Kritisch unterbliebene Fachlosbildung zwischen Fahrgestell und Aufbau
vorgestellt von Thomas Ax
Die Antragsgegner haben mit europaweiter Bekanntmachung im Supplement zum Amtsblatt der europäischen Gemeinschaften vom 29.12.2016 die gemeinsame Lieferung von fünf baugleichen Hubrettungsfahrzeugen DLAK 23/12 im Wege eines offenen Verfahrens als Lieferauftrag ausgeschrieben. Nach Ziffer II.1.6 der Bekanntmachung erfolgt keine Aufteilung in Lose. Die feuerwehrtechnische Beladung ist nicht Gegenstand des vorliegenden Beschaffungsverfahrens. Nebenangebote wurden nicht zugelassen (Ziffer II.2.10 der Bekanntmachung).
Unter Ziffer II.2.7 der Bekanntmachung wird darauf hingewiesen, dass die Laufzeit 11 Monate betrage.
In Ziffer II.2.14 der Bekanntmachung wird zu Ziffer II.2.7 ausgeführt, dass für vier Auftraggeber der Lieferzeitpunkt spätestens der März 2018, für einen Auftraggeber der Lieferzeitpunkt frühestens der Januar 2019 sei. Wie aus der Leistungsbeschreibung hervorgeht, ist das Fahrgestell mit Aufbau für die Antragsgegnerin zu 5) frühestens im Januar 2019 und spätestens im März 2019 zu liefern. Die Fahrzeuge der anderen 4 Antragsgegner sind spätestens im März 2018 zu liefern. Die Bieter haben in das Leistungsverzeichnis für jedes Fahrzeug den Liefertermin einzutragen.
Einziges Zuschlagskriterium ist der Preis. Wie aus Ziffer 8 der Bewerbungsbedingungen hervorgeht, werden beim Wertungskriterium Preis die Gesamtkosten über alle Fahrzeuge berücksichtigt. In der Vormerkung der Leistungsbeschreibung wird darauf hingewiesen, dass der in der Leistungsbeschreibung ausgewiesene Kaufpreis sämtliche Kosten einschließlich aller Nebenkosten berücksichtigt. Der Auftragnehmer schuldet zu diesem Kaufpreis ein vollständig montiertes, betriebsfertiges und voll funktionsfähiges Fahrzeug.
Als Kontaktstelle wurde in der Bekanntmachung die K..GmbH genannt.
Nach Ziffer IV.2.2 der Bekanntmachung war der Schlusstermin für den Eingang der Angebote der 07.02.2017, 09.00 Uhr.
Nachdem der Antragstellerin die Vergabeunterlagen zur Verfügung gestellt wurden, rügte diese durch ihren Bevollmächtigten mit je zwei Schreiben vom 16.01.2017 und 23.01.2017 gegenüber der K..GmbH verschiedene Vergabeverstöße, u. a. ihrer Ansicht nach unzulässige Abweichungen von den Vorgaben der VOL/B, diskriminierende Vorgaben, die sie nicht einhalten könne, die Ausdehnung des Referenzzeitraums auf 5 Jahre, mangelnde Hinweise, wann Referenzen als vergleichbar angesehen würden, die ihrer Ansicht nach unzulässige Vorgabe, einen reinen Preisentscheidung durchzuführen und die unterbliebene Losaufteilung in drei Lose Fahrgestell, Aufbau und Beladung.
Mit Schreiben vom 30.01.2017 wurde teilweise den Rügen der Antragstellerin abgeholfen und diesbezüglich auf den mitgesandten Katalog von Bieterfragen und Antworten verwiesen. An einigen der beanstandeten Leistungsanforderungen u. a. unter Pos. 1.2.4 Rettungskorb sowie der Notwendigkeit einer Fire-CAN Schnittstelle wie in den Pos. 1.2.6 und 1.2.12 der Leistungsanforderung beschrieben, haben die Antragsgegner festgehalten. Die weiteren Rügen mit Schreiben vom 16.01.2017 und 23.01.2017 wurden zudem zurückgewiesen.
Wie aus dem beigefügten Katalog von Bieterfragen und Antworten noch hervorging wurde die Angebotsfrist bis zum 20.02.2017, 09:15 Uhr, verlängert.
Mit Schreiben vom 31.01.2017 wurde die Antragstellerin über weitere Änderungen der Vergabeunterlagen informiert. Es wurde ausgeführt, dass es in Bezug auf die Position 1.1.4 „Fahrerhaus für Truppbesatzung 1:2 – Rückwand“ es bei der Forderung nach einem Fahrerhaus mit mind. 180 mm ausgestellter Rückwand über die gesamte Breite bleibe. In Bezug auf Pos. 1.2.5 wurde klargestellt, dass ein „im Korb“ fest verbauter Werfer angeboten werden könne.
Daraufhin rügte die Antragstellerin mit Schreiben vom 31.01.2017 gegenüber den Antragsgegner/innen u. a. die Gesamtvergabe ohne Losbildung.
Die Vergabekammer Südbayern weist darauf hin, dass sie erhebliche Bedenken im Hinblick auf die unterbliebene Fachlosbildung zwischen Fahrgestell und Aufbau hat.
Vergabekammer München, Beschluss v. 27.03.2017 – Z3-3-3194-1-03-02/17
Zwar haben die Antragsgegner insoweit eine umfangreiche Begründung über die ihrer Ansicht nach vorliegenden technischen Gründe i.S.d. § 97 Abs. 4 Satz 3 GWB zum Absehen von einer Losvergabe vorgelegt. Angesichts dessen, dass bisher die Fachlosbildung bei der Beschaffung von Einsatzfahrzeugen der Feuerwehr jedoch der absolute Regelfall war (so auch die Fachempfehlung Nr. 5 vom 06. Juni 2012 zur Ausschreibung und Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen des Deutschen Feuerwehrverbands, deren Nachfolgeregelung noch nicht existiert) und die Verwaltungspraxis und Verwaltungsgerichtsbarkeit im Unterlassen der Fachlosbildung einen schweren Vergabeverstoß sieht (siehe VG Augsburg, Urteil vom 23.02.2016 – Au 3 K 15.1070), sind an die Darlegung der technischen Gründe hohe Anforderungen zu stellen.
Vergabekammer München, Beschluss v. 27.03.2017 – Z3-3-3194-1-03-02/17
Die von den Antragsgegnern dargestellte beiderseitige Schnittstellenproblematik zwischen Fahrgestell und Aufbau besteht sicherlich, ist bei der Beschaffung von Drehleitern durch die geringe Zahl der potentiellen Marktteilnehmer aber deutlich gemildert. Der relativ kleine Markt bringt darüber hinaus die Gefahr, dass bei einem Absehen von der Fachlosbildung bei gleichzeitiger – ggf. zulässiger – Vorgabe von Alleinstellungsmerkmalen eines Marktteilnehmers der Wettbewerb vollständig ausgeschaltet wird.
Vergabekammer München, Beschluss v. 27.03.2017 – Z3-3-3194-1-03-02/17
Vor diesem Hintergrund könnte es für die Auftraggeber auch zumutbar sein, die Schnittstellenproblematik durch sukzessive Ausschreibung von Fahrgestell und Aufbau zu entschärfen.
Die Frage muss im vorliegenden Verfahren aber nicht entschieden werden.
Vergabekammer München, Beschluss v. 27.03.2017 – Z3-3-3194-1-03-02/17