Ax Vergaberecht

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Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für den AG notwendig?

von Thomas Ax

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts als Verfahrensbevollmächtigten im Nachprüfungsverfahren bedarf einer einzelfallgerechten Betrachtung, abstellend auf den Zeitpunkt der Hinzuziehung (vgl. BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06; vgl. ferner OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. September 2022, Verg 15/22). Die Notwendigkeit der Hinzuziehung hängt davon ab, ob der jeweilige Verfahrensbeteiligte nach den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, den Sachverhalt aufgrund der bekannten bzw. erkennbaren Tatsachen zu erfassen, der im Hinblick auf eine Missachtung von Bestimmungen über das Vergabeverfahren von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung bzw. -verteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzubringen (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Maßgeblich ist bei der Abwägung, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war oder nicht, ob sich im Nachprüfungsverfahren für den Auftraggeber im Wesentlichen auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen einschließlich der dazugehörigen vergaberechtlichen Vorschriften gestellt haben. In diesem Fall ist es grundsätzlich nicht notwendig, dass er hierfür einen Rechtsanwalt zu Rate ziehen muss. Diese Angelegenheiten betreffen den originären Aufgabenkreis des öffentlichen Auftraggebers, für die er sich selbst die notwendigen Sach- und Rechtskenntnisse verschaffen muss, so dass es auch im Nachprüfungsverfahren nicht geboten ist, einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten hinzuzuziehen (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Zu berücksichtigen ist ferner der Grad der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhaltes, die Komplexität oder Überschaubarkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen sowie persönliche Umstände wie u.a. die sachliche oder personelle Ausstattung des Verfahrensbeteiligten (BGH, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.).

Die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts kann daher insbesondere geboten sein, wenn sich im Nachprüfungsverfahren nicht einfachgelagerte Rechtsfragen stellen, insbesondere solcher verfahrensrechtlicher Natur oder solcher Art, die auf einer höheren Rechtsebene als der der Vergabeordnungen zu entscheiden sind (OLG Düsseldorf, a.a.O.). Einerseits: Fragen der Angebotsprüfung, insbesondere im Hinblick auf die Eignung sowie die Prüfung der Auskömmlichkeit der Angebotspreise und damit auftragsbezogene Fragestellungen muss ein öffentlicher Auftraggeber prinzipiell beherrschen. Andererseits: Überlegungen zur Zusammensetzung der ASt im Hinblick auf die Anforderungen des Kartellverbots nach § 1 GWB stellen eine nicht einfach gelagerte, nicht dem Vergaberecht zuzurechnende Sach- und Rechtsfrage dar, die hier somit über die auftragsbezogenen vergaberechtlichen Fragestellungen hinausreicht.