Ax Vergaberecht

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Bieter kann seine Rüge nicht erst im Angebotsanschreiben aussprechen

von Thomas Ax

Wenn ein Bieter seine Rüge aber im Angebotsanschreiben ausspricht, so erfolgt die Rüge nicht vor Ablauf der Angebotsfrist und damit nicht rechtzeitig i.S.v. § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 GWB. Denn es entspricht einem wichtigen vergaberechtlichen Grundsatz, dass der öffentliche Auftraggeber die Angebote erst nach Ablauf der Angebotsfrist öffnen darf, § 55 Abs. 1 VgV. Da ein rechtliches Verbot besteht, die Angebote vor Ablauf der Angebotsfrist zu öffnen, besteht vor Fristablauf keine Möglichkeit der Kenntnisnahme. Damit ist kein Zugang zu diesem Zeitpunkt gegeben, § 130 Abs. 1 S. 1 BGB.

Eine erst im Angebotsschreiben formulierte Rüge im Hinblick auf die Vergabeunterlagen kann ihren Zweck nicht mehr erfüllen, die Ag in die Lage zu versetzen, gegen die Grundlagen der Ausschreibung gerichtete Rügen jedenfalls vor Öffnung der Angebote prüfen und ggf. Fehler optimalerweise noch vor Einreichung von Angeboten korrigieren zu können.

Der Vollständigkeit halber sei zu diesem Argument angemerkt, dass ein Bieter, der die Rüge für entbehrlich hält, weil der Auftraggeber ohnehin nicht von seiner Meinung abweichen werde, nicht die gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen sowie deren ratio legis aushebeln kann. Der Gesetzeszweck liegt darin, dem Auftraggeber die Möglichkeit einer Korrektur zu geben, wenn er infolge einer Rüge Fehler erkennt; die Rügetatbestände von § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 GWB dienen gerade dem Zweck, dass ein Bieter bei Erkennbarkeit nicht erst nach Erhalt der Information gem. § 134 GWB gegen die Grundlagen des Vergabeverfahrens vorgeht und damit das gesamte Vergabeverfahren in diesem späten Stadium zu Fall bringen kann. Wenn die Rüge wegen angenommener Nutzlosigkeit für obsolet gehalten wird, so ist statt einer Rüge direkt der Nachprüfungsantrag zu stellen, nicht aber erst Monate später nach Erhalt der § 134 GWB-Information.

Nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB ist ein Nachprüfungsantrag unzulässig, soweit mehr als 15 Kalendertage nach Eingang der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, vergangen sind. Damit die Frist von 15 Kalendertagen nach Erhalt der Mitteilung des Auftraggebers, einer Rüge nicht abhelfen zu wollen, wirksam ausgelöst wird und zu laufen beginnen kann, muss der Wille des Auftraggebers, der vorausgegangenen Rüge nicht abhelfen zu wollen, eindeutig zum Ausdruck kommen (vgl. Wiese, in: Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, 5. Aufl. 2020, § 160 Rn. 166).

Da es sich bei der Frist nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB um eine Rechtsbehelfsfrist handelt, ist der Hinweis hierauf in der Auftragsbekanntmachung erforderlich, damit der Auftraggeber sich auf den Lauf dieser Frist berufen kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9.12.2009 – Verg 37/09; OLG München, Beschluss vom 19.9.2018 – Verg 6/18). Wird der Hinweis auf diese Nr. 4 Frist in der Auftragsbekanntmachung versäumt, so kann zwar eine Heilung vorgenommen werden, indem in der ablehnenden Rügeantwort auf die Frist hingewiesen wird (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 19.3.2019 – 13 Verg 7/18). Ist die Auftragsbekanntmachung aber bereits korrekt, so bedarf es keines zusätzlichen Hinweises in der ablehnenden Rügeantwort.