Ax Vergaberecht

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Schadensersatz auf positives Interesse?

Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax

Frage: Kann aus Vergabefehlern ein Schadensersatz auf positives Interesse erwachsen?

Antwort: Ja!

Durch die Teilnahme an einer Ausschreibung wird ein vorvertragliches Schuldverhältnis begründet, durch das Rücksichtnahmepflichten gemäß § 241 Abs. 2 BGB entstehen. Verletzt die Vergabestelle eine solche Rücksichtnahmepflicht, kann der Bieter Ersatz des Schadens verlangen, der ihm durch die mangelnde Beachtung der für das Verfahren und seine mögliche Aufhebung maßgeblichen Vorschriften entstanden ist. So ist regelmäßig ein Anspruch des Bieters auf Erstattung des negativen Interesses gegeben, wenn die Vergabestelle das Vergabeverfahren aufhebt, ohne dass ein Aufhebungsgrund nach § 17 Abs. 1 VOB/A vorliegt.

Die vergaberechtlichen Vorschriften mit bieterschützendem Charakter begründen zwar kein Recht auf die Auftragserteilung, sondern nur das Recht eines jeden Bieters, der die Voraussetzungen hierfür erfüllt, auf Teilnahme am Wettbewerb unter fairen, transparenten und nicht-diskriminierenden Bedingungen und damit auf Wahrung der Chance auf einen Zuschlag. Die Bieter können demgemäß zwar die Beachtung aller für das Verfahren und die Zuschlagserteilung maßgeblichen Vorschriften erwarten, nicht aber die Auftragsvergabe selbst (st. Rspr., BGH, Urteile vom 20. März 2014 – X ZB 18/13, VergabeR 2014, 538 Rn. 20 f. mwN – Fahrbahnerneuerung I; BGHZ 228, 15 Rn. 9 ff., 21 – Flüchtlingsunterkunft).

Ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns besteht aber ausnahmsweise dann, wenn der übergangene Bieter den Auftrag bei ordnungsgemäßer Vergabe hätte erhalten müssen und ein Zuschlag tatsächlich erteilt worden ist.

Ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns kommt indessen nicht in Betracht, wenn der öffentliche Auftraggeber ein mit einer Aufhebung des ersten Vergabeverfahrens und einer fehlerfreien Neuvergabe wirtschaftlich und wertungsmäßig entsprechendes Ergebnis herbeiführt, indem er mit demjenigen, der den Zuschlag zu Unrecht erhalten hat, einen Aufhebungsvertrag schließt und sodann in Bezug auf den gleichen Auftrag ein neues Vergabeverfahren durchführt.

Dabei kann dahinstehen, ob die zwischen dem Mitbieter und der Beklagten gemäß § 311 Abs. 1 BGB vereinbarte Aufhebung den Zuschlag – wofür einiges spricht – mit Rückwirkung hat entfallen lassen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1978 – V ZR 115/77, NJW 1978, 2198 [juris Rn. 8 f.]).

Denn ein Anspruch auf Ersatz entgangenen Gewinns ist grundsätzlich nur dann gegeben, wenn der “falsche” Bieter den Auftrag auch tatsächlich erhält. Ist das nicht der Fall, weil es zu einem den gesamten Auftrag betreffenden Aufhebungsvertrag und einer sich daran anschließenden Neuvergabe kommt, wird das Recht des übergangenen Bieters auf Teilhabe am Vergabeverfahren und Wahrung seiner Chance bei der Auftragsvergabe im Regelfall ausreichend gewahrt.