Ax Vergaberecht

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Kurz belichtet - Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen

von Thomas Ax

Eine Vergabe im Verhandlungsverfahren ohne Teilnahmewettbewerb ist bei für die Allgemeinheit unverzichtbaren Leistungen auch dann möglich, wenn die Dringlichkeit auf Versäumnisse der Vergabestelle zurückzuführen ist; der Aspekt der Zurechenbarkeit und Vorhersehbarkeit tritt dann hinter der Notwendigkeit der Kontinuität der Leistungserbringung zurück (Festhaltung an OLG FFM, Beschluss vom 30. Januar 2014 – 11 Verg 15/13 “Stadtbusverkehr”, juris, Rn 50; entgegen KG, Beschluss vom 10. Mai 2022 – Verg 1/22, juris, Rn. 31 und OLG Bremen, Beschluss vom 1. April 2022 – 2 Verg 1/21, NZBau 2022, 548,Rn. 110). Dies ist in jüngerer Zeit in Abrede gestellt (KG, Beschluss vom 10.05.2022 – Verg 1/22, juris, Rn. 31, nicht tragend) oder bezweifelt (OLG Bremen, NZBau 2022, 548, Rn. 110) worden, jedoch zu bestätigen. In der wert- und insbesondere grundrechtsgebundenen Ordnung des Grundgesetzes und der Unionsverträge muss der Staat immer und unabhängig von früheren Versäumnissen in rechtmäßiger Weise in der Lage sein, auf Notlagen zu reagieren oder sie abzuwenden, mithin unverzichtbare Leistungen zu erbringen. Dies betrifft insbesondere Leistungen zur Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung einschließlich der Daseinsvorsorge. Die besondere Dringlichkeit der (Interims-)Vergabe rechtfertigt es aber auch in diesen Fällen nicht ohne weiteres, dass der Wettbewerb vollständig und auf längere Dauer eingeschränkt wird, indem nur ein einziger von mehreren interessierten Bietern in die Verhandlungen einbezogen wird. Hat es einen vorangehenden Wettbewerb gegeben, ist der öffentliche Auftraggeber, selbst wenn die Voraussetzungen einer besonderen Dringlichkeit vorliegen, gehalten, zumindest die im Wettbewerb über den Auftrag hervorgetretenen Bieter zu beteiligen. Etwas Anderes kann sich nur ausnahmsweise je nach Lage des Falles aus den Umständen der Dringlichkeit ergeben (OLG FFM, Beschluss vom 30. Januar 2014 a.a.O. Rn. 51 m.w.N.).
OLG FFM, Beschluss vom 24. November 2022 – 11 Verg 5/22 –, juris