Ax Vergaberecht

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Anforderungen an die Vergabe – Eindeutige Leistungsbeschreibungen

von Thomas Ax

Gemäß § 121 Abs. 1 GWB ist in der Leistungsbeschreibung der Auftragsgegenstand so eindeutig und erschöpfend wie möglich zu beschreiben, sodass die Beschreibung für alle Unternehmen im gleichen Sinne verständlich ist und die Angebote miteinander verglichen werden können. Die Leistungsbeschreibung enthält die Funktions- oder Leistungsanforderungen oder eine Beschreibung der zu lösenden Aufgabe, deren Kenntnis für die Erstellung des Angebots erforderlich ist, sowie die Umstände und Bedingungen der Leistungserbringung.

Nach § 31 Abs. 1 VgV fasst der öffentliche Auftraggeber die Leistungsbeschreibung in einer Weise, dass sie allen Unternehmen den gleichen Zugang zum Vergabeverfahren gewährt und die Öffnung des nationalen Beschaffungsmarkts für den Wettbewerb nicht in ungerechtfertigter Weise behindert. Gemäß § 31 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VgV sind in der Leistungsbeschreibung die Merkmale des Auftragsgegenstands zu beschreiben, in Form von Leistungs- und Funktionsanforderungen oder einer Beschreibung der zu lösenden Aufgabe, die so genau wie möglich zu fassen sind, dass sie ein klares Bild vom Auftragsgegenstand vermitteln und hinreichend vergleichbare Angebote erwarten lassen, die dem öffentlichen Auftraggeber die Erteilung des Zuschlags ermöglichen.

Maßgebliche Bedeutung kommt somit der Leistungsbeschreibung zu (vgl. ausführlich VK Westfalen, Beschl. v. 09.11.2022, VK 3-42/22). Die Unternehmen müssen ihre Angebote an den geforderten Spezifikationen ausrichten (vgl. § 121 Abs. 1 S. 2 GWB). Deshalb müssen Vergabeunterlagen so gefasst werden, dass alle “durchschnittlich fachkundigen Bieter” sie bei Anwendung “der üblichen Sorgfalt in gleicher Weise auslegen” können (vgl. nur EuGH, Urteil vom 02.06.2016, C-27/15 und Urteil vom 14.12.2016 – Rs. C-171/15).

Dies bedeutet freilich nicht, dass die Leistungsbeschreibung zwingend nur eine Auslegungsmöglichkeit enthält. Die Sprache selbst ist selten völlig eindeutig und das Verständnis stets auch vom Empfängerhorizont mitbestimmt. Auch bei sorgfältiger Erstellung einer Leistungsbeschreibung kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass geringe Unklarheiten auftreten (vgl. schon OLG Karlsruhe, Beschluss vom 25.07.2014 – 15 Verg 5/14). Ob mehrere Deutungsmöglichkeiten bestehen, ist im Wege der Auslegung zu ermitteln. Die Leistungsbeschreibung ist Teil des anzubahnenden Vertragswerks für den Auftrag. Auf sie finden die Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB Anwendung (vgl. schon und immer noch gültig: BGH, Beschluss vom 10.06.2008 – X ZR 78/07).

Maßgeblich ist der objektive Empfängerhorizont eines potentiellen Bieters (vgl. ständige Rechtsprechung des BGH, beginnend mit Beschluss vom 22.04.1993 – VII ZR 118/92). Mit anderen Worten: Es kommt mithin nicht darauf an, wie der einzelne Bieter die Leistungsbeschreibung verstanden hat, “sondern wie der durchschnittliche Bewerber des angesprochenen Bieterkreises sie verstehen musste oder durfte” (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.10.2020 – Verg 36/19). Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt (vgl. instruktiv: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28.03.2018 – Verg 52/17).

In diesem Sinne nicht mehr eindeutig sind Vergabeunterlagen dann, wenn auch nach Auslegungsbemühungen durch fachkundigen Unternehmen mehrere Auslegungsmöglichkeiten verbleiben (vgl. schon BGH, Urteil vom 10.06.2008 – X ZR 78/07) oder das zutreffende Verständnis der Vergabeunterlagen eine besondere Gesamtschau erfordert, die von den Bietern oder Bewerbern im Vergabewettbewerb erfahrungsgemäß nicht geleistet wird oder geleistet werden kann (vgl. jüngst und m.w.N. OLG Schleswig, Beschluss vom 19.09.2022 – 54 Verg 3/22).