von Thomas Ax
Ein öffentlicher Auftraggeber kann grundsätzlich nicht verpflichtet werden, einen Auftrag auf der Grundlage einer Ausschreibung zu erteilen, die er als fehlerhaft erkannt hat. Eine bereits erfolgte Submission schließt eine solche Fehlerkorrektur nicht aus. Notwendige Voraussetzung für eine vollständige oder auch nur teilweise Aufhebung einer Ausschreibung ist lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine (Teil-) Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder nur zum Schein erfolgt. Gleiches gilt für die Aufhebung einzelner Verfahrensabschnitte des Vergabeverfahrens (horizontale Teilaufhebung), durch die das Vergabeverfahren in einen bestimmten Verfahrensstand zurückversetzt wird.
Nach ständiger Rechtsprechung ist eine (Teil-)Aufhebung und Zurückversetzung des Vergabeverfahrens auch nach Abgabe der Angebote und sogar nach Öffnung der Angebote möglich und vergaberechtlich nicht ausgeschlossen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs müssen Bieter die Aufhebung des Vergabeverfahrens, von engen, hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen, nicht nur dann hinnehmen, wenn sie von einem der in den einschlägigen Bestimmungen der Vergabe- und Vertragsordnungen (wie etwa § 63 VgV oder § 17 Abs. 1 VOB/A EU) aufgeführten Gründe gedeckt und deshalb von vornherein rechtmäßig ist. Vielmehr bleibt es der Vergabestelle grundsätzlich unbenommen, von einem Beschaffungsvorhaben auch dann Abstand zu nehmen, wenn dafür kein in den Vergabe- und Vertragsordnungen anerkannter Aufhebungsgrund vorliegt. Dies folgt daraus, dass die Bieter zwar einen Anspruch darauf haben, dass der Auftraggeber die Bestimmungen über das Vergabeverfahren einhält (§ 97 Abs. 6 GWB), aber nicht darauf, dass er den Auftrag auch erteilt und demgemäß die Vergabestelle das Vergabeverfahren mit der Erteilung des Zuschlags abschließt (BGH, Beschl. v. 20.03.2014 – X ZB 18/13, NZBau 2014, 310; BGH, Urt. v. 05.11.2002 – X ZR 232/00, NZBau 2003, 168 = VergabeR 2003, 163). Bei der rechtlichen Überprüfung einer vollständigen oder auch nur teilweisen Aufhebung eines Vergabeverfahrens ist zwischen der Wirksamkeit und der Rechtmäßigkeit der (Teil-) Aufhebungsentscheidung öffentlicher Auftraggeber zu unterscheiden (Senat, Beschl. v. 12.01.2015 – VII Verg 29/14, juris Rn 24).
Während eine von den Vergabe- und Vertragsordnungen gedeckte und somit rechtmäßige Aufhebung (wie etwa nach § 63 VgV oder § 17 Abs. 1 VOBA EU) zur Folge hat, dass die Aufhebung keine Schadensersatzansprüche wegen eines fehlerhaften Vergabeverfahrens begründet, kann dem Bieter im Falle einer nicht unter die einschlägigen Tatbestände fallenden Aufhebung ein auf die Erstattung des negativen Interesses gerichteter Schadensersatzanspruch zustehen (vgl. BGH, Beschl. v. 20.03.2014 – X ZB 18/13, NZBau 2014, 310; BGH, Urt. v. 09.06.2011 – X ZR 143/10, NZBau 2011, 498 Rn 16- Rettungsdienstleistungen II; Senat, Beschl. v. 12.01.2015 – VII Verg 29/14, juris Rn 24).
Hiervon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Aufhebung eines Vergabeverfahrens wirksam ist. Ein öffentlicher Auftraggeber kann grundsätzlich nicht verpflichtet werden, einen Auftrag auf der Grundlage einer Ausschreibung zu erteilen, die er als fehlerhaft erkannt hat. Dies ist Folge der Vertragsfreiheit, die auch für im Wege öffentlicher Ausschreibungen vergebene Aufträge gilt. Notwendige Voraussetzung für eine vollständige oder auch nur teilweise Aufhebung einer Ausschreibung ist lediglich, dass der öffentliche Auftraggeber für seine (Teil-) Aufhebungsentscheidung einen sachlichen Grund hat, so dass eine Diskriminierung einzelner Bieter ausgeschlossen und seine Entscheidung nicht willkürlich ist oder nur zum Schein erfolgt (BGH, Urt. v. 18.02.2003, X ZB 43/02 – juris Tz. 14; BGH, Urt. v. 05.11.2002, X ZR 232/00 – juris Tz. 19; BGH, Urt. v. 08.09.1998, X ZR 48/97 – juris Rn. 32; Senat, Beschl. v. 12.01.2015 – VII Verg 29/14, juris Rn 25; Senat, Beschl. v. 10.11.2010, VII-Verg 28/10 – juris Rn. 42; Beschl. v. 08.07.2009, VII-Verg 13/09 – juris Rn. 21; Beschl. v. 22.07.2005, VII-Verg 37/05 – juris Rn. 21; Beschl. v. 16.02.2005, VII-Verg 72/04 – juris Rn. 22). Eine bereits erfolgte Submission schließt eine solche Fehlerkorrektur nicht aus. Zwar ist richtig, dass ein transparenter Wettbewerb wegen der damit verbundenen Manipulationsgefahr nicht mit einer im Belieben des Auftraggebers stehenden Wiederholung der Angebotsabgabe zu vereinbaren ist. Es steht aber gerade nicht im Belieben öffentlicher Auftraggeber, vor oder nach Submission den Bietern Gelegenheit zu einer Änderung ihrer Angebote einzuräumen. Dies unterliegt vielmehr uneingeschränkt der Kontrolle der Nachprüfungsinstanzen (Senat, Beschl. v. 12.01.2015 – VII Verg 29/14, juris Rn 23; Senat, Beschl. v. 05.01.2011, VII-Verg 46/10 – juris Rn. 30).
Gleiches gilt für die Aufhebung einzelner Verfahrensabschnitte des Vergabeverfahrens (horizontale Teilaufhebung), durch die das Vergabeverfahren in einen bestimmten Verfahrensstand zurückversetzt wird (vgl. Senat, Beschl. v. 12.01.2015 – VII Verg 29/14, juris Rn 25; Herrmann, in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 4. Aufl., § 63 VgV Rn 11). Wie die Vergabenachprüfungsinstanzen (vgl. § 168 Abs. 1 S. 1 GWB) darf auch die Vergabestelle selbst das Vergabeverfahren in einen bestimmten Stand zurückversetzen.