Ax Vergaberecht

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-vergaberecht.de

OLG München, Beschluss vom 26.01.2022: Strahlentherapie ist EU-weit auszuschreiben

Wir setzen das Vergaberecht für unsere Mandanten -hier den Antragsteller- durch!

Der Antragsgegner, der Träger des Klinikums Landkreis Erding ist, plante mindestens ab Anfang 2019 eine Kooperation der Klinik mit einer strahlentherapeutischen Praxis auf dem Außengelände des Klinikums. Zu diesem Zweck sollte mit dem Partner ein Kooperationsvertrag und ein Pachtvertrag abgeschlossen werden, wobei die Vereinbarungen jeweils in einem wechselseitigen Bezug stehen sollten. In dem Kooperationsvertrag sollte sich die Praxis verpflichten, im Fachgebiet Strahlentherapie die vom Krankenhaus jeweils angeforderten ärztlichen Leistungen bei Patienten, die auf einer Hauptabteilung des Krankenhauses versorgt werden, zu erbringen. Hinsichtlich des Entgeltes sollte die Abrechnung bei Patienten, die gemäß § 17 KHEntgG mit dem Krankenhaus wahlärztliche Leistungen vereinbart haben, gegenüber den Patienten und bei allen anderen Patienten gegenüber dem Krankenhaus erfolgen. Der Praxis sollte zeitgleich im Rahmen eines langfristigen Pachtvertrags eine Grundstücksfläche auf dem Klinikgelände überlassen werden, verbunden mit der Berechtigung, dort auf eigene Kosten ein Gebäude für eine stationäre und ambulante Strahlentherapie zu errichten und zu betreiben. Eine andere Nutzung des Grundstücks war nicht gestattet. Nach Ablauf der Pachtzeit sollte der Pächter das Grundstück in dem Zustand zurückgeben, in welchem er es zu Vertragsbeginn übernommen hatte.

Am 16.07.2019 stellte die Beigeladene dem Klinikum ein Konzept für eine Kooperation vor. Am 20.08.2019 berichtete die Presse über die geplante Etablierung einer Strahlentherapie durch das Klinikum mit Hilfe eines externen Kooperationspartners, mit dem man bereits im Gespräch sei.

Der Antragsteller, der Strahlentherapiezentren in benachbarten Gemeinden betreibt, wandte sich daraufhin schriftlich am 24.08.2019 an das Klinikum mit der Bitte, ebenfalls ein Konzept zur Errichtung einer Praxis auf dem Gelände des Klinikums vorstellen zu dürfen. Mit E-Mail vom 03.12.2019 teilte der Antragsgegner dem Antragsteller unter anderem Folgendes mit:

(…) Wie bereits telefonisch besprochen bräuchten wir ein Konzept von Ihnen (idealerweise bis Fr, 06.12.19) ob Sie dort die Gebäude erstellen könnten, wie das aussehen könnte, welchen Umsetzungszeitpunkt Sie sich vorstellen und alle anderen Informationen, die Ihnen bereits vorliegen. (…)

Mit E-Mail vom 11.12.2019 übersandte der Antragsteller seine Konzeptunterlagen. Auf Nachfrage teilte ihm der Antragsgegner mit Schreiben vom 09.01.2020 mit, dass die Unterlagen nicht – wie erbeten – am 06.12.2019, sondern erst am 11.12.2019 und 12.12.2019 und somit verspätet eingegangen seien; der Antragsgegner habe sich für einen anderen Bewerber entschieden.

Daraufhin rügte der Antragsteller mit Schreiben vom 14.01.2020, dass kein europaweites Vergabeverfahren durchgeführt worden sei, die Ablehnung seines Angebots wegen Verspätung sei mangels klarer Ausschlussfristen nicht rechtmäßig und er habe auch keine korrekte Vorabinformation nach § 134 GWB erhalten. Mit Schreiben vom 24.01.2020 wurde die Rüge vom Antragsgegner zurückgewiesen.

Da den Rügen nicht abgeholfen wurde, stellte der Antragsgegner mit Schreiben vom 28.01.2020 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer und beantragte u.a. für den Fall, dass Verträge bereits geschlossen sein sollten, die Unwirksamkeit der geschlossenen Verträge festzustellen, sowie die Feststellung von Vergabeverstößen. Zur Begründung führte der Antragsteller aus, der Auftrag hätte europaweit ausgeschrieben werden müssen, da eine Baukonzession vorliege und bereits die Baukosten über dem maßgeblichen Schwellenwert von 5,35 Mio.€ liegen würde.

Der Antragsgegner widersetzte sich dem Nachprüfungsantrag und berief sich darauf, dass die maßgeblichen Schwellenwerte nicht überschritten worden seien und es deshalb keiner europaweiten Ausschreibung bedurft habe. Gegenstand der Beschaffung seien Dienstleistungen, nicht Bauleistungen, es werde auch keine Konzession vergeben. Mit Schriftsatz vom 30.04.2020 teilte der Antragsgegner mit, dass beabsichtigt sei, mit einer radiologischen Praxis aus München eine Kooperationsvereinbarung und einen Pachtvertrag abzuschließen.

Die Vergabekammer wies mit Beschluss vom 18.06.2020 den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurück Es handele sich weder um eine Baukonzession noch um einen Bauauftrag, da in dem vom Antragsgegner vorgelegte Entwurf des Pachtvertrages keine Bauverpflichtung enthalten sei. Es werde lediglich die Möglichkeit geräumt, eine strahlentherapeutische Praxis auf dem verpachteten Grundstücksteil zu errichten. Bei dem streitgegenständlichen Auftrag handele es sich um einen Dienstleistungsauftrag, der sich weit überwiegend auf die Erbringung fachärztlicher Leistung für die Auftraggeberin beziehe, und für den somit der erhöhte Schwellenwert gemäß § 106 Abs. 2 Nr.1 GWB i.V.m. Art. 4 lit. d) der Richtlinie 2014/24/EU von 750.000 Euro (netto) maßgeblich sei. Die Schätzung des Auftragswertes auf ca. 100.000 € Auftragswertes sei plausibel und erfülle die Anforderungen des § 3 VgV. Die vom Antragsteller behaupteten weit höheren Zahlung dagegen seien von dieser weder belegt noch nachvollziehbar dargelegt.

Der Antragsteller legte gegen den Beschluss form- und fristgerecht sofortige Beschwerde ein und stellte außerdem einen Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die Beschwerde. Den Antrag nach § 173 GWB hat der Senat nach Hinweis mit Beschluss vom 03.08.2020 als unzulässig verworfen.

In der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2021 gab der Antragsgegner bekannt, dass er bereits im Jahr 2020 einen Pachtvertrag mit einer strahlentherapeutischen Praxis geschlossen habe. Einen neuerlichen Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der sofortigen Beschwerde hat der Senat mit Beschluss vom 24.03.2021 verworfen.

Mit Beschluss vom 28.05.2020 hat der Senat, darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die vor kurzem veröffentlichte Entscheidung des EuGH vom 22.04.2021, Az. C 537/19 abweichend von der bislang geäußerten Rechtsauffassung in Betracht komme, die Vereinbarungen doch in der Gesamtheit rechtlich als Baukonzession zu bewerten. Bejahe man eine Baukonzession, so komme es für die Notwendigkeit der europaweiten Ausschreibung darauf an, ob der Schwellenwert überschritten sei. Allerdings sei im Zweifel davon auszugehen, dass der nach § 2 KonzVG zu berechnende Gesamtumsatz über den Errichtungskosten (vorliegend wohl ca. 6 Millionen €) liege, da ein Konzessionsnehmer regelmäßig zumindest die Investitionsaufwendungen zuzüglich einer Rendite erwirtschaften will.

Im Termin vom 30.07.2021 hat der Antragsgegner – wie vorab schriftsätzlich angekündigt – erklärt, er wolle nunmehr eine europaweite Ausschreibung vornehmen. Der Pachtvertrag mit der strahlentherapeutischen Praxis, die der Senat zwischenzeitlich beigeladen hatte, sei einvernehmlich aufgehoben worden.