von Thomas Ax
Zwar ist jede produkt-, verfahrens- und technikspezifische Ausschreibung als solche wettbewerbsfeindlich. Das Gebot der produktneutralen Ausschreibung zielt darauf ab, den Markt für alle Bieter offen zu halten und vor Beschränkungen des Wettbewerbs durch zu enge, auf bestimmte Produkte oder Bieter zugeschnittene Leistungsbeschreibungen zu schützen (vgl. Senat, a.a.O.; Beschluss vom 16.11.2012, 15 Verg 9/12 – juris Randnr. 36; Prieß in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, VOL/A, 3. Aufl., Randnr. 109 zu § 8 EG-VOL/A). Allerdings obliegt dem Auftraggeber die Bestimmung des Auftragsgegenstandes. Das Vergaberecht macht dem öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich keine Vorgaben hinsichtlich dessen, was er beschaffen muss oder will (vgl. Senat, Beschluss vom 15.11.2013, a.a.O. – juris Randnr. 103; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 22.05.2013, VII Verg 16/12 – juris; VK Bund, Beschluss vom 01.03.2012, VK 2-5/12 – juris). Hierbei ist die Bestimmung des Beschaffungsgegenstandes dem eigentlichen Vergabeverfahren vorgelagert (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Es obliegt damit dem Auftraggeber, die an die zu beschaffenden Gegenstände zu stellenden funktionalen, technischen und ästhetischen Anforderungen nach seinem Bedarf festzulegen; die Festlegung des Beschaffungsgegenstandes hat aber auf sach- und auftragsbezogenen Gründen zu beruhen (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.02.2010, VII Verg 42/09 – juris, Beschluss vom 01.08.2012, VII Verg 10/12 – juris; Beschluss vom 22.05.2013, VII Verg 16/12 – juris), OLG Karlsruhe, 14.09.2016 – 15 Verg 7/16.
§ 31 Abs. 6 VgV bestimmt insoweit:
„(6) 1In der Leistungsbeschreibung darf nicht auf eine bestimmte Produktion oder Herkunft oder ein besonderes Verfahren, das die Erzeugnisse oder Dienstleistungen eines bestimmten Unternehmens kennzeichnet, oder auf gewerbliche Schutzrechte, Typen oder einen bestimmten Ursprung verwiesen werden, wenn dadurch bestimmte Unternehmen oder bestimmte Produkte begünstigt oder ausgeschlossen werden, es sei denn, dieser Verweis ist durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt. 2Solche Verweise sind ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand anderenfalls nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann; diese Verweise sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen.“
Daher ist im Nachprüfungsverfahren die Entscheidung des Auftraggebers allein daraufhin zu überprüfen, ob sie, den Erkenntnishorizont des Auftraggebers zur Zeit der Entscheidung über die Festlegung des Beschaffungsgegenstandes zugrunde gelegt, nicht auf sachfremden, willkürlichen oder diskriminierenden Erwägungen beruhte; hierbei kommt der Vergabestelle ein erheblicher Beurteilungsspielraum zu (Senat, a.a.O.). Ist die Festlegung des Beschaffungsbedarfs aufgrund sachlicher und auftragsbezogener Gründe diskriminierungsfrei erfolgt, so ist eine sich hieraus ergebende, wettbewerbsverengende Wirkung grundsätzlich hinzunehmen (vgl. Senat, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.08.2012, VII Verg 10/12 – juris). Dies gilt auch dann, wenn die an sach- und auftragsbezogenen Kriterien orientierte Beschaffungsentscheidung zur Festlegung auf ein bestimmtes Erzeugnis führt und damit einen Wettbewerb ausschließt (Senat, a.a.O.). Schon aus Gründen der Transparenz sind die hierfür erforderlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse im Vergabevermerk zu dokumentieren (Senat, a.a.O.; Prieß in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, a.a.O., zu § 8 EGVOL/A, Randnr. 111).
Damit kann der Auftraggeber in konkreten Einzelfällen den Beschaffungsgegenstand aufgrund auftrags- und sachbezogener Kriterien willkür- und diskriminierungsfrei auf bestimmte Beschaffungsgegenstände bestimmter Hersteller festlegen. Dass andere öffentliche Auftraggeber die Beschaffung des bestimmten Beschaffungsgegenstandes produktneutral oder unter Nennung eines Leitfabrikats ausschreiben, zwingt den Auftraggeber nicht zu einer produktneutralen Beschaffung des bestimmten Beschaffungsgegenstandes. Denn nach welchen sachbezogenen Kriterien der öffentliche Auftraggeber die Beschaffungsentscheidung auszurichten hat, ist ihm – auch im Nachprüfungsverfahren – nicht vorzuschreiben (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.04.2005, VII Verg 93/04 – juris). Dem Auftraggeber steht hierbei ein letztlich in der Privatautonomie wurzelndes Bestimmungsrecht zu, dessen Ausübung und Ergebnis nur darauf kontrolliert werden kann, ob seine Entscheidung sachlich vertretbar ist (vgl. OLG Düsseldorf, a.a.O.). Daher kann dem Antragsgegner auch im Rahmen der Vergabenachprüfung nicht vorgeschrieben werden, dass nicht nur bestimmte Beschaffungsgegenstände sondern auch Beschaffungsgegenstände anderer Hersteller, deren Funktionalität vergleichbar sei, der Beschaffungsentscheidung zugrunde zu legen seien.
Die Ausschreibung muss dann auch nicht den Zusatz „oder gleichwertig“ enthalten. Die von der Vergabekammer Nordbayern vertretene Auffassung (vgl. Beschluss vom 24.09.2014, 21.VK-3194-24/14 – Juris), wonach auch in Fällen, in denen ein sachlicher Grund die Produktvorgabe rechtfertige, im Bereich der EU-weiten Vergabe zwingend der Zusatz „oder gleichwertig“ erfolgen müsse, findet weder im Gesetzeswortlaut noch im Richtlinientext eine Stütze. Auch heißt es in der Gesetzesbegründung zu § 31 Abs. 6 VgV, dass dessen Satz 1 eine Ausnahme vom Grundsatz der Produktneutralität zulässt, wenn dies durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist. Einschränkungen, die aus der Definition des Beschaffungsgegenstandes resultieren, sind danach grundsätzlich hinzunehmen. Dagegen regelt Satz 2 nach der Gesetzesbegründung einen zweiten Ausnahmetatbestand vom Gebot der Produktneutralität, der dann gegeben ist, wenn nur dadurch eine verständliche Beschreibung des Auftragsgegenstandes möglich ist. Nur in diesem Fall dürfen auch Alternativprodukte angeboten werden. Noch deutlicher wird dies im Text der Richtlinie 2014/24/EU vom 16.02.2014 selbst. Im dortigen Artikel 42 Abs. 4 heißt es nämlich, „soweit es nicht durch den Auftragsgegenstand gerechtfertigt ist, darf in technischen Spezifikationen nicht auf eine bestimmte Herstellung oder Herkunft oder ein bestimmtes Verfahren .. oder eine bestimmte Produktion verwiesen werden.. . Solche Verweise sind jedoch ausnahmsweise zulässig, wenn der Auftragsgegenstand nicht hinreichend genau und allgemein verständlich beschrieben werden kann.“ „Solche Verweise“, gemeint sind damit die wegen mangelnder Beschreibbarkeit, „sind mit dem Zusatz „oder gleichwertig“ zu versehen“ (vgl. insoweit auch Prieß in Kulartz/Marx/Portz/Prieß, a.a.O. zur vergleichbaren Regelung in § 8 Abs. 7 S. 2 EG-VOL/A, Randnr. 115).
Eine produktspezifische Ausschreibung darf auch nicht ausschließlich im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb erfolgen. § 14 Abs. 4 VgV dient der Umsetzung von Artikel 32 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2014/24/EU, der diese Art der Ausschreibung als Ausnahmetatbestand formuliert, der durch die dort geregelten Fallgestaltungen gerechtfertigt sein muss. Eine Verpflichtung zur Wahl dieser Verfahrensart besteht für den öffentlichen Auftraggeber nicht, wie schon das Wort „kann“ in § 14 Abs. 4 VgV zeigt. Im Übrigen ist dadurch, dass in der Ausschreibung die Festlegung auf einen Produzenten erfolgte, die Belieferung durch Händler weder tatsächlich noch rechtlich ausgeschlossen. Möglicherweise bestehende (wettbewerbs- oder kartellrechtswidrige) Vertriebsabsprachen muss der Auftraggeber bei seiner Beschaffungsentscheidung dagegen nicht berücksichtigen.