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Aussage, dass vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind, darf Bewerbenden nicht negativ ausgelegt werden (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.08.2021, 1 VK 37/21)

vorgestellt von Thomas Ax

1. Eine Aussage, dass vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind, darf Bewerbenden nicht negativ ausgelegt werden. Dies wären sonst sachfremde Erwägungen.
2. Ad-hoc-Fragen als offene Fragen sind ein zulässiges Mittel, die Qualifikation des eingesetzten Personals zu bewerten.
3. Ist der Inhalt der Fragerunde strittig, liegt ein Dokumentationsmangel vor, wenn keine umfassende Protokollierung stattfindet.

Gründe

I.

Am 19.04.2021 hat der Antragsgegner im Supplement zum EU-Amtsblatt unter der Nummer XXX eine Rahmenvereinbarung über Unterstützungsleistungen für die Vergabestelle im Rahmen von komplexen Ausschreibungen unter Berücksichtigung des GWB, der VgV und der UVgO europaweit im Offenen Verfahren ausgeschrieben.

Ziffer 1 der Leistungsbeschreibung lautet auszugsweise wie folgt:

„Aufgrund der hohen Anzahl anstehender EU-weiter Ausschreibungen benötigt die Vergabestelle Unterstützungsleistungen bei der Durchführung einzelner Verfahren im Rahmen von Dienstleistungen durch unterschiedliche Consultants (m/w/d). Die Consultants (m/w/d) sollen einzelne Vergabeverfahren vollständig betreuen. Bei vergaberechtlichen Entscheidungen obliegt die Genehmigung und Entscheidung der Vergabestelle.“

Das Aufgabengebiet des Consultant Skill-Level 1 umfasst u. a. die Erstberatung der Fachbereiche bis zum Vertragsschluss und Vorbereitung von Entscheidungsvorlagen für die Vergabestelle, die Prüfung der Vergabeunterlagen auf Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften, die formelle Auswertung von eingegangenen Angeboten unter Beachtung der aktuellen Vergabevorschriften (GWB, VgV, UVgO), die Unterstützung der Fachbereiche bei der fachlichen Prüfung sowie die Mitwirkung bei der Bearbeitung von Rügen (Ziffer 3.1 der Leistungsbeschreibung). Auch das Aufgabengebiet des Consultant Skill-Level 2 umfasst u. a. die formelle Auswertung von eingegangenen Angeboten unter Beachtung der aktuellen Vergabevorschriften (GWB, VgV, UVgO), Ziffer 3.2 der Leistungsbeschreibung. Der Consultant Skill-Level 1 muss u. a. über umfangreiche Kenntnisse im öffentlichen Vergaberecht (GWB, VgV, UVgO, VwV Beschaffung) verfügen, Ziffer 4.1 der Leistungsbeschreibung. Die Leistungsbeschreibung endet mit folgendem Hinweis:

„Es wird darauf hingewiesen, dass der Auftragnehmer keine Rechtsberatung durchführt. Für Rechtsfragen der Vergabestelle ist das XXX-Justiziariat zuständig.“ (S. 8 a.E. der Leistungsbeschreibung).

Ausweislich Ziffer II.2.5 der EU-Auftragsbekanntmachung ist der Preis in jedem Los nicht das einzige Zuschlagskriterium; alle Kriterien sind nur in den Beschaffungsunterlagen aufgeführt. Ziffer 3.4 der Bewerbungsbedingungen ist das nachfolgende Bewertungsvorgehen zu entnehmen:

(…)

(…)

Schlusstermin für den Eingang der schriftlichen Angebotsbestandteile war der 17.05.2021, 10 Uhr Ortszeit (Ziffer IV.2.2 der EU-Auftragsbekanntmachung).

Unter den Bietern, die sich durch Angebotsabgabe an dem vorliegenden Vergabeverfahren beteiligten, befanden sich auch die Antragstellerin und die Beigeladene. Nach Ermittlung der jeweiligen Wertungskennzahl Z befand sich die Antragstellerin unter den drei Bietern mit den höchsten Wertungskennzahlen. Mit jeweiligem Einladungsschreiben vom 28.05.2021 wurden Antragstellerin, Beigeladene und ein dritter Bieter zu einer Bieterpräsentation in Form einer Videokonferenz eingeladen.

Den Einladungsschreiben war der nachfolgende Inhalt zu entnehmen:

„(…)

(…).“

Die Bietergespräche liefen sodann wie in der im Einladungsschreiben enthaltenen Wertungsmatrix, Spalte 1, dargestellt, ab. Die Tabelle weicht teilweise von dem zunächst unter Ziffer 3.5.2.3 der Bewerbungsbedingungen dargestellten Ablauf der Bietergespräche ab. Die Bewertung der Bieterpräsentation erfolgte durch eine zweiköpfige Jury. Eine weitere Person, die nicht Teil der Jury war, führte Protokoll. Zur Ermittlung der Gesamtwertungspunkte wurden die vergebenen Punkte der beiden Jurymitglieder addiert und sodann durch die Anzahl der Jurymitglieder geteilt. Die Beigeladene erzielte mit ihrer Bieterpräsentation 70 Gesamtwertungspunkte, der dritte Bieter 65,5 Punkte und die Antragstellerin 53,25 Punkte. Hinsichtlich der insgesamt erreichbaren 18 Wertungspunkte für die Vorstellung des Bieters sowie der beiden angebotenen Berater erzielten Antragstellerin und Beigeladene insgesamt die gleiche Punktzahl und lagen knapp vor dem dritten Bieter.

Mit Schreiben vom 17.06.2021 teilte der Antragsgegner der Antragstellerin mit, dass er beabsichtige, frühestens am 28.06.2021 den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Zur Begründung wurde auf die im Bietergespräch erzielten Wertungspunkte verwiesen.

Mit Schriftsatz vom 17.06.2021 rügte die Antragstellerin das Vorabinformationsschreiben als unzureichend, das zweistufige Wertungsverfahren als Verstoß gegen § 15 VgV sowie die Wertungsmethodik als Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Des Weiteren sei die Beantwortungsmöglichkeit der Fragen nur durch die Consultants nicht transparent bekannt gegeben worden. Die Fragestellungen verstießen gegen § 127 Abs. 3 Satz 1 GWB und die Bewertung der ad hocFragerunde sei beurteilungsfehlerhaft erfolgt. Mit Schreiben vom 23.06.2021 wies der Antragsgegner die Rügen zurück.

Am 23.06.2021 reichte die Antragstellerin einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer ein. Zur Begründung wurde ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei zulässig. Die Antragstellerin wende sich gegen mehrere Vergaberechtsverstöße, die ihr erst nach Angebotsabgabe bzw. Durchführung der Bieterpräsentation bekannt geworden seien. Mehrere Verstöße seien zudem für den Laien nicht erkennbar gewesen. Eine Kenntnis von der aktuellen Rechtsprechung zur Durchführung von Bieterpräsentationen könne nicht erwartet werden. Nicht gerügte Verstöße könnten von Amts wegen aufgegriffen werden. Weitere Vergaberechtverstöße könnten sich zudem aus der Vergabeakte ergeben. Aufgrund der fehlenden Angabe des Auftragswertes könne davon ausgegangen werden, dass vor Ausschreibungsreife ausgeschrieben worden sei. Der Nachprüfungsantrag sei auch begründet. Die Nichtbenennung des Auftragswertes sowie das nicht hinreichend begründete Vorabinformationsschreiben verstießen gegen das Transparenzgebot nach § 97 GWB. Das Vorabinformationsschreiben beziehe sich lediglich auf das Bietergespräch. Ob ein anderer Bieter dieselbe Punktzahl erreicht habe und nur aufgrund des Preises erstplatziert sei, sei dem Vorabinformationsschreiben nicht zu entnehmen. Zudem fehlten die Bewertungsparameter. Des Weiteren liege ein Verstoß gegen das Verhandlungsverbot gemäß § 15 Abs. 5 Satz 2 VgV vor. Die Vergabestelle habe ein einstufiges Verfahren zweistufig durchgeführt. Die Präsentation von Angebotsinhalten sei nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. § 75 Abs. 1 Satz 1 VgV normiere als Ausnahmeregelung zu § 9 Abs. 2 VgV ausschließlich für die Vergabe von Architekten- und Ingenieurleistungen die Zulässigkeit der Präsentation von Referenzobjekten. Eine rein wertende Präsentation sei abzulehnen. Der Wettbewerb zwischen den Bietern ende im offenen Verfahren mit Ablauf der Angebotsfrist. Nur bis zu diesem Zeitpunkt könnten Inhalte Angebotsbestandteil werden. Nach diesem Zeitpunkt sei lediglich die Nachforderung von Nachweisen sowie eine Angebotsaufklärung möglich. Ein Verstoß hiergegen stelle eine unzulässige Nachverhandlung dar. Daher sei zwischen einer wertenden und einer verifizierenden Bieterpräsentation zu unterscheiden. Vorliegend seien weder Nachweise noch die Angebotsaufklärung, sondern eine Leistung des Bieters erwartet worden. Die wertende Präsentation stünde nicht hinreichend im Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand. Des Weiteren liege ein Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot vor. Der Zuschlag könne vorliegend nicht auf das wirtschaftlichste Angebot erfolgen. Da alleiniges Kriterium die Bewertung des Bietergesprächs gewesen sei, sei der Preis nicht in die Wertung eingeflossen. In dem Bietergespräch seien zudem nicht ausschreibungsrelevante, sondern vorrangig juristische Fragen gestellt worden. Der Antragsgegner habe deren Beantwortung auf einem hohen rechtlichen Niveau gefordert. Dies widerspreche S. 8 der Leistungsbeschreibung, der zu entnehmen sei, dass der Auftragnehmer keine Rechtsberatung durchführe. Aufgrund der Offenheit der Fragen sei die Angabe aller relevanten Aspekte nicht möglich gewesen. Andere Bieter hätten bei einer objektiven Befragung und Bewertung keine besseren Punktzahlen erreichen können. Des Weiteren sei das Bietergespräch nicht transparent angekündigt und durchgeführt worden. Die Antragstellerin sei im Vorfeld nicht informiert worden, dass nur die beiden angebotenen Consultants die Fragen hätten beantworten dürfen. Die Vergabeunterlagen seien insoweit widersprüchlich. Bei diesbezüglicher Kenntnis hätte sich die Antragstellerin mit anderen Personalprofilen beworben.

Die Antragstellerin beantragt:

1. die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens gem. § 160 ff. GWB (Ausschreibung „Dienstleistung Vergabeunterstützung AZ: XXX“);

2. festzustellen, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist;

3. geeignete Maßnahmen zu treffen, um die von der Vergabekammer festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen;

4. hilfsweise: Für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsverfahrens durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder in sonstiger Weise: Festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat;

5. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten auf Seiten der Antragstellerin für notwendig zu erklären;

6. Einsicht in die Vergabeakten gem. § 165 Abs. 1 GWB zu gewähren;

7. der Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens sowie die Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung einschließlich der vorprozessualen Anwaltskosten aufzuerlegen.

Der Antragsgegner beantragt:

1. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin vom 24. Juni 2021 wird zurückgewiesen.

2. Der Antragstellerin wird keine Akteneinsicht gewährt.

3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin.

4. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung für die Antragsgegnerin notwendig war.

Zur Begründung wurde ausgeführt, der Nachprüfungsantrag sei teilweise unzulässig. Die Antragstellerin sei mit ihrer Rüge der Zuschlagswertungsmethodik nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Die Wertungsmethodik sei transparent unter Ziffer 3.4 der Bewerbungsbedingungen sowie der Bekanntmachung dargestellt worden. Hierbei handele es sich um zentrale Vorgaben zum Ablauf des Vergabeverfahrens, die von einem durchschnittlichen Bieter ohne weiteres nachvollzogen werden könnten. Zudem sei die Antragstellerin mit Einladungsschreiben vom 28.05.2021 erneut transparent über die Wertung der Bietergespräche informiert worden. Der Ausschreibungsgegenstand setze vergabespezifische Kenntnisse der Bieter voraus. Der Nachprüfungsantrag sei im Übrigen unbegründet. Dem Vorabinformationsschreiben sei zu entnehmen, aufgrund welcher Bewertungskriterien das Angebot nicht den Zuschlag erhalten solle. Da auf der zweiten Wertungsstufe alleine die Bewertung der Bietergespräche maßgeblich sei, sei die Antragstellerin nur über deren Bewertung informiert worden. Eine mehrstufige Angebotswertung in einem einstufigen Verfahren sei vergaberechtskonform. Die Mehrstufigkeit der Wertung bestehe darin, dass die Angebote auf der ersten Wertungsstufe jeweils hälftig nach dem Preis und der Qualität bewertet würden, um sodann die Teilnehmer für das Bietergespräch als zweite Wertungsstufe zu ermitteln. Im Rahmen des Bietergesprächs sei eine Vorstellung des Unternehmens nebst Consultants und ein Fachgespräch mit einer ad hocBefragung der Consultants erfolgt. Auch im offenen Verfahren dürften Auftraggeber Angebotspräsentation oder Teststellungen durchführen. Die theoretische Möglichkeit einer unzulässigen Nachverhandlung begründe keinen Vergaberechtsverstoß. Im vorliegenden Verfahren habe keine Verhandlung oder Anpassung der Angebote stattgefunden.

Dem Auftraggeber stehe bei der Gestaltung der Zuschlagswertungsmethodik ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Die Antragsgegnerin habe ihr Gestaltungsrecht dahingehend ausgeübt, dass auf der ersten Wertungsstufe der Preis und die Qualität jeweils hälftig gewichtet worden seien. Der Preis sei damit ein maßgeblicher Faktor dafür gewesen, welcher Bieter die zweite Wertungsstufe erreiche. Auf der zweiten Wertungsstufe seien nur die Bietergespräche bewertet worden. Bei den ausschreibungsgegenständlichen Leistungen komme es gerade auf die persönliche Leistungsfähigkeit der angebotenen Consultants an. Ausweislich der Leistungsbeschreibung sollten diese die Vergabeverfahren möglichst eigenständig betreuen, wobei die juristischen Entscheidungen der Antragsgegnerin vorbehalten blieben. Auf der zweiten Wertungsstufe habe die Antragsgegnerin daher den Fokus auf die Fähigkeit der angebotenen Consultants gelegt, ad hoc mit vergaberechtlichen Fragestellungen umzugehen. Ein enger inhaltlicher Zusammenhang mit dem Auftragsgegenstand sei damit gegeben. Die Bietergespräche seien auch vergaberechtskonform durchgeführt und bewertet worden. Ausweislich Ziffer 3.5.2 der Bewerbungsbedingungen stellten die angebotenen Consultants anhand ihrer Vita ihre Eignung im Zusammenhang mit der ausgeschriebenen Leistung dar. Den Vergabeunterlagen sei zu entnehmen, dass die Fachkompetenz der Consultants bewertet werde. Insbesondere bei dem Consultant SkillLevel 1 seien vergabespezifische Kenntnisse gefordert worden. Auch in Bezug auf den Consultant SkillLevel 2 sei der Leistungsbeschreibung zu entnehmen, dass vergabespezifische Kenntnisse positiv bewertet würden. Zur selbständigen Bearbeitung eines Beschaffungsvorgangs müssten Kenntnisse im Vergaberecht vorhanden sein. Zwar treffe die Antragsgegnerin die endgültigen vergaberechtlichen Entscheidungen selbst. Der Consultant müsse jedoch Vergaberechtsverstöße erkennen und mögliche Handlungsalternativen darlegen können. Die Inhalte der Bieterfragen stellten alltägliche Situationen der Vergabestelle dar, mit denen der Consultant konfrontiert werde. Die Befragung eines nicht angebotenen Dritten sei daher vergaberechtswidrig. Die fehlende Bekanntmachung der Einzelfragen im Vorfeld der Bietergespräche liege in der Natur der ausgeschriebenen Leistung. Entscheidend sei, dass die Consultants eigenständig und ad hoc mit vergabespezifischen Situationen umgehen könnten. Diese Fähigkeit könne nur geprüft und bewertet werden, wenn die Fragen ohne Vorbereitungsmöglichkeit gestellt würden. Überzogene Anforderungen seien diesbezüglich nicht ersichtlich. Die vergaberechtskonforme Bewertung der Befragung ergebe sich auch aus der von der Antragstellerin erzielten Punktzahl. Zu der Beigeladenen bestünde ein beträchtlicher Punkteabstand.

Mit Schriftsatz vom 06.07.2021 führte die Antragstellerin aus, den Vergabeunterlagen sei eine Beantwortung der Fragen nur durch die beiden angebotenen Consultants nicht zweifelsfrei zu entnehmen. Ausweislich der Einladung seien auf Bieterseite maximal drei Personen zugelassen, wobei die angebotenen Berater zwingend teilnehmen müssten. Consultants würden bei derartigen Aufträgen durch ein Team unterstützt. Deshalb habe die Antragstellerin davon ausgehen dürfen, dass auch der dritte Consultant an der Fragerunde teilnehmen dürfe. Der Einladung sei zudem die Gewichtung der einzelnen Fragen nicht zu entnehmen. Eine transparente Bewertung sei nicht durchgeführt worden. Präklusion sei nicht eingetreten, da vergabespezifische und keine vergaberechtlichen Kenntnisse ausschreibungsgegenständlich seien. Die vom Antragsgegner zitierte Rechtsprechung der VK Bund sei nicht einschlägig, da eine andere Form der Mehrstufigkeit gewählt und die Wirtschaftlichkeit bei der finalen Angebotswertung miteinbezogen worden sei. Die fehlende Verbindung mit dem Auftragsgegenstand ergebe sich aus dem Fokussieren auf die Fähigkeit, ad hoc mit vergaberechtlichen Aufgabenstellungen umzugehen, obwohl eine vergaberechtliche Beratung in den Vergabeunterlagen ausgeschlossen worden sei. Der Antragsgegner setze vergaberechtliches Fachwissen mit einer Rechtsberatung gleich.

Mit Schriftsatz vom 07.07.2021 stellte die Beigeladene ohne eigene Antragstellung den Ablauf ihrer Bieterpräsentation dar. Der Ablauf habe dem Einladungsschreiben vom 28.05.2021 entsprochen. An der Bieterpräsentation hätten neben den beiden angebotenen Consultants auch der Vorstand der Beigeladenen teilgenommen. Nach Vorstellung der Beigeladenen sowie der angebotenen Consultants habe das Fachgespräch stattgefunden. Diesbezüglich sei darauf hingewiesen worden, dass der Vorstand nicht zu Beiträgen berechtigt sei, da er nicht zum angebotenen Projektteam gehöre. Die Fragen seien daher durch den angebotenen Consultant Skill-Level 1 beantwortet worden. Im anschließenden Block „Offene Fragerunde“ habe eine Bewertung nicht stattgefunden. Die Bieterpräsentation sei nach etwas weniger als 90 Minuten beendet gewesen.

Am 15.07.2021 legte die Antragstellerin Stellungnahmen der von ihr angebotenen Berater vor. Die als Consultant Skill-Level 2 angebotene Beraterin führte in ihrer Stellungnahme vom 13.07.2021 aus, dem Einladungsschreiben zur Bieterpräsentation sei nicht zu entnehmen, dass der dritte Teilnehmer keinen fachlichen Beitrag leisten dürfe. Ausweislich der Leistungsbeschreibung seien keine Vergabejuristen, sondern ein Senior Consultant und eine Büroassistenz gefordert worden. Daher sei die Vergabejuristin der Antragstellerin nicht angeboten worden. Diese sei jedoch für den Fall juristischer Fragestellungen bei der Bieterpräsentation als dritte Teilnehmerin angegeben worden. Die Fragen seien juristisch orientiert gewesen. Der ManagementAspekt sei unberücksichtigt geblieben. Die Fragen seien korrekt und praxisbezogen beantwortet worden. Die Bewertung berücksichtige nicht, dass es nicht nur eine richtige Antwort gebe. Hinsichtlich Ziffer 3.3 der Bewertungsbegründung von Frau O. sei die kritisierte fehlende Anfrage beim Plattformbetreiber nicht erforderlich, da die Beweispflicht bei einem technischen Problem nicht beim öffentlichen Auftraggeber liege. Hierauf sei bei Beantwortung der Frage hingewiesen worden. Bei der Beantwortung der vierten Frage seien verschiedene Punkte, unter anderem auch die Prüfung des Referenzumfangs, genannt worden. Die kritisierte fehlende Antwort eines expliziten Hinweises auf die Möglichkeit einer Einbindung von Bietergemeinschaften oder Unterauftragnehmern sei abwegig. Dieser Hinweis sei Gegenstand der Bewerbungsbedingungen. Zudem seien die in den Bewerbungsbedingungen vorgesehene ad hoc-Aufgaben, die durch die Consultants im Team innerhalb von 15 Minuten bearbeitet und präsentiert werden sollten, nicht Teil der Bieterpräsentation gewesen. Der als Consultant Skill-Level 1 angebotene Berater führte in seiner Stellungnahme vom 14.07.2021 aus, abweichend von Ziffer 3.5.2.3 der Bewerbungsbedingungen habe in der Bieterpräsentation kein Sachverhalt als ad hoc-Aufgabe durch die Consultants im Team innerhalb von 15 Minuten bearbeitet und präsentiert werden müssen. Damit sei von den in den Vergabeunterlagen angegeben Bewertungskriterien abgewichen worden. Da eine fachlichtechnische Beratung und Unterstützung und keine Rechtsberatung ausschreibungsgegenständlich gewesen sei, sei das teilweise Abfragen juristischer Spezialkenntnisse nicht zu erwarten gewesen. Er habe mehrfach darauf hingewiesen, dass bei diffizilen Rechtsfragen eine Abstimmung mit einem Juristen erforderlich sei. Zudem habe er bei einer Frage mitgeteilt, dass diese mangels ausgeschriebener Rechtsberatung unzulässig sei. Das Protokoll enthalte diese Hinweise nicht. Die Fragen seien teilweise sehr weit formuliert und dem Zeitrahmen nicht angemessen gewesen. Die erteilten Hinweise der ausschreibenden Stelle etwa auf die bespielhafte Benennung von Erfahrungen seien angesichts der Bewertung irreführend gewesen. Diese Hinweise seien nicht protokolliert worden. Die Berater seien mehrfach mit dem Hinweis unterbrochen worden, dass die jeweilige Frage ausreichend beantwortet worden sei. Daher sei er davon ausgegangen, dass bereits die volle Punktzahl erreicht sei. Als die Vergabejuristin zur Beantwortung einer Frage angesetzt habe, sei mitgeteilt worden, dass diese keine Fragen beantworten dürfe. Die Antragstellerin hätte eine andere Teambesetzung gewählt, wenn der Fokus der Büroassistenz auf dem juristischen Fachgebiet gelegen hätte. Die Beantwortung der Frage 3.1 sei im Protokoll unzutreffend wiedergegeben worden. Am Beispiel eines aktuellen einschlägigen Referenzprojektes sei die Frage detailliert beantwortet worden. Warum dies als ausschweifend kritisiert worden sei, sei nicht nachvollziehbar. Gleiches gelte für die Kritik, dass die Darstellungen auf andere Thematiken abzielten, da das Beispiel der Aufgabenstellung entsprochen habe. Die negative Bewertung des deutlichen Hinweises auf die rechtlichen Bedingungen sei angesichts anderenfalls drohender haftungsrechtlicher Konsequenzen für die Antragstellerin beurteilungsfehlerhaft. Die Ausführungen zum kundenorientierten Verhalten gegenüber den Fachbereichen, das sich auf das rechtlich Mögliche beziehen müsse, sei nicht dokumentiert worden. Der Hinweis der Vergabestelle, dass die Beantwortung ausreichend sei und abgeschlossen werden könne, sei ebenfalls nicht protokolliert worden. Die Protokollierung der Beantwortung der Frage 3.2 sei nur teilweise zutreffend. Die unsachliche Kritik der übermäßigen Ausführlichkeit hinsichtlich der Darstellung des Vorabinformationsschreibens sei nicht nachvollziehbar. Die Fragestellung sei nicht hinreichend präzise gewesen. Der vorgegebene Zeitrahmen sei eingehalten worden. Die Frage der erneuten Wartefristen stelle sich angesichts der ausführlichen Vorabinformationsschreiben nicht. Falls dennoch eine Rüge erfolge, sei darauf hingewiesen worden, dass dies juristisch geklärt werden müsse. Die Vergabestelle habe hierauf die positive Rückmeldung erteilt, dass die Einschaltung von Juristen immer gut sei. Zudem sei ausgeführt worden, dass das Informationsschreiben wohlmöglich samt neuer Frist wiederholt werden müsse. Die Kritik, dass der Hinweis auf die Folgen sehr kurzer Absageschreiben anderer Dienstleister unangenehm aufgefallen sei, zeige, dass ein subjektives Empfinden bewertet worden sei. Die diesbezügliche Ausführung sei vielmehr positiv in dem Sinne getätigt worden, dass die Antragstellerin detaillierte Vorabinformationsschreiben anfertige. Die hinsichtlich Frage 3.3 erwartete Musterlösung der Fristverlängerung sei unrealistisch. Eine halbe Stunde vor Angebotsabgabe könne eine Fristverlängerung nicht auftraggeberseitig abgestimmt werden. Nicht die Vergabestelle, sondern den Bieter treffe die Nachweispflicht. In dem angeführten Praxisbeispiel habe sich die Antragstellerin erkundigt und die Antwort erhalten, dass Probleme nicht bekannt seien. Die vollumfängliche Beantwortung der Frage sei im Protokoll zudem nicht dokumentiert. Prämisse der Frage 3.4 sei gewesen, dass spezifische innovative Vorhaben ausschreibungsgegenständlich seien. Die Frage sei zudem nicht hinreichend präzise gestellt worden. Die Ausführungen zur Verfahrensart und den Vergabeunterlagen seien nicht dokumentiert worden. Die Antworten beider Berater seien zudem gekürzt worden. Der Lösungsvorschlag der Vergabestelle sei abwegig. Die Kritik der fehlenden Korrektheit der Verfahrensart sei unzutreffend. Er habe ausgeführt, dass der wettbewerbliche Dialog ein Verfahren zur Vergabe besonders komplexer oder innovativer Aufträge, beispielsweise bei noch nicht marktgängigen IT-Projekten oder neuartigen Tools, sei. Die Beantwortung der unpräzisen Frage 3.5 sei nicht vollständig dokumentiert worden. Die protokollierten Antworten seien zudem erheblich gekürzt worden. Die negative Bewertung der fachbereichsbezogenen Antworten durch Frau O. sei nicht nachvollziehbar. Der Unterstützung der Fachbereiche komme ausweislich Ziffer 3.1 der Leistungsbeschreibung besondere Bedeutung zu. Die Musterlösung der Vergabestelle sei abwegig und betreffe nur juristische Aspekte. Auch die Beantwortung der Frage 3.6 sei nicht vollständig protokolliert worden. Die über eine Dauer von 3-4 Minuten gegebenen fachlich-inhaltlichen Beispiele seien nicht dokumentiert worden. Die Unvollständigkeit des Protokolls zeige sich auch daran, dass die Dokumentation einem Sprachbeitrag von 20 Sekunden entspreche. Die Vergabestelle habe zudem die Beantwortung der Frage mit dem Hinweis abgebrochen, dass dies ausreichend sei. Die jeweiligen Bewertungen der Frage 3.7 durch Frau O. und Frau S. seien inkonsistent. Frau O. habe kritisiert, dass die Juristin der Antragstellerin die Antwort korrigiert habe. Dies sei unzutreffend. Die Musterlösung der Vergabestelle verweise auf § 56 Abs. 2 VgV. Diese Antwort sei von dem ausschreibungsgegenständlichen fachlich-technischen Personal nicht zu erwarten.

Mit Beschluss vom 30.06.2021 wurde die XXX zum Verfahren beigeladen. Die Vergabekammer hat der Antragstellerin antragsgemäß – beschränkt auf den Verfahrensgegenstand – Einsicht in die Vergabeakten gewährt, soweit keine geheimhaltungsbedürftigen Aktenbestandteile betroffen waren. In der mündlichen Verhandlung am 20.07.2021, an der die Beigeladene nicht teilnahm, wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage erörtert. Die 5-Wochenfrist des § 167 Abs. 1 Satz 1 GWB wurde bis zum 11.08.2021 verlängert. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die eingereichten Schriftsätze samt Anlagen und die Vergabeunterlagen des Antragsgegners, die der Vergabekammer vorlagen, sowie auf die Vergabeakte verwiesen.

II.

Soweit der Nachprüfungsantrag zulässig ist, ist er teilweise begründet.

1.Der Nachprüfungsantrag ist teilweise zulässig.

a) Das Vergabenachprüfungsverfahren ist statthaft. Gemäß §§ 155156 Abs. 2 GWB unterliegt die Vergabe öffentlicher Aufträge der Nachprüfung durch die Vergabekammern. Der Antragsgegner ist öffentlicher Auftraggeber nach §§ 9899 Nr. 1 GWB.

b) Der Schwellenwert nach §§ 106 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 GWB ist erreicht. Der Zuschlag wurde noch nicht erteilt, § 168 Abs. 2 Satz 1 GWB.

c) Die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Vergabekammer Baden-Württemberg ergibt sich aus § 159 Abs. 3 Satz 1 GWB, § 1 VNPVO.

d) Die Antragstellerin ist teilweise antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB. Sie hat dargelegt, ein Interesse an dem Auftrag zu haben. Ihr Interesse hat sie durch ihre Beteiligung am Vergabeverfahren, ihre Rüge sowie dem erhobenen Nachprüfungsantrag kundgetan. Die Antragstellerin hat jedoch nur teilweise dargelegt, durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt zu sein.

aa) Soweit die Antragstellerin die fehlende Angabe des Auftragswerts in der Bekanntmachung rügt, hat sie nicht dargelegt, dass ihr durch die fehlende Angabe ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht. Die Auftragsbekanntmachung dient dazu, einem Unternehmer eine sachgerechte Entscheidung zu ermöglichen, ob er am Vergabeverfahren teilnehmen will oder nicht. Die Antragstellerin hat sich zu einer Beteiligung entschieden, ohne aufgrund der Auftragsbekanntmachung den Wert des ausgeschriebenen Auftrags oder den Größenumfang abschätzen zu können. Damit ist ausgeschlossen, dass ihr durch das Fehlen der Wertangabe ein Schaden entstanden ist (siehe OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.10.2020, 15 Verg 6/20). Lediglich ergänzend weist die Vergabekammer darauf hin, dass die Antragstellerin mit ihrer erstmals im Nachprüfungsantrag vom 23.06.2021 geltend gemachten Rüge auch nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GWB präkludiert ist. Dass Ziffer II.2.6 der EU-Auftragsbekanntmachung gänzlich leer belassen wurde, war für einen durchschnittlichen Bieter bei sorgfältiger Lektüre der EU-Auftragsbekanntmachung ohne vertiefte vergaberechtliche Kenntnisse erkennbar.

bb) Soweit die Antragstellerin die Vergaberechtswidrigkeit des Vorabinformationsschreibens rügt, fehlt es jedenfalls an der Darlegung eines kausalen Schadens. Denn selbst bei einer zu ihren Gunsten unterstellten Verletzung der Informationspflicht kann der Antragstellerin kein Schaden entstanden sein oder zu entstehen drohen. Der Antragsgegner hat vorliegend keinen Vertrag mit der Beigeladenen geschlossen, weil die Antragstellerin nach Zurückweisung ihrer Rüge das Nachprüfungsverfahren einleitete und dadurch einen Vertragsschluss verhinderte. Damit ist sicher auszuschließen, dass sich selbst ein unterstellter diesbezüglicher Vergaberechtsverstoß auf die Auftragschancen der Antragstellerin ursächlich ausgewirkt haben kann (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.07.2020, 1 VK 19/20; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 14.08.2019, 15 Verg 10/19).

cc) Soweit die Antragstellerin einen Verstoß gegen das Transparenzgebot hinsichtlich der Beantwortungsmöglichkeit der ad hoc-Fragen nur durch die beiden angebotenen Consultants geltend macht, ist ausgeschlossen, dass der Antragstellerin der geltend gemachte Schaden kausal entstanden ist. Die Antragstellerin hat in ihrem Rügeschreiben vom 17.06.2021 dargelegt, dass sie bei diesbezüglicher Kenntnis ihre Volljuristin als Consultant benannt hätte. Die Consultants waren in den Angebotsblättern Consultant 1 bzw. Consultant 2 namentlich anzugeben. Diese Angebotsblätter waren als Bestandteil des schriftlichen Angebotsteils innerhalb der am 17.05.2021, 10 Uhr Ortszeit, endenden Frist zur schriftlichen Angebotsabgabe einzureichen. Ziffer 3.5.2.1 der Bewerbungsbedingungen ist auszugsweise der nachfolgende Inhalt zu entnehmen: „Die Bieter stellen die Qualifikationen, Erfahrungen und Kenntnisse der angebotenen Person(en) [Hervorhebung in Fettdruck durch die Vergabekammer] im Rahmen eines Bietergesprächs dar. Seitens des Bieters dürfen maximal 3 Personen teilnehmen, wobei die angebotenen Berater zwingend daran teilnehmen müssen. (…).“ Ziffer 3.5.2.3, Nr. 2 der Bewerbungsbedingungen lautet wie folgt: „Im Anschluss daran legen die angebotenen Consultants (m/w) anhand ihrer Vita ihre Eignung im Zusammenhang mit der ausgeschriebenen Leistung dar (…): Die fachliche Kompetenz wird bewertet anhand: (…) Ad-Hoc-Fragen durch die Auftraggeberin [Hervorhebungen in Fettdruck durch die Vergabekammer].“ Die Bewerbungsbedingungen sind nach dem objektiven Empfängerhorizont eines durchschnittlichen Bieters entsprechend §§ 133157 BGB dahingehend auszulegen, dass an der Bieterpräsentation zwar drei Personen teilnehmen dürfen, die Beantwortung der ad hoc-Fragen jedoch nur durch die beiden angebotenen Consultants erfolgt. Bis zur Frist zur Angebotsabgabe am 17.05.2021, 10 Uhr Ortszeit, lagen der Antragstellerin Informationen über die Bieterpräsentation nur in Gestalt der Bewerbungsbedingungen vor. Soweit die Antragstellerin erstmals mit Schriftsatz vom 06.07.2021 Bezug auf das Einladungsschreiben zur Bieterpräsentation vom 28.05.2021 nimmt, war dieses vor Ablauf der Frist zur schriftlichen Angebotsabgabe, bis zu der die Consultants namentlich zu benennen waren, noch keinem der drei Bieter bekannt. Ein kausaler Schaden der Antragstellerin ist damit ausgeschlossen. Lediglich ergänzend weist die Vergabekammer darauf hin, dass die Antragstellerin insoweit auch nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert ist. Die von der Antragstellerin erstmals mit Schriftsatz vom 06.07.2021 geltend gemachte Widersprüchlichkeit der Bewerbungsbedingungen und des Einladungsschreibens zur Bieterpräsentation wäre vor dem Termin der Bieterpräsentation, die Teil des Angebots ist, zu rügen gewesen.

dd) Im Übrigen hat die Antragstellerin dargelegt, durch die Nichtbeachtung von Vergabevorschriften in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB verletzt zu sein, wodurch ihr ein Schaden zu entstehen droht.

e) Die Antragstellerin ist ihren Rügeobliegenheiten nur teilweise nachgekommen.

aa) Soweit die Antragstellerin beanstandet, das zweistufige Wertungsverfahren verstoße gegen §§ 9 Abs. 2 sowie 15 VgV, ist sie mit dieser Rüge gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist ein Bieter mit seiner Rüge präkludiert, soweit er Verstöße gegen Vergabevorschriften, die in den Vergabeunterlagen erkennbar sind, nicht spätestens bis zum Ablauf der Frist zur Bewerbung oder zur Angebotsabgabe gegenüber dem Auftraggeber gerügt hat. Erkennbar ist ein Vergaberechtsverstoß, wenn sich die zugrundeliegenden Tatsachen aus den Vergabeunterlagen ergeben und ein durchschnittlich fachkundiger, die übliche Sorgfalt anwendender Bieter bei Durchsicht und Bearbeitung der Vergabeunterlagen den Vergaberechtsverstoß erkennen kann. Der Verstoß muss in tatsächlicher sowie in rechtlicher Hinsicht für einen solchen Bieter, der mit den wichtigsten Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe vertraut ist, erkennbar sein, ohne besonderen Rechtsrat einzuholen. Vertiefte vergaberechtliche Kenntnisse, insbesondere der vergaberechtlichen Rechtsprechung und Literatur, sind von Teilnehmern eines Vergabeverfahrens nicht zu erwarten. Ein an einem EUweiten Vergabeverfahren teilnehmender Unternehmer muss aber zumindest den Text der einschlägigen Verfahrensordnungen zur Kenntnis nehmen (zum Vorstehenden: EuGH, Urteil vom 23.03.2015, C-538/13; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 26.01.2021, 15 Verg 12/20 sowie Beschluss vom 19.02.2020, 15 Verg 1/20). Zudem muss jedes Unternehmen, das an einem EU-weiten Vergabeverfahren teilnimmt, die Vergabeunterlagen sorgfältig lesen und diesbezüglichen Ungereimtheiten oder Widersprüchlichkeiten nachgehen, auch wenn es die genaue Rechtslage nicht kennt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.02.2020, 15 Verg 1/20; Wiese, in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 160 Rn. 127). Aus dem Versäumnis der rechtzeitigen Rüge folgt auch die Präklusion hinsichtlich eines späteren Vergaberechtsverstoßes, wenn sich dieser gleichsam als Fortsetzung des früheren Verstoßes darstellt (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.03.2021, 1 VK 05/21; Wiese, in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB Vergaberecht, 4. Aufl. 2016, § 160 Rn. 128). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend von einer Rügepräklusion auszugehen. Die Struktur des offenen Verfahrens ist dem Wortlaut des § 15 VgV, die Grundsätze der Kommunikation sind dem Wortlaut des § 9 Abs. 2 VgV zu entnehmen. Bei der für die Bewerbung gebotenen sorgfältigen Lektüre der §§ 9 Abs. 2, 15 VgV sowie Ziffer 3.5 -3.5.2.3 der Bewerbungsbedingungen war der geltend gemachte Vergaberechtsverstoß für einen durchschnittlich fachkundigen, die übliche Sorgfalt anwendenden Bieter, der mit den wichtigsten Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe vertraut ist, ohne vertiefte vergaberechtliche Kenntnisse erkennbar.

bb) Soweit die Antragstellerin einen Verstoß der Wertungsmethodik gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot gemäß § 97 Abs. 1 GWB i.V.m. § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB rügt, ist sie mit dieser Rüge gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Dass sich das wirtschaftlichste Angebot nach dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis bestimmt, ergibt sich bei sorgfältiger Lektüre des § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB als Konkretisierung des allgemeinen Grundsatzes des Wirtschaftlichkeitsgebots. Bei der für die Bewerbung gebotenen sorgfältigen Lektüre des § 127 Abs. 1 Satz 3 GWB sowie Ziffer 3.5 – 3.5.2.3 der Bewerbungsbedingungen war der erstmals mit Rügeschreiben vom 17.06.2021 geltend gemachte Vergaberechtsverstoß für einen durchschnittlich fachkundigen, die übliche Sorgfalt anwendenden Bieter, der mit den wichtigsten Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe vertraut ist, ohne vertiefte vergaberechtliche Kenntnisse erkennbar.

cc) Soweit die Antragstellerin die fehlende Bekanntmachung der Gewichtung der einzelnen Fragen rügt, ist sie mit dieser Rüge gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Ausweislich des Wortlauts von § 127 Abs. 5 GWB müssen Zuschlagskriterien und deren Gewichtung in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen aufgeführt werden. Weder den Bewerbungsbedingungen noch dem Einladungsschreiben zu der Bieterpräsentation war eine Gewichtung der einzelnen ad hoc-Fragen zu entnehmen. Bei der für die Bewerbung gebotenen sorgfältigen Lektüre des § 127 Abs. 5 GWB sowie den Bewerbungsbedingungen und dem Einladungsschreiben war der erstmals mit Rügeschreiben vom 17.06.2021 geltend gemachte Vergaberechtsverstoß für einen durchschnittlich fachkundigen, die übliche Sorgfalt anwendenden Bieter, der mit den wichtigsten Regeln der öffentlichen Auftragsvergabe vertraut ist, ohne vertiefte vergaberechtliche Kenntnisse erkennbar.

dd) Soweit die Antragstellerin erstmals am 15.07.2021 rügt, dass die Bieterpräsentation abweichend von Ziffer 3.5.2.3 der Bewerbungsbedingungen keine ad hoc-Aufgabe beinhaltete, ist sie mit dieser Rüge nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Ziffer 3.5.2.3, Nr. 2 der Bewerbungsbedingungen sah als Inhalt der Bieterpräsentation auch die Bearbeitung und Präsentation eines durch die Auftraggeberin vorgegebenen Sachverhalts durch die Consultants im Team innerhalb von 15 Minuten als ad hoc-Aufgabe vor. Dem Einladungsschreiben zur Bieterpräsentation vom 28.05.2021 sind demgegenüber in Gestalt einer Bewertungsmatrix die nachfolgenden Inhalte der Bieterpräsentation zu entnehmen: Allgemeine Vorstellung des Bieters, Vorstellung Consultant Skill-Level 1, Vorstellung Consultant Skill-Level 2, Fachgespräch mit ad hoc-Fragerunde sowie offene Fragerunde. Die Bietergespräche liefen sodann wie im Einladungsschreiben (Spalte 1 der Wertungsmatrix) dargestellt, ab. Jedes Unternehmen, das an einem EU-weiten Vergabeverfahren teilnimmt, muss die Vergabeunterlagen sorgfältig lesen und diesbezüglichen Ungereimtheiten oder Widersprüchlichkeiten nachgehen, auch wenn es die genaue Rechtslage nicht kennt (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.02.2020, 15 Verg 1/20; Wiese, in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 160 Rn. 127). Die diesbezügliche Widersprüchlichkeit der Bewerbungsbedingungen und des Einladungsschreibens zur Bieterpräsentation wäre damit vor dem Termin der Bieterpräsentation, die Teil des Angebots ist, zu rügen gewesen. Die diesbezügliche Rüge der Antragstellerin erfolgte jedoch erst durch Vorlage der Stellungnahmen der angebotenen Berater am 15.07.2021. Ob auch die Voraussetzungen einer Präklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB gegeben sind, kann daher dahinstehen.

ee) Im Übrigen ist die Antragstellerin ihren Rügeobliegenheiten nachgekommen.

f) Die Antragstellerin hat den Nachprüfungsantrag innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB bei der Vergabekammer eingereicht.

2. Der Nachprüfungsantrag ist teilweise begründet. Zwar hat der Antragsgegner den ihm bei der Wahl der ad hoc-Fragen zukommenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten (a). Jedoch verletzt die von der Antragstellerin gerügte Bewertung der ad hoc-Fragerunde diese in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB, wodurch ihr ein Schaden zu entstehen droht (b).

a) Bei der Wahl der Zuschlagskriterien – und damit auch bei den ad hoc-Fragen als Unterzuschlagskriterien – kommt dem öffentlichen Auftraggeber ein Beurteilungsspielraum zu (Opitz, in: Burgi/Dreher, Beck´scher Vergaberechtskommentar Band 1, 3. Aufl. 2017, § 127 GWB Rn. 31).

Soweit die Antragstellerin eine fehlende Verbindung der ad hoc-Fragestellungen mit dem Auftragsgegenstand rügt, hat der Antragsgegner seinen diesbezüglichen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Ein Verstoß gegen § 127 Abs. 3 Satz 1 GWB liegt nicht vor, der Beurteilungsspielraum ist insoweit nicht überschritten. Die zwingende Anforderung, dass Zuschlagskriterien mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung stehen müssen, schließt die Auswahl solcher Zuschlagskriterien aus, die keinen Bezug zu den konkreten Vertragsleistungen haben (Wiedemann, in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 127 GWB Rn. 63). Auftragsgegenständlich ist ausweislich Ziffer II.1.4 der EU-Auftragsbekanntmachung die Beschaffung von Unterstützungsleistungen für die Vergabestelle im Rahmen von anstehenden, komplexen Ausschreibungen unter Berücksichtigung des GWB, der VgV und der UVgO [Hervorhebung in Fettdruck durch die Vergabekammer]. Die Consultants sollen einzelne Vergabeverfahren vollständig betreuen [Hervorhebung in Fettdruck durch die Vergabekammer], Ziffer 1 der Leistungsbeschreibung. Das Aufgabengebiet des Consultant Skill-Level 1 umfasst u.a. die Erstberatung der Fachbereiche bis zum Vertragsschluss und Vorbereitung der notwendigen Abstimmungen und Entscheidungsvorlagen für die Vergabestelle, die Prüfung der Vergabeart, die Prüfung der Vergabeunterlagen auf Einhaltung vergaberechtlicher Vorschriften, die Erstellung der Bekanntmachung, die formelle Auswertung von eingegangenen Angeboten unter Beachtung der aktuellen Vergabevorschriften (GWB, VgV, UVgO), die Erstellung von Nachforderungen und die Mitwirkung bei der Bearbeitung von Rügen (Ziffer 3.1 der Leistungsbeschreibung). Der Consultant Skill-Level 1 muss zudem über umfangreiche Kenntnisse im öffentlichen Vergaberecht (GWB, VgV, UVgO, VwV Beschaffung) verfügen, Ziffer 4.1 der Leistungsbeschreibung. Die gestellten ad hoc-Fragen bewegen sich innerhalb des durch den Auftragsgegenstand vorgegebenen Rahmens. Ein anderes ergibt sich auch nicht aus dem Hinweis, dass der Auftragnehmer keine Rechtsberatung durchführt und das XXX-Justiziariat für Rechtsfragen der Vergabestelle zuständig ist (S. 8 a. E. der Leistungsbeschreibung). Ausschreibungsgegenständlich ist die vollständige Betreuung einzelner Vergabeverfahren durch einen Sachbearbeiter, der das GWB, die VgV und die UVgO anzuwenden hat. Dem Hinweis am Ende der Leistungsbeschreibung ist lediglich zu entnehmen, dass es sich bei dem Sachbearbeiter um keinen Juristen – der alleine eine Rechtsberatung leisten kann – handeln muss. Auch das ausgeschriebene Profil des Consultant Skill-Level 2 führt zu keiner abweichenden Bewertung. Den Bietern war freigestellt, welcher der beiden angebotenen Berater die ad hoc-Fragen beantwortete, sodass der als Consultant Skill-Level 1 angebotene Berater sämtliche Fragen beantworten konnte.

Auch soweit die Antragstellerin die Ausgestaltung der ad hoc-Fragen als offene Fragen rügt, hat der Antragsgegner seinen Beurteilungsspielraum nicht überschritten. Dass die Qualifikation des eingesetzten Personals, die erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann, anhand offener Fragestellungen bewertet wird, ist – gerade um eine Differenzierung zwischen den verbliebenen drei Bietern zu ermöglichen – nachvollziehbar. Bei allen drei Bietern wurden die gleichen Fragestellungen verwendet. Eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums des öffentlichen Auftraggebers ist damit nicht ersichtlich.

b) Die von der Antragstellerin gerügte Bewertung der ad hoc-Fragerunde verletzt diese in ihren Rechten aus § 97 Abs. 6 GWB, wodurch ihr ein Schaden zu entstehen droht.

Gemäß § 127 Abs. 1 Satz 1 GWB, § 58 Abs. 1 VgV wird der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt. Grundlage dafür ist gemäß § 127 Abs. 1 Satz 2 GWB eine Bewertung des öffentlichen Auftraggebers, ob und inwieweit das Angebot die vorgegebenen Zuschlagskriterien erfüllt. Ein öffentlicher Auftraggeber verfügt bei der Angebotswertung über einen Beurteilungsspielraum, da diese eine Gesamtschau zahlreicher Einzelumstände beinhaltet (BGH, Beschluss 04.04.2017, X ZB 3/17; VK Bund, Beschluss vom 14.09.2018, VK 2-76/18; Opitz, in: Burgi/Dreher, Beck´scher Vergaberechtskommentar band 1, 3. Aufl. 2017, § 127 GWB Rn. 88 GWB). Die Nachprüfungsinstanzen überprüfen die Bewertungsentscheidung eines öffentlichen Auftraggebers folglich nur daraufhin, ob dieser seinen Beurteilungsspielraum verletzt hat. Insbesondere darf die Vergabekammer die Wertung eines öffentlichen Auftraggebers nicht durch eine eigene Wertung ersetzen. Die Entscheidung einer Vergabestelle ist vielmehr insbesondere daraufhin zu prüfen, ob von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgegangen, keine sachwidrigen Erwägungen für die Entscheidung herangezogen und nicht gegen allgemein gültige Bewertungsgrundsätze verstoßen wurde (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.06.2020, 1 VK 09/20; VK Bund, Beschluss vom 14.09.2018, VK 2-76/18; Hövelberndt, in: Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 4. Aufl. 2018, § 127 GWB Rn. 108 ff; Opitz, in: Burgi/Dreher, Beck´scher Vergaberechtskommentar Band 1, 3. Aufl. 2017, § 127 GWB Rn. 88 GWB). Neben der Benotung des Angebots des Antragstellers als solches ist die Bewertungsentscheidung eines öffentlichen Auftraggebers auch in Relation zu den übrigen Angeboten, insbesondere demjenigen des Zuschlagsprätendenten, daraufhin zu überprüfen, ob die jeweiligen Noten im Vergleich ohne Benachteiligung des einen oder anderen Bieters plausibel vergeben wurden (BGH, Beschluss 04.04.2017, X ZB 3/17; VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 03.06.2020, 1 VK 09/20). Dem Beurteilungsspielraum steht als Kehrseite die aus dem Transparenzgrundsatz folgende Pflicht eines öffentlichen Auftraggebers, das Vergabeverfahren zu dokumentieren, gegenüber. Sie dient dazu, den Weg der Vergabeentscheidung für die Bieter nachvollziehbar zu machen. Zudem ist sie Voraussetzung dafür, dass die Nachprüfungsinstanzen überprüfen können, ob ein öffentlicher Auftraggeber die Grenzen seines Beurteilungsspielraums eingehalten hat. Ein öffentlicher Auftraggeber hat daher seine für die Zuschlagserteilung maßgeblichen Erwägungen in allen Schritten so eingehend zu dokumentieren, dass die Nachprüfungsinstanzen nachvollziehen können, welcher Umstand konkret mit welchem Gewicht in die Bewertung eingegangen ist. Es müssen Erwägungen dokumentiert sein, die einen Subsumtionsvorgang darlegen und hieraus die Bewertung nachvollziehbar erscheinen lassen. Ebenso wie die bloße Ergebniswiedergabe sind auch pauschale Aussagen oder formelhafte Formulierungen unzureichend. Vielmehr müssen die konkreten Entscheidungsgründe unter Rückgriff auf das anwendbare Kriterium dargelegt werden. Dies gilt insbesondere bei der Bewertung mündlicher Angebotsbestandteile. Einer vollständigen Dokumentation kommt dabei erhebliche Bedeutung zu, denn nur dann ist die konkrete Wertung für die Nachprüfungsinstanzen nachvollziehbar (zum Vorstehenden: VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.10.2020, 1 VK 46/20; VK Sachsen, Beschluss vom 22.03.2021, 1/SVK/046-20). Das Fachgespräch mit ad hoc-Fragerunde ist Teil der Bieterpräsentation, die wiederum Bestandteil des Angebots ist. Die Dokumentation des mit der Antragstellerin geführten Fachgesprächs mit ad hoc-Fragerunde erfüllt die oben genannten Anforderungen zum Teil nicht. Für die Vergabekammer ist die Bewertung des Fachgesprächs mit ad hoc-Fragerunde anhand der unzureichenden Dokumentation teilweise nicht überprüfbar. Der Inhalt der ad hoc-Fragerunde ist zwischen den Beteiligten in großen Teilen streitig. Schriftliche Angebotsbestandteile der Antragstellerin sind bei der ad hoc-Fragerunde nicht vorhanden. Das Protokoll hat sich der Auftraggeber nicht von der Antragstellerin unterzeichnen lassen. Das Protokoll, die Dokumentation des Jurymitglieds Frau S. und die Dokumentation des Jurymitglieds Frau O. weichen zudem teilweise voneinander ab. Soweit die Dokumentation die Anforderungen erfüllt, ist die Bewertung teilweise beurteilungsfehlerhaft erfolgt. Im Einzelnen:

aa) Ziffer 3.1 der Bewertung der Antragstellerin durch das Jurymitglied Frau O. ist im ersten Absatz zur Begründung der Punktabzüge u.a. folgender Inhalt zu entnehmen: „Zunächst zielen die Darstellungen auf andere Thematiken ab. Die Beantwortung erfolgt zunächst sehr ausschweifend (…).“ Die Antragstellerin hat demgegenüber auf die ihr erteilte Akteneinsicht ausgeführt, die Dokumentation entspreche nicht den von ihr gegebenen Antworten. Einleitend sei der Antragstellerin der Hinweis erteilt worden, beispielhafte Erfahrungen zu benennen. Am Beispiel eines einschlägigen Referenzprojektes sei die Frage detailliert beantwortet worden. Für die Vergabekammer ist anhand der unzureichenden Dokumentation nicht überprüfbar, ob insoweit von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde. Der diesbezügliche Inhalt der ad hocFragerunde ist zwischen den Beteiligten streitig. Schriftliche Angebotsbestandteile der Antragstellerin sind bei der ad hoc-Fragerunde nicht vorhanden. Bei der Begründung des Abstellens auf andere Thematiken und der Kritik der ausschweifenden Beantwortung handelt es sich um bloße Ergebniswiedergaben. Der Inhalt der diesbezüglichen Darstellungen der Antragstellerin wurde von Frau O. nicht dokumentiert. In der Bewertungsmatrix von Frau S., die neben der Begründung der Punktabzüge auch zusätzlich für jede Frage die Inhalte des Bietergesprächs dokumentiert hat, finden sich diesbezügliche Kritiken nicht. Auch der Dokumentation der Protokollantin, die nicht Jurymitglied war, ist nicht vermerkt, dass die Antragstellerin von der Frage abweichende oder ausschweifende Ausführungen getroffen hat. Angesichts der aufgezeigten Dokumentationsmängel lässt sich der streitige Vortrag der Antragstellerin, ihr sei der Hinweis erteilt worden, beispielhafte Erfahrungen zu benennen, nicht überprüfen. Der Auftraggeber ist seiner Pflicht, den Nachprüfungsinstanzen eine Überprüfung des Wertungsvorgangs durch Dokumentation zu ermöglichen, nicht in dem erforderlichen Umfang nachgekommen. Sollte ein derartiger Hinweis tatsächlich erfolgt sein, weist die Vergabekammer darauf hin, dass auch mit Blick auf den Umstand, dass für die Beantwortung der einzelnen Fragen kein Zeitlimit gesetzt wurde, hinsichtlich der Kritik der ausschweifenden Beantwortung eine sachwidrige Erwägung vorläge.

Ziffer 3.1 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau O. ist im zweiten Absatz folgende Kritik zu nehmen: „Hier erging seitens Herrn G. der Hinweis, dass dem Fachbereich sehr klar und hart mitgeteilt werden sollte, dass vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind und die Vergabestelle ein anderes Vorgehen nicht mitträgt. Dies spricht nicht für einen kundenorientierten Umgang mit den Fachbereichen, die per Definition interne Kunden sind. Problematisch ist in diesem Zusammenhang zu sehen, dass der Fachbereich durchaus auch aus einem Ministerium, welches eine Kundenbeziehung zur XXX hält und mitunter politisch wichtige Aspekte mitbringen eine solche Aussage und ein solch harsches Auftreten nicht akzeptieren werden [Hervorhebungen in Fettdruck durch die Vergabekammer].“ Zwar ist nicht zu beanstanden, dass ein „harsches Auftreten“ nicht für einen kundenorientierten Umgang spricht. Dass allerdings die Aussage, dass vergaberechtliche Vorgaben einzuhalten sind und die Vergabestelle ein anderes Vorgehen nicht mitträgt, negativ bewertet wird, stellt angesichts der Bindung der Exekutive an Recht und Gesetz eine sachfremde Erwägung dar. Die Antragstellerin macht zudem die Erteilung eines Hinweises der Vergabestelle, dass die Beantwortung ausreichend sei und abgeschlossen werden könne, geltend. Ob ein derartiger Hinweis tatsächlich ergangen ist, ist zwischen den Beteiligten streitig. Sollte ein solcher Hinweis ergangen sein, läge ein Verstoß gegen das Transparenz- und Gleichbehandlungsgebot und damit eine sachwidrige Erwägung vor. Denn für die Beantwortung der einzelnen Frage war kein Zeitlimit vorgegeben. Die Antragstellerin hat vorgetragen, davon ausgegangen zu sein, dass bereits die volle Punktzahl erreicht sei (S. 3 der Stellungnahme des als Consultant Skill-Level 1 angebotenen Beraters vom 14.07.2021). Bei Zugrundelegung dieses Vortrags wäre nicht sicher auszuschließen, dass die Antragstellerin ohne diesen Hinweis mit der Beantwortung der Frage fortgefahren und eine bessere Punktzahl hätte erreichen können. Angesichts der aufgezeigten Dokumentationsmängel lässt sich der streitige Vortrag nicht überprüfen. Der Antragsgegner ist seiner Pflicht, den Nachprüfungsinstanzen eine Überprüfung des Wertungsvorgangs durch Dokumentation zu ermöglichen, nicht in dem aufgezeigten erforderlichen Umfang nachgekommen.

Ob die Antragstellerin in Relation insbesondere zur Beigeladenen im Vergleich ohne Benachteiligung plausibel bewertet wurde, kann die Vergabekammer aufgrund der Dokumentationsmängel nicht nachvollziehen. Ob die Beigeladene etwa den ersten Teil der Frage vollständig beantwortet hat, ist für die Vergabekammer nicht überprüfbar. Bei der Antragstellerin wurde von beiden Jurymitgliedern das fehlende Eingehen auf die Bewertungsmethode beanstandet. Bei der Bewertung der Beigeladenen haben beide Jurymitglieder ausgeführt, dass der erste Teil der Frage vollständig beantwortet worden sei und sodann Bestandteile der Antwort aufgezählt. Der Begriff der Bewertungsmethode ist jedoch jeweils nicht von der Aufzählung umfasst. Des Weiteren kann die Vergabekammer angesichts der bereits oben aufgezeigten Dokumentationsmängel nicht überprüfen, ob die Antworten der Antragstellerin, wie von dieser gerügt, unvollständig dokumentiert wurden.

bb) Die Ziffer 3.2 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau O. zu entnehmende Kritik der übermäßigen Ausführlichkeit stellt das bloße Ergebnis der Wertung dar. Eine Begründung, warum die diesbezügliche Darstellung als „übermäßig“ kritisiert wurde, ist der Bewertung nicht zu entnehmen. Dies wäre jedoch gerade auch deshalb erforderlich gewesen, da laut Fragestellung explizit Beispiele zu benennen waren und keine Zeitangabe für die Beantwortung der Frage vorgegeben war. Für die Vergabekammer ist damit nicht überprüfbar, ob insoweit von zutreffenden Sachverhalt ausgegangen und keine sachfremden Erwägungen angestellt wurden.

Ob die Antragstellerin – wie von ihr gerügt – die Rückmeldung erhalten hat, es sei immer gut, die Juristen einzuschalten, kann die Vergabekammer anhand der Dokumentation des Auftraggebers nicht nachvollziehen. Der Antragsgegner ist seiner Pflicht, den Nachprüfungsinstanzen eine Überprüfung des Wertungsvorgangs durch Dokumentation zu ermöglichen, nicht in dem erforderlichen Umfang nachgekommen. Sollte eine derartige Rückmeldung erteilt worden sein, läge ein Verstoß gegen das Transparenzgebot vor, da damit eine zutreffende Beantwortung der Frage suggeriert worden und damit nicht auszuschließen wäre, dass der Bieter infolgedessen die Beantwortung der Frage beendet.

Ziffer 3.2 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau O. weist zudem folgenden Inhalt auf: „Unangenehm aufgefallen ist, dass erwähnt wurde, dass es bei anderen Dienstleistern wohl üblich sei, diese Schreiben sehr kurz zu fassen, um Rügen zu provozieren, um dann mehr Leistungstage abrechnen zu können.“ Der Punktabzug wurde begründungslos auf ein subjektives Empfinden gestützt. Hinzu kommt, dass die soziale Kompetenz ausweislich der dem Einladungsschreiben vom 28.05.2021 zu entnehmenden Wertungsmatrix im Rahmen des Fachgesprächs kein Wertungskriterium darstellt. Insoweit liegt eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums vor. Dass diese – unstreitige – Anmerkung der Antragstellerin weder im Protokoll noch in der Wertungsmatrix von Frau S. enthalten ist, ist zudem ein weiteres Beispiel für die Unvollständigkeit der Dokumentation.

cc) Auch bei der Bewertung der Beantwortung der dritten Frage durch die Antragstellerin wurde der Beurteilungsspielraum überschritten. Ziffer 5.3 des Protokolls ist zu entnehmen, dass die Antragstellerin die Möglichkeit der Fristverlängerung genannt hat. Das Jurymitglied Frau S. hat den von ihr vorgenommenen deutlichen Punktabzug bei dieser Frage damit begründet, dass die Antragstellerin nicht auf die Möglichkeit einer Fristverlängerung eingegangen ist (Ziffer 3.2 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau S.). Damit wurde der Bewertung ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde gelegt. Ob auch das zweite Jurymitglied Frau O. einen diesbezüglichen Punktabzug vorgenommen hat, kann die Vergabekammer nicht überprüfen. Die diesbezügliche Begründung des Punktabzugs ist unvollständig: „Weitere Vorgehensweise, z.B. (…), erfolgte nicht.“ (Ziffer 3.2 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau O.). Soweit Frau O. den erfolgten Punktabzug damit begründet, dass kein Hinweis auf eine Anfrage des Auftraggebers bei dem Betreiber der Vergabeplattform erfolgt sei, handelt es sich hierbei um eine sachfremde Erwägung. Ausweislich des Wortlauts des § 57 Abs. 1 Nr. 1 VgV wird ein Vertretenmüssen des Bieters vermutet („es sei denn“). Die primäre Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich eines fehlenden Verschuldens liegt damit beim Bieter und nicht beim Auftraggeber. Der Fragestellung war bereits nicht zu entnehmen, dass der Bieter seiner primären Darlegungslast nachgekommen ist.

dd) Hinsichtlich der Bewertung der Beantwortung der vierten Frage durch die Antragstellerin ist für die Vergabekammer nicht überprüfbar, ob insoweit von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde. Ziffer 3.4 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau S. ist zur Begründung der Punktabzüge zunächst folgender Inhalt zu entnehmen: „(…) WP Abzug, da der Bieter zunächst auf den Architektenwettbewerb verwiesen hat und erst nach Hinweis von Fr. O., dass es sich bei der XXX nicht um Architekten- oder Ingenieurleistungen handelt, den wettbewerblichen Dialog genannt hat.“ Ziffer 5.4 des Protokolls ist demgegenüber ohne jegliche Einschränkung die „richtige Wahl des Verfahrens“ zu entnehmen. Ob – wie von der Antragstellerin gerügt – der Hinweis erteilt worden ist, dass spezifisch innovative Vorhaben ausschreibungsgegenständlich sind, kann die Vergabekammer anhand der Dokumentation des Auftraggebers nicht überprüfen. Der Auftraggeber ist seiner Pflicht, den Nachprüfungsinstanzen eine Überprüfung des Wertungsvorgangs durch Dokumentation zu ermöglichen, nicht in dem erforderlichen Umfang nachgekommen. Sollte ein derartiger Hinweis erteilt worden sein, wäre die Beanstandung einer Angabe des wettbewerblichen Dialogs beurteilungsfehlerhaft (Huber, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 18 VgV Rn. 3: „Als Anwendungsfälle bieten sich weiter innovative Projekte, die Realisierung großer, integrierter Infrastrukturprojekte oder großer ComputerNetz-werke sowie Projekte mit komplexen, strukturierten Finanzierungen an.“).

Die Bewertung von Frau O. beinhaltet des Weiteren die Kritik, dass die Frage zunächst eher aus Bietersicht beantwortet worden sei; erst nach Hinweis auf die Fragestellung sei die Beantwortung erfolgt (Ziffer 3.4 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau O.). Was unter einer Beantwortung aus Bietersicht zu verstehen ist und warum ein Perspektivwechsel zur Beantwortung der Frage nicht sinnvoll ist, ist der Bewertung nicht zu entnehmen.

Der von Frau S. geäußerten weiteren Kritik, „es erfolgten keine Ausführungen zu Referenzen etc.“ (Ziffer 3.4 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau S.) liegt ein unzutreffender Sachverhalt zugrunde. Frau S. selbst hat einen Vortrag zu Referenzen dokumentiert (Ziffer 3.4, Spalte „Inhalte des Bietergesprächs“ der Bewertung der Antragstellerin durch Frau S.). Auch Ziffer 5.4 des Protokolls hat u.a. folgenden Inhalt: „viele Referenzen führen dazu, dass Jungunternehmen scheitern.“ Auch der Bewertung von Frau O. ist das Vorhandensein eines Vortrags zu Referenzen zu entnehmen (Ziffer 3.4 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau O.).

Frau O. begründet den erfolgten Punktabzug zudem damit, dass kein expliziter Hinweis der Möglichkeit einer Einbindung von Bietergemeinschaften oder Unterauftragnehmern an den Markt als Antwort genannt wurde (Ziffer 3.4 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau O.). Da es sich hierbei um den typischen Inhalt von Vergabeunterlagen handelt, erscheint ein zusätzlicher expliziter Hinweis an den Markt als praxisfremd. Der diesbezügliche Punktanzug überschreitet daher den Beurteilungsspielraum des Auftraggebers.

Zudem wurde die Antragstellerin in Relation insbesondere zu der Beigeladenen nicht im Vergleich ohne Benachteiligung plausibel bewertet. Der Bewertung der Beigeladenen durch Frau S. ist zwar die Antwort der Herabsetzung bestimmter Kriterien, nicht aber ein Eingehen auf Referenzen zu entnehmen (Ziffer 3.4 der Bewertung der Beigeladenen durch Frau S.). Dies wurde bei der Antragstellerin von Frau S. kritisiert, nicht jedoch bei der Beigeladenen.

ee) Bei der Bewertung der fünften Frage wurde die Antragstellerin in Relation insbesondere zu der Beigeladenen nicht im Vergleich ohne Benachteiligung plausibel bewertet. Die Beigeladene hat diesbezüglich von beiden Jurymitgliedern trotz jeweils geäußerter Kritik (Ziffer 3.5 der Bewertung der Beigeladenen durch Frau O.: „(…) – dies ist eher unwahrscheinlich, da sich ansonsten die Frage nach der richtigen Verfahrensart stellt.“; Ziffer 3.5, Spalte „Inhalte des Bietergesprächs“ der Bewertung der Beigeladenen durch Frau S.: „Vorbehalt (…) ist aber nicht Sinn des VV, deshalb (…).“) die volle Punktzahl erhalten. Zudem ist beiden Bewertungen nicht zu entnehmen, dass die Beigeladene die vorgegebene Musterlösung „Aufzeigen der Vorund Nachteile eines Verhandlungsverfahrens mit TWB (Unterlagen müssen bereits mit TWB mitgegeben werden, Möglichkeit der Teststellung, Kriterien für Verhandlungsrunden und Teststellungen transparent machen, Abschmelzen bereits in VÖ)“, siehe jeweilige Spalte „Bewertungsinhalte“ der Bewertungen beider Jurymitglieder, vollständig als Antwort gegeben hat. Dies wurde bei der Antragstellerin kritisiert, nicht jedoch bei der Beigeladenen.

Auch bei der isolierten Prüfung der Bewertung der Antragstellerin wurde der Beurteilungsspielraum überschritten. Ziffer 3.5 der Bewertung der Antragstellerin durch von Frau O. ist folgende Kritik zu entnehmen: „Der Schwerpunkt der Ausführungen liegt hier bei der Begleitung des FB bei der Leistungsbeschreibung, hierzu seien Workshops notwendig und es soll eine Projektplanung erstellt werden. Dies fällt nicht in den Aufgabenbereich der Vergabestelle.“ Die Begleitung des Fachbereichs bei der Leistungsbeschreibung fällt in den Aufgabenbereich der Vergabestelle, sodass insoweit eine sachfremde Erwägung vorliegt.

ff) Der bei Beantwortung der sechsten Frage erfolgte Punktabzug durch Frau O. wurde damit begründet, dass Gründe für ein Abweichen von der Losaufteilung nicht benannt worden seien (Ziffer 3.6 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau O.). Sowohl Ziffer 5.6 des Protokolls als auch Ziffer 3.6 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau S., die keine Punktabzüge vorgenommen hat, ist demgegenüber die Dokumentation „Vermerk mit hinreichender Begründung warum, weshalb, wieso“ (Ziffer 5.6 des Protokolls) bzw. „Vergabevermerk mit hinreichender Begründung wieso, weshalb, warum“ (Ziffer 3.6 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau S.) zu entnehmen. Ob unter „wieso, weshalb, warum“ – wie von der Antragstellerin gerügt – fachlicheinhaltliche Beispiele zu verstehen sind, kann die Vergabekammer nicht nachvollziehen. Ob insoweit von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, kann die Vergabekammer aufgrund der Dokumentationsmängel nicht überprüfen.

Des Weiteren wurde die Antragstellerin in Relation insbesondere zu der Beigeladenen durch Frau O. nicht im Vergleich ohne Benachteiligung plausibel bewertet. Die Bewertung der diesbezüglichen Antwort der Beigeladenen durch Frau O. mit der vollen Punktzahl wurde wie folgt begründet: „Der Bieter gibt an, dass durchaus fachliche/sachliche Gründe vorhanden sein können, die einer Losaufteilung entgegenstehen. Dieses müsse gut dokumentiert werden, da es sich hierbei um einen Ausnahmetatbestand handelt.“, (Ziffer 3.6 der Bewertung der Beigeladenen durch Frau O.). Der diesbezüglichen Kritik ist nicht zu entnehmen, dass eine inhaltliche Benennung dieser Gründe erfolgte. Dies führte jedoch bei der Antragstellerin, anders als bei der Beigeladenen, zu einem Punkteanzug.

Hinsichtlich der Rüge der Antragstellerin, dass die Beantwortung der Frage mit dem Hinweis, dies sei ausreichend, abgebrochen worden sei, gelten die Ausführungen unter Ziffer II.2.b)aa) des Beschlusses insoweit entsprechend.

gg) Ob bei der Bewertung der Beantwortung der siebten Frage durch die Antragstellerin von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen wurde, kann die Vergabekammer aufgrund der Dokumentationsmängel nicht überprüfen.

Ziffer 3.7 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau O. ist u. a. folgende Begründung für den erfolgten Punktabzug zu entnehmen: „Die Aussage, dass bei allen Bietern eine Nachforderung erfolgen muss, wurde seitens der anwesenden Juristin noch einmal korrigiert – Nachforderung nur bei Bietern, die Aussicht auf Zuschlag haben.“ Ziffer 5.7 des Protokolls ist demgegenüber nicht zu entnehmen, dass die Antwort durch die dritte Teilnehmerin und nicht durch die angebotenen Berater erfolgt ist. Auch Frau S. hat in ihrer diesbezüglichen Bewertung ausschließlich die Namen der angebotenen Berater als Antwortgeber sowie die direkte zutreffende Beantwortung aufgeführt (Ziffer 3.7 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau S.).

Hinsichtlich des dritten Teils der Frage haben beide Jurymitglieder mit der Begründung, die Frage sei nicht beantwortet worden (Ziffer 3.7 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau S.) bzw. der fehlenden Angabe, dass der Auftraggeber in den Vergabeunterlagen Nachforderungen ausschließen kann (Ziffer 3.7 der Bewertung der Antragstellerin durch Frau O.) jeweils Punktabzüge vorgenommen. Ziffer 5.7 des Protokolls ist demgegenüber die Beantwortung der Frage durch die Antragstellerin zu entnehmen: „Keine Nachforderung: liegt im Ermessensspielraum“.

hh) Hierdurch droht der Antragstellerin auch ein Schaden zu entstehen. Die Punktedifferenz zwischen Antragstellerin und Beigeladener ergibt sich ausschließlich aus der Bewertung des Fachgesprächs mit ad hoc-Fragerunde. Hinsichtlich der insgesamt erreichbaren 18 Wertungspunkte für die Vorstellung des Bieters sowie der beiden angebotenen Berater erzielten Antragstellerin und Beigeladene insgesamt die gleiche Punktzahl. Angesichts der aufgezeigten Vergaberechtsverstöße bei Dokumentation und Bewertung des Fachgesprächs mit ad hoc-Fragerunde ist nicht sicher auszuschließen, dass die Antragstellerin bei beurteilungsfehlerfreier Bewertung des Fachgesprächs mit ad hoc-Fragerunde ihre Chance auf den Zuschlag wahren könnte. Angesichts der Dokumentationsmängel scheidet eine bloße Wiederholung der Bewertung der ad hoc-Fragerunde aus. Dementsprechend ist das Fachgespräch mit ad hoc-Fragerunde bei fortbestehender Beschaffungsabsicht des öffentlichen Auftraggebers mit allen drei verbleibenden Bietern zu wiederholen.

III.

Die Entscheidung über die Verfahrensgebühren beruht auf § 182 Abs. 1, 2 und 3 GWB. Bei der Verfahrenskostenfestsetzung nach § 182 Abs. 1 GWB i. V. m. §§ 3, 9 VwKostG wird ausgehend von dem Gebührenrahmen des § 182 Abs. 2 GWB unter Berücksichtigung des personellen und sachlichen Aufwands der Kammer sowie der wirtschaftlichen Bedeutung des Auftrags der Gebührentabelle des Bundes folgend eine Gebühr in Höhe von XXX Euro als angemessen festgesetzt.

Dem teilweisen Unterliegen von Antragstellerin und Antragsgegner wurde durch eine Kostenquotelung nach § 182 Abs. 3 Satz 1 GWB entsprochen. Bei einem Teilerfolg sind die Kosten nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens zu verteilen. Ob lediglich ein Teilerfolg vorliegt, ergibt sich regelmäßig aus einem Vergleich des Antragsziels mit dem Ausspruch der Vergabekammer. Da die Vergabekammer aber gemäß § 168 Abs. 1 Satz 2 GWB nicht an die Anträge gebunden ist und unabhängig davon auf die Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens einwirken kann, haben die Anträge im Nachprüfungsverfahren nicht die Funktion, einen Streitgegenstand oder den Umfang des Nachprüfungsverfahrens exakt mitzubestimmen. Für die Beurteilung des Obsiegens bzw. Unterliegens ist deshalb in erster Linie auf das wirtschaftliche Begehren des Antragstellers abzustellen (BGH, Beschluss v. 8.2.2011, X ZB 4/10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.12.2020, 15 Verg 7/20; Brauser-Jung, in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 182 Rn. 16). Die Antragstellerin begehrt u.a. mit der Beanstandung der Wertungsmethodik die Verpflichtung des Auftraggebers, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Bekanntmachung zurückzuversetzen. Die Vergabekammer ist mit ihrer Entscheidung, den Antragsgegner zu verpflichten, das Vergabeverfahren bei fortbestehender Beschaffungsabsicht in den Stand vor Durchführung des Fachgesprächs mit ad hoc Fragenrunde zurückzuversetzen und dieses unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen, hinter dem wirtschaftlichen Begehren der Antragstellerin zurückgeblieben. Die Vergabekammer bewertet das diesbezügliche Unterliegen der Antragstellerin mit einem Unterliegen zu 1/2. Der Antragsgegner ist von der Zahlung der Gebühren befreit, da die Voraussetzungen des § 182 Abs. 1 Satz 2 GWB i.V.m. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VwKostG vorliegen.

Die Antragstellerin hat nach § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners zur Hälfte zu tragen. Der Antragsgegner hat die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragstellerin ebenfalls zur Hälfte zu tragen, § 182 Abs. 4 Satz 1 GWB. Die Ausführungen zur Verfahrenskostenentscheidung gelten hierbei sinngemäß.

Vorliegend entspricht es der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen auf sich behält, § 182 Abs. 4 Satz 2 GWB. Eine Kostenhaftung eines Beigeladenen wird in Rechtsprechung und Literatur bejaht, wenn dieser auf Seiten der unterliegenden Partei das Verfahren entweder durch einen Antrag oder in sonstiger Weise wesentlich aktiv fördert, sich also schriftsätzlich in relevanter Weise äußert. Ebenso wie bei den Hauptbeteiligten ist bei einem Beigeladenen auf das jeweilige Rechtsschutzziel abzustellen (zum Vorstehenden: Losch, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl. 2020, § 182 GWB Rn. 37; VK Lüneburg, Beschluss vom 15.12.2020, VgK-46/2020). Vorliegend entspricht es der Billigkeit, dass die Beigeladene die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen auf sich behält. Die Beigeladene hat keine eigenen Sachanträge gestellt. Sie hat das Verfahren durch ihr Schreiben vom 07.07.2021 auch nicht in einer solchen Weise gefördert und beeinflusst, dass es sachgerecht erscheint, die Eingehung eines Kostenrisikos zu bejahen. Somit sind ihr keine Aufwendungen zu erstatten, aber auch keine Kosten und Aufwendungen aufzuerlegen.

Gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB i. V. m. § 80 Abs. 2 VwVfG sind die Kosten eines Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung notwendig war. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch die Antragstellerin war gemäß § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB für notwendig zu erklären, da ein Antragsteller sich regelmäßig eines Verfahrensbevollmächtigten für das Nachprüfungsverfahren bedienen darf. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist vorliegend nicht ersichtlich.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten war für den Antragsgegner nicht für notwendig zu erklären. Die Frage, ob es für einen öffentlichen Auftraggeber notwendig war, einen Rechtsanwalt zuzuziehen, ist auf der Grundlage einer differenzierenden Betrachtung nach den Umständen des Einzelfalles aufgrund einer ex-ante-Prognose zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 26.9.2006 – X ZB 14/06 , OLG Karlsruhe vom 11.7.2011 – 15 Verg 5/11). Maßgeblich ist, ob ein verständiger Beteiligter unter Beachtung seiner Pflicht, die Kosten so gering als möglich zu halten, die Beauftragung eines Bevollmächtigten für notwendig erachten durfte. Zu fragen ist also, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, aufgrund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, der im Hinblick der Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen. Hierfür können neben Gesichtspunkten wie die Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, die Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen, auch rein persönliche Umstände bestimmend sein, wie etwa die sachliche und personellen Ausstattung, also beispielsweise ob der öffentliche Auftraggeber über eine Rechtsabteilung verfügt oder über andere Beschäftigte, von denen erwartet werden kann, dass sie auch Fragen des Vergaberechts sachgerecht bearbeiten können (OLG Karlsruhe vom 16.6.2010, 15 Verg 4/10). Zu berücksichtigen ist, dass der Auftraggeber sich in seinem originären Aufgabenbereich die für ein Nachprüfungsverfahren notwendigen Sach und Rechtskenntnisse grundsätzlich selbst zu beschaffen hat, während er sich für nicht einfach gelagerte Rechtsfragen, die zu den auftragsbezogenen Rechtsfragen hinzukommen, insbesondere wenn sie Bezüge zu höherrangigem Recht und Europarecht aufweisen, ggf. externen Rechtsrat einholen darf (OLG Karlsruhe vom 11.7. 2011 – 15 Verg 5/11; OLG Karlsruhe vom 10.3.2015 – 15 Verg 11/14; OLG Düsseldorf vom 10.7.2013 – Verg 40/12). Legt man diesen Maßstab an, war es nicht angebracht, dass der Antragsgegner einen Rechtsbeistand für das Vergabenachprüfungsverfahren hinzuzog. Von seinen Beschäftigten konnte erwartet werden, dass ihnen die maßgeblichen Rechtsvorschriften bekannt sind, die mit einer Auftragsvergabe jenseits der Schwellenwerte verbunden sind. Dazu gehört auch, dass sie in der Lage sind, ihren bereits vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens eingenommenen Standpunkt zu verteidigen. Es steht jedem öffentlichen Auftraggeber frei, zu entscheiden, ob er das Vergabeverfahren selbst durchführt oder externen Rechtsbeistand hinzuzieht.

Gem. § 182 Abs. 4 Satz 5 GWB findet ein gesondertes Kostenfestsetzungsverfahren nicht statt.

IV.

Rechtsmittelbelehrung