Ax Vergaberecht

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Gesamtvergabe ist und bleibt die Ausnahme, ist und bleibt aber bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen möglich

von Thomas Ax

Der öffentliche Auftraggeber hat sich, wenn ihm eine Ausnahme von dem Grundsatz der losweisen Vergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen erforderlich erscheint, mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen intensiv auseinanderzusetzen. Er hat eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründen nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen. Technische Gründe sind solche, die eine Integration aller Leistungsschritte in einer Hand zur Erreichung des vom Auftraggeber angestrebten Qualitätsniveaus notwendig machen (hier verneint). Wirtschaftliche Gründe liegen vor, wenn eine Aufteilung in Lose mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen für den Auftraggeber verbunden ist, die über das übliche in Kauf zu nehmende Maß hinausgehen. Bei seiner Entscheidung hat der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum. Der Kontrolle durch die Nachprüfungsinstanzen unterliegt insofern allein, ob die Entscheidung auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht. Dabei müssen die für eine Gesamtlosvergabe angeführten Gründe auf den konkreten Auftrag bezogen und tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sein. Eine nachträgliche Heilung von Dokumentationsmängeln ist nur dann möglich, wenn die Vergabestelle ihre Erwägungen im Laufe des Nachprüfungsverfahrens lediglich ergänzt und präzisiert.

Ist eine Fachlosbildung möglich, weil für diese Leistungen ein eigener Markt besteht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 01.06.2016, Verg 6/16 Rn. 44), kommt eine Gesamtvergabe nur ausnahmsweise in Betracht. Der gesetzliche Regelfall ist die losweise Vergabe, sie ist grundsätzlich vorrangig (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 27 mwNachw.).

Der öffentliche Auftraggeber hat sich daher, wenn ihm eine Ausnahme von dem Grundsatz der losweisen Vergabe aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen im Sinne von § 97 Abs. 4 Satz 2 und 3 GWB erforderlich erscheint, mit dem Gebot einer Fachlosvergabe und den dagegensprechenden Gründen intensiv auseinanderzusetzen. Er hat eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Belange vorzunehmen, als deren Ergebnis die für eine zusammenfassende Vergabe sprechenden Gründen nicht nur anerkennenswert sein, sondern überwiegen müssen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 27 mwNachw.; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18, Rn. 72).

Der Maßstab der rechtlichen Überprüfung durch die Vergabenachprüfungsinstanzen ist allerdings beschränkt. Bei seiner Entscheidung hat der öffentliche Auftraggeber einen Beurteilungsspielraum (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 28; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18 Rn. 60).

Der Kontrolle unterliegt insofern allein, ob die Entscheidung auf vollständiger und zutreffender Sachverhaltsermittlung und nicht auf einer Fehlbeurteilung, namentlich auf Willkür, beruht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.03.2020, Verg 10/20, Rn. 28; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18, Rn. 60; OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.05.2018, 11 Verg 4/18, Rn. 7). Dabei müssen die für eine Gesamtlosvergabe angeführten Gründe auf den konkreten Auftrag bezogen und tatsächlich vorhanden (festzustellen und notfalls erwiesen) sein.

Technische Gründe müssen im Auftrag selbst begründet sein und damit im Zusammenhang stehen. Sie liegen vor, wenn bei getrennten Ausschreibungen das – nicht durch die inhaltliche Gestaltung der Vergabeunterlagen vermeidbare – Risiko besteht, dass der Auftraggeber Teilleistungen erhält, die zwar jeweils ausschreibungskonform sind, aber nicht zusammenpassen und deshalb in ihrer Gesamtheit nicht geeignet sind, den Beschaffungsbedarf in der angestrebten Qualität zu befriedigen OLG Koblenz, Beschluss vom 04.04.2012, 1 Verg 2/11).

Wirtschaftliche Gründe liegen vor, wenn eine Aufteilung in Lose mit wirtschaftlich nachteiligen Folgen für den Auftraggeber verbunden ist, die über das übliche in Kauf zu nehmende Maß hinausgehen. Denn ein gewisses Maß an Aufwand, der sich auch als wirtschaftlich negativer Effekt darstellen lässt, wird vom Gesetzgeber im Hinblick auf die Förderung mittelständischer Unternehmen in Verbindung mit dem aus einer Losvergabe resultierenden Koordinierungsaufwand und der Einbindung zusätzlicher personaler Ressourcen beim öffentlichen Auftraggeber grundsätzlich in Kauf genommen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2016, Verg 47/15, Rn. 28; OLG München, Beschluss vom 25.03.2019, Verg 10/18, Rn. 48).

Der mit einer Losvergabe allgemein verbundene Ausschreibungs-, Prüfungs- und Koordinierungsmehraufwand sowie die Vermeidung von Gewährleistungsschnittstellen können eine Gesamtvergabe für sich allein nicht rechtfertigen. Es handelt sich dabei um einen Losvergaben immanenten und damit typischerweise verbundenen Mehraufwand, der nach dem Gesetzeszweck in Kauf zu nehmen ist.

Eine nachträgliche Heilung ist nur dann möglich, wenn die Vergabestelle ihre Erwägungen im Laufe des Nachprüfungsverfahrens lediglich ergänzt und präzisiert (Senatsbeschlüsse vom 10. Februar 2021, VII-Verg 22/20, BeckRS 2021, 8801 Rn. 47 und vom 23. März 2011, VII-Verg 63/10).