Ax Vergaberecht | Rechtsanwalt

EuGH, URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer), 16. Januar 2025: Vorgaben zum Material einer ausgeschriebenen Ware sind (nach wie vor) im Ausnahmefall zulässig

vorgestellt von Thomas Ax

Die von öffentlichen Beschaffern erstellten technischen Spezifikationen müssen es erlauben, das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb zu öffnen und Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Zu diesem Zweck sollte es möglich sein, Angebote einzureichen, die die Diversität der technischen Lösungen, Normen und technischen Spezifikationen auf dem Markt widerspiegeln, einschließlich solcher, die auf der Grundlage von Leistungskriterien im Zusammenhang mit dem Lebenszyklus und der Nachhaltigkeit des Produktionsprozesses der Bauleistungen, Lieferungen und Dienstleistungen erstellt wurden.

Folglich sollten technische Spezifikationen so abgefasst sein, dass eine künstliche Einengung des Wettbewerbs vermieden wird, zu der es kommen könnte, wenn Anforderungen festgelegt würden, die einen bestimmten Wirtschaftsteilnehmer begünstigen, indem auf wesentliche Merkmale der vom betreffenden Wirtschaftsteilnehmer angebotenen Lieferungen, Dienstleistungen oder Bauleistungen abgestellt wird. Die Formulierung technischer Spezifikationen in Form von Funktions- und Leistungsanforderungen erlaubt es in der Regel, dieses Ziel bestmöglich zu erreichen. Funktions- und Leistungsanforderungen sind auch ein geeignetes Mittel, um im öffentlichen Auftragswesen Innovationen zu fördern, und sollten möglichst breite Verwendung finden. Wird auf eine europäische Norm oder in Ermangelung einer solchen auf eine nationale Norm Bezug genommen, so sollten Angebote, die auf gleichwertigen Regelungen basieren, von öffentlichen Auftraggebern berücksichtigt werden. Öffentliche Auftraggeber sollten bei der Bewertung des besten Preis-Leistungs-Verhältnisses die mit dem Gegenstand des Auftrags verbundenen wirtschaftlichen und qualitativen Kriterien festlegen, die sie zu diesem Zweck heranziehen werden. Diese Kriterien sollten damit eine vergleichende Beurteilung des Leistungsniveaus jedes einzelnen Angebots gemessen am Gegenstand des Auftrags, wie in den technischen Spezifikationen festgelegt, ermöglichen (vgl Erwägungsgründe 74 und 92 der Richtlinie 2014/24).

Ausgangssachverhalt

11      Fluvius ist eine Gesellschaft belgischen Rechts, die in der Region Flandern im Bereich der Errichtung, Verwaltung und Wartung von mehreren Versorgungsnetzen – darunter Abwassernetzen – tätig ist.

12      Bei der Veröffentlichung von Bekanntmachungen über die Vergabe öffentlicher Aufträge für den Bau oder die Erneuerung von Abwasserkanälen verlangt Fluvius die Verwendung von Rohren aus Steinzeug für die Systeme zur Ableitung von Abwasser und von Rohren aus Beton für die Systeme zur Ableitung von Regenwasser. Die Verwendung anderer Materialien wird nur unter besonderen technischen Umständen gestattet.

13      Als Hersteller und Anbieter von Abwasserrohren aus Kunststoff ist DYKA der Auffassung, dass ihr Ausschluss von den von Fluvius durchgeführten Vergabeverfahren gegen die Grundsätze der öffentlichen Auftragsvergabe verstoße, die in den die Art. 18 und 42 der Richtlinie 2014/24 umsetzenden Art. 4, 5 und 53 des Gesetzes über die öffentlichen Aufträge enthalten seien.

14      Am 4. Juni 2020 forderte DYKA Fluvius auf, seine Ausschreibungen so anzupassen, dass in deren Rahmen Abwasserrohre aus Kunststoff angeboten werden könnten.

15      Im Übrigen forderte DYKA Fluvius am 7. Oktober 2020 auf, in den Unterlagen der Ausschreibung eines öffentlichen Auftrags zum Bau eines Abwassersystems in der Gemeinde Beringen (Belgien) die Gründe, weshalb Kunststoffrohre von diesem Auftrag ausgeschlossen seien, genauer anzugeben.

16      In ihrer Antwort vom 15. Oktober 2020 bestätigte Fluvius, dass nur Rohre aus Steinzeug (für die Ableitung von Abwasser) und Beton (für die Ableitung von Regenwasser) akzeptiert würden. Sie war der Auffassung, diese Materialwahl nicht weiter begründen zu müssen.

17      DYKA erhob Klage bei der Ondernemingsrechtbank Gent, Afdeling Gent (Unternehmensgericht Gent, Abteilung Gent, Belgien), dem vorlegenden Gericht, und beantragte, Fluvius aufzugeben, dieses Vorgehen zu beenden, und sie zur Zahlung einer Entschädigung zu verurteilen.

18      Vor diesem Gericht macht Fluvius geltend, es sei u. a. unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten legitim, standardmäßig – d. h. bei Nichtvorliegen besonderer technischer Umstände – Abwasserrohre aus Steinzeug und Beton zu wählen. Sie ist im Wesentlichen der Auffassung, eine solche Anforderung verstoße nicht gegen die in den Art. 18 und 42 der Richtlinie 2014/24 enthaltenen Grundsätze.

Was meint der EuGH?

40     Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass in einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Bauauftrags mit der Formulierung der technischen Spezifikationen gemäß Art. 42 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 „die für die Bauleistungen … geforderten Merkmale“ beschrieben werden sollen. Indem die technischen Spezifikationen diese Merkmale festlegen, definieren sie, wie sich aus dem 92. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, den eigentlichen Gegenstand des öffentlichen Auftrags.

41      Diese Spezifikationen können nach Anhang VII Nr. 1 Buchst. a dieser Richtlinie u. a. die erforderlichen Eigenschaften „eines Produkts oder einer Lieferung …, damit dieser/diese den vom öffentlichen Auftraggeber beabsichtigten Zweck erfüllt“, umfassen. Zu diesen Eigenschaften gehören u. a. alle „technischen Anforderungen, die der Auftraggeber für fertige Bauwerke oder dazu notwendige Materialien oder Teile durch allgemeine und spezielle Vorschriften anzugeben in der Lage ist“.

42      Zwar verfügen die öffentlichen Auftraggeber insoweit über ein weites Ermessen, das dadurch gerechtfertigt ist, dass sie die Gegenstände, die sie benötigen, und die Anforderungen, die erfüllt werden müssen, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, am besten kennen. Jedoch setzt die Richtlinie 2014/24 gewisse Grenzen, die sie einzuhalten haben. Sie müssen gemäß Art. 42 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24 sicherstellen, dass die technischen Spezifikationen allen Wirtschaftsteilnehmern den gleichen Zugang zu den Vergabeverfahren gewähren und die Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 25. Oktober 2018, Roche Lietuva, C‑413/17, EU:C:2018:865, Rn. 29 bis 33).

43      Im gleichen Sinne ergibt sich aus dem 74. Erwägungsgrund dieser Richtlinie, dass die im Hinblick auf die Vergabe eines öffentlichen Auftrags formulierten technischen Spezifikationen diesen öffentlichen Auftrag für den Wettbewerb öffnen müssen und somit die Einreichung von Angeboten ermöglichen müssen, die u. a. die Diversität der auf dem Markt vorhandenen technischen Lösungen widerspiegeln (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 25. Oktober 2018, Roche Lietuva, C‑413/17, EU:C:2018:865, Rn. 36, und vom 24. Oktober 2024, Obshtina Pleven, C‑513/23, EU:C:2024:917, Rn. 36).

44      Weiter heißt es im 74. Erwägungsgrund der Richtlinie, dass die Formulierung technischer Spezifikationen in Form von Funktions- und Leistungsanforderungen es in der Regel erlaubt, das Ziel der Öffnung für den Wettbewerb bestmöglich zu erreichen, und dass diese Formulierungsmethode, die im öffentlichen Auftragswesen Innovationen fördert, daher möglichst breite Verwendung finden sollte.

45      Diese in Art. 42 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2014/24 vorgesehene Art der Formulierung technischer Spezifikationen ermöglicht es nämlich jedem Wirtschaftsteilnehmer, dessen Waren den vom öffentlichen Auftraggeber gestellten Leistungs- und Funktionsanforderungen entsprechen, u. a. unabhängig vom Verfahren zur Herstellung seiner Waren und dem Material, aus dem sie bestehen, ein Angebot abzugeben.

46      Damit auch die in Art. 42 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 2014/24 genannte Methode der Formulierung eine angemessene Öffnung für den Wettbewerb gewährleistet, hat der Unionsgesetzgeber vorgesehen, dass die nach dieser Methode formulierten technischen Spezifikationen mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen sind.

47      Da die Öffnung für den Wettbewerb somit für den Fall der Anwendung einer der in Art. 42 Abs. 3 Buchst. a und b der Richtlinie 2014/24 genannten Methoden gewährleistet ist, ist sie auch in den in Art. 42 Abs. 3 Buchst. c und d dieser Richtlinie genannten Fällen gewährleistet, bei denen es sich um eine Kombination dieser beiden Methoden handelt.

48      Dagegen ist es nach Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 grundsätzlich verboten, in die technischen Spezifikationen einen Verweis „auf eine bestimmte Herstellung oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die von einem bestimmten Wirtschaftsteilnehmer bereitgestellten Waren oder Dienstleistungen charakterisiert“, oder „auf Marken, Patente, Typen, einen bestimmten Ursprung oder eine bestimmte Produktion [aufzunehmen], wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Waren begünstigt oder ausgeschlossen werden“.

49      Solche Verweise tragen nämlich keineswegs dazu bei, das öffentliche Auftragswesen für den Wettbewerb zu öffnen, sondern bewirken eine Einengung des Wettbewerbs.

50      Allerdings kann ein öffentlicher Auftraggeber ausnahmsweise einen Verweis nach Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 in die die technischen Spezifikationen enthaltenden Auftragsunterlagen aufnehmen, sofern – wie es im Wesentlichen Art. 42 Abs. 4 Satz 2 dieser Richtlinie vorsieht – mit gemäß Art. 42 Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie angegebenen Leistungs- oder Funktionsanforderungen, gemäß Art. 42 Abs. 3 Buchst. b dieser Richtlinie angegebenen Spezifikationen oder einer Kombination der beiden Methoden der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann. In einem solchen Fall muss der öffentliche Auftraggeber gemäß Art. 42 Abs. 4 Satz 3 der Richtlinie 2014/24 diesen Verweis mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ versehen.

51      Wie sich im Übrigen aus dem in Art. 42 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2014/24 enthaltenen Einschub „[s]oweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist“, ergibt, können die in dieser Bestimmung genannten Verweise auch verwendet werden, wenn dies im Hinblick auf den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. In Anbetracht seiner Stellung am Anfang von Art. 42 Abs. 4 dieser Richtlinie und der Verwendung des Wortes „[s]ofern“ ist dieser Fall, der sich von dem in Art. 42 Abs. 4 Satz 2 der Richtlinie vorgesehenen unterscheidet, als Umstand zu verstehen, der es dem öffentlichen Auftraggeber erlaubt, die Anwendbarkeit des Regelungsgehalts dieses Abs. 4 auszuschließen, der das grundsätzliche Verbot in Satz 1 dieses Absatzes, die Ausnahme von diesem Verbot in seinem Satz 2 und das Erfordernis in seinem Satz 3 umfasst, im Fall der Anwendbarkeit dieser Ausnahme den Zusatz „oder gleichwertig“ hinzuzufügen.

52      Ist ein Verweis wie der in Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 genannte durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt, kann er folglich in die technischen Spezifikationen aufgenommen werden, ohne dass das in Satz 1 dieser Bestimmung enthaltene Verbot oder die in den Sätzen 2 und 3 dieser Bestimmung vorgesehenen Bedingungen Anwendung fänden.

53      Dieser Fall, auf den sich die Wendung „[s]oweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist“ bezieht, ist eng auszulegen – da andernfalls das Ziel der Öffnung des öffentlichen Auftragswesens für den Wettbewerb beeinträchtigt würde –, so dass er nur Situationen erfasst, in denen sich das Erfordernis der Verwendung einer Ware eines bestimmten Typs, einer bestimmten Herkunft oder sogar einer bestimmten Marke, oder einer Ware, die auf der Grundlage eines bestimmten Patents oder Verfahrens hergestellt wurde, zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergibt.

54      Unter Berücksichtigung aller vorstehenden Ausführungen zur Tragweite von Art. 42 der Richtlinie 2014/24 wird das vorlegende Gericht zu beurteilen haben, ob Fluvius mittels der technischen Spezifikationen, die sie im Hinblick auf die Vergabe öffentlicher Aufträge über Abwasserarbeiten formuliert, diese öffentlichen Aufträge auf Wirtschaftsteilnehmer beschränken kann, die Abwasserrohre aus Steinzeug für die Ableitung von Abwasser und Betonrohre für die Ableitung von Regenwasser liefern.

55      Auch wenn es allein Sache des vorlegenden Gerichts ist, die in Art. 42 der Richtlinie 2014/24 enthaltenen Regeln in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof anzuwenden, kann der Gerichtshof gleichwohl Hinweise für die Feststellung geben, inwieweit diese Regeln auf einen Verweis wie den im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – der darin besteht, die Verwendung von Rohren „aus Steinzeug“ oder „aus Beton“ zu verlangen – angewandt werden können.

56      Insoweit ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass das Material, aus dem eine Ware besteht, nicht als „Leistungs-“ oder „Funktionsanforderung“ im Sinne von Art. 42 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 2014/24 eingestuft werden kann. Denn ein Material kann zwar zur Leistung einer Ware oder ihrer Eignung, eine Funktionsanforderung zu erfüllen, beitragen, ist aber selbst keine „Leistungs-“ oder „Funktionsanforderung“.

57      In einem Fall wie dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden – in dem es in dem betreffenden Wirtschaftssektor Waren gibt, die nach ihrer Herstellung und insbesondere dem Material, aus dem sie bestehen, unterschieden werden können – ist die Anforderung, Waren aus einem bestimmten Material zu verwenden, wie der Generalanwalt in den Nrn. 72 und 73 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, als Verweis auf einen „Typ“ oder eine „bestimmte Produktion“, wodurch „bestimmte Unternehmen oder bestimmte Waren begünstigt oder ausgeschlossen werden“ im Sinne von Art. 42 Abs. 4 Satz 1 der Richtlinie 2014/24 einzustufen, da dieser Verweis zum Ausschluss von Unternehmen führt, die Waren aus einem anderen als dem verlangten Material liefern.

58      Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass Fluvius in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof in Beantwortung einer Frage des Gerichtshofs erklärt hat, sie habe die im Ausgangsverfahren in Rede stehende technische Spezifikation, wonach die Rohre für die Ableitung von Abwasser aus Steinzeug und die Rohre für die Ableitung von Regenwasser aus Beton sein müssten, nicht mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ versehen.

59      Sollte dies der Fall sein, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist, würde daraus folgen – ohne dass geprüft zu werden bräuchte, ob gemäß Art. 42 Abs. 3 der Richtlinie 2014/24 der Gegenstand aller im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Aufträge hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann – dass Fluvius sich nicht mit Erfolg auf die Ausnahme in Art. 53 § 4 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes über die öffentlichen Aufträge, der Art. 42 Abs. 4 Satz 2 dieser Richtlinie in belgisches Recht umsetzt, berufen kann, da die Anforderung in Art. 42 Abs. 4 Satz 3 dieser Richtlinie, der mit Art. 53 § 4 Abs. 3 dieses Gesetzes umgesetzt wurde, nicht erfüllt wäre.

60      Was als Drittes den Fall am Anfang von Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 – der in den Rn. 51 bis 53 des vorliegenden Urteils ausgelegt und mit Art. 53 § 4 Abs. 2 Nr. 2 des Gesetzes über die öffentlichen Aufträge in belgisches Rechts umgesetzt wurde – betrifft, ist festzustellen, dass sich das Erfordernis der Verwendung eines bestimmten Materials für einen öffentlichen Auftrag oder einen Teil davon insbesondere dann zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergeben kann, wenn es auf der vom öffentlichen Auftraggeber angestrebten Ästhetik oder der Notwendigkeit beruht, dass ein Bauwerk sich in seine Umgebung einfügt, oder wenn es im Hinblick auf eine nach Art. 42 Abs. 3 Buchst. a dieser Richtlinie formulierte Leistungs- oder Funktionsanforderung zwangsläufig erforderlich ist, aus diesem Material bestehende Waren zu verwenden. In solchen Situationen kommt nämlich keine auf einer anderen technischen Lösung beruhende Alternative in Betracht.

61      Abgesehen von den Fällen, in denen sich die Verwendung eines Materials zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand ergibt, kann der öffentliche Auftraggeber ohne Hinzufügen des Zusatzes „oder gleichwertig“ nicht die Verwendung eines bestimmten Materials verlangen. Er muss dann im Rahmen der technischen Spezifikationen davon absehen, die Verwendung eines bestimmten Materials vorzuschreiben, entweder indem er es vermeidet, ein solches Material in den Auftragsunterlagen zu erwähnen, oder indem er ein oder mehrere Materialien erwähnt und dabei aber den Zusatz „oder gleichwertig“ hinzufügt. Somit wird der öffentliche Auftraggeber entsprechend dem von der Richtlinie 2014/24 verfolgten Ziel der Öffnung für den Wettbewerb dazu veranlasst, die Zuschlagskriterien auf eine Vielzahl von Angeboten anzuwenden, die sowohl solche umfassen können, mit denen Waren angeboten werden, die aus Materialien bestehen, deren Verwendung in dem betreffenden Sektor üblich ist, als auch solche, mit denen Waren aus weniger üblichen oder sogar innovativen Materialien angeboten werden. Der öffentliche Auftraggeber gibt den interessierten Wirtschaftsteilnehmern somit die Möglichkeit, die Gleichwertigkeit solcher Materialien nachzuweisen.

62      Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 42 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 dahin auszulegen ist, dass die öffentlichen Auftraggeber in den technischen Spezifikationen eines öffentlichen Bauauftrags ohne Hinzufügen des Zusatzes „oder gleichwertig“ nicht angeben können, aus welchen Materialien die von den Bietern angebotenen Waren bestehen müssen, es sei denn, die Verwendung eines bestimmten Materials ergibt sich zwangsläufig aus dem Auftragsgegenstand, da keine auf einer anderen technischen Lösung beruhende Alternative in Betracht kommt.

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