Das früher in der VOL/A-EG bestehende Verbot einer Überbürdung ungewöhnlicher Wagnisse auf Bieter/Auftragnehmer ist bereits mit der Vergaberechtsreform des Jahres 2009 weggefallen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14; Beschluss vom 19. Oktober 2011, VII-Verg 54/11, Beschluss vom 20. Februar 2013, VII-Verg 44/12; OLG München, Beschluss vom 6. August 2012- Verg 14/12; OLG Koblenz, Beschluss vom 29. November 2012, 1 Verg 6/12; OLG Schleswig, Beschluss vom 25. Januar 2013, 1 Verg 6/12) und hat auch keine Renaissance in der Vergaberechtsreform 2016 erfahren.
Schon seit der Reform 2009 hat sich in den zitierten Entscheidungen daher die Meinung durchgesetzt, die Vergabenachprüfungsinstanzen könnten lediglich unzumutbare Anforderungen an die Angebotserstellung, insbesondere der Kalkulation des Angebotspreises in den Vergabeunterlagen, prüfen und ggf. beanstanden (vgl. dazu im Einzelnen u.a. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2011, VII-Verg 54/11, unterschiedliche Akzentuierung: OLG Dresden, Beschlüsse vom 2. August 2011, Verg 4/11 und vom 28. November 2013, Verg 6/13; OLG Jena, Beschluss vom 22. August 2011, 9 Verg 2/11).
Ein Auftraggeber kann durchaus „riskante“ Leistungen ausschreiben, die er lediglich funktional beschreibt und in der Menge hochgerechnet hat (so auch OLG Naumburg, Urteil vom 22. Januar 2002, 1 U (Kart) 2/01).
Auch gibt es kein gesetzliches Verbot, bestimmte Vertragsrisiken, selbst wenn sie gewichtig und nach dem Leitbild des Bürgerlichen Gesetzbuchs – wie etwa das Verwendungsrisiko – prinzipiell vom Auftraggeber zu tragen sind, zumindest teilweise auf den Auftragnehmer zu verlagern (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. Oktober 2015, VII-Verg 28/14).
Ebenso wenig sind Bieter/Auftragnehmer rechtlich gehindert, ein solches Risiko zu übernehmen (so BGH, Urteil vom 27. Juni 1996, VII ZR 59/95).
Schuldrechtlich betrachtet wären auch einseitig verpflichtende Verträge statthaft, die keine Abnahmepflicht des Auftraggebers, sondern lediglich eine Dienstleistungs- oder Lieferverpflichtung des Auftragnehmers vorsehen (BGH, Urteil vom 18. Januar 1989, VIII ZR 311/87, NJW 1990, 1233 m.w.N.).
Diese zivilrechtlichen Überlegungen finden ihren vergaberechtlichen Nexus in der Betrachtung der Zumutbarkeit (2. Vergabekammer des Bundes, Az.: VK2-3/18, Beschluss vom 14.02.2018).
Hinzu kommt, dass in Bezug auf die hier abzuschließende Rahmenvereinbarungen anerkannt ist, dass die ihr immanent innewohnende Ungewissheit vom Bieter zu tragen ist (3. Vergabekammer des Bundes, Beschluss vom 28. Januar 2005, VK 3-221/04). Die Rahmenvereinbarung ist als Instrument gerade vor dem Hintergrund eingeführt wurden, dem Auftraggeber ein größeres Maß an Flexibilität einzuräumen (2. Vergabekammer des Bundes, Az.: VK2-3/18, Beschluss vom 14.02.2018).
Ob die Prüfung ergibt, dass die Grenze der Zumutbarkeit, auch vor dem Hintergrund der Nachfragemacht des AG (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Oktober 2011, VII-Verg 54/11) und bspw unter Berücksichtigung der einzukalkulierenden Vorhaltekosten überschritten ist oder nicht, muss in jedem Einzelfall geklärt werden (2. Vergabekammer des Bundes, Az.: VK2-3/18, Beschluss vom 14.02.2018).
Die abstrakt erforderliche Berücksichtigung von Risikozuschlägen begründet vergaberechtlich für sich betrachtet keine Unzumutbarkeit der Angebotskalkulation; ebenso wenig wie der unternehmerische Unwillen, Zuschläge anzusetzen. Allein ausschlaggebend ist, dass die vertraglichen bzw. leistungsbezogenen Vorgaben die Risiken transparent erkennen lassen (2. Vergabekammer des Bundes, Az.: VK2-3/18, Beschluss vom 14.02.2018).
Eine Rolle spielt in diesem Zusammenhang insbesondere, ob umfangreiche Erfahrungen aus früheren Maßnahmen vorliegen, aus denen insbesondere unternehmerische Schlüsse gezogen werden können (vgl. auch OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 09. Juni 2004, VII-Verg 18/04; vom 23. März 2005, VII-Verg 77/04; vom 19. Oktober 2006, VII-Verg 39/06; vom 18. November 2009, VII-Verg 19/09).