Ax Vergaberecht

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Für eine Aufhebung muss das unwirtschaftliche Angebot den ordnungsgemäß ermittelten Auftragswert deutlich überschreiten

von Thomas Ax

Die Aufhebung gemäß § 17 EU Abs. 1 Nr. 3 VOB/A ist nur zulässig, wenn schwerwiegende Gründe vorliegen. Darunter fällt auch das unwirtschaftliche Angebot, welches den ordnungsgemäß ermittelten Auftragswert deutlich übersteigt.

VK Lüneburg, Beschluss vom 08.06.2020 – VgK-09/2020

Dabei kommt es auf den Gesamtauftragswert an, nicht auf einzelne Teilgewerke des zu vergebenden Auftrags. Nicht gemeint ist allerdings eine auftragsüberschreitende Zusammenrechnung der Gewerke. Hat sich der Auftraggeber ermessensfehlerfrei dazu entschieden, bestimmte Lose des Bauprojektes in getrennten Vergabeverfahren zu beauftragen, so ist er nicht verpflichtet, das Gesamtbudget über die Grenzen der Vergabeverfahren hinaus für die Frage zugrunde zu legen, ob der „Gesamtauftragswert“ überschritten wird. Ein Bezug auf das Gesamtprojekt wäre schon verfahrenstechnisch nicht umsetzbar, weil die Bauvergaben üblicherweise gestaffelt erfolgen, im laufenden Bauprojekt also nicht abschließend erkennbar ist, ob künftige Submissionen so günstig ausfallen werden, dass der Gesamtauftragswert des Projektes noch eingehalten werden kann.

VK Lüneburg, Beschluss vom 08.06.2020 – VgK-09/2020

Nur die deutliche Überschreitung der Kosten ist ein schwerwiegender Aufhebungsgrund. Der BGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung (BGH Urteil vom 20.11.2012, X ZR 108/10) keine Aufgreifschwelle für den Begriff der „deutlichen Überschreitung“ benannt. Seine Entscheidung sollte die Bieter vor der missbräuchlichen Aufhebung der Vergabe mit dem Ziel, im offenen Verfahren formal ausgeschlossene Angebote im nichtoffenen Verfahren zu berücksichtigen, schützen.

VK Lüneburg, Beschluss vom 08.06.2020 – VgK-09/2020

Von der weiteren Rechtsprechung (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.08.2018 – Verg 14/17; OLG Celle, Beschluss vom 13.01.2011, 13 Verg 15/10; Kammergericht, Beschluss vom 17.10.2013, Verg 9/13) sind im Einzelfall Werte um 10 % Kostenüberschreitung regelmäßig als Aufhebungsgrund anerkannt worden.

VK Lüneburg, Beschluss vom 08.06.2020 – VgK-09/2020

Eine fachkundige Erarbeitung der Kostengrundlagen ergibt sich gemäß den Leistungsphasen gemäß Anlage 10 zu § 34 HOAI. Den Vergütungsansprüchen für die Grundleistungen nach der HOAI stehen in den Anlagen der HOAI benannte konkrete Leistungsbilder für die Leistungsphasen gegenüber. Diese Leistungsbilder müssen einzelvertraglich vollständig oder teilweise vereinbart worden sein, damit der beauftragte Architekt verpflichtet wird, seine Leistungen im Einzelnen nach diesen Leistungsbildern zu erbringen. Fehlt eine solche gesonderte Beauftragung für die einzelnen Leistungsphasen, so erwirbt ein Architekt seinen Honoraranspruch auch dann vollständig, wenn er das beauftragte Gebäude im Ergebnis vollständig und mangelfrei fertiggestellt, die in der Anlage 10 zu § 34 HOAI beschriebenen Leistungsbilder allerdings nicht vollständig erbracht hat (OLG Hamburg, Urteil vom 19.12.2013 – 6 U 34/11).

Leistungsphase 2 benennt die Kostenschätzung nach DIN 276 unter g) als Leistungsgegenstand. Diese Kostenschätzung stellt nur die Kostengruppen nach DIN 276 bis zur 2. Ziffer der Kostengruppen dar. Sie ist eine wichtige Hilfe für den Auftraggeber in der frühen Planungsphase, schafft aber vergaberechtlich keine belastbare Grundlage. Die Rechtsprechung verwendet den Begriff der „Kostenschätzung“ häufig vereinfachend als Oberbegriff für alle Kostenprognosen vor dem Submissionsergebnis, also sowohl für diese Kostenschätzung als auch für die nachfolgend dargestellten weiteren Kostenberechnungen (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2012 – X ZR 108/10, Rn. 18; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29.08.2018 – Verg 14/17; VK Bund, Beschluss vom 13.02.2019 – VK 1-3/19).

Leistungsphase 3 fordert unter e) eine Kostenberechnung nach DIN 276 bis zur 3. Ziffer der Kostengruppen. Sie soll mit der (in Leistungsphase 2) zuvor erbrachten Kostenschätzung verglichen werden (vgl. zur Abgrenzung LG Düsseldorf, Urteil vom 25.01.2019 – 16 0 274/17).

In Leistungsphase 6, Vorbereitung der Vergabe, sind gemäß d) die Kosten auf der Grundlage vom Planer bepreister Leistungsverzeichnisse zu ermitteln.

Auch wenn die Kostenberechnung nach DIN 276 bereits ein realistisches Szenario für die zu erwartenden Kosten umreißt, so ist erst die eindeutige und erschöpfende Leistungsbeschreibung aufgrund der deutlich präziseren Konkretisierung des Leistungsgegenstandes ein geeigneter Rahmen für die belastbare Annahme der zu erwartenden Kosten.

VK Lüneburg, Beschluss vom 08.06.2020 – VgK-09/2020