vorgestellt von Thomas Ax
Erweist sich eine Abrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI ausnahmsweise als treuwidrig, weil das Vertrauen des Auftraggebers auf das vereinbarte niedrigere Honorar schutzwürdig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 14.06.2020 – VII ZR 174/19, Rz. 15 m.w.N., IBRRS 2020, 1607), liegen nicht zugleich die Voraussetzungen vor, unter denen der Architekt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert ist, sich auf das Fehlen einer schriftlichen und damit formwirksamen Vereinbarung bei Auftragserteilung (§ 7 Abs. 1 HOAI 2009/2013) zu berufen. Hierzu bedarf es Feststellungen dazu, dass dies zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde und es daher gem. § 242 BGB rechtsmissbräuchlich ist, sich auf die Formunwirksamkeit zu berufen (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26.02.2020 – XII ZR 51/19, Rz. 27, IBRRS 2020, 0844).
BGH, Urteil vom 03.08.2023 – VII ZR 102/22
vorhergehend:
OLG Celle, Urteil vom 27.04.2022 – 14 U 156/21
LG Hannover, 15.09.2021 – 14 O 211/20
Tatbestand:
Die Klägerin fordert von der Beklagten die Zahlung restlichen Architektenhonorars.
Die Beklagte wurde von der Landesstraßenbaubehörde S. am 28. Mai 2013 mit Planungsleistungen für eine Flutbrücke und deren Errichtung beauftragt. Sie beauftragte ihrerseits die Klägerin mit den Planungsleistungen. Vor Beginn ihrer Arbeiten unterbreitete die Klägerin der Beklagten mit Schreiben vom 4. Juni 2013 ein Angebot über die Planungsleistungen für ein Honorar in Höhe von 310.623 Euro netto, welches die Beklagte nicht annahm. Die Klägerin begann dennoch mit den Planungen. In der Folge unterbreitete sie der Beklagten ein weiteres Angebot über ein Pauschalhonorar in Höhe von 400.000 Euro, in dem die letztlich beauftragten Leistungen mit einem Betrag in Höhe von 170.000 Euro bewertet wurden. Die Beklagte unterzeichnete diesen Vertrag nicht, sondern übersandte ihrerseits unter dem 18. Juli 2014 der Klägerin einen Vertragsentwurf, in dem das Honorar mit 161.713,27 Euro angegeben wurde. Dieser Entwurf wurde von der Klägerin nicht unterzeichnet.
Die Klägerin stellte während der Leistungserbringung mehrere Abschlagsrechnungen, die von der Beklagten bezahlt wurden. Darin wurde jeweils auf “bestehende Vereinbarungen” Bezug genommen. Mit Schreiben vom 18. Juni 2015 übersandte die Klägerin der Beklagten eine 6. Abschlagsrechnung, mit der sie ihre Leistungen bis auf eine Bestandsunterlage als vollständig erbracht mit 170.000 Euro netto abzüglich eines Betrags in Höhe von 1.000 Euro für die fehlende Unterlage in Rechnung stellte. Die Beklagte kürzte den Betrag auf 161.713,27 Euro. Dieser Kürzung widersprach die Klägerin unter Hinweis auf die getroffenen Vereinbarungen.
Nachdem die Beklagte eine Zahlung in Höhe von 161.713,27 Euro geleistet und die Bezahlung eines weiteren Honorars auf der Grundlage eines Netto- honorars in Höhe von 170.000 Euro verweigert hatte, rechnete die Klägerin ihre Leistungen auf der Basis der Mindestsätze der HOAI (2013) ab. Mit der Klage hat sie ein über die erfolgte Zahlung der Beklagten hinausgehendes weiteres Honorar in Höhe von 114.285,75 Euro geltend gemacht.
Die Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Senat zugelassenen Revision will die Klägerin weiterhin die Verurteilung der Beklagten auf ihren Klageantrag hin erreichen.
Entscheidungsgründe:
Die Revision der Klägerin ist begründet und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in IBR 2022, 352 = BauR 2022, 1792 veröffentlicht ist, hat zur Begründung – soweit für die Revision von Interesse – ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Werklohns in Höhe von 114.285,75 Euro. Zwischen den Parteien sei konkludent ein Pauschalpreis in Höhe von 161.713,27 Euro vereinbart worden, auf dessen Gültigkeit sich die Beklagte gemäß § 242 BGB berufen könne. Diesen Betrag habe die Beklagte bereits gezahlt.
Die weitere Werklohnforderung stehe der Klägerin gemäß § 242 BGB nicht zu; ihre Geltendmachung erweise sich als rechtsmissbräuchlich. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verhalte sich der Auftragnehmer widersprüchlich, wenn er eine Pauschalvereinbarung unterhalb der Mindestsätze der HOAI abschließe und später nach den Mindestsätzen abrechnen wolle. Eine Geltendmachung der Mindestsätze könne nach Treu und Glauben ausgeschlossen sein, wenn der Auftraggeber auf die Wirksamkeit der Vereinbarung vertraut habe und auch habe vertrauen dürfen und er sich darauf in einer Weise eingerichtet habe, dass ihm die Zahlung des Differenzbetrags zwischen dem Honorar und den Mindestsätzen nach Treu und Glauben nicht zugemutet werden könne. Erforderlich sei eine Gesamtabwägung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls.
Diese Voraussetzungen, die es der Klägerin verwehrten, ihr Honorar nachträglich und entgegen der Pauschalpreisabrede nach Mindestsätzen abzurechnen, seien hier erfüllt, so dass auch dahinstehen könne, ob der vereinbarte Pauschalpreis tatsächlich mindestsatzunterschreitend gewesen sei. Die Klägerin verhalte sich widersprüchlich, wenn sie nunmehr nach Mindestsätzen abrechne. Die Beklagte habe auf die Wirksamkeit der geschlossenen Pauschalpreisvereinbarung vertrauen dürfen. Die Klägerin habe einen Vertrauenstatbestand begründet, indem sie sich bewusst dazu entschieden habe, der Beklagten eine mindestsatzunterschreitende Pauschalhonorarvereinbarung anzubieten, obwohl sie Kenntnis von der Gültigkeit der Mindestsätze gehabt habe. Das zwischen den Parteien vereinbarte Leistungsverzeichnis und der Umstand, dass die Klägerin bis zur 6. Abschlagsrechnung im Jahr 2015 immer auf “bestehende Vereinbarungen” Bezug genommen und nach diesen abgerechnet habe, habe den Vertrauenstatbestand noch vertieft. Noch in der Mahnung vom 27. November 2015 habe die Klägerin die Zahlung des Restbetrags zu der von ihr behaupteten Pauschale in Höhe von 170.000 Euro verlangt. Die Klägerin habe seit Beginn der Vertragsbeziehung in keinem Schreiben darauf hingewiesen, dass das verlangte Honorar mindestsatzunterschreitend gewesen sei, sondern habe die HOAI erst im Rahmen von Meinungsverschiedenheiten als “Drohinstrument” benutzt, um die Zahlung des von ihr geforderten Betrags durchzusetzen. Die HOAI stelle aber kein Preisrecht dar, um Druck auf den Auftraggeber auszuüben, sollte es zwischen den Parteien im Verlauf der Vertragsbeziehung zu Unstimmigkeiten kommen. Zu Lasten der Klägerin wiege schwer, dass sie – nach eigenen Angaben – der Beklagten einen Pauschalpreis angeboten habe in der Absicht, sich nicht an die geschlossene Vereinbarung halten zu wollen.
Die Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass sie nicht von einer Mindestsatzunterschreitung habe ausgehen müssen. Sie habe sich auch auf die Zahlung des Pauschalhonorars eingerichtet und mit diesem kalkuliert. Nach dem gesetzlichen Leitbild der Vertragstreue sei dieses Vertrauen besonders schützenswert. Die Zahlung des Differenzbetrags sei der Beklagten auch nicht zumutbar. Die Erhöhung der klägerischen Forderung liege bei 50 %.
Selbst wenn die Pauschalhonorarvereinbarung gegen das Schriftformerfordernis gemäß § 7 Abs. 3 HOAI (2013) verstieße, bliebe die Klägerin an die getroffene Vereinbarung gebunden. Die Berufung der Klägerin auf die Formunwirksamkeit verstoße gegen Treu und Glauben, da dies unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des vorliegenden Falls zu einem unerträglichen Ergebnis führen würde (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. November 2010 – 23 U 215/09, BauR 2012, 284).
II.
Dies hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
Die Beklagte kann sich nach den im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Feststellungen nicht mit Erfolg darauf berufen, der Klägerin sei es nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, ihren Honoraranspruch auf der Basis der Mindestsätze der HOAI zu berechnen. Insoweit kann für die Beurteilung, ob der Einwand der Treuwidrigkeit durchgreift, dahinstehen, ob sich die Honorarberechnung nach der HOAI (2009) richtet, wie die Beklagte geltend macht, oder ob die HOAI (2013) Anwendung findet, wovon das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Klägerin ausgeht, da die maßgeblichen Vorschriften in § 7 Abs. 1, 3 HOAI in beiden Fassungen wortgleich sind.
1. Das Berufungsgericht ist unter Anwendung der Rechtsprechungsgrundsätze des Bundesgerichtshofs zu den Voraussetzungen, unter denen sich der Architekt ausnahmsweise nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) nicht auf die Berechnung seiner Vergütung nach den Mindestsätzen der HOAI berufen kann (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 14. Mai 2020 – VII ZR 174/19 Rn. 15, BGHZ 225, 297; Urteil vom 27. Oktober 2011 – VII ZR 163/10 Rn. 24, BauR 2012, 271 = NZBau 2012, 174; Urteil vom 23. Oktober 2008 – VII ZR 105/07 Rn. 17 m.w.N., BauR 2009, 262 = NZBau 2009, 33), rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, dass bei Vorliegen dieser Voraussetzungen ohne weiteres auch eine Berufung auf die Formunwirksamkeit der Honorarvereinbarung ausscheidet.
a) Entgegen der Auffassung der Revision leidet das angefochtene Urteil allerdings nicht an dem absoluten Revisionsgrund der mangelnden Begründung, § 547 Nr. 6 ZPO, soweit das Berufungsgericht die Auffassung vertreten hat, eine Berufung auf die Formunwirksamkeit des Vertrags komme nach § 242 BGB ebenfalls nicht in Betracht. § 547 Nr. 6 ZPO erfasst in erster Linie den Fall, dass die angefochtene Entscheidung keinerlei Gründe enthält oder einer von mehreren von der Entscheidung erfassten selbständigen Ansprüche in den Entscheidungsgründen nicht behandelt wird (vgl. BGH, Urteil vom 1. Juli 2021 – I ZR 137/20 Rn. 66, MDR 2022, 114; Versäumnisurteil vom 10. Januar 2008 – I ZR 38/05 Rn. 37, RIW 2008, 392; Urteil vom 15. Oktober 1998 – I ZR 111/96, BGHZ 140, 84 m.w.N.). § 547 Nr. 6 ZPO ist dagegen nicht schon dann anwendbar, wenn Urteilsgründe unrichtig, unzureichend oder unvollständig sind (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2019 – I ZR 200/17 Rn. 47, MDR 2019, 882; Urteil vom 26. April 1991 – V ZR 61/90, NJW 1991, 2761; Urteil vom 3. Oktober 1980 – V ZR 125/79, NJW 1981, 1045).
Nach diesen Maßstäben ist § 547 Nr. 6 ZPO nicht verletzt. Das Berufungsgericht hat seine Auffassung, die Klägerin sei nach Treu und Glauben gehindert, sich auf die fehlende Formwirksamkeit der Honorarvereinbarung zu berufen, damit begründet, dass zugunsten der Beklagten nach den Umständen ein Vertrauenstatbestand geschaffen worden sei und diese sich darauf eingerichtet habe, nur den konkludent vereinbarten Pauschalpreis zahlen zu müssen. Unabhängig davon, ob sich diese Begründung rechtlich als tragfähig erweist oder nicht, fehlt es jedenfalls nicht überhaupt an Gründen im Sinne des § 547 Nr. 6 ZPO.
b) Das Berufungsgericht geht jedoch rechtsfehlerhaft davon aus, dass für den Fall, dass sich unter Berücksichtigung der vom Bundesgerichtshof aufgestellten Grundsätze (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Mai 2020 – VII ZR 174/19 Rn. 15, BGHZ 225, 297; Urteil vom 27. Oktober 2011 – VII ZR 163/10 Rn. 24, BauR 2012, 271 = NZBau 2012, 174; Urteil vom 23. Oktober 2008 – VII ZR 105/07 Rn. 17 m.w.N., BauR 2009, 262 = NZBau 2009, 33) eine Abrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI ausnahmsweise als treuwidrig darstellt, weil das Vertrauen des Auftraggebers auf das vereinbarte niedrigere Honorar schutzwürdig ist, zugleich die Voraussetzungen vorliegen, unter denen der Architekt nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) gehindert ist, sich auf das Fehlen einer schriftlichen und damit formwirksamen Vereinbarung bei Auftragserteilung (§ 7 Abs. 1 HOAI 2009/2013) zu berufen.
aa) Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Parteien hinsichtlich der streitgegenständlichen Leistungen, für die die Klägerin noch ein restliches Honorar in Höhe von 114.285,75 Euro begehrt, konkludent eine Pauschalhonorarvereinbarung in Höhe von 161.713,27 Euro netto geschlossen haben. Ob hierdurch die maßgeblichen Mindestsätze unterschritten wurden, hat das Berufungsgericht dahinstehen lassen. Dies ist entsprechend dem Vortrag der Klägerin revisionsrechtlich zu unterstellen.
Ohne Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht aufgrund einer rechtsfehlerhaften Würdigung der festgestellten tatsächlichen Umstände unter Verstoß gegen § 286 Abs. 1 ZPO zu dem Ergebnis gelangt ist, die Parteien hätten sich konkludent auf einen Pauschalpreis in Höhe von 161.713,27 Euro netto für die Leistungen geeinigt, die Gegenstand der streitgegenständlichen Honorarrechnung der Klägerin sind. Die Auslegung von Willenserklärungen ist Angelegenheit des Tatrichters. Eine Überprüfung findet nur dahin statt, ob Verstöße gegen gesetzliche Auslegungsregeln, anerkannte Auslegungsgrundsätze, sonstige Erfahrungssätze oder Denkgesetze vorliegen oder die Auslegung auf Verfahrensfehlern beruht (BGH, Urteil vom 27. April 2023 – VII ZR 144/22 Rn. 35, NJW-RR 2023, 901; Urteil vom 17. Mai 2018 – VII ZR 157/17 Rn. 19, BauR 2018, 1403 = NZBau 2018, 524; Urteil vom 31. August 2017 – VII ZR 5/17 Rn. 24 m.w.N., BauR 2018, 99 = NZBau 2017, 718).
20 Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe hält die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der revisionsrechtlichen Nachprüfung stand. Ein Verstoß gegen gesetzliche Auslegungsregeln oder anerkannte Auslegungsgrundsätze liegt nicht darin, dass das Berufungsgericht dem Umstand, dass die Klägerin unmittelbar nach Erhalt des Vertragsentwurfs vom 18. Juli 2014, in dem ein Pauschalpreis von 161.713,27 Euro genannt gewesen als auch auf Verhandlungen am 15. Juli 2014 Bezug genommen worden ist, mit ihrer 4. Abschlagsrechnung vom 13. August 2014 auf “bestehende Vereinbarungen” verwiesen hat, eine erhebliche Bedeutung für die Annahme beigemessen hat, die Klägerin habe sich konkludent mit dem von der Beklagten vorgeschlagenen Pauschalpreis einverstanden erklärt. Diese Auslegung ist auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Klägerin zuvor bereits Leistungen erbracht und hierfür Abschlagsrechnungen erteilt hatte, eine im Sinne des § 286 Abs. 1 ZPO revisionsrechtlich nicht zu beanstandende Würdigung.
bb) Es kann offenbleiben, ob nach den getroffenen Feststellungen die Annahme des Berufungsgerichts gerechtfertigt ist, die Abrechnung der Klägerin nach den Mindestsätzen der HOAI (2013) stelle sich unter den strengen Voraussetzungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausnahmsweise als treuwidrig dar, weil das Vertrauen der Beklagten auf das vereinbarte niedrigere Honorar schutzwürdig sei. Denn es fehlt jedenfalls an Feststellungen dazu, dass die Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) im vorliegenden Fall auch gehindert war, sich auf die Formunwirksamkeit der konkludent geschlossenen Pauschalhonorarvereinbarung zu berufen.
(1) Ob der Vertragspartner darauf vertrauen darf, der andere Vertragsteil werde sich nicht auf die Formunwirksamkeit berufen, richtet sich nach anderen Kriterien als denen, unter denen ausnahmsweise eine Unterschreitung der Mindestsätze nach Treu und Glauben gerechtfertigt sein kann. Nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung darf sich grundsätzlich jede Partei darauf berufen, die für einen Vertrag vorgeschriebene Schriftform sei nicht eingehalten. Nur ausnahmsweise, wenn dies zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde, kann es gemäß § 242 BGB rechtsmissbräuchlich sein, sich auf die Formunwirksamkeit zu berufen. Die Annahme eines Rechtsmissbrauchs kommt insbesondere dann in Betracht, wenn der eine Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn als Folge der Formwidrigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 26. Februar 2020 – XII ZR 51/19 Rn. 27, BGHZ 224, 370; Urteil vom 27. September 2017 – XII ZR 114/16 Rn. 24, BGHZ 216, 68; Urteil vom 3. November 2016 – III ZR 286/15 Rn. 12, MDR 2017, 18; jeweils m.w.N.). Diese Rechtsprechung findet auch Anwendung, soweit es um die gemäß § 7 Abs. 1 HOAI (2009/2013) für eine wirksame Honorarvereinbarung erforderliche Schriftform bei Auftragserteilung geht (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 5. Dezember 2022 – 11 U 231/21, MDR 2023, 560; OLG Oldenburg, Urteil vom 28. Mai 2013 – 2 U 111/12; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23. November 2010 – 23 U 215/09, BauR 2012, 284).
(2) Dass diese Voraussetzungen vorliegen, hat das Berufungsgericht nicht hinreichend festgestellt. Die in Bezug genommene Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Urteil vom 23. November 2010 – 23 U 215/09, BauR 2012, 284) betrifft einen anderen Sachverhalt. Gegenstand des dortigen Verfahrens war eine schriftlich niedergelegte Honorarvereinbarung über einen Pauschalpreis, der die Mindestsätze der HOAI unterschritt. Der Architekt hatte dem Auftraggeber ein von ihm nicht unterzeichnetes Vertragsangebot mit vorbereitetem Unterschriftsfeld für den Auftraggeber übersandt und damit den Eindruck erweckt, es bedürfe nur noch der Unterschrift des Auftraggebers. Vergleichbare Umstände hat das Berufungsgericht im Streitfall nicht festgestellt.
Für die Annahme der Treuwidrigkeit der Berufung auf die Formunwirksamkeit genügt es nicht, dass die Klägerin der Beklagten überhaupt im Rahmen der Vertragsverhandlungen einen Pauschalpreis angeboten hat, den die Beklagte letztlich jedoch nicht akzeptiert hat. Ein widersprüchliches Verhalten der Klägerin in Bezug auf den Abschluss einer formwirksamen Honorarvereinbarung liegt nicht vor. Die Klägerin hat der Beklagten vielmehr mehrfach ein schriftliches Angebot über die von ihr für angemessen gehaltene Summe von 170.000 Euro unterbreitet, welches die Beklagte nicht angenommen hat. Dass der Klägerin, wie vom Berufungsgericht festgestellt, bewusst gewesen ist, dass die von ihr angebotene Pauschalvergütung die Mindestsätze der HOAI unterschreiten würde, hat nicht zur Folge, dass die Berufung auf die Formunwirksamkeit treuwidrig wäre. Die auch für die Beklagte als Fachunternehmerin offenkundige Formunwirksamkeit der Vereinbarung hat die Klägerin hierdurch nicht treuwidrig herbeigeführt oder auch nur zu vertreten. Eine Berufung auf die Formunwirksamkeit der Honorarvereinbarung ist daher nicht deswegen ausgeschlossen, weil die Klägerin ein unterhalb der Mindestsätze liegendes Angebot überhaupt abgegeben hatte. Gleiches gilt für die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe der Beklagten von vornherein einen Pauschalpreis in der Absicht angeboten, sich später nicht an eine entsprechende Vereinbarung halten zu wollen.
Diese Annahme hat in der im angefochtenen Urteil hierfür als Beleg angeführten Passage des schriftsätzlichen Vortrags der Klägerin bereits keine tragfähige Stütze. Dass die Klägerin sich nach ihrem Vortrag durch die Mindestsatz-Regelungen der HOAI gegen “Bemühungen” ihrer Vertragspartnerin geschützt sah, “ein der Aufgabenstellung nicht angemessenes Honorar durchzusetzen”, lässt schon nicht erkennen, inwiefern sie hierdurch die “Absicht” erklärt haben soll, sich an eine etwa tatsächlich zustande gekommene Honorarvereinbarung später nicht halten zu wollen. Das Berufungsgericht übersieht außerdem, dass der referierte Vortrag der Klägerin im Zusammenhang mit ihren Ausführungen steht, wonach die Auftragsbearbeitung bei Übersendung des Vertragsentwurfs der Beklagten vom 18. Juli 2014 bereits weit fortgeschritten gewesen sei. Der Hinweis der Klägerin auf die Schutzfunktion der HOAI-Mindestsätze kann daher auch deshalb nicht in dem vom Berufungsgericht angenommenen Sinn verstanden werden.
Auch der Umstand, dass die Klägerin erst zu einem Zeitpunkt, als sich unüberbrückbare Meinungsverschiedenheiten mit der Beklagten über die Honorarhöhe ergeben hatten, eine Honorarabrechnung nach den Mindestsätzen der HOAI vorgelegt hat, ist nicht geeignet, den Vorwurf zu rechtfertigen, sie habe die formunwirksame Vereinbarung mit der Beklagten unter Verletzung der Gebote von Treu und Glauben bewusst herbeigeführt. Dass es nicht zu einer schriftlichen Honorarabrede zwischen den Parteien gekommen ist, ist vielmehr darauf zurückzuführen, dass das jeweilige schriftliche Angebot der einen Vertragspartei von der Gegenseite nicht schriftlich angenommen wurde. Für die Beklagte war als Fachunternehmerin auch erkennbar, dass eine schriftliche Honorarvereinbarung wegen der unterschiedlichen Honorarvorstellungen der Parteien im Zuge der Vertragsverhandlungen nicht geschlossen worden ist.
2. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben und ist aufzuheben. Die Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, wobei der Senat von der Möglichkeit gemäß § 563 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch macht. Der Senat kann in der Sache nicht selbst gemäß § 563 Abs. 3 ZPO entscheiden, weil die Sache nach den getroffenen Feststellungen nicht zur Endentscheidung reif ist.
III.
Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich auf folgendes hin:
Die Klägerin kann ihr Honorar nicht auf der Grundlage der erst zum 17. Juli 2013 in Kraft getretenen HOAI (2013) berechnen, soweit Grundleistungen vor ihrem Inkrafttreten vertraglich vereinbart wurden; insoweit bleiben die bisherigen Vorschriften anwendbar, § 57 HOAI (2013). Das Berufungsgericht hat zu dem Zeitpunkt, zu dem die Grundleistungen vertraglich vereinbart worden sind, keine Feststellungen getroffen. Lag dieser vor dem 17. Juli 2013, richtet sich die Honorarberechnung der Klägerin nach den Bestimmungen der HOAI (2009). Insoweit ist den Parteien noch Gelegenheit zu ergänzendem Vorbringen und der Klägerin gegebenenfalls zur Neuberechnung des Honorars nach den Bestimmungen der HOAI (2009) zu geben.