenen weist die gleichen strukturellen Schwächen auf wie die Bewertung des Angebots des Antragstellers. Es besteht daher keine Gewähr für eine Wertung der Angebote nach gleichen Regeln mit vergleichbaren Ergebnissen.
Die Antragsgegnerin wird bei der neuen Wertung prüfen, ob die aufgeführten Inhalte vorliegen und wie sie zu werten sind.
Beide Bewerterinnen haben sicherlich mit Engagement gewertet. Sie waren aber der ihnen übertragenen Aufgabe der Dokumentation nicht gewachsen, ob sie nicht ausreichend für diese Arbeit geschult waren, mag dahingestellt bleiben.
Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung gefordert, dass eine solche Bewertung von sachkundigem Personal idealerweise mit der Qualifikation als Sozialarbeiter durchgeführt wird. Dieser Wunsch ist in der Intention nachvollziehbar, aber in der Ausformulierung fernliegend. Das Vergaberecht darf den Bürokratieaufwand nicht exponentiell vermehren. Es darf nicht dazu führen, dass eine über Jahrzehnte wahrgenommene Aufgabe plötzlich unlösbar wird, weil das dafür angeblich erforderliche Personal nicht zur Verfügung steht.
Die Vergabekammer hatte sich in der Vergangenheit wiederholt mit der Kritik unterlegener Bieter an der Sachkenntnis der vergebenen Personen auf der Seite des öffentlichen Auftraggebers auseinanderzusetzen. Sie hat beispielsweise die Forderung abgelehnt, ein Auftraggeber dürfe seine technisch anspruchsvolle Entscheidung nur unter Hinzuziehung eines externen Sachverständigen treffen (VK Niedersachsen, Beschluss vom 22.08.2022, VgK-15/2022). Der Antragsteller argumentiert nun in die gleiche Richtung, kann damit ebenfalls nicht gehört werden. Die Vergabeentscheidung ist vom Auftraggeber grundsätzlich selbst zu treffen. Ob er sachkundige Hilfe heranzieht, steht ausschließlich in seinem Ermessen.
Der Antragsteller fühlt sich allerdings im Ergebnis zu Recht durch die dokumentierten Bewertungen unzureichend wahrgenommen. Seine Forderung nach Sachkunde der Bewerterinnen ist dem Grunde nach berechtigt. In der oben zitierten Entscheidung der Vergabekammer aus dem Jahr 2022 gab es Anlass, die Fachkenntnis des Auftraggebers hervorzuheben. Die Forderung nach einer bestimmten beruflichen Qualifikation grenzt dies aber zu sehr ein. Der beruflichen Qualifikation steht die durch Berufserfahrung gewordene Qualifikation jedenfalls in der Rolle als Auftraggeber gleich.
Bewährt und praktisch umsetzbar ist eine Zusammenarbeit zwischen dem jeweiligen Nutzer und der Vergabestelle. Nutzer ist hier der Fachbereich, der für den Betrieb der Unterkunft zuständig ist. Dort weiß man am besten, was gefordert wird, weil man dort die größte Nähe zum Bedarf hat. Der an der Vergabeentscheidung beteiligte Nutzer sollte die konkrete Unterkunft oder zumindest gleichwertige Einrichtungen und deren tägliche Arbeit kennen. Er sollte über die typischerweise auftretenden Schwierigkeiten informiert sein. Bei der Polizei gibt es dafür den Begriff: “in der Lage leben.” Daran fehlt es hier erkennbar bei den Bewerterinnen.
Die Vergabestelle kann die Anforderungen des Nutzers vergaberechtskonform umsetzen. Dazu gehört auch die Schulung und Vor- und Nachbereitung des Nutzers für die von ihm bei der Vergabeentscheidung wahrzunehmenden Teilaufgaben. Oft wird vereinbart, dass der Nutzer die Wertung durchführt.
Die Auswertung der Bewertungsbögen und der Begründungen zu den Wertungen ergibt, dass die Bewerterinnen der Antragsgegnerin die in den Prüflisten vorgegebenen Hilfestellungen nicht ausreichend genau umgesetzt haben, um die Auswertung des Konzeptes inhaltlich zu begründen.
Die Bewerterinnen haben sowohl das Angebot des Antragstellers als auch das Angebot der Beigeladenen in bestimmten Kategorien, die eigentlich mit klar ja oder nein zu beantworten sein müssen unterschiedlich bewertet. D.h., dass die eine oder die andere Sachbearbeiterin entweder Inhalte der Konzepte übersehen hat oder Inhalte in Formulierungen der Konzepte hineininterpretiert hat, die nicht mit der erforderlichen Klarheit dort vorhanden waren. Ein Abgleich der Bewerterinnen miteinander ist aufgrund der nach internen Absprachen nicht durchzuführenden Abstimmung unterblieben.
Scheinbar ist aber auch eine Qualitätssicherung unter der Fragestellung: Ist das nachprüfungssicher? durch die Vergabestelle unterblieben. Daher sind die Bewertungen für die externe Vergabekammer nicht hinreichend nachvollziehbar, auch nicht unter Berücksichtigung der jeweils von den Bewerterinnen gelieferten textlichen Begründungen.
Der Antragsteller hat in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht, dass auch weitere Formulierungen Ermessen enthalten, daher in der Dokumentation für die Punktevergabe gesondert zu begründen seien. Hier nennt er beispielsweise die Formulierungen “praxisnah beschrieben” oder “richtig erfasst”. Nach Einschätzung der Vergabekammer überzieht der Antragsteller damit seine Anforderungen an die Dokumentation, in dem er Begriffe des Alltags, über deren Bedeutung ein breiter gesellschaftlicher Konsens besteht, künstlich problematisiert.
Die Dokumentation hier in Form der Datei “Bewertung soziale Betreuung_Bietername. Bewertername” hat die Aufgabe, in einer auch für unterlegenden Bieter und für Nachprüfungsinstanzen transparenten Art und Weise zu begründen, warum die jeweilige Bewerterin Punkte vergeben hat. In Einzelfällen kann die Bewerterin ihr Ermessen auch durch eine Erläuterung ausdrücken, warum eine im Konzept enthaltene Passage zu einem Kriterium nicht zum Punkt führt.
Unerheblich ist der Einwand der Antragsgegnerin, dass der Antragsteller auch bei Gewährung der von ihm schriftsätzlich vorgetragenen höheren Bepunktung in der Bewertungsrangfolge nicht den Zuschlag erhielte. Bei den festgestellten Bewertungsfehlern handelt es sich um strukturelle Fehler, welche die Wertungen aller Bieter betreffen. Es ist daher für die Herstellung eines einheitlichen Prüfungsmaßstabs erforderlich, dass alle Wertungen wiederholt werden. Das Ergebnis der wiederholten Prüfung ist offen. Dabei ist es sowohl möglich, dass sich die Bieterreihenfolge nicht verändert, als auch das andere Bieter darunter auch der Antragsteller auf Platz 1 kommen können.
b. Der Antragsteller ist nicht durch ein Unterkostenangebot der Beigeladenen in seinen Rechten verletzt. Die Regelung des § 60 VgV ist drittschützend, so dass sich der Antragsteller darauf berufen kann. Erscheint ein Angebotspreis aufgrund des signifikanten Abstands zum nächstgünstigen Gebot oder ähnlicher Anhaltspunkte, wie etwa der augenfälligen Abweichung von preislichen Erfahrungswerten aus anderen Beschaffungsvorgängen, ungewöhnlich niedrig, können die Mitbewerber verlangen, dass die Vergabestelle in die vorgesehene nähere Prüfung der Preisbildung eintritt. Die Antragsgegnerin hat eine Prüfung der Preisbildung nach § 60 VgV durchgeführt, weil das Angebot der Beigeladenen den Preis des zweitniedrigsten Bieters um mehr als 20 % unterschreitet. Die Rechtsprechung hat eine pauschale Aufgreifschwelle von 20 % stets abgelehnt, stattdessen auf eine Einzelfallabwägung abgestellt (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 05.06.2023 – Verg 34/23 – und Beschluss vom 12.06.2024 – Verg 36/23). Gleichwohl hat sich in der Praxis ein sehr häufiger Rückgriff auf eine Preisabweichung ab etwa 20 % als Indiz für die Notwendigkeit einer Preisprüfung herausgearbeitet (VK Bund, Beschluss vom 03.07.2024 – VK 2-47/24).
Die Antragsgegnerin hat das Angebot der Beigeladenen wegen einer Abweichung von mehr als 20 % zu dem Angebot der Antragstellerin für aufklärungsbedürftig gehalten und ist dem nachgegangen. Sie ist daher ihrer Pflicht, das Angebot aufzugreifen und zu überprüfen, nachgekommen, weshalb offenbleiben kann, ab welchem Preisabstand im Einzelnen der Auftraggeber dazu gezwungen ist (OLG Celle, Beschluss vom 13.03.2017; 13 Verg 5/17).
Die Antragsgegnerin hat hier einzelne Positionen, insbesondere Personalkosten der Beigeladenen aufgeklärt, dabei sowohl die Arbeitnehmerbruttokosten als auch die Arbeitgeberbruttokosten ermittelt und diese Zahlen auf die Tagespreise umgelegt. Sie kam zu dem Ergebnis, dass es möglich sei, mit diesen Preisen die Leistungen zu erbringen, ohne dass die Gefahr besteht, dass der Auftragnehmer sich der mit dem Auftrag übernommenen Pflichten möglichst unaufwendig entledigt oder in Insolvenz gerät (vgl. BGH, Beschluss vom 31.01.2017, X ZB 10/16, Rn. 26). Dies zugrunde gelegt, ist die von der Antragsgegnerin getroffene Prognoseentscheidung, die Beigeladene werde über die vorgesehene Vertragslaufzeit in der Lage sein, den Auftrag so, wie angeboten, zu erfüllen, nicht zu beanstanden, sondern vielmehr vertretbar ergangen. Das genügt nach der vorgenannten Rechtsprechung des OLG Celle.
c. Der Antragsteller kann seinen Antrag nicht mit dem Argument begründen, die Kostenschätzung der Antragsgegnerin sei fehlerhaft. Die Kostenschätzung eines öffentlichen Auftraggebers hat nicht primär die Aufgabe, vorab den Marktpreis abzubilden. Deshalb wird sie auch oft nicht in der Bekanntmachung erwähnt. Eine fehlerhafte Schätzung wird nur vergaberelevant, wenn der Auftraggeber darauf eine Aufhebung der Vergabe wegen Unwirtschaftlichkeit stützt, oder wenn sie ohne sachlichen Grund einen Wert unterhalb der Schwellenwerte das § 106 GWB festlegt, so dass der öffentliche Auftraggeber von einer eigentlich gebotenen europaweiten Bekanntmachung absieht und den Auftrag national vergeben möchte. Beides liegt hier nicht vor.
Der Marktwert entsteht nicht durch die Kostenschätzung, wird auch nicht vom Auftraggeber entwickelt, sondern er entsteht durch die eingegangenen Angebote in Abhängigkeit von den Vorgaben der Vergabeunterlagen. Auf diesen Marktwert hat der von der Antragsgegnerin für die Erstellung des Schätzwertes herangezogene Quervergleich mit anderen Unterkünften keine Auswirkungen. Er ist daher irrelevant.
Der inhaltlich offen formulierte Nachprüfungsantrag ist daher wegen der Ausführungen zu 2a begründet.
3. Gemäß § 168 GWB trifft die Vergabekammer die geeigneten Maßnahmen, um eine Rechtsverletzung zu beseitigen und eine Schädigung der betroffenen Interessen zu verhindern. Sie ist dabei an die Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Das ist der Grund, weshalb der Antrag auch dann vollständig begründet ist, wenn nicht alle Argumente des Antragstellers überzeugen.
Hier liegt ein Grund vor, mit Maßnahmen auf die Rechtmäßigkeit des Verfahrens einzuwirken. Die Zurückversetzung bis zum Zeitpunkt unmittelbar vor Beginn der Wertung ist das mildeste der in Erwägung zu ziehenden Mittel, da hier nur die Wertung der Angebote fehlerhaft erfolgte. Die Wertung kann bei der Wertung abstrakter Kriterien nicht von ihrer Dokumentation getrennt werden, weil nach der Rechtsprechung des BGH beides zusammengehört.
Für das weitere Verfahren weist die Vergabekammer ergänzend darauf hin, dass die Antragsgegnerin in den Vergabeunterlagen keine Festlegung getroffen hat, aus welchem Kreis sich das Bewertungsteam zusammensetzen soll. Daher ist sie in der Entscheidung frei, ob sie die bisher eingesetzten Bewerterinnen eine erneute Bewertung durchführen lässt, oder die Teams innerhalb der Verfahren untereinander tauscht oder neu zusammengestellt.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 182 GWB.
Die in Ziffer 2 des Tenors festgesetzte Gebühr ergibt sich aus einer Interpolation des Auftragswertes innerhalb des Gebührenrahmens nach § 182 Abs. 2 GWB. Die von der Vergabekammer festzusetzende regelmäßige Mindestgebühr beträgt 2.500 Euro, die Höchstgebühr 50.000 Euro und die Höchstgebühr in Ausnahmefällen 100.000 Euro.
Die Gebührenermittlung erfolgt anhand einer Gebührentabelle des Bundeskartellamtes in der zzt. gültigen Fassung vom Dezember 2009. Hiernach wird der Mindestgebühr von 2.500 Euro (§ 128 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von bis zu 80.000 Euro zugeordnet und dem regelmäßigen Höchstwert von 50.000 Euro (§ 182 Abs. 2 GWB) eine Ausschreibungssumme von 70 Mio. Euro (höchste Summe der Nachprüfungsfälle 1996-1998) gegenübergestellt. Dazwischen wird interpoliert.
Der zugrunde zu legende Auftragswert ist nach dem Interesse des Antragstellers am Auftrag zu bewerten. Der Antragsteller hat zunächst ein Angebot für 4 Jahre abgegeben. Hinzu kommt sein Interesse an der Auftragsverlängerung von maximal 2 Jahren. Nach der Rechtsprechung des BGH wird die Verlängerungsoption wegen der Unsicherheit, ob sie vom Auftraggeber ausgeführt wird mit 50 % des Wertes berechnet. Daraus ergibt sich ein Gesamtwert für den Antragsteller in Höhe von … Euro brutto. Dieser Betrag entspricht dem Interesse des Antragstellers am Auftrag.
Bei einer Ausschreibungssumme von … Euro brutto ergibt sich eine Gebühr in Höhe von … Euro. Diese Gebühr schließt einen durchschnittlichen sachlichen und personellen Aufwand ein. Gutachterkosten oder Kosten durch Zeugenvernehmungen in der mündlichen Verhandlung sind nicht angefallen.
Die in Ziffer 3 des Tenors verfügte Kostenlast folgt aus § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB. Danach hat ein Beteiligter, soweit er im Nachprüfungsverfahren unterliegt, die Kosten zu tragen. Der Begriff der Kosten umfasst die Gebühren und die Auslagen der Vergabekammer. Für die Ermittlung des Unterliegens ist nicht auf einen etwaigen Antrag abzustellen. Gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB ist die Vergabekammer an Anträge nicht gebunden und kann auch unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken. Da die Antragsgegnerin im Nachprüfungsverfahren unterlegen ist, hat sie die Kosten zu tragen.
Die Antragsgegnerin ist jedoch von der Pflicht zur Entrichtung ihres Kostenanteils gemäß § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 3 BVerwKostG befreit (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 13.07.2005, Az.: 13 Verg 9/05; OLG Dresden, Beschluss vom 25.01.2005, Az.: WVerg 0014/04). Zwar wurde das BVerwKostG mit Wirkung vom 15.08.2013 aufgehoben, jedoch ist es aufgrund der starren Verweisung aus § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB auf das BVerwKostG in der Fassung vom 14.08.2013 hier weiter anzuwenden. Inhaltlich entspricht die dortige Regelung § 8 BGebG.
Gemäß Ziffer 4 des Tenors hat die Antragsgegnerin dem Antragsteller die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung entstandenen notwendigen Aufwendungen gemäß § 182 Abs. 4 GWB zu erstatten. Hier gilt zunächst das oben zu Ziffer 3. Ausgeführte.
Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i.V.m. § 80 Abs. 2 VwVfG in entsprechender Anwendung war antragsgemäß auszusprechen, dass die Zuziehung eines Rechtsanwalts durch den Antragsteller im Nachprüfungsverfahren notwendig war. Obwohl das GWB für das Nachprüfungsverfahren 1. Instanz vor der Vergabekammer keine rechtsanwaltliche Vertretung vorschreibt, ist wegen der Komplexität des Vergaberechts, des Verfahrensrechts im Nachprüfungsverfahren sowie der Komplexität des konkreten streitbefangenen Vergabeverfahrens rechtsanwaltliche Beratung und Begleitung für den Antragsteller erforderlich.
Etwaige Aufwendungen der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig. Nach § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB sind Aufwendungen des Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie aus Billigkeitsgründen der unterlegenen Partei auferlegt. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit voraus, dass der Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010 – Verg W 10/09; OLG Celle, Beschluss vom 29.06.2010, 13 Verg 4/10, zit. nach ibr-online). Hier hat die Beigeladene darauf verzichtet Sachanträge zu stellen. Es gibt daher keinen Grund, die Beigeladene in die Kostenentscheidung mit einzubeziehen.