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Eilbedürftigkeit wegen Corona in der Spruchpraxis der VKs (2)

Leitsatz zu Beschluss 20-31

Entscheidungserhebliche Normen:

14 Abs. 4 Nr. 3 VgV

  1. Einem in dem entsprechenden Marktsegment tätigen Unternehmen, das keine Möglichkeit hatte, an einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb teilzunehmen, kann die Antragsbefugnis für ein Nachprüfungsverfahren regelmäßig nicht mit dem Argument abgesprochen werden, dass es Anforderungen einer im Laufe des Verfahrens auf ein bestimmtes Unternehmen zugeschnittenen Leistungsbeschreibung nicht erfüllt.
  2. Wenn die zeitlichen Zwänge es noch zulassen, ist auch bei der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb wegen äußerster Dringlichkeit nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV ein Mindestmaß an Wettbewerb durch Aufforderung mehrerer geeigneter Unternehmen zu gewährleisten. Zu beteiligen sind nur Unternehmen, die den Beschaffungsbedarf des Auftraggebers unter Berücksichtigung der äußersten Dringlichkeit erfüllen können.
  3. Auf einen möglichen Verstoß des öffentlichen Auftraggebers gegen die Verpflichtung, noch möglichen Wettbewerb zu schaffen, kann sich ein Unternehmen nicht berufen, wenn es im Rahmen der zeitlichen Vorgaben durch die äußerste Dringlichkeit den Beschaffungsbedarf des Auftraggebers nicht hätte erfüllen können.
  4. Eine massiv wettbewerbsbeschränkende Festlegung des Leistungsgegenstands, die zu einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mit nur einem Bieter führen soll, bedarf einer umfassenden Dokumentation, die regelmäßig auch keiner nachträglichen Vervollständigung zugänglich ist (OLG München Beschluss vom 09.03.2018 – Verg 10/17).

Geschäftszeichen: 3194.Z3-3_01-20-31

In dem Nachprüfungsverfahren …

wegen der Vergabe Corona-bedingte Bereitstellung eines cloudbasierten Kommunikationswerkzeugs für bayerische Schulen erlässt die Regierung von Oberbayern – Vergabekammer Südbayern auf die mündliche Verhandlung vom 12.10.2020 durch den Vorsitzenden, Herrn Steck, die hauptamtliche Beisitzerin, Frau Müller, und den ehrenamtlichen Beisitzer, Herrn Klingshirn, folgenden

Beschluss:

  1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
  2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners und der Beigeladenen.
  3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von 10.082,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
  4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch den Antragsgegner und die Beigeladene war jeweils notwendig.

Gründe:

I.

Am 12.03.2020 informierte das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus (StMuK) angesichts der bereits von den Gesundheitsbehörden angeordneten klassenweisen bzw. vollständigen Einstellung des Unterrichtsbetriebes an einzelnen Schulen alle bayerischen Schulen per E-Mail über unterschiedliche Möglichkeiten, um Unterrichtsausfall aufzufangen. Neben einer verstärkten Nutzung des eigenen Internetportals mebis und Schulungen hierzu wurde auch der Einsatz alternativer digitaler Werkzeuge empfohlen, „wie beispielsweise cloud- gestützte Office-Produkte, ggf. mit Videokonferenzsystem (zu denken wäre hier zum Beispiel an [Produkt der Beigeladenen]) oder datenschutzfreundliche Messenger-Dienste wie zum Beispiel xxx oder xxx.“

Am 13.03.2020 wurden sechs Unternehmen – nicht aber die Antragstellerin – angeschrieben und um Beschreibung ihres Angebots zu internetgestützten Kommunikationswerkzeugen bis zum 16.03.2020 gebeten, nachdem die Staatsregierung in einer Pressekonferenz um 9:00 Uhr die Schließung aller Schulen und Kindertagesstätten im Freistaat Bayern bis zum Beginn der Osterferien verkündet hatte. Unter den Fragen zum Funktionsumfang war unter anderem die Frage nach der kollaborativen Bearbeitung von Dokumenten sowie nach der Unterstützung von Videokonferenzen bis 35 Teilnehmer. Letztere Frage war als optional gekennzeichnet.

Mit einem weiteren Fragenkatalog vom 19.03.2020 mit Antwortfrist bis 23.03.2020 wurden den Firmen auf Grund ihrer Antworten präzisere Fragen zu ihren Produkten gestellt.

Am 18.03.2020 übersandte die Antragstellerin dem Bayerischen Staatsministerium für Digitales eine E-Mail, in der sie ihren kostenlosen Dienst xxx und den dahinterstehenden Dienst xxx als unbürokratisches Unterstützungsangebot zur Schul- oder Behördenkommunikation bewarb, da dieser Dienst Messenger, Dateiablage, Umfrage und Kalender als Cloud-Dienst verbinde. In der beigefügten Anlage stellte die Antragstellerin den Dienst xxx ausführlich als Plattform für schnelle und sichere Notfallkommunikation dar, mit der es möglich sei, alle an der Pandemiebekämpfung beteiligten Personen in einer zentralen, schnellen und effizienten Kommunikationsplattform zu bündeln. Genauere Funktionsbeschreibungen zum Einsatz in Schulen wurden nicht gemacht. Am 20.03.2020 erhielt die Antragstellerin eine Antwort, dass ihre Anregungen an das StMUK weitergeleitet wurden und dort bereits Alternativen für digitale Bildungsangebote geprüft würden.

Am 23.03.2020 erstellte die Antragstellerin einen Vermerk über die Auswertung der Ergebnisse der Markterkundung, in welchem sowohl die Verfügbarkeit von Videokonferenzen als auch eine umgehende Bereitstellung der Lösung als feste Bestandteile der zu beschaffenden Leistung beschrieben wurden. In diesem Vermerkt ist festgehalten, dass allein die Beigeladene alle gewünschte Leistungen (E-Mail, Messenger, Telefon- und Videokonferenzen, Cloud Speicher und gemeinsame Dokumentenbearbeitung) anbiete. Bei den anderen Anbietern würden jeweils ein oder zwei der gewünschten Funktionen fehlen.

Am 31.03.2020 übermittelte eine Mitarbeiterin der Antragstellerin dem StMUK die Broschüre „xxx_Broschüre_2019_V2-1.pdf“, in welcher das Produkt als kostenloser Messenger mit Dateiablage bezeichnet wird. In der darin enthaltenen Tabelle der möglichen Leistungen der verschiedenen Module ist weder ein Web-Office-Programm zur gleichzeitigen Dokumentenbearbeitung noch eine Videokonferenzlösung für mind. 35 Personen genannt.

In den bayerischen Osterferien führte das StMUK vom 06.04.2020 bis zum 09.04.2020 über das Schulportal bei allen bayerischen Schulen eine Bedarfsabfrage durch, in welchem die bisher von den Schulen eingesetzten digitalen und analogen (Kommunikations-)Werkzeuge für längerfristigen Distanzunterricht ermittelt wurden. Die Umfrage ergab unter anderem, dass zwar nur 37% der Schulen bislang überhaupt ein Videokonferenzwerkzeug einsetzte, davon aber über die Hälfte das Tool der Beigeladenen und weitere 40% das Tool eines anderen Anbieters (Mehrfachnennungen waren möglich).

Nach der Auswertung der Umfrage nach den Osterfeiertagen erstellte das StMUK am 16.04.2020 einen Aktenvermerk, in welchem insbesondere die Notwendigkeit, dass auch diejenigen Schulen, die bisher kein Videokonferenzsystem haben, zur Herstellung der Chancengleichheit der Schüler schnellstmöglich Zugang zu einer derartigen Kommunikationslösung erhalten sollen. Das StMUK kam in dem Vermerk nach der Auswertung der Markterkundung zu dem Ergebnis, dass das Produkt der Beigeladenen als einziges aus technischer wie auch aus methodisch-didaktischer Perspektive in Betracht komme, da nur hier sowohl die technische Funktionsfähigkeit und Skalierbarkeit für die Bereiche Videokonferenz, kollaborative Dokumentenbearbeitung und Cloudspeicher, die Integration von Office-Anwendungen, die Vorteile einer bereits etablierten Produktfamilie, Datensparsamkeit, ausreichend Schulungsmaterial sowie bereits erbrachte Vorarbeiten zu einer passenden Konfiguration vorliegen.

Am 20.04.2020 forderte der Antragsgegner die Beigeladene zur Angebotsabgabe auf. In der Leistungsbeschreibung wurde unter anderem aufgeführt:

4.5.2 Video- und Telefonkonferenz-Funktion

Das System bietet Lehrkräften die Möglichkeit, in jedem Kursraum eine Video- oder Telefonkonferenz mit den Teilnehmern des Kursraums zu führen. Jeder Teilnehmer kann wählen, ob sein Videobild übertragen wird oder nicht. Die Standardeinstellung ist die Deaktivierung des eigenen Videobildes. (…)

Das System ist in der Lage, für Gruppengrößen bis 35 performante, störungsfreie und akustisch klar verständliche Videokonferenzen zu führen. Als Bandbreite der Teilnehmer müssen dazu ausreichen:

  • 16 MBit/s Download
  • 1 MBit/s Upload

Von einer Einladung zu einer geplanten Videokonferenz erfahren Nutzer per Chat-Nachricht. Nutzern ohne digitales Endgerät muss es ermöglicht werden, via Telefoneinwahl per Audioübertragung an Video-/Telefonkonferenzen teilzunehmen. Hierfür sind Telefonnummern mit einer deutschen Länderkennzahl sowie einer deutschen Ortsnetzkennzahl bereitzustellen. Dem Nutzer entstehen über die Einwahl keine über den individuellen Tarif hinausgehenden Zusatzkosten. 

Die Lehrkraft muss in der Lage sein, allen Konferenzteilnehmern ihren Bildschirm freizugeben. Schüler sind dazu erst nach Freischaltung durch die Lehrkraft im Kursraum in der Lage. (…)

4.5.4 Gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten in Kursräumen

Textdokumente, Tabellendokumente und Präsentationen können in situ in einem Kursraum gemeinsam von mehreren Nutzern bearbeitet werden. Die dazu erforderlichen Applikationen werden online system- seitig zur Verfügung gestellt, so dass clientseitig keine weiteren Installationen (außer dem Browser) erforderlich sind, um die Software vollumfänglich nutzen zu können. Jedem Nutzer wird dabei angezeigt, welche weiteren Nutzer gerade am Dokument arbeiten, an welcher Stelle sie gerade arbeiten und welche Änderungen andere am Dokument vornehmen.

Am 20.04.2020 reichte die Beigeladene einen Katalog mit 44 Bieterfragen ein, welche der Antragsgegner am Tag darauf beantwortete. Daraufhin folgten weitere 15 Bieterfragen. Die Bieterfragen betrafen hauptsächlich Details des EVB-IT Vertrags oder waren Nachfragen zu Formalien in den Angebotsunterlagen.

Am 22.04.2020 reichte die Beigeladene ihr Erstangebot ein.

Vom 23.04.2020 bis 30.04.2020 wurden mehrere Verhandlungen zu verschiedenen Themen (Vertrags-/Vergaberecht, Technik, Datenschutz) in teilweise parallelen Telefonkonferenzen durchgeführt.

Am 05.05.2020 reichte die Beigeladene um ca. eine halbe Stunde verspätet ein überarbeitetes Angebot ein, welches zudem nach Ansicht der des Antragsgegners von den Anforderungen in den Vergabeunterlagen abwich, woraufhin der Antragsgegner das Verfahren zurückversetzte und der Beigeladenen eine neue Frist für die Einreichung eines form- und fristgerechten Angebots setzte.

Am 06.05.2020 reichte die Beigeladene ein überarbeitetes drittes Angebot ein, worauf sich eine zweite Verhandlungsrunde per Telefonkonferenz anschloss. Am 07.05.2020 wurde die Beigeladene zur Abgabe eines finalen Angebots aufgefordert, welches sie am selben Tag einreichte. Am 08.05.2020 erteilte der Antragsgegner den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen.

Der Antragsgegner hat am 15.05.2020 die Beauftragung der Dienstleistung „xxx“ im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb im Supplement des Amtsblattes der Europäischen Union an die Beigeladene bekannt gemacht. Als Tag des Vertragsabschlusses wurde unter Ziffer V.2.1 dieser Bekanntmachung der 08.05.2020 genannt.

In Ziffer II.2.4) der Veröffentlichung wird die Beschaffung wie folgt beschrieben:

„Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus (StMUK; im Folgenden Auftraggeber genannt) benötigt während der „Corona“-bedingten Schulschließungen und „Corona“-Bedingten Einschränkungen des Schulbetriebs in Ergänzung zu der von „mebis – Landesmedienzentrum Bayern“ zur Verfügung gestellten pädagogischen Schulplattform eine zusätzliche cloudbasierte Kommunikationsplattform für interessierte „Weiterführende“ bayerische Schulen sowie die Erbringung von damit verbundenen weiteren Dienstleistungen zur Unterstützung der Schulen bei der Aufrechterhaltung ihres Bildungsauftrags.

Unterstützt werden sollen dabei synchrone (Messenger-Dienste und Telefon- oder Videokonferenzen bei gleichzeitiger Dokumentenbearbeitung inkl. Bereitstellung entsprechender Online-Bearbeitungsprogramme) sowie asynchrone Kommunikationsformen (Messenger-Dienste, einfaches, strukturiertes Ablegen und Teilen von Dateien).“

Als Grund der Verfahrensart wurden in Ziffer IV.1.1 der Bekanntmachung dringende Gründe im Zusammenhang mit für den öffentlichen Auftraggeber unvorhersehbaren Ereignisse genannt, die den strengen Bedingungen der Richtlinie genügen. Die wurde wie folgt begründet:

„Bedingt durch die plötzlichen und in diesem Ausmaß nicht vorhersehbaren Auswirkungen des neuartigen Virus/ der Corona-Pandemie (Covid 19) auf die Erfüllung des Bildungsauftrages an „weiterführenden“ bayerischen Schulen war die Beschaffung eines cloudbasierten Kommunikationswerkzeugs („Videokonferenzwerkzeug 2020“) besonders eilbedürftig und zwingend notwendig. Die besonderen Gegebenheiten begründen den Ausnahmetatbestand der äußersten Dringlichkeit, so dass die Durchführung des Verhandlungsverfahrens ohne die vorherige Veröffentlichung des Vergabeverfahrens vergaberechtlich ausnahmsweise zulässig war und damit nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV vergaberechtsmäßig erfolgte.“

Nach Ziffer II.2.11) der EU-weiten Bekanntmachung endet die reguläre Laufzeit des Vertrags am 30.09.2020, kann aber vom Auftraggeber optional jeweils monatsweise bis längstens 31.12.2020 verlängert werden.

Am 22.05.2020 rügte die Antragstellerin die Zuschlagserteilung an die Beigeladene mit dem Argument, dass die Voraussetzungen für eine Direktvergabe nicht vorliegen, da einerseits nicht nur die Beigeladene in der Lage sei, den Auftrag unter den durch die zwingende Dringlichkeit auferlegten technischen und zeitlichen Zwängen zu erfüllen und andererseits bei einer zeitnahen Umsetzung nach Erkennen des Bedarfs ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb hätte durchgeführt werden können.

Nachdem den Rügen der Antragstellerin am 28.05.2020 zurückgewiesen wurde, stellte die Antragstellerin mit Schreiben vom 12.10.2020 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.

Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und begründet.

Die Antragstellerin sei insbesondere antragsbefugt, das sei ein Interesse am Auftrag habe und zur Auftragserfüllung in der Lage gewesen wäre, da sie eine datenschutzfreundliche Videokonferenzlösung in Klassenstärke anbiete. Da es sich um ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb gehandelt habe, reiche für die Antragsbefugnis schon aus, dass sie nicht die Möglichkeit hatte, ein aussichtsreiches Angebot abzugeben, wofür sie sich gegebenenfalls der Hilfe und Expertise Dritter hätte bedienen können. Die Antragstellerin erklärte, dass sie bis zur Auftragserteilung in der Lage gewesen wäre, die notwendigen technischen und personellen Ressourcen zu beschaffen, welche sie für die Leistungserbringung benötigt hätte. Durch die Direktvergabe an die Beigeladene sei ihr aber nicht die Gelegenheit gegeben worden, ein auf die Leistungsanforderungen ausgerichtetes Angebot zu erstellen und in mehreren Verhandlungsrunden weiterzuentwickeln.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Dringlichkeitsvergabe nicht vorlägen. Die Möglichkeit längerer Schulschließungen und damit der Beschaffungsbedarf sei bereits am 12.03.2020 bekannt gewesen, so dass ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb bei verkürzten Fristen hätte durchgeführt werden können. Da der Antragsgegner aber noch die Osterferien abgewartet habe, sei die Dringlichkeit der Beschaffung nach den Osterferien durch ihn selbst herbeigeführt worden. Zumindest sei aber die Dringlichkeit für die Verlängerungsoptionen nach den Sommerferien auf keinen Fall gegeben, da der Antragsgegner bis zur Wiederaufnahme des Schulbetriebs Anfang September ein ordnungsgemäßes Vergabeverfahren durchführen hätte können.

Zudem lägen auch die Voraussetzungen eines Verhandlungsverfahrens mit nur einem Bieter nicht vor. Eine Direktvergabe an einen Bieter sei nur dann zulässig, wenn nur ein Anbieter in der Lage sei, die erforderlichen Lieferungen, innerhalb der durch die äußerste Dringlichkeit bedingten technischen und zeitlichen Zwänge durchzuführen. Die vom Antragsgegner durchgeführte Markterkundung sei jedoch nicht ausreichend gewesen, um einen derartigen Wettbewerbsverzicht zu rechtfertigen, da der Antragsgegner sich nicht auf bereits am Markt vorhandene Produkte beschränken hätte dürfen, sondern sich auch hätte erkundigen müssen, ob Marktteilnehmer künftig in der Lage wären, das Produkt anzubieten. Der Antragstellerin wäre es möglich gewesen, die gewünschte Funktion der gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten durch die Einbindung einer Open-Source-Software rechtzeitig umzusetzen. Um derartige Anbindungen schnell umsetzen und so den Funktionsumfang erweitern zu können, verfüge die Software der Antragstellerin über umfangreiche Schnittstellen. Auch die Möglichkeit Videokonferenzen in Klassenstärke durchzuführen hätten die ersten Schulen bereits ab dem 29.04.2020 in einer Beta-Phase nutzen können.

Der Antragsgegner müsse außerdem für Verhandlungsverfahren mit nur einem Bieter nachweisen, dass der mit der Beschaffung verfolgte Zweck nicht mit einem anderen am Markt erhältlichen Produkt erreicht werden könne und der mangelnde Wettbewerb nicht das Ergebnis einer künstlichen Einschränkung durch die Auftragsparameter sei. Die Festlegung des Beschaffungsbedarfs auf Grund einer nicht repräsentativen Umfrage unter den Schulen mit willkürlicher Festlegung auf das am häufigsten genannte Produkt, das insgesamt aber nur einen geringen prozentualen Anteil hat, sei willkürlich. Zudem sei das Kriterium der bestehenden Nutzerakzeptanz diskriminierend, da Newcomer am Markt hierdurch faktisch ausgeschlossen würden. Außerdem sei durch die Festlegung des Beschaffungsbedarfs eine künstliche Beschränkung des Wettbewerbs erfolgt, indem eine Kollaborationsmöglichkeit mehrerer Nutzer in einem Dokument verlangt würde. Die Antragstellerin würde dazu mit ihrem Produkt eine „vernünftige Alternative“ mit Dokumentenaustausch zwischen den Teilnehmern anbieten, so dass Verengung des Wettbewerbs unzulässig sei.

Die Antragstellerin beantragt

  1. festzustellen, dass der mit der Beizuladenden geschlossene Vertrag zur „Bereitstellung eines cloudbasierten Kommunikationswerkszeugs für bayerische Schulen („Videokonferenzwerkzeug 2020“)“ unwirksam ist;
  2. dem Antragsgegner aufzugeben, bei Fortbestehen seiner Beschaffungsabsicht ein transparentes und diskriminierungsfreies Vergabeverfahren gem. den §§ 97 ff. GWB unter Beachtung der Rechtsauffassung der Vergabekammer durchzuführen;
  3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für die Antragstellerin für notwendig zu erklären;
  4. die Kosten des Verfahrens dem Antragsgegner aufzuerlegen.

Der Antragsgegner beantragt

  1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
  2. der Antragstellerin die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners aufzuerlegen;
  3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigen durch den Antragsgegner für notwendig zu erklären.

Zur Begründung trägt der Antragsgegner vor, dass der Nachprüfungsantrag unzulässig und unbegründet sei. Die Antragstellerein sei bereits nicht antragsbefugt, da sie zum Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe am 20.04.2020 mangels einer bereits verfügbaren und praxiserprobten Video- und Telefonkonferenzlösung sowie einer Funktion für die gleichzeitige gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten nicht leistungsfähig gewesen sei.

Der Antragsgegner ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb vorgelegen hätten, da zum Zeitpunkt des Rundschreibens an die Schulen am 12.03.2020 noch nicht klar gewesen sei, dass neben dem eigenen System mebis ein ergänzendes Werkzeug zentral bereitgestellt werden müsse. Erst am 16.04.2020 sei von der bayerischen Staatsregierung entschieden worden, dass die flächendeckenden Schulschließungen über die Osterferien hinaus verlängert würden, so dass die Beschaffung eines leistungsfähigen Kommunikationswerkzeugs mit Video- und Telefonkonferenzfunktion für einen längerfristigen Distanzunterricht notwendig geworden sei. Die Dringlichkeit der Beschaffung sei nicht vom Antragsgegner verursacht worden, da die Ausbreitung der Pandemie im aktuellen Ausmaß nicht vorhersehbar gewesen sei. Insbesondere seien die langfristigen Schulschließungen und die späteren Lockerungen der Beschränkungen stets kurzfristig in Abhängigkeit der neusten Infektionszahlen und in Absprache zwischen Bund und Ländern geplant und bekannt gegeben worden. Zum Zeitpunkt der E-Mail vom 12.03.2020 an alle Schulen sei noch keine Vergabereife gegeben gewesen, da die weitere Entwicklung des Infektionsgeschehens und die dadurch erforderlich werdenden Schutzmaßnahmen nicht vorhersehbar gewesen seien. Die konkreten Schutzmaßnahmen seien von Bund und Ländern jeweils kurzfristig in der Regel unter Berücksichtigung des Infektionsgeschehens der letzten zwei Wochen sowie unter Beachtung der neusten wissenschaftlichen Erkenntnisse erlassen wurden, wobei die Dauer der Maßnahmen dabei ebenso ungewiss und nicht vorhersehbar gewesen sei, wie ihre tatsächliche Wirksamkeit. Mit der E-Mail vom 12.03.2020 sei somit lediglich auf die am Vortag erfolgte Information der Schulen über die Unterrichtsausfälle bis Ende der Osterferien reagiert worden und den Schulen empfohlen worden zur Ausweitung ihres Angebots auf weitere Produkte auszuweichen, eine konkrete Beschaffungsabsicht sei darin nicht zum Ausdruck gebracht worden.

Das Verhandlungsverfahren ausschließlich mit der Beigeladenen sei zulässig gewesen. Wegen der besonderen Dringlichkeit sei von vornherein die Möglichkeit nicht gegeben gewesen, ein entsprechendes Kommunikationstool durch einen Vertragspartner individuell entwickeln zu lassen, so dass auf eine bereits am Markt verfügbare Lösung habe zurückgegriffen werden müssen. Der Antragsgegner habe mehrere kurzfristig verfügbare Produkte überprüft und diese Markterkundung auch ausführlich dokumentiert. Es habe auch keine willkürliche Vorfestlegung auf das Produkt der Beigeladenen gegeben, sondern die Entscheidung nur mit der Beigeladenen zu verhandeln habe sich sowohl aus dem gewünschten Leistungsumfang, der Markterkundung als auch aus der Befragung der Schulen in den Osterferien ergeben. Insbesondere stelle das von der Antragstellerin angebotene Produkt kein vernünftiges Alternativprodukt dar, da es die wesentlichen Kernelemente der Leistungsanforderung nicht erfülle. Die Antragstellerin habe selbst noch im Nachprüfungsverfahren erklärt, dass eine gleichzeitige Dokumentenbearbeitung mit ihrem Produkt nicht möglich sei. Hinsichtlich der Videotelefonie müsse die Antragstellerin die vor Auftragserteilung öffentlich einsehbaren Produktangaben auf ihrer Homepage, nämlich dass die Video- und Telefonkonferenzfunktion erst bald komme, gegen sich gelten lassen. Der Antragsgegner dürfe darauf vertrauen, dass die Informationen zu einem Produkt auf der Homepage des Anbieters zutreffend und aktuell seien. Beide Funktionen seien auch Kernelemente für einen längerfristigen Distanzunterricht. Die gleichzeitige gemeinsame Dokumentenbearbeitung sei pädagogisch wichtig, da hiermit das Unterrichtsgespräch, Gruppenarbeit und ein gemeinsames Tafelbild unter Einbezug der Schüler verwirklicht werden könne, was einen aktiven, konstruktiven und interaktiven Lernstil ermögliche.

Der Antragsgegner bemängelt, dass die Antragstellerin zwar behaupte, dass für ihr Produkt xxx die Videokonferenzfunktion bereits seit Anfang Mai 2020 zur Verfügung stünde, jedoch einen Beweis über die performante Videokonferenzfunktion mit mehr als drei Teilnehmern in Klassenstärke schuldig bleibe. Auch nenne die Antragstellerin diesbezüglich keine konkreten Beispiele, wo diese Videokonferenzfunktion mit bis zu 35 Teilnehmern bereits erfolgreich von ihr eingesetzt würde.

Mit Beschluss vom 25.08.2020 wurde die Bietergemeinschaft bestehend xxx beigeladen. Diese beantragt:

  1. den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen;
  2. der Antragstellerin die Kosten (Gebühren und Auslagen) des Verfahrens sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen aufzuerlegen;
  3. die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene für notwendig zu erklären.

Die Beigeladene schließt sich dem erfolgten Vortrag des Antragsgegners in vollem Umfang an. Sie bezweifle, dass die Antragstellerin für den Zeitpunkt der Aufforderung zur Angebotsabgabe ein Interesse am Auftrag und damit eine Antragsbefugnis nachweisen könne, da die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt unter keinen denkbaren Gesichtspunkten leistungsfähig gewesen wäre oder eine realistische Chance auf Zuschlagserteilung gehabt hätte. Die Antragstellerin habe keine Videokonferenzlösung plus die diesbezüglichen konkreten technischen Anforderungen zum Zeitpunkt der Angebotsaufforderung anbieten können und sei laut eigenen Angaben auf der Website bis heute nur fähig eine performante und störungsfreie Konferenz für ca. 20 Teilnehmer zu garantieren. Zudem ermöglichten die Produkte der Antragstellerin bis heute lediglich das Herunterladen von Dokumenten und die Bearbeitung in einer externen Anwendung. Eine gleichzeitige Bearbeitung durch mehrere Personen sei technisch nicht möglich. Die Antragstellerin habe auch keine Möglichkeit gehabt, sich die benötigten Kapazitäten extern zu beschaffen und habe derartige Möglichkeiten auch nicht plausibel dargelegt.

Die Beigeladene führt aus, dass der Aufbau eines entsprechend leistungsstarkern Videokonferenzwerkzeugs von der Konzeptionierung bis zur tatsächlichen Umsetzung mehrere Monate dauere und der Ausbau der Netzwerkinfrastruktur und der Server eine technisch unverzichtbare Voraussetzung für die Erweiterung der Kapazitäten sei. Anschließen müsse man diverse Lasttests mit Performanceoptimierung und Fehlerbehebung durchführen. Daneben seien weitere zeitintensive Umstellung interner Prozesse notwendig, um einen Auftrag in der Größenordnung sicher umzusetzen. Auch seien die benötigten Serverkapazitäten für den Auftrag nicht so schnell auf dem Markt zu beschaffen gewesen, so dass die Antragstellerin es nicht hätte schaffen können, eine zuverlässige Videokonferenzfunktion anzubieten.

Die Voraussetzungen für eine Dringlichkeitsvergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV hätten vorgelegen, da die Vertragsverhandlungen zwar wesentlich länger gedauert hätten als geplant, der Antragsgegner jedoch einen schnellen Vertragsschluss und Leistungsbeginn beabsichtigt habe und diesen unter Vernachlässigung von Nacht- und Wochenendzeiten mit größter Konsequenz verfolgt habe. Dafür habe er teilweise Fristen von unter 24h für die Erstellung oder Überarbeitung eines Angebots gesetzt, welche jedoch oft verlängert werden mussten, da die Beigeladenen über mehrere Zeitzonen hinweg die Zustimmung der Konzernmutter einholen mussten und der EVB-IT Vertrag nicht ohne umfangreiche Anpassungen auf cloudbasierte Systeme anwendbar sei. Die Dringlichkeit einer Beschaffung entfalle nicht deshalb, weil der Auftragsgegenstand komplexe Fragen aufwerfe und mehrere Verhandlungsrunden benötigt würden, solange die Verhandlungen zügig durchgeführt würden. Auch sei das Verhandlungsverfahren ausschließlich mit der Beigeladenen zulässig gewesen, da entsprechend der Markterkundung des Antragsgegners lediglich diese in der Lage gewesen sei, den Bedarf effektiv und unverzüglich zu decken. Die Antragstellerin hätte auch nicht in die Marktstudie integriert werden müssen, da bereits ihr öffentlicher Auftritt darauf hingewiesen habe, dass sie die Anforderungen an die Leistung überhaupt nicht erfüllen könne. Wenn die Antragstellerin ihr Leistungsportfolie nur auszugsweise im Internet veröffentliche, so müsse sie damit auch das Risiko tragen, dass etwaige Interessenten nicht auf sie aufmerksam würden.

Mit Beschluss vom 09.09.2020 wurde der Antragstellerin nach Anhörung des Antragsgegners und der Beigeladenen am 02.10.2020 Akteneinsicht gewährt.

Am 12.10.2020 fand die mündliche Verhandlung in den Räumen der Regierung von Oberbayern statt. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert und die Beteiligten erhielten Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der ehrenamtliche Beisitzer hat die Entscheidung über die Beiladung, den Umfang der Akteneinsicht sowie im Falle einer Verfahrenseinstellung auf den Vorsitzenden und die hauptamtliche Beisitzerin übertragen.

Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.

II.

Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.

Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV. Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 1 GWB. Der Antragsgegner ist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert in Höhe von 214.000 Euro erheblich.

Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.

1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig.

Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.

1.1. Die Antragstellerin ist antragsbefugt, da sie schlüssig und nachvollziehbar dargelegt hat, dass die Möglichkeit besteht, dass ihre Aussichten auf einen Zuschlag beeinträchtigt worden sind, indem der Antragsgegner ausschließlich mit der Beigeladenen verhandelt hat und die einzige dokumentierte Leistungsbeschreibung auf das Produkt der Beigeladenen ausgerichtet hat.

An das Vorliegen der Antragsbefugnis dürfen zwar grundsätzlich keine hohen Anforderungen gestellt werden, dennoch muss sich aus dem Sachvortrag des Antragstellers in einem Nachprüfungsverfahren jedenfalls schlüssig und nachvollziehbar ergeben, dass seine Aussichten auf den Zuschlag durch die gerügten Verstöße gegen die Vergabevorschriften beeinträchtigt worden sind oder dass seine Zuschlagschancen zumindest verschlechtert worden sein können (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 29. Juli 2004, 2 BvR 2248/03). Die Darlegungs- und Beweislast liegt diesbezüglich bei der Antragstellerin.

Die Antragstellerin konnte schlüssig und nachvollziehbar darlegen, dass durch die Tatsache, dass der Antragsgegner lediglich mit der Beigeladenen ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb geführt hat, ihre Zuschlagschancen beeinträchtigt worden sind. Die Antragstellerin konnte zum Zeitpunkt der Abgabe eines ersten Angebots zwar wesentliche Kernelemente der als Hauptleistung geforderten Funktionen mit ihrem Produkt nicht erfüllen, hat jedoch bezüglich der Videokonferenz vorgetragen, dass diese Funktion bereits zum 29.04.2020 in einer Beta-Version verfügbar und einsatzbereit gewesen wäre. Die geforderte gleichzeitige Bearbeitung von Dokumenten durch mehrere Schülerinnen und Schüler oder Lehrkräfte war bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, also fast ein halbes Jahr nach der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots an die Beigeladene, mit dem Produkt der Antragstellerin zwar nicht möglich, die Antragstellerin hat jedoch vorgetragen, dass sie über vorhandene Schnittstellen in ihrem Produkt eine Open-Source-Lösung mit dieser Funktion zügig hätte implementieren können.

Damit besteht zumindest die Möglichkeit, dass die Antragstellerin dann, wenn der Antragsgegner mehrere Unternehmen an dem Verhandlungsverfahren beteiligt hätte oder das Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb durchgeführt hätte, eine Zuschlagschance gehabt hätte. Der Vortrag der Antragstellerin, sie hätte sich gegebenenfalls einen Partner suchen können, Funktionen noch entwickeln oder über vorhandene Schnittstellen implementieren können, um den vollständigen Leistungsumfang anzubieten, erfüllt trotz der Dringlichkeit der Vergabe und des sehr kurzen Zeitraums zwischen Abgabe eines Erstangebots und angestrebtem Leistungsbeginn die Voraussetzungen an eine schlüssige und nachvollziehbare Darlegung einer möglichen Zuschlagschance.

Die Antragsbefugnis der Antragstellerin ergibt sich auch daraus, dass nach ihrer Darlegung nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Antragsgegner bei vergaberechtskonformer Vorgehensweise andere, von der Antragstellerin erfüllbare Leistungsanforderungen aufgestellt hätte (vgl. VK Bund, Beschluss vom 23.10.2019 – VK 1-75/19). Die Antragstellerin hat dazu insbesondere vorgetragen, dass die gemeinsame Dokumentenbearbeitung als Anforderung lediglich dazu diene den Wettbewerb künstlich einzuschränken und insbesondere das Produkt der Antragstellerin auszuschließen. Da die einzige umfassende Leistungsbeschreibung in der Vergabedokumentation des Antragsgegners in der Aufforderung zur Angebotsabgabe besteht und zu diesem Zeitpunkt bereits auf das Produkt der Beigeladenen zugeschnitten war, ist dieser Vortrag für die Darlegung der Antragsbefugnis ausreichend. Es kann damit auf Grund des Dokumentationsdefizits nicht mit hinreichender Sicherheit festgestellt werden, welche Leistungsmerkmale für den Antragsgegner wirklich unverzichtbar waren. Dies folgt insbesondere daraus, dass eine Videokonferenzlösung zunächst in der Markterkundung nur als optionale Funktion aufgeführt war und die gemeinsame Dokumentenbearbeitung in den nachfolgenden Vermerken keine signifikante Rolle spielt. Der vom Antragsgegner im nachgelassenen Schriftsatz vom 19.10.2020 als Anlage AG 11 erstmalig übermittelte Entwurf einer Leistungsbeschreibung für die Bereitstellung eines cloudbasierten Kommunikationswerkzeugs für die bayerischen Schulen, der nicht in der Vergabedokumentation des Antragsgegners enthalten war, bleibt gem. § 167 Abs. 2 Satz 2 GWB bei der Entscheidung der Vergabekammer außer Betracht.

1.2. In einem Nachprüfungsverfahren auf Feststellung der Unwirksamkeit eines Vertragsschlusses nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB besteht gemäß § 160 Abs. 3 S. 2 GWB keine Rügeobliegenheit. Unabhängig davon hat die Antragstellerin bereits sieben Tage nachdem der Antragsgegner den Zuschlag an die Beigeladenen in der Vergabebekanntmachung veröffentlich hat, gerügt.

2. Der Nachprüfungsantrag ist jedoch unbegründet.

Der am 08.05.2020 mit der Beigeladenen geschlossene Vertrag ist nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB für unwirksam zu erklären, weil der Antragsgegner den Auftrag gem. § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV zu Recht in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb und damit ohne vorherige EU-Bekanntmachung vergeben durfte. Die Antragstellerin ist dadurch, dass sie nicht für eine Teilnahme am Verhandlungsverfahren vom Antragsgegner ausgewählt wurde, nicht in ihren Rechten verletzt.

2.1. Die für eine Vergabe nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV notwendigen äußerst dringlichen, zwingenden Gründe im Zusammenhang mit Ereignissen, welche die Einhaltung der Mindestfristen für vorrangige Vergabeverfahren nicht zuließen, waren gegeben.

Nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV ist ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zulässig, wenn ein unvorhergesehenes Ereignis vorliegt, äußerst dringliche und zwingende Gründe bestehen, die die Einhaltung der in anderen Verfahren vorgeschriebenen Fristen nicht zulassen und ein kausaler Zusammenhang zwischen dem unvorhergesehenen Ereignis und der Unmöglichkeit besteht, die Fristen anderer Vergabeverfahren einzuhalten. Die Voraussetzungen müssen dabei kumulativ vorliegen. An das Vorliegen dieses Ausnahmetatbestandes sind hohe Anforderungen zu stellen und die Ausnahme eng auszulegen (Völlink, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Aufl., § 14 VgV Rn. 59; Dörn, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 14 VgV Rn. 45 f.; Leitlinien der Europäischen Kommission vom 01.04.2020 (2020/C 108 I/01), Ziffer 2.3.).

Unvorhersehbar sind Ereignisse, mit denen der Antragsgegner auch bei Anlegung eines hohen objektiven Sorgfaltsmaßstabs nicht rechnen konnte.

Dass die Ausbreitung des Corona-Virus im Rahmen einer weltweiten Pandemie dazu führen würde, dass sich der Freistaat Bayern dazu gezwungen sah, als Eindämmungsmaßnahme sämtliche Schulen über längere Zeit zu schließen, war Mitte März 2020, als der Antragsgegner mit der streitgegenständlichen Beschaffung begann, nicht vorherzusehen und als „höhere Gewalt“ anzusehen. Auch als der Antragsgegner die Beigeladene am 20.04.2020 zur Angebotsabgabe aufforderte, herrschte eine noch niemals dagewesene bayern- und bundesweite Krisenlage auf Grund der Corona-Pandemie. Zu diesem Zeitpunkt war der Katastrophenfall seit mehr als einem Monat ausgerufen und der Unterreicht an Schulen eingestellt worden. Im gesamten Freistaat Bayern herrschten massive Beschränkungen des Arbeits- und Soziallebens wie flächendeckende Laden-, Lokal- und Betriebsschließungen, ausgefallene Veranstaltungen, Ausgangsbeschränkungen, geschlossene Sportstätten und Spielplätze und Maskenpflicht.

Die mit der Corona-Pandemie verbundene Krisensituation und die daraus notwendigen dringlichen Beschaffungen beschränken sich nicht nur auf Heil- und Hilfsmittel, sondern erfassen auch die notwendigen Beschaffungen für die Aufrechterhaltung des Dienstbetriebs der öffentlichen Verwaltung und den Bereich der Daseinsvorsorge. Zum Bereich der Daseinsvorsorge gehört auch die allgemeine Schulbildung. Der Antragsgegner musste in dieser Situation zumindest den Versuch unternehmen, den verfassungsrechtlich (Art. 128 Abs. 1 BV) vorgegebenen Bildungsauftrag durch Distanzunterricht kurzfristig wenigstens teilweise zu erfüllen. Die Beschaffung eines cloud-basierten Kommunikationswerkzeugs für alle bayerischen weiterführenden Schulen war damit notwendig, um die flächendeckenden Einrichtung von Distanzunterricht als Ersatz für den während der Pandemie nicht oder nur eingeschränkt durchführbaren Präsenzunterreicht zu ermöglichen.

Äußerste Dringlichkeit ist regelmäßig nur bei unaufschiebbaren, nicht durch den Auftraggeber verursachten Ereignissen anzunehmen, bei denen eine gravierende Beeinträchtigung für die Allgemeinheit und die staatliche Aufgabenerfüllung droht, etwa durch einen schweren, nichtwieder gutzumachenden Schaden (Völlink, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3.Aufl., §14 VgV Rn.62; Dörn, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3.Aufl., §14 VgV Rn.47).

Gegen die Einschätzung des Antragsgegners, dass im Zusammenhang mit der notwendigen dringlichen Beschaffung eines cloud-basierten Kommunikationswerkzeuges für die weiterführenden Schulen die vorgeschriebenen Mindestfristen für andere Verfahrensarten als ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nicht hätten eingehalten werden können, bestehen keine Bedenken.

Jede andere Verfahrensart hätte aufgrund der vergaberechtlichen Vorschriften auch mit verkürzten Fristen mindestens 25 Tage länger gedauert als ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb. Ein Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb, welches auf Grund des komplexen Beschaffungsgegenstands wohl die einzige Alternative gewesen wäre, hätte sogar 35 Tage (15 Tage für die Teilnahmefrist, mindestens 10 Tage Angebotsfrist und 10 Tage Wartefrist gem. § 134 Abs. 2 GWB) gedauert. Zusätzlich wären bei den anderen Verfahrensarten realistischerweise weitere Tage für die Beantwortung von weiteren Bieterfragen, die Prüfung der Teilnahmeanträge und Angebote mehrerer Bieter sowie für etwaige notwendige Aufklärungsmaßnahmen hinzuzurechnen gewesen. Insbesondere angesichts der anstehenden Abschlussprüfungen in den weiterführenden Schulen und des bereits erfolgten mehrwöchigen Ausfalls des Präsenzunterrichts vor den Osterferien, war es für den Antragsgegner, aber insbesondere für die Schülerinnen und Schüler nicht hinnehmbar, eine weitere Verzögerung von 25 bis 35 Tagen – quasi fast bis zu den Pfingstferien und auch nach den Abschlussprüfungen – in Kauf nehmen bis dann die notwendige Software für einen flächendeckenden und umfassenden Distanzunterricht zur Verfügung gestanden hätte.

2.2. Die Voraussetzungen des Ausnahmetatbestands des § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV sind auch nicht etwa deswegen zu verneinen, weil der Antragsgegner den Bedarf hätte voraussehen können oder ihm die Umstände zur Begründung der äußersten Dringlichkeit selbst zuzurechnen wären. Der Antragsgegner hat sowohl den Bedarf als auch die verfügbaren Produkte mit der gebotenen Sorgfalt zügig vorab ermittelt und das Vergabeverfahren dann begonnen, sobald absehbar war, dass es sich nicht nur um kurzfristige, vorübergehende Schulschließungen bis zum Beginn der Osterferien handelt.

Insbesondere ist dem Antragsgegner kein Vorwurf daraus zu machen, dass er nicht sofort mit der Verkündung der Schulschließungen am 13.03.2020 ein Vergabeverfahren begonnen hat. Längere Schulschließungen, die über das Ende der Osterferien hinausgehen, waren zu diesem Zeitpunkt nicht abzusehen. Die jeweiligen, konkreten Maßnahmen zur Bekämpfung der weiteren Ausbreitung des Corona-Virus wurden stets kurzfristig unter Einbeziehung der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse über das neuartige Virus und seine Verbreitung sowie hinsichtlich der aktuellen Ansteckungssituation und Auslastung von Krankenhäusern- und Intensivstationen getroffen. Dabei waren auch immer die notwendigen Absprachen und das koordiniertes Vorgehen zwischen Bund und Ländern über die aktuelle Situation und die unterschiedlichen Situationen in den einzelnen Bundesländern abzuwarten und für das weitere Vorgehen zu beachten. Das Abwarten der konkreten Beschaffungsentscheidung, bis eine längerfristige Schulschließung über das Ende der Osterferien hinaus auch tatsächlich mit genügender Sicherheit absehbar war, war zulässig. Zudem konnte auch erst durch die Abfrage bei den Schulen der konkrete Bedarf hinreichend genau ermittelt werden.Das Szenario der Schließung von Schulgebäuden und das Ausweichen auf reinen Distanzunterricht war auch von den bereits durch den Antragsteller angestoßenen Digitalisierungsbestrebungen nicht umfasst. Die bisherige Digitalisierungsstrategie des Antragsgegners für die bayerischen Schulen zielte stets auf eine Ergänzung des Präsenzunterrichts durch digitale Medien und Programme ab. Für einen längerfristigen ausschließlichen Distanzunterricht dagegen waren die bereits erarbeiteten Konzepte des „DigitalPakt“ nicht übertragbar, da dieser den Fokus auf die Digitalisierung der Schulgebäude insbesondere Schulgebäudevernetzung und WLAN-Infrastrukturen an Schulen gelegt hat.

Dennoch hat der Antragsgegner die Zeit bis zum Ende der Osterferien nicht ungenutzt verstreichen lassen, sondern die ihm möglichen und sinnvollen Vorbereitungshandlungen durchgeführt. Der Antragsgegner hat direkt nach der Verkündung der Schulschließungen bis zu den Osterferien eine Markterkundung gestartet, um einen Überblick darüber zu erhalten, welche Produkte führende Firmen auf dem Markt hinsichtlich Videokonferenzen, Messenger-Diensten, Cloud-Speichern und gemeinsamer Dokumentenbearbeitung anbieten und wie der Leistungsumfang dieser Angebote derzeit aussieht sowie ermittelt wo deren Vor- und Nachteile für einen flächendeckenden Einsatz in den bayerischen Schulen liegen. Mit Beginn der Osterferien hat der Antragsgegner dann umgehend eine Abfrage an sämtlichen bayerischen Schulen gestartet, um sich einen Überblick über die bereits verwendeten Produkte und den noch zu deckenden Bedarf zu verschaffen. Die Bereitstellung von IT-Ausstattung an staatlichen Schulen ist Sache des Sachaufwandsträgers und wird damit nicht zentral durch den Freistaat Bayern geregelt, daher war es auch vertretbar, dass dieser sich zunächst mit der Befragung einen Überblick über die aktuelle Situation an den staatlichen Schulen und den tatsächlichen Beschaffungsbedarf verschaffen musste.

Dem Antragsgegner ist auch kein Vorwurf diesbezüglich zu machen, dass zwischen der Angebotsaufforderung am 20.04.2020 und dem Vertragsschluss am 08.05.2020 mehr als zwei Wochen vergangen sind. Aus der Vergabedokumentation ist nicht zu erkennen, dass der Antragsgegner das Verfahren nicht mit der gebotenen Eile geführt hätte, vielmehr ist das Vorgehen geprägt von kurzen Fristen und parallelen Verhandlungsrunden mit dem Bieter.

Der Antragsgegner musste in dieser Zeit eine erhebliche Anzahl an Bieterfragen der Beigeladenen beantworten und in diversen Verhandlungsrunden nicht nur komplexe datenschutzrechtliche Vorgehensweisen erarbeiten, sondern auch ein neues, auf die individuellen Bedürfnisse eines cloud-basierten Dienstes zugeschnittenes Vertragswerk abseits des EVB-IT Vertrags schaffen. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass er sich hierbei unangemessen lange Zeit gelassen hat. Dass er den Vertrag mit der Beigeladenen angesichts des hohen Schutzbedürfnisses der hier anfallenden Daten der Schülerinnen und Schüler und der erheblichen Bedeutung der IT-Sicherheit auch im Hinblick auf eine amerikanische Gesellschaft nicht vor der Klärung solcher Fragen abschließen konnte, ist auch bei äußerst dringlichen Beschaffungen nicht zu beanstanden.

2.3. Die Voraussetzungen für ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV lagen vor. Grundsätzlich ist jedoch auch bei der Durchführung eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb ein Mindestmaß an Wettbewerb durch Aufforderung mehrerer geeigneter Unternehmen zu gewährleisten, § 17 Abs. 5 VgV. In Anlehnung an § 51 Abs. 2 VgV sind mindestens drei geeignete Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern. Auch die Europäische Kommission weist in ihren Leitlinien vom 01.04.2020 darauf hin, dass öffentliche Auftraggeber beim Verhandlungsverfahren ohne Veröffentlichung zwar direkt mit potenziellen Auftragnehmern verhandeln können, eine direkte Vergabe des Auftrags an einen vorab ausgewählten Wirtschaftsteilnehmer jedoch ausschließlich dann möglich ist, wenn nur ein Unternehmen in der Lage sein wird, den Auftrag unter den durch die zwingende Dringlichkeit auferlegten technischen und zeitlichen Zwängen zu erfüllen. Ein Auftraggeber muss daher, soweit die Umstände es erlauben, aus Wettbewerbsgründen vor der Vergabe des Auftrags versuchen, mehrere geeignete Bewerber zu finden.

Der vorliegende Auftrag war auch nicht derart kurzfristig zu vergeben, dass allein aufgrund der zeitlichen Zwänge, die Beteiligung von mehr als einem Unternehmen zwingend ausgeschieden wäre.

Die Vergabekammer geht davon aus, dass auch andere Unternehmen als die Beigeladene grundsätzlich – insbesondere im Rahmen von Bietergemeinschaften – in der Lage gewesen wären, die vom Antragsgegner geforderten Leistungen der streitgegenständlichen Ausschreibung zu erbringen. Die vom Antragsgegner durchgeführte Markterkundung hat allerdings gezeigt, dass der gewünschte Funktionsumfang (E-Mail, Messenger, Telefon- und Videokonferenzen, Cloud Speicher und gemeinsame Dokumentenbearbeitung) bei den dort angefragten sechs Unternehmen nur von der Beigeladenen vollständig angeboten wurde. Zu einer weitergehenden Markterkundung dahingehend, welche Unternehmen die Leistung ggf. im Rahmen von Bietergemeinschaften oder durch Modifikation oder Erweiterung ihrer bestehenden Leistungen hätten erbringen können, war der Antragsgegner hier – anders als in Fällen des § 14 Abs. 4 Nr. 2 b) und c) i.V.m. § 14 Abs. 6 VgV – ausnahmsweise aufgrund der Dringlichkeitslage nicht verpflichtet. Angesichts der zeitlichen Zwänge, die Leistung kurzfristig bereitzustellen, durfte er sich bei seiner Markterkundung auf bereits etablierte Leistungen einzelner Bieter beschränken.

Vor diesem Hintergrund spricht Einiges dafür, dass der Auftraggeber nicht nur rechtskonform ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb durchgeführt hat, sondern ebenso, dass er an diesem Verfahren nur die Beigeladene beteiligt hat. Der Antragsgegner hat eine Markterkundung bei sechs großen Unternehmen, die bekanntermaßen ein einschlägiges Produktportfolio anbieten, durchgeführt und detaillierte Fragen bezüglich des Angebots dieser Unternehmen im Hinblick auf die gewünschte Leistung gestellt. Die Vergabekammer kann keine Fehler oder missbräuchliche Gestaltung bei der Auswahlentscheidung des Antragsgegners erkennen, bei welchen Unternehmen er bezüglich deren Angebot angefragt hat. Vielmehr wurden neben der Beigeladenen auch einer ihrer bedeutendsten internationalen Konkurrenten sowie diverse bekannte europäische Anbieter angefragt, bei denen eine hohe Wahrscheinlichkeit bestand, dass sie alle gewünschten Funktionen zur Verfügung stellen können. Für die Auswahl spricht insbesondere, dass in der Regel die angefragten Unternehmen nur eines der zentralen Leistungselemente nicht in ihrem Portfolio hatten. Lediglich eines der sechs angefragten Unternehmen konnte zwei der zentralen Leistungselemente nicht erfüllen.

Es variierte zudem von Unternehmen zu Unternehmen, welche der Kernfunktionen nicht angeboten wurde, so dass hier auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass einer dieser Kernfunktionen die Funktion zukam, den Wettbewerb so zu beschränken, dass nur die Beigeladene zum Zug kommen konnte. Darüber hinaus waren auch alle zentralen Leistungselemente in der Vergabedokumentation zumindest an verschiedenen Stellen andeutungsweise aufgeführt und ihre essentielle Bedeutung für den Distanzunterricht ist offensichtlich, so dass die Vergabekammer keine Anhaltspunkte für eine künstliche Beschränkung des Wettbewerbs durch die Auswahl dieser zentralen Funktionen erkennen kann.

2.4. Auf die Entscheidung der Frage, ob der Antragsgegner ein Verhandlungsverfahren ausschließlich mit der Beigeladenen hätte führen dürfen, kommt es jedoch nicht an. Selbst wenn man davon ausgeht, dass der Antragsgegner verpflichtet gewesen wäre, mehrere Unternehmen an dem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb zu beteiligen, hätte er daran nicht die Antragstellerin beteiligen müssen, da sie nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern keine Zuschlagschance gehabt hätte. Würde man also unterstellen, der Vertragsschluss des Antragsgegners mit der Beigeladenen sei vergaberechtswidrig erfolgt, wäre die Antragstellerin hierdurch nicht in ihren Rechten verletzt.

Selbst wenn der Antragsgegner daher ein Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mit mehreren Unternehmen durchgeführt hätte, so hätte die Antragstellerin keine Chance gehabt zur Angebotsabgabe aufgefordert zu werden, da der Antragsgegner glaubhaft und schlüssig dargelegt hat, dass er ausschließlich daran interessiert war, eine bereits bestehende und erprobte Lösung einzukaufen und nicht erst eine auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Lösung entwickeln zu lassen. Auf Grund der Dringlichkeit der Beschaffung ist die Entscheidung des Antragsgegners, eine bestehende und bereits umfänglich erprobte und damit verlässlich funktionierende Kommunikationslösung zu beschaffen, nicht zu beanstanden. Die Zuverlässigkeit einer Lösung sowie die nahtlose Leistungserbringung durfte für den Antragsgegner bei der Auswahl der möglichen Unternehmen, die zur Leistungserbringung in Betracht kämen, einen hohen Stellenwert einnehmen. Insbesondere durfte sich der Antragsgegner unter den besonderen Umständen dafür entscheiden, nicht erst eine auf seine Bedürfnisse zugeschnittene Lösung von einem Anbieter entwickeln zu lassen, sondern ausschließlich bereits bestehende Lösungen, welche den für ihn wichtigen Funktionsumfang anbieten in Erwägung zu ziehen. Der Antragsgegner hätte sich nicht auf die Risiken der Verzögerung und der anfänglichen Fehleranfälligkeit einlassen müssen, die typischerweise mit der Entwicklung neuer Software oder neuer Softwarefunktionen einhergehen.

Die Antragstellerin hat selbst ausgeführt, dass sie die Funktion der Video- und Telefonkonferenz zwar schon länger geplant und entwickelt hat, aber erst im Zuge der Corona-Pandemie den Nutzern ihres Dienstes umfassend zugänglich gemacht hat. Die Möglichkeit Video- und Telefonkonferenzen in Klassenstärke abzuhalten, ist im Produkt der Antragstellerin erst kurz vor dem Vertragsschluss mit der Beigeladenen überhaupt implementiert worden, befand sich noch in der Beta-Phase und war damit noch nicht längerfristig von Anwendern verwendet und umfassend im Realbetrieb getestet worden, so dass über die Leistungsfähigkeit und Stabilität des Systems keinerlei belastbare Aussagen getroffen werden konnten. Bei einem Programm in der Beta-Phase ist daher damit zu rechnen, dass es noch einige und eventuell auch schwerwiegende Fehler enthält, so dass von einem reibungslosen und produktiven Einsatz nicht ausgegangen werden kann.

Eine Möglichkeit zur gemeinsamen Bearbeitung von Dokumenten ist bisher nicht in das Angebot der Antragstellerin implementiert. Damit war weder zum Zeitpunkt der Markterkundung noch zum Zeitpunkt des Beginns des Vergabeverfahrens beim Produkt der Antragstellerin die gemeinsame Dokumentenbearbeitung als eine der vom Antragsgegner geforderten zentralen Funktionen überhaupt verfügbar. Allein, dass die von der Antragstellerin verwendete Software über diverse Schnittstellen verfügt, über welche gewünschte Funktionen an das Produkt angebunden werden können, ist nicht ansatzweise gleichwertig mit einer bereits entwickelten, getesteten und im Realbetrieb stabil laufenden Lösung.

Selbst wenn die Antragstellerin also vorträgt, dass sie im Rahmen des Customizings diverse Funktion an ihr Produkt anbinden oder integrieren könnte, hätte sie der Antragsteller damit bei der Entscheidung, welche Unternehmen er zur Angebotsaufgabe in einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb auffordert, außer Acht lassen dürfen.

2.5. Die Kernanforderungen des Antragsgegners, insbesondere auch Videokonferenzen in Klassenstärke und gemeinsame Dokumentenbearbeitung, waren in der Vergabedokumentation des Antragsgegners zumindest soweit angelegt, dass den Anforderungen an die Dokumentationspflicht unter Berücksichtigung der besonderen Dringlichkeit noch genüge getan ist.

Den Auftraggeber treffen umfassende Begründungs- und Dokumentationspflichten im Rahmen der Vorbereitung und der Durchführung eines Vergabeverfahrens gemäß § 8 VgV in Form einer vollständigen und zusammenhängenden Vergabedokumentation. Zu dokumentieren sind alle Informationen, die für die Begründung von Entscheidungen auf jeder Stufe des Vergabeverfahrens erforderlich sind. Dies gilt auch bereits für Vorbereitungshandlungen, die Auswirkungen auf das eigentliche Verfahren haben, wie hier die Festlegung des Leistungsgegenstands. Gerade eine massiv wettbewerbsbeschränkende Festlegung des Leistungsgegenstands, die vorliegend zu einem Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb mit nur einem Bieter führen sollte, bedarf einer umfassenden Dokumentation, die nach der Rechtsprechung des OLG München (Beschluss vom 09.03.2018 – Verg 10/17) regelmäßig auch keiner nachträglichen Vervollständigung zugänglich ist. Eine Berücksichtigung des vom Antragsgegner im nachgelassenen Schriftsatz vom 19.10.2020 als Anlage AG 11 erstmalig übermittelten Entwurfs einer Leistungsbeschreibung für die Bereitstellung eines cloudbasierten Kommunikationswerkzeugs für die bayerischen Schulen, der nicht in der Vergabedokumentation des Antragsgegners enthalten war, muss daher auch aus materiell rechtlichen Gründen bei der Entscheidung der Vergabekammer außer Betracht bleiben.

Dennoch kann im vorliegenden Fall nachvollzogen werden, aus welchen sachlich gerechtfertigten Gründen eine Beteiligung der Antragstellerin an einem hypothetischen Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb für den Antragsgegner nicht in Betracht kam.

Im vorliegenden Fall wurden am 23.03.2020 eine „Aktennotiz“, am 16.04.2020 ein „Aktenvermerk“ sowie am 17.04.2020 ein „Vermerk“ gefertigt, aus welche die Kernanforderungen an das Produkt sowie die wichtige Anforderung der sofortigen Verfügbarkeit und der sicheren und stabilen Leistungserbringung für eine unbestimmte Anzahl an Nutzerinnen und Nutzern entnommen werden können.

Bereits in der Aktennotiz vom 23.03.2020 wird auf Seite 5 als Anforderung formuliert, dass die zu beschaffende technische Lösung Lehrkräfte in die Lage versetzen soll, sicher, unkompliziert und intuitiv mit ihren Schülerinnen und Schülern bzw. mit Kolleginnen und Kollegen in Verbindung zu treten und es wird auf synchrone Kommunikationsvorgänge wie Videokonferenz eingegangen. Direkt im nächsten Punkt der Aktennotiz wurde explizit darauf hingewiesen, dass gerade in der aktuellen Phase der landesweiten Schulschließungen eine umgehende Bereitstellung zwingend erforderlich sei.

Auch der Aktenvermerk vom 16.04.2020 erläutert die Notwendigkeit, noch nicht mit Videokonferenzwerkzeugen ausgestattete Schulen schnellstmöglich mit einer entsprechenden Softwarelösung auszustatten. Dies wurde unter anderem damit begründet, dass die vom StMUK zentral bereitgestellten Angebote von mebis keine synchronen Kommunikationswerkzeuge wie Messenger oder Videokonferenz zur Verfügung stellen und die Möglichkeit der verbalen Kommunikation zur Einordnung von Lerninhalten eine sehr wichtige Rolle spielt. Der Antragsgegner fasst seine Beschaffungsabsicht so zusammen, dass er die „umgehende Bereitstellung einer risikoarmen, praktikablen, effizienten und hochperformanten, für schulische Zwecke geeigneten synchrone Kommunikations- und Kooperationsmöglichkeit [benötigt], die in (Unterrichts-) Gruppen ebenso eingesetzt werden kann wie in der 1:1-Kommunikation von Lehrkräften und Lernenden, um möglichst effektiv den verfassungsmäßigen Bildungs- und Erziehungsauftrag unter den derzeitigen Rahmenbedingungen erfüllen zu können“.

Auch wenn der Antragsgegner in der vorgelegten Vergabedokumentation keine Leistungsbeschreibung vorgelegt hat, in welcher die Kernanforderungen produktneutral aufgelistet waren, so kann nach Ansicht der Vergabekammer aus den übrigen Dokumenten und den Anforderungen in der Markterkundung entnommen werden, dass die Bereitstellung einer vorhandenen, erprobten Lösung, welche unter anderem eine Videokonferenzmöglichkeit in Klassenstärke sowie die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten beinhaltet, unverhandelbare Kernleistungen der Beschaffung waren. Diese Anforderungen sind auch sachlich gerechtfertigt und beruhen auf objektiv nachvollziehbaren und auftragsbezogenen Gründen, da sie für ein Kommunikationstool, das den Präsenzunterricht ersetzen soll, aus pädagogisch-fachlicher Sicht gerechtfertigt und sinnvoll – ja geradezu zwingend – sind.

Die Antragstellerin hatte aber insbesondere eine erprobte und funktionierende Lösung für Videokonferenzen in Klassenstärke sowie die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten zum Zeitpunkt der Beschaffungsentscheidung Mitte April nicht vorzuweisen.

Die Videokonferenzlösung befand sich zu diesem Zeitpunkt noch in der Beta-Phase und die gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten hätte noch im Rahmen eines Customizing der von der Antragstellerin angebotenen Lösungen entwickelt werden müssen. Insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung um im nachgelassenen Schriftsatz vom 19.10.2020 erscheint es völlig unrealistisch, dass es der Antragstellerin hätte gelingen können, derartige Funktionalitäten im zeitlichen Rahmen einer Dringlichkeitsbeschaffung nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV erstellen und die erforderliche IT-Infrastruktur unter den massiv erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie zu schaffen. Der streitgegenständliche Auftrag beschränkt sich ja gerade nicht auf die Entwicklung und Anpassung bestimmter Software-Funktionalitäten, sondern erfordert das Vorhandensein einer äußerst leistungsfähigen IT-Infrastruktur, um z.B. die Videokonferenzleistungen zuverlässig und performant abwickeln zu können. Zwar sind die immer wieder genannten 1,3 Mio Schüler, denen das „Videokonferenzwerkzeug 2020“ zur Verfügung stehen sollte, eine rein theoretische Größe, da zahlreiche und v.a. große Schulaufwandträger entsprechende Systeme bereits beschafft hatten und auch nicht davon auszugehen war, dass alle Schulen und Lehrer von den Möglichkeiten Gebrauch machen würden. Dennoch ist der streitgegenständliche Auftrag nach Auffassung der Vergabekammer Südbayern nur für ein Unternehmen kurzfristig ausführbar, das bereits über eine entsprechende IT-Infrastruktur verfügt. Die Beigeladene verfügte als eines der weltgrößen IT-Unternehmen sicherlich bereits vor Beginn der Corona-Pandemie über eine solche Infrastruktur, musste diese nach ihren Angaben wegen der hohen Nutzungslast während der ersten Welle der Pandemie mit großem Aufwand massiv nachrüsten. Dass die Antragstellerin eine solche Infrastruktur für eine hohe Anzahl von Nutzern unter den Bedingungen der Corona-Pandemie kurzfristig hätte schaffen können, ist für die Vergabekammer nicht nachvollziehbar. Die entsprechenden Einlassungen der Antragstellerin waren insoweit auch viel zu vage, um dies glaubhaft zu machen.

Im Rahmen einer IT-Beschaffung, die unter § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV fällt, kann sich der Auftraggeber regelmäßig auf Anbieter beschränken, die die geforderte Leistung bereits fertig entwickelt und marktreif anbieten.

Der Antragsgegner hätte daher die Antragstellerin auch bei einer gebotenen Beteiligung von mehreren Unternehmen am Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb nach § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV nicht beteiligen müssen, weshalb sie durch den Zuschlag an die Beigeladene auch nicht in ihren Rechten verletzt ist.

3. Kosten des Verfahrens

Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegend die Antragstellerin.

Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.

Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens. Gründe für eine Reduzierung der Gebühr sind nicht ersichtlich, vielmehr handelte es sich um ein umfangreiches Verfahren mit mehreren Schriftsätzen von allen Beteiligten und einer aufwändigen Vorbereitung. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von xxx EUR festgesetzt.

Von der Antragstellerin wurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraft verrechnet.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.

Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Die anwaltliche Vertretung war erforderlich, da das vorliegende Verfahren hinsichtlich der vergaberechtlich zu beurteilenden Sach- und Rechtsfragen in materieller und prozessualer Hinsicht komplex sind. Die Beurteilung fachspezifischer Fragen, wie die Zulässigkeit des Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb mit einem Bieter im Zusammenhang mit der bisher einmaligen Ausnahmesituation einer weltweiten Pandemie erfordert vergaberechtliche Fachkenntnisse und die Kenntnis der Vergaberechtsprechung sowie der aktuellen Besonderheiten im Rahmen der aktuellen Corona-Pandemie. Diese Anforderungen übertreffen die typischerweise bei der konkreten Vergabestelle des Antragsgegners vorhandenen Fachkenntnisse, insbesondere sind Kenntnisse und Erfahrungen im kontradiktorischen Verfahren erforderlich. Diese können auch nicht von den Mitarbeitern einer Vergabestelle eines großen öffentlichen Auftraggebers erwartet werden.

Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladene sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt hat (OLG Brandenburg, Beschl. v. 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09).

Die Beigeladene hat sich durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag und die Stellung von Anträgen aktiv am Verfahren beteiligt. Hierdurch hat sie das gegenständliche Verfahren wesentlich gefördert (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2014, VII-Verg 12/03).

Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters wird als notwendig i. S. v. § 182 Abs. 4 S. 1, S. 2 und 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen.

Aufgrund der Komplexität der vorliegend zu beantworten Rechts- und Sachfragen im Zusammenhang mit dem verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahren ist vergabe- und prozessrechtliche Expertise erforderlich. Denn es handelt sich um ein Vergabeverfahren, welches auf der Grundlage des Ausnahmetatbestandes der äußersten Dringlichkeit durchgeführt wurde, sodass ein erhöhter Aufwand an vergaberechtlicher Begründung notwendig ist.

Darüber hinaus ist zu beachten, dass zum Zeitpunkt der förmlichen Beiladung der Beigeladenen durch die Vergabekammer kaum vergaberechtliche Rechtsprechung hinsichtlich der Anforderungen an die Durchführung von Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb im besonderen Kontext der Corona-Krise vorhanden waren, sodass eine umfassende Prüfung der allgemeinen vergaberechtlichen Prinzipien, einzelner spezifischer vergaberechtlicher Fragen und vergleichbarer Konstellationen sowie der neuesten gesetzlichen, politischen und rechtlichen Entwicklungen während der Corona-Krise sich als unerlässlich erweist. Vor diesem Hintergrund ist es der Beigeladenen selbst unter Hinzuziehung der ihr intern zur Verfügung stehenden Kapazitäten nicht möglich und nicht zumutbar, sich umfassend und adäquat zu verteidigen.

Rechtsmittelbelehrung