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BGH zu der Frage, dass ein Gericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt, wenn es die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben

vorgestellt von Thomas Ax

1. Ein Sachvortrag ist schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen. Genügt das Parteivorbringen diesen Anforderungen an die Substantiierung, kann der Vortrag weiterer Einzeltatsachen nicht verlangt werden.
2. Ein Gericht verletzt in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör, wenn es die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben.
3. Der – unter Beweis gestellte – Vortrag, der bauüberwachende Architekt habe durch konkrete fehlerhafte Anweisungen an den ausführenden Unternehmer einen Mangel (hier: der Lüftungsanlage) mitverursacht, ist hinreichend substantiiert.
BGH, Beschluss vom 24.04.2024 – VII ZR 871/21
vorhergehend:
OLG München, 25.10.2021 – 28 U 3889/21 Bau
LG München I, 21.05.2021 – 24 O 9550/20

Gründe:

I.

1

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Architekten im Wege der Teilklage Schadensersatz in Höhe von 500.000 Euro.

2

Die Klägerin beauftragte den Beklagten im Jahr 2012 mit der Erbringung von Leistungen der Leistungsphasen 1 bis 3 und 5 bis 8 gemäß § 34 HOAI (2009) in Bezug auf den Umbau ihres Wohn- und Geschäftshauses. Sie stützt ihr Schadensersatzverlangen in erster Linie auf eine Baukostenüberschreitung, hilfsweise auf erhöhte Finanzierungskosten und weiter hilfsweise auf im Rahmen der Beseitigung von Mängeln einer Lüftungsanlage entstandene Kosten in Höhe von 11.739,35 Euro.

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Das Landgericht hat die Klage aufgrund fehlender Bestimmtheit des Klageantrags als unzulässig abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin nach Hinweis gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen, wobei es die Klage nach erfolgter Klarstellung des Klagebegehrens durch ziffernmäßige Aufteilung beziehungsweise durch Erklärung eines Anspruchs zum Haupt- und der übrigen Ansprüche zu Hilfsansprüchen zwar für zulässig, aber für unbegründet erachtet hat. Gegen die Nichtzulassung der Revision wendet sich die Klägerin mit der Beschwerde, mit der sie ihr Klagebegehren weiterverfolgt.

II.

4

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat im tenorierten Umfang Erfolg und führt insoweit gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung der angegriffenen Entscheidung und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.

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1. Das Berufungsgericht hat in Bezug auf den von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen Mängeln der Lüftungsanlage ausgeführt:

6

Die Klägerin habe nicht substantiiert dargelegt, warum die behaupteten Mängel der Lüftungsanlage (in vollem Umfang) vom Beklagten zu vertreten seien. Es werde lediglich vorgetragen, der Beklagte habe persönlich den Handwerkern die Anweisung erteilt, die Lüftungsanlage in einer den Regeln der Technik widersprechenden Art und Weise einzubauen. Gleichzeitig habe die Klägerin bereits erstinstanzlich ausgeführt, dass die Planung der Lüftungsanlage nicht vom Beklagten ausgeführt und der Innenausbau gänzlich von einem Dritten betreut worden sei. Außerdem laste die Klägerin dem Beklagten an, Luftauslässe von Klimageräten falsch behandelt zu haben, während weiter vorgetragen werde, das Gewerk Klima- und Kältetechnik werde dem Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht. Bei dieser Sachlage sei nicht hinreichend substantiiert dargetan, inwieweit der geltend gemachte Schaden tatsächlich kausal dem Beklagten anzulasten sei. Es erschließe sich schon nicht, inwieweit der Beklagte in Bezug auf die Lüftungsanlage weisungsbefugt gewesen sei. Ferner sei unklar, ob ihm eine Fehlplanung, eine fehlerhafte Überwachung oder eine fehlerhafte Anweisung im Rahmen des Innenausbaus, die nach unbestrittenem Vortrag des Beklagten im Einvernehmen und nach den Wünschen der Klägerin erfolgt sei, angelastet werde.

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2. Mit dieser Begründung verletzt das Berufungsgericht in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG.

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a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot des rechtlichen Gehörs soll als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 4. November 2020 – VII ZR 261/18 Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 14. Dezember 2017 – VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; Beschluss vom 16. November 2016 – VII ZR 23/14 Rn. 10, ZfBR 2017, 146; Beschluss vom 20. Mai 2015 – VII ZR 78/13 Rn. 7, BauR 2015, 1528; Beschluss vom 22. August 2012 – VII ZR 2/11 Rn. 14, BauR 2012, 1822). Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt dann vor, wenn das Gericht die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und es dadurch versäumt, den Sachvortrag der Parteien zur Kenntnis zu nehmen und die angebotenen Beweise zu erheben (vgl. BGH, Beschluss vom 4. November 2020 – VII ZR 261/18 Rn. 13, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 26. Februar 2020 – VII ZR 166/19 Rn. 14, BauR 2020, 1035 = NZBau 2020, 293; Beschluss vom 14. Dezember 2017 – VII ZR 217/15 Rn. 9, BauR 2018, 669; Beschluss vom 6. Februar 2014 – VII ZR 160/12 Rn. 12, NZBau 2014, 221).

9

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Sachvortrag schlüssig, wenn der Anspruchsteller Tatsachen vorträgt, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als in seiner Person entstanden erscheinen zu lassen (vgl. z.B. BGH, Beschluss vom 4. November 2020 – VII ZR 261/18 Rn. 14, BauR 2021, 593 = NZBau 2021, 178; Beschluss vom 16. November 2016 – VII ZR 314/13 Rn. 22, BauR 2017, 306; Beschluss vom 6. Februar 2014 – VII ZR 160/12 Rn. 12, NZBau 2014, 221).

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b) Nach diesen Maßstäben beanstandet die Beschwerde zu Recht einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen Art. 103 Abs. 1 GG, weil es die Substantiierungsanforderungen offenkundig überspannt und eine hinreichende Darlegung des Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten wegen eines Mangels der Lüftungsanlage verneint hat.

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Die Ausführungen des Berufungsgerichts, dass sich aus den Darlegungen der Klägerin nicht ergebe, welches haftungsbegründende Verhalten dem Beklagten zur Last gelegt werde, sind unzutreffend. Die Klägerin hat vielmehr, worauf sie in ihrer von der Beschwerde in Bezug genommenen Stellungnahme vom 18. Oktober 2021 hingewiesen hat, bereits in der Klageschrift behauptet, dass der von ihr mit Architektenleistungen beauftragte Beklagte in Bezug auf den Einbau der Lüftungsanlage fehlerhafte Anweisungen an den ausführenden Unternehmer erteilt habe. Konkret habe der Beklagte die Anweisungen erteilt, keine Ventile zu verbauen und die Lüftungsschläuche (teilweise) nicht an die Luftauslässe anzuschließen. Dies sei regelwidrig und habe dazu geführt, dass die Lüftungsanlage in einem Teil der Räume so gut wie wirkungslos gewesen sei. Zur Herstellung der Funktionsfähigkeit der Lüftungsanlage seien Kosten in Höhe von 11.739,35 Euro angefallen. Für die Anweisungen seitens des Beklagten hat die Klägerin Beweis durch Vernehmung der Zeugen ###, ### und angeboten. Die Regelwidrigkeit der nach diesen Anweisungen hergestellten Lüftungsanlage wurde durch Sachverständigengutachten unter Beweis gestellt.

12

Nachdem das Berufungsgericht darauf hingewiesen hat, dass – im Hinblick auf weiteren Vortrag der Klägerin – nicht hinreichend substantiiert dargelegt sei, dass der Mangel der Lüftungsanlage (auch) von dem Beklagten zu vertreten sei, hat die Klägerin, wie die Beschwerde zu Recht rügt, in der hierauf erfolgten Stellungnahme vom 18. Oktober 2021 erneut geltend gemacht, dass der Schadensersatzanspruch auf die vorgenannten fehlerhaften Anweisungen des Beklagten gestützt werde. Weiter hat sie auf erläuternden schriftsätzlichen Vortrag verwiesen, wonach der Vertrag mit dem zunächst beauftragten Fachplaner auf Drängen des Beklagten gekündigt worden sei und der Beklagte während der Bauausführung sodann selbst die behaupteten fehlerhaften Anweisungen betreffend den Einbau der Lüftungsanlage erteilt habe. Auch wird erläutert, dass der Umstand, dass die Klägerin dem Beklagten Mängel der Kälte- und Klimatechnik nicht angelastet habe, nicht die Lüftungsanlage, die ein hiervon getrenntes System darstelle, betreffe.

13

Mit diesem Vortrag hat die Klägerin hinreichend substantiiert behauptet und unter Beweis gestellt, dass der Beklagte durch konkrete fehlerhafte Anweisungen an den ausführenden Unternehmer einen Mangel der Lüftungsanlage (mit)verursacht habe. Sie hat ferner auf den Hinweis des Berufungsgerichts erläutert, warum der Beklagte anstelle des Fachplaners die behaupteten Anweisungen zum Einbau der Lüftungsanlage erteilt habe. Auch wenn der Beklagte insoweit seine Befugnisse überschritten haben sollte, führt dies – anders als das Berufungsgericht möglicherweise meint – nicht dazu, dass er für eine fehlerhafte Anweisung, die zu einem Mangel der Lüftungsanlage geführt hat, nicht gemäß § 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1 BGB haftet. Soweit das Berufungsgericht weiter ausführt, dass die Anweisung unstreitig im Einvernehmen mit der Klägerin erfolgt sei, hat dies ebenfalls weder die fehlende Substantiierung noch die Unschlüssigkeit des Klägervortrags zur Folge. Denn Feststellungen dazu, dass die Klägerin in Kenntnis des hierdurch verursachten Mangels der Lüftungsanlage mit den behaupteten Anweisungen des Beklagten zum Einbau einverstanden gewesen wäre, hat das Berufungsgericht nicht getroffen.

14

c) Der angefochtene Beschluss beruht im Umfang der Aufhebung auf diesen Gehörsverstößen. Denn es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis gelangt wäre, wenn es die Darlegung für ausreichend substantiiert erachtet und – wie erforderlich – die angebotenen Beweise erhoben hätte.

III.

15

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist im Übrigen unbegründet. Sie zeigt insoweit nicht auf, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 2. Halbsatz ZPO abgesehen.