von Thomas Ax
Ein Vergaberechtsverstoß allein begründet nicht die Stattgabe des Nachprüfungsantrags. Vielmehr muss nach § 168 Abs. 1 Satz 1 GWB ein aus dem Vergaberechtsverstoß resultierender Schaden hinzukommen.
Nach der Rechtsprechung (für viele OLG Naumburg, Beschluss vom 12.04.2012 – 2 Verg 1/12) ist das Vergabenachprüfungsverfahren ein subjektives Rechtsschutzverfahren, das nur die Verletzung der Rechte des Bieters, die zu einem Schaden führt, mit den Rechtsschutzmaßnahmen der Vergabekammer beseitigen soll. Tritt keine Schädigung ein, bedarf es keiner Maßnahme, hat die Vergabekammer damit also kein Recht, Maßnahmen auszusprechen. Ein Schaden bzw. eine eigene Rechtsverletzung ist damit zwingende Voraussetzung für den Erfolg des Nachprüfungsverfahrens. Die Notwendigkeit einer tatsächlichen Rechtsverletzung geht insoweit über die für die Zulässigkeit des Antrags ausreichende Möglichkeit einer Rechtsverletzung hinaus. Rechtsverstöße der Vergabestelle müssen sich danach auch ausgewirkt haben. Die Bedeutung dieser Feststellung der Auswirkung auf die Antragstellerin legt auch der BGH seiner Entscheidungspraxis zugrunde (vgl. BGH, Beschluss vom 04.04.2017 – X ZB 3/17 (Schulnotensystem), Rdnr. 33 ff. zur Auswirkung der Preisumrechnungsmethode im dortigen Verfahren).
Die Vergabekammer hat damit nach § 168 Abs.1 GWB zu prüfen, ob die Antragstellerin tatsächlich in ihren Rechten verletzt ist. Es genügt nicht, dass eine bieterschützende Vorschrift missachtet wird. Damit bedarf es des Nachweises der Kausalität zwischen dem Rechtsverstoß und dem behaupteten Schaden im Rahmen der Prüfung der Begründetheit des Nachprüfungsantrags.
Damit trägt die Antragstellerin die Beweislast für das Vorliegen dieser ihr günstigen Norm.
Macht die Antragstellerin als Schaden im Nachprüfungsverfahren geltend, dass die Angebotsabgabe für sie unmöglich bzw. unzumutbar gewesen sei, gilt Folgendes:
Zur Umsetzung der Rechtsmittelrichtlinie hat der EuGH, Urteil vom 28.11.2018, Rs. C-328/17 Rdnr. 53 ff. in Fällen der fehlenden Angebotsabgabe Kriterien entwickelt, die die Kammer als rechtlichen Maßstab zugrunde legt:
“Ferner kann es, da einem Wirtschaftsteilnehmer, der kein Angebot abgegeben hat, ein Recht auf Nachprüfung nur ausnahmsweise zuerkannt werden kann, nicht als unverhältnismäßig angesehen werden, von ihm den Nachweis zu verlangen, dass die Klauseln der Ausschreibung bereits die Abgabe eines Angebots unmöglich machen.
Allerdings lässt sich, obwohl diese Beweisanforderung für sich genommen nicht dem Unionsrecht über das öffentliche Auftragswesen widerspricht, nicht ausschließen, dass ihre Anwendung in Anbetracht der besonderen Umstände des Ausgangsverfahrens zu einem Verstoß gegen das Recht auf Nachprüfung führen kann, das den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sowohl nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665 als auch nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 92/13 zusteht.
Insoweit ist es Sache des vorlegenden Gerichts, unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände, die den Kontext der bei ihm anhängigen Rechtssache kennzeichnen, umfassend zu prüfen, ob die konkrete Anwendung der italienischen Rechtsvorschriften über die Klagelegitimation in der Auslegung durch den Consiglio di Stato (Staatsrat) und die Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) das Recht auf effektiven gerichtlichen Rechtsschutz der Klägerinnen des Ausgangsverfahrens beeinträchtigen kann.”
Die Auslegung durch die Italienischen Instanzen lautete:
“Es geht nämlich sowohl aus der Rechtsprechung des Consiglio di Stato (Staatsrat, Italien) als auch aus dem Urteil Nr. 245/2016 der Corte costituzionale (Verfassungsgerichtshof) hervor, dass einem Wirtschaftsteilnehmer, der kein Angebot abgegeben hat, ausnahmsweise ein Rechtsschutzinteresse in den Fällen zuerkannt werden kann, “in denen gerügt wird, dass keine Ausschreibung erfolgt sei oder, umgekehrt, dass eine Ausschreibung durchgeführt worden sei, in denen Klauseln der Bekanntmachung, die das Unternehmen unmittelbar vom Verfahren ausschließen, oder Klauseln gerügt werden, die offensichtlich nicht nachvollziehbare oder völlig unverhältnismäßige Pflichten auferlegen oder die Abgabe eines Angebots unmöglich machen”.
Ausgehend von diesen Grundsätzen muss die Kammer feststellen können, dass der Antragstellerin die Teilnahme am Wettbewerb unmöglich oder die Bedingungen völlig unverhältnismäßig gewesen wären.
Hier kann bspw in Betracht kommen die Fallgruppe der Klauseln, die offensichtlich nicht nachvollziehbare oder völlig unverhältnismäßige Pflichten auferlegen oder die Abgabe eines Angebots unmöglich machen.