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Der praktische Fall: Streit um die Entschädigung nach § 642 BGB

von Thomas Ax

Fall:

Aufgrund fehlender Vorarbeiten können drei Mitarbeiter des Auftragnehmers an drei Tagen nicht auf der Baustelle arbeiten. Der Auftragnehmer verlangt deshalb vom Auftraggeber eine Entschädigung nach § 642 BGB.

Reicht der Vortrag des Auftragnehmers, dass es „auf der Hand liege, dass nicht irgendwo eine Baustelle bereitliege“ und „es für die an dem Bauvorhaben eingesetzte Kolonne keine parallel zu bearbeitende Baustelle gab“?

Lösung:

Nein!

Nach § 642 BGB kann der Unternehmer, wenn bei der Herstellung eines Werks eine Handlung des Bestellers erforderlich ist und dieser durch das Unterlassen der Handlung in Verzug der Annahme kommt, eine angemessene Entschädigung verlangen. Gemäß § 642 Abs. 2 BGB bestimmt sich die Höhe der Entschädigung einerseits nach der Dauer des Verzugs und der Höhe der vereinbarten Vergütung, andererseits nach demjenigen, was der Unternehmer infolge des Verzugs an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann.
Das Gesetz will dem Auftragnehmer damit eine Entschädigung dafür gewähren, dass er Kapital und Arbeitskräfte vorhalten muss, ohne dass der Werklohn dafür einen Ausgleich verschafft (sog. „Behinderungsfälle“, vgl. Kniffka/Koeble, a. a. O., 8. Teil, Rn. 35 ff.).

Der Annahmeverzug des Bestellers, dem die Mitwirkung an dem Werk obliegt, wird dabei schon dadurch begründet, dass der Unternehmer seine Mitarbeiter auf der Baustelle bereithält, weil hierin ein konkludentes wörtliches Angebot i. S. d. § 295 S. 1 BGB zu sehen ist (OLG Düsseldorf, Urteil vom 19.02.2013, Az. I – 21 U 24/12, BeckRS 2013, 12641).

Eine Behinderungsanzeige ist im BGB-Vertrag nicht erforderlich (vgl. OLG Düsseldorf, a. a. O.; Werner/Pastor, Der Bauprozess, 15. A. 2015, Rn. 2338).
Der Unternehmer muss die Angemessenheit der Entschädigung darlegen und beweisen (MüKo BGB, Busche, 6. A. 2012, § 642, Rn. 20). Darüber hinaus muss der Unternehmer zu den Einsparungen i. S. d. § 642 Abs. 2 BGB vortragen (MüKo, a. a. O.).
Der Auftragnehmer muss sich insoweit anrechnen lassen, was er infolge des Verzuges an Aufwendungen erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Arbeitskraft erwerben kann, denn da der Gesetzgeber die vereinbarte Vergütung für die Bestimmung der Entschädigung als Anknüpfungspunkt heranzieht, musste er auch den Fall mitregeln, dass der Auftragnehmer für die Dauer des Annahmeverzugs bzw. für den infolge des Annahmeverzugs verlängerten Herstellungszeitraum die Produktionsmittel anderweitig einsetzt oder einsetzen kann (Kniffka/Koeble, a. a. O., Rn. 40).
Um die dadurch erhaltenen Vorteile reduziert sich die aus der Vergütung abgeleitete Entschädigung (Kniffka/Koeble, a. a. O., Rn. 40).
Darzulegen ist vom Unternehmer dabei, wie er den Bauablauf tatsächlich geplant hatte, d. h. welche Teilleistungen er in welcher Zeit erstellen wollte, und wie der Arbeitskräfteeinsatz erfolgen sollte (OLG Köln, Urteil vom 28.01.2014, Az. 24 U 199/12, NJW 2014, 3039 m. w. N.).

Dem ist der tatsächliche Bauablauf gegenüberzustellen.

Sodann sind die einzelnen Behinderungstatbestände aufzuführen und deren tatsächliche Auswirkungen auf den Bauablauf zu erläutern (BGH, Urteil vom 21.03.2002, Az. VII ZR 224/00, NJW 2002, 2716; OLG Köln, a. a. O.; OLG Köln, Beschluss vom 08.04.2015, Az. 17 U 35/14, mit Anm. Prof. Dr. Fischer; OLG Hamm, Urteil vom 12.02.2004 Az. 17 U 56/00, NZBau 2004, 439; OLG Brandenburg, Urteil vom 18.02.2016, Az. 12 U 222/14, NZBau 2016, 393; OLG Dresden, Urteil vom 06.01.2012 – 1 U 13/10, LSK 2013, 520199; Werner/Pastor, a. a. O.).
Darzulegen sind auch etwaige Möglichkeiten, andere Bauabschnitte vorzuziehen oder Arbeitskräfte anderweitig einzusetzen (OLG Köln, a. a. O.). Insgesamt ist danach eine konkrete, bauablaufbezogene Darstellung mit Berücksichtigung von Ausgleichsmaßnahmen erforderlich (OLG Köln, a. a. O.; OLG Hamm, a. a. O.; OLG Brandenburg, a. a. O.; OLG Dresden, a. a. O.).

Der Vortrag des Auftragnehmers, dass es „auf der Hand liege, dass nicht irgendwo eine Baustelle bereitliege“ und „es für die an dem Bauvorhaben eingesetzte Kolonne keine parallel zu bearbeitende Baustelle gab“, genügt diesen Anforderungen nicht.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 16.08.2019 – 22 U 140/16