Ax Vergaberecht

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Klageweise Geltendmachung des Anspruchs auf eine vereinbarte Abschlagszahlung vor/nach Abnahme und Erteilung der Schlussrechnung

von Thomas Ax

Der Auftragnehmer kann den Anspruch auf Abschlagszahlung gemäß § 16 Nr. 1 VOB/B, bei dem es sich um einen selbständigen schuldrechtlichen Anspruch im Sinne von § 241 Satz 1 BGB handelt (BGH, Urteil vom 15. April 2004 – VII ZR 471/01BauR 2004, 1146 = ZfBR 2004, 552 = NZBau 2004, 386) nur dann nicht mehr durchsetzen, wenn die Bauleistung abgenommen ist und der Auftragnehmer eine Schlussrechnung gestellt hat (BGH, Urteil vom 15. April 2004 – VII ZR 471/01, aaO; vgl. auch Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl., Rdn. 1228 m. w. N. zur Rechtsprechung der Instanzgerichte).

In diesem Fall ist die Berechtigung des Auftragnehmers zur vorläufigen Abrechnung erloschen. Eine Abschlagsforderung verliert ihre Durchsetzbarkeit.

Gleiches gilt, wenn die Abnahme erfolgt ist, die Leistung des Auftragnehmers fertig gestellt ist und die Frist abgelaufen ist, binnen derer der Auftragnehmer gemäß § 14 Nr. 3 VOB/B die Schlussrechnung einzureichen hat (ebenso Ingenstau/Korbion/Locher, VOB/B, 16. Aufl., B § 16 Nr. 1 Rdn. 46; Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 3. Aufl., 5. Teil Rdn. 191; Kapellmann/Messerschmidt-Messerschmidt, VOB, 2. Aufl., § 16 Rdn. 97; Beck’scher VOB-Komm./Kandel, 2. Aufl., B § 16 Nr. 1 Rdn. 16).

Dem Auftragnehmer ist ein Anspruch auf Abschlagszahlungen eingeräumt, um ihn zu entlasten und die gerade bei Bauleistungen mit der Vorfinanzierung verbundenen wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen (BGH, Urteil vom 21. Februar 1985 – VII ZR 160/83BauR 1985, 456 = ZfBR 1985, 174; vom 26. Februar 1987 – VII ZR 217/85BauR 1987, 453 = ZfBR 1987, 200; vom 25. Oktober 1990 – VII ZR 201/89BauR 1991, 81 = ZfBR 1991, 67). Der Anspruch auf Abschlagszahlungen ist auf Anzahlungen in Bezug auf den Vergütungsanspruch für das Gesamtwerk gerichtet. Die Erhebung von Abschlagsforderungen und auch die Anzahlung haben keinen endgültigen Charakter, sondern sind nur vorläufig (BGH, Urteil vom 15. April 2004 – VII ZR 471/01, aaO).

Welche Werklohnforderungen der Auftragnehmer endgültig erhebt, ergibt sich aus der von ihm einzureichenden Schlussrechnung, § 14 Nr. 1 VOB/B. Mit dieser Schlussrechnung hat der Auftragnehmer seine Leistungen endgültig und prüfbar abzurechnen. In die Schlussrechnung ist die gesamte Vergütung einschließlich der vergütungsgleichen Ansprüche einzustellen und der Saldo, der sich durch Abzug der Voraus- und Abschlagszahlungen ergibt, zu ermitteln.

Abschlagszahlungen sind ebenso wie Vorauszahlungen in der Schlussrechnung lediglich Rechnungsposten, die nicht auf einzelne Leistungspositionen des Vertrags bezogen werden können (BGH, Urteil vom 15. April 2004 – VII ZR 471/01, aaO). Sie können nicht mehr selbständig verfolgt werden.

Es entspricht dem schützenswerten Interesse des Auftraggebers, eine derartige endgültige Abrechnung möglichst zügig nach Fertigstellung der Leistung zu erhalten. Er hat nicht nur ein Interesse, alsbald Klarheit darüber zu gewinnen, welche Forderungen der Auftragnehmer wegen der Bauleistungen endgültig erhebt, sondern auch daran, möglichst schnell beurteilen zu können, welche Restzahlungen er noch zu erbringen hat oder ob der Auftragnehmer infolge bereits geleisteter Zahlungen oder infolge von Aufrechnungen mit Gegenansprüchen möglicherweise überzahlt ist.

Dementsprechend begründet § 14 Nr. 3 VOB/B die Pflicht des Auftragnehmers, die Schlussrechnung abhängig von den vertraglichen Leistungsfristen in bestimmten Zeiträumen nach der Fertigstellung der Leistung einzureichen, wenn nichts anderes vereinbart ist.

Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass die VOB/B dem Auftragnehmer nach Ablauf der sich aus § 14 Nr. 3 VOB/B ergebenden Frist kein schützenswertes Interesse mehr einräumt, eine Abschlagsforderung noch durchzusetzen. Vielmehr ist es eine Pflichtverletzung, wenn der Auftragnehmer die Schlussrechnung nicht fristgerecht stellt. Der Auftraggeber wird sogar nach Fristsetzung berechtigt, selbst eine Schlussrechnung auf Kosten des Auftragnehmers zu erstellen, § 14 Nr. 4 VOB/B.

Es wäre mit der Systematik der Regelung der VOB/B nicht vereinbar, wenn der Auftragnehmer unter Verstoß gegen seine vertraglichen Pflichten berechtigt wäre, Abschlagsforderungen zu erheben, obwohl er eine Schlussrechnung erstellen müsste. Das vernachlässigen Kues/May, BauR 2007, 1137, 1142, wenn sie ausführen, eine einmal fällig gewordene Abschlagsforderung müsse der Auftragnehmer auch dann noch verfolgen können, wenn der Auftraggeber diese nicht bezahlt habe. Grundsätzlich erlischt deshalb das Recht des Auftragnehmers, Abschlagsforderungen zu erheben, in dem Zeitpunkt, in dem eine Frist nach § 14 Nr. 3 VOB/B abgelaufen ist und die sonstigen gesetzlichen oder vertraglichen Voraussetzungen für die Durchsetzung einer auf eine Schlussrechnung gerichteten Forderung, insbesondere die Abnahme der Bauleistungen, vorliegen. In diesem Fall muss der Auftragnehmer seinen etwa noch bestehenden Werklohnanspruch als Saldo aus der Schlussrechnung geltend machen (BGH, Urteil vom 26. Februar 1987 – VII ZR 217/85BauR 1987, 453 = ZfBR 1987, 200).

Es besteht kein Anlass, von diesem Grundsatz abzuweichen, wenn der Auftragnehmer Klage auf eine Abschlagszahlung erhoben hat und während des Prozesses die vorgenannten Voraussetzungen eintreten.

Zu Unrecht wird vertreten (OLG Köln, BauR 2006, 1143, 1144 für den Fall der bereits erteilten Schlussrechnung; ebenso Ingenstau/Korbion/Locher, VOB, 16. Aufl., B § 16 Nr. 1 Rdn. 46 m. w. N.), der Unternehmer würde durch Erteilung einer Schlussrechnung seine eigene, ursprünglich mögliche Klage auf Zahlung einer Abschlagsforderung hinfällig machen oder er müsse zwecks Vermeidung dieser Folgen die Schlussrechnung bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinauszögern.

Das Oberlandesgericht Köln lässt bei dieser Beurteilung die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs unberücksichtigt, dass es prozessual ohne weiteres möglich ist, eine Werklohnklage zunächst auf eine Abschlagsrechnung und sodann auf eine später erteilte Schlussrechnung zu stützen, § 264 Nr. 3 ZPO (BGH, Urteil vom 11. November 2004 – VII ZR 128/03BauR 2005, 400 = NZBau 2005, 158 = ZfBR 2005, 178; vom 8. Dezember 2005 – VII ZR 138/04BauR 2006, 701 = NZBau 2006, 254 = ZfBR 2006, 333).

Allerdings ist die Werklohnforderung im VOB-Vertrag nicht fällig, solange die Prüfungsfrist des § 16 Nr. 3 VOB/B läuft (BGH, Urteil vom 15. April 2004 – VII ZR 471/01, aaO). Dieser Umstand stellt nicht in Frage, dass es dem Auftragnehmer zuzumuten ist, die Werklohnklage nunmehr auf der Grundlage der Schlussrechnung zu führen. In der Literatur wird zwar vertreten, das sei ein Umstand, der dem säumigen Auftraggeber nicht zu Gute kommen solle, wenn er bereits auf eine Abschlagsforderung in Anspruch genommen worden sei (so Beck’scher VOB-Komm./Motzke, 1. Aufl., B § 16 Nr. 1 Rdn. 12 und wohl auch Kues/May, BauR 2007, 1137, 1141). Dem kann nicht gefolgt werden. Dass dem Auftraggeber eine Frist von zwei Monaten zur Prüfung der Schlussrechnung eingeräumt wird, ist in der VOB/B angelegt (vgl. BGH, Urteil vom 15. April 2004 – VII ZR 471/01, aaO). Es kommt nicht darauf an, ob der Auftraggeber diesen Vorteil „verdient“ hat.

Es besteht für den Auftragnehmer die Gefahr, dass die Klage als derzeit unbegründet abgewiesen wird, weil der Termin zur mündlichen Verhandlung während der Prüfungsfrist der Schlussrechnung anberaumt wird, also zu einem Zeitpunkt, zu dem die Forderung nicht fällig ist. Hier gebietet es der Grundsatz des fairen Verfahrens regelmäßig, dem Auftragnehmer Gelegenheit zu geben, seine Forderung in dem anhängigen Gerichtsverfahren weiter zu verfolgen und eine bereits anberaumte mündliche Verhandlung auf einen Zeitpunkt zu verlegen ist, in dem die Prüfungsfrist abgelaufen ist.

Auch besteht kein Anlass, die Berechtigung zur Durchsetzung der Abschlagsforderungen so lange aufrechtzuerhalten, bis der Auftraggeber eine Schlussrechnung nach § 14 Nr. 4 VOB/B selbst erstellt hat. Zu einer Erstellung einer solchen Rechnung ist er nicht verpflichtet. Er kann sich vielmehr darauf beschränken, die Begleichung von Abschlagsforderungen unter Hinweis darauf zu verweigern, dass eine Schlussrechnung nicht vorliegt, obwohl sie nach den vertraglichen Vereinbarungen vom Auftragnehmer zu erstellen wäre.

Auf dieser Grundlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass dann noch die Berechtigung besteht, die Abschlagsforderungen zu erheben.

Wann eine Fertigstellung im Sinne des § 14 Nr. 3 VOB/B vorliegt, muss unter Berücksichtigung des mit dieser Regelung verfolgten Zweckes ermittelt werden. Sie liegt vor, wenn der Auftragnehmer die vertraglichen Leistungen erbracht hat. Ihr steht gleich, wenn er weitere Vertragsleistungen, die in eine Schlussrechnung einzustellen wären, nicht mehr erbringen muss, etwa weil der Vertrag gekündigt worden ist, die Leistung unmöglich geworden ist, der Auftragnehmer keine weiteren Leistungen mehr erbringen will oder der Auftraggeber keine weiteren Leistungen mehr verlangt, so dass ein Abrechnungsverhältnis entsteht.

Die Abnahme der Bauleistungen ist ein Indiz für die Fertigstellung; denn regelmäßig erfolgt eine Abnahme, weil die Leistungen im Wesentlichen vertragsgerecht erbracht sind. In diesem Fall steht der Annahme einer Fertigstellung im Sinne des § 14 Nr. 3 VOB/B regelmäßig nichts im Wege. Der Auftragnehmer ist berechtigt, die gesamte abgenommene Leistung in Rechnung zu stellen. Wegen der Mängel oder der Restleistungen hat der Auftraggeber ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 641 Abs. 3 BGB.

Wenn zunächst Abschlagszahlungen eingeklagt werden und dann Schlussrechnung gelegt oder Schlussrechnungsreife eingetreten ist, stellt sich die Frage, ob man im Prozess gezwungen ist, auf die Schlussrechnung umzustellen. Nach der Rechtsprechung des BGH geht der Anspruch eines Unternehmers auf eine vereinbarte Abschlagszahlung nach Abnahme und Erteilung der Schlussrechnung unter (BGH, Urt. v. 20.08.2009 – VII ZR 205/07 – NJW 2010, 227; BGH, Urt. v. 15.04.2004 – VII ZR 471/01 – BauR 2004, 1146; OLG Nürnberg, Urt. v. 08.06.2000 – 13 U 77/00 – IBR 2000, 418 (Revision nicht angenommen, vgl. BGH, Beschl. v. 10.05.2001 – VII ZR 317/00); so auch Werner/ Pastor, Der Bauprozess, 15. Aufl., R. 1607, m.w.N.).

Das gilt nach der zuletzt zitierten Entscheidung des BGH allerdings auch bei Schlussrechnungsreife, wenn die Frist für die Stellung der Schlussrechnung nach § 14 Nr. 3 VOB/B abgelaufen ist (so BGH, Urt. v. 20.08.2009 – VII ZR 205/07).

Danach wird man davon ausgehen müssen, dass auch bei Schlussrechnungsreife, mindestens wenn die Frist zur Stellung der Schlussrechnung abgelaufen ist, die Klage auf Abschlagszahlung nicht mehr weiterverfolgt werden kann.