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LG Frankenthal (Pfalz): Unzulässige Kameraüberwachung in der Nachbarschaft (mit AxRechtsanwälte erfolgreich) unterbinden

In einem von AxRechtsanwälte für eine Mandantin aus Ludwigshafen erfolgreich betriebenen Einstweiligen Verfügungsverfahren hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) durch den Richter am Landgericht Dr. Wiederhold als Einzelrichter am 15.06.2020 beschlossen:

Den Antragsgegnern wird im Wege der einstweiligen Verfügung aufgegeben, die auf ihrem Grundstück … in 67069 Ludwigshafen betriebenen 3 Kameras so zu betreiben, dass eine Aufzeichnung von Geschehnissen auf dem Grundstück der Antragstelle­rin nicht möglich ist und entsprechende Aufnahmen in Zukunft zu unterlassen. Den Antragsgegnern wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Unter­lassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld von bis zu 250.000 € und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Mona­ten angedroht.

Sachverhalt:

Worum geht es?

Die Antragstellerin bewohnt das Grundstück … in Ludwigshafen. Die Antrags­gegner bewohnen das benachbarte Grundstück … ebendort. Die Antragsgegner haben auf ihrem Grundstück insgesamt 3 Kameras in Gestalt sog. ,,Dome-Kameras“ mit einem 360°-Aufnahmebereich angebracht, wobei zwei am Gebäude – je eine im Erdgeschoss und eine im ersten Obergeschoss – und eine weitere an der Garage befestigt sind. Innerhalb des Aufnahmebereichs der jeweiligen Kamera liegen verschiedene Bereiche des von der Antragstellerin bewohnten Grundstückes. Mehrere vorgerichtlich Aufforderungen zur Beseitigung des Zustandes von der Antragstellerin an die Antragsgegner blieben ohne Erfolg.

Rechtliche Würdigung:

Überzeugend führt das LG aus:

„Der Verfügungsanspruch auf die Unterlassung der Fertigung von Filmaufnahme betreffend des von der Klägerin genutzten Grundstückes folgt aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Antragstellerin.

Zwar ist es einem Grundstückseigentümer nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unbenommen, auf seinem Grundstück Kameras zu installieren und Videoaufzeichnungen zu fertigen. Diese Befugnis findet jedoch dann ihre Grenzen, wenn mit dieser Videoaufzeichnung ausschließlich oder auch nur beiläufig benachbarte Grundstücke erfasst werden. Eine Videoaufzeichnung von Geschehnissen auf dem von der Klägerin genutzten Grundstück ist vorliegend aber ausgehend von der Kamerapositionierung und dem jeweiligen Schwenk- und Aufnahmebereich möglich und glaubhaft gemacht, sodass die drei Kameras bzw. deren Aufnahmen in den grundrechtliche geschützten Bereich der Antragstellerin eingreifen. Eine Rechtfertigung oder Duldungspflicht der Antragstellerin ist nicht ersichtlich.

Ein Verfügungsgrund ist vorliegend auch wegen eines drohenden wiederholten Eingriffs in grundrechtliche geschützte Positionen gegeben. Der Antragstellerin ist es nicht zuzumuten, anstelle des einstweiligen Verfügungsverfahrens ausschließlich das Hauptsacheverfahren zu betrei­ben, da während dessen Dauer von zumindest mehreren Wochen die (fortgesetzte) Rechtsver­letzung durch die Antragsgegner weiter droht. Die Antragstellerin hat auch .innerhalb angemessener Frist seit Bekanntwerden der Beeinträchtigung um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. In­ soweit ergibt sich aus dem zwischenzeitlichen Vortrag – maßgeblich aus der weiteren eidesstattlichen Versicherung im Rahmen des Beschwerdeverfahrens-, dass der Zustand seit etwa 4 Wochen andauert und die Antragsgegner auf vorherige Aufforderungen hin keine Maßnahmen zur Begrenzung des Aufnahmebereichs der Kameras ergriffen haben.

…“

Hintergrund:

Wie haben wir argumentiert?

Die Mandantin hat einen Anspruch auf Beseitigung aus §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 S. 1 (analog) BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 GG.

Die Nachbarn haben dadurch, dass sie das Grundstück der Mandantin gefilmt haben und filmen, in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eingegriffen.

Dieser Eingriff war auch rechtswidrig, weil im Rahmen einer Gesamtabwägung der widerstreitenden Interessen die persönlichkeitsrechtlichen Belange der Mandantin überwiegen.

Denn selbst wenn die Nachbarn ein berechtigtes Interesse daran haben sollten, ihr Grundstück zu überwachen, rechtfertigt dies unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit der Mittel keine Überwachung fremder Grundstücke (vgl. BGH, Urt. v. 21.10.2011 – V ZR 265/10, juris Rn. 13):

„Einem Grundstückseigentümer ist es grundsätzlich gestattet, zum Schutz vor unberechtigten Übergriffen auf sein Eigentum seinen Grundbesitz mit Videokameras zu überwachen, sofern diese nicht den angrenzenden öffentlichen Bereich oder benachbarte Privatgrundstücke, sondern allein das Grund-stück des Eigentümers erfassen (vgl. BGH, Urteil vom 25. April 1995 – VI ZR 272/94, NJW 1995, 1955, 1956; Urteil vom 16. März 2010 – VI ZR 176/09, NJW 2010, 1533, 1534). Für das Revisionsverfahren ist zu unterstellen, dass sich der Erfassungswinkel der Kameras allein auf das Grundstück der Kläger erstreckt. Allerdings kann auch bei der Ausrichtung von Überwachungskameras allein auf das eigene Grundstück des Grundstückseigentümers das Persönlichkeitsrecht Dritter beeinträchtigt sein. Dies ist dann der Fall, wenn Dritte eine Überwachung durch die Kameras objektiv ernsthaft befürchten müssen. Eine solche Befürchtung ist dann gerechtfertigt, wenn sie aufgrund konkreter Umstände als nach-vollziehbar und verständlich erscheint, etwa im Hinblick auf einen eskalierenden Nachbarstreit oder aufgrund objektiv Verdacht erregender Umstände. Allein die hypothetische Möglichkeit einer Überwachung durch eine Videokamera beeinträchtigt das allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen, die dadurch betroffen sein könnten, hingegen nicht. Maßgeblich sind jeweils die Umstände des Einzelfalls (BGH, Urteil vom 16. März 2010 – VI ZR 176/09, NJW 2010, 1533, 1543 f.).“

Der damit bestehende Unterlassungsanspruch rechtfertigt auch die von der Mandantin begehrte Rechtsfolge, nämlich den unschädlichen Betrieb der Kameras ggf die Entfernung der drei Kameras.

Ein Störer kann im Rahmen eines Anspruchs aus § 1004 Abs. 1 S. 1 BGB dann auf eine konkrete Maßnahme in Anspruch genommen und auch zu einer konkreten Maßnahme verurteilt werden, wenn allein diese Maßnahme den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet bzw. weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (vgl. BGH, Urt. v. 12.12.2003 – V ZR 98/03, juris Rn. 15; BGH, Urt. v. 10.6.2005 – V ZR 251/04, juris Rn. 10):

„Folgerichtig steht aber einer Verurteilung zu einer konkreten Maßnahme dann nichts im Wege, wenn nur sie den Nichteintritt der drohenden Beeinträchtigung gewährleistet (vgl. Senat, BGHZ 67, 252, 254; Urt. v. 11. November 1983, V ZR 231/82, aaO). Nichts anderes kann gelten, wenn weitere Maßnahmen zwar möglich sind, vernünftigerweise aber nicht ernsthaft in Betracht gezogen werden können (so wohl auch MünchKomm-BGB/Medicus, aaO, § 1004 Rdn. 86). In dieser Lage fehlt es an einem schutzwürdigen Eigeninteresse des Störers, zwischen verschiedenen Abhilfemaßnahmen wählen zu können. Das Beharren auf einer solchen nur formalen Position ohne materiellen Gehalt läßt die Rechtsordnung nicht zu (vgl. Senat, BGHZ 105, 154, 158; BGHZ 100, 95, 105 jeweils zu § 242 BGB).“

Vorliegend ist feststellbar, dass es neben der Entfernung der Kameras keine alternativen, für die Nachbarn milderen Maßnahmen gibt, die die Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts der Mandantin beseitigen. Dabei kann dahinstehen, ob es aufgrund der technischen Besonderheiten der Kameras, nämlich der Verstellbarkeit ihrer Objektive bzw. der konkreten Position ihrer Montage, gar keine Möglichkeit gibt, eine Einstellung und sodann dauerhafte Fixierung der Kameras so vorzunehmen, dass das Grundstück der Mandantin nicht erfasst werden und diese Veränderung von außen kontrollierbar ist.

Denn maßgeblich ist vorliegend ein anderer Gedanke: Die Verletzung des Persönlichkeitsrechts der Mandantin beruht auf dem Umstand, dass sie sich einem sog. Überwachungsdruck ausgesetzt sieht. Dieser Überwachungsdruck resultiert daraus, dass die Kameras dergestalt ausgestattet sind, dass ihre Einstellung (und damit der von einer Aufnahme erfasste Bereich) verändert werden kann, ohne dass dies in Art und Umfang von einem außenstehenden Beobachter verlässlich wahrgenommen werden könnte. Selbst wenn also ein Sachverständigengutachten zu dem Ergebnis käme, dass die Kameras in einer bestimmten Position weder das Grundstück der Mandantin filmen können, wäre die Mandantin weiterhin der Ungewissheit ausgesetzt, ob Sie die entsprechende Position der Kameras oder aber technische Vorrichtungen zur Begrenzung des Aufnahmewinkels „unmerklich“ wieder verändert hätten, so dass letztlich auch der Überwachungsdruck permanent bestehen bleibt. In diesem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, dass das Verhältnis zwischen den Parteien durch nachbarschaftliche Auseinandersetzungen geprägt ist. Auch insofern ist es aus Sicht der Mandantin nicht ganz fernliegend, dass die Nachbarn die der Kameraanlage immanenten Möglichkeiten nutzen könnte, um die Mandantin erneut zu überwachen.