von Thomas Ax
Eignungskriterien müssen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Der Auftraggeber kann insoweit auch Mindestanforderungen festlegen. Als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers kann der öffentliche Auftraggeber Angaben über die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu fünf abgeschlossenen Kalenderjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind, verlangen. Der öffentliche Auftraggeber kann einen Bieter unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, die mit dem Angebot vorzulegen waren, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, es sei denn, er hat eine Nachforderung ganz oder teilweise ausgeschlossen. Unternehmensbezogene Unterlagen wie Referenzen “fehlen”, wenn sie (körperlich) nicht im Angebot enthalten sind, nicht rechtzeitig vorgelegt wurden oder in formaler Hinsicht mangelhaft sind. Ein inhaltlicher Mangel der Referenzen stellt kein physisches Fehlen von Unterlagen dar.
Eignungskriterien müssen gemäß § 122 Abs. 4 GWB, § 6 EU Abs. 2 Satz 3 VOB/A mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Der Auftraggeber kann insoweit auch Mindestanforderungen (vgl. Art. 58 Abs. 5 Vergaberichtlinie 2014/24/EU) festlegen. Bei der Festlegung der Anforderungen an die Referenzen hat der öffentliche Auftraggeber wie bei der Festlegung weiterer Eignungsanforderungen einen Entscheidungsspielraum (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Juni 2023, Verg 48/22). Als Beleg der erforderlichen technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit des Bewerbers kann der öffentliche Auftraggeber gemäß § 6a EU Nr. 3 a) VOB/A Angaben über die Ausführung von Leistungen in den letzten bis zu fünf abgeschlossenen Kalenderjahren, die mit der zu vergebenden Leistung vergleichbar sind, verlangen. Die Voraussetzungen für eine zulässige Nachforderung von Unterlagen ergeben sich aus § 16a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 EU VOB/A. Der öffentliche Auftraggeber kann danach unter Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung auffordern, fehlende, unvollständige oder fehlerhafte unternehmensbezogene Unterlagen, die mit dem Angebot vorzulegen waren, nachzureichen, zu vervollständigen oder zu korrigieren, es sei denn, er hat von seinem Recht aus § 16a Abs. 3 EU VOB/A Gebrauch- gemacht und eine Nachforderung ganz oder teilweise ausgeschlossen.
Unternehmensbezogene Unterlagen wie Referenzen “fehlen”, wenn sie (körperlich) nicht im Angebot enthalten sind, nicht rechtzeitig vorgelegt wurden oder in formaler Hinsicht mangelhaft sind (vgl. Dittmann in: Röwekamp/Kus/Marx/Port7JPrieß, Kommentar zur VgV, 2. Aufl. 2022, § 56 VgV Rn. 30).
Der Begriff des Korrigierens in § 16a Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 EU VOB/A ist entsprechend der zugrundeliegenden europäischen Vergaberichtlinie 2014/24/EU eng auszulegen. Diese erlaubt in Art. 56 Abs. 3 keine Korrektur einmal eingereichter, materiell unzureichender unternehmensbezogener Unterlagen. Die Vergaberichtlinie spricht nur davon, dass unvollständige, fehlerhafte oder nicht vorhandene Unterlagen übermittelt, ergänzt, erläutert oder vervollständigt werden können. Eine Korrektur einmal eingereichter, fehlerhafter Unterlagen sieht die Richtlinie nicht vor (vgl. Steck in: ZiekowNöllink, Vergaberecht, § 16a VOB/A-EU Rn. 15; zur VgV: Dittmann in: Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 56 Rn. 32; ständige Rechtsprechung zur Nachbesserung: OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 8. Juni 2022, Verg 19/22; vom 28. März 2018, Verg 42/17 sowie 27. November 2013, Verg 20/13). Im Rahmen der Nachforderungsregeln ist die zulässige nachträgliche Vorlage einer “fehlenden” Unterlage von dem Fall zu trennen, dass ein Bieter seinem Angebot. zwar sämtliche geforderten Unterlagen physisch beigefügt hat, diese Unterlagen aber in materieller Hinsicht nicht die Anforderungen des öffentlichen Auftraggebers erfüllen. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn zwar wie gefordert dem Angebot Referenzen beigefügt werden, diese aber nach der Prüfung durch den Auftraggeber dazu führen, dass der Bieter mangels entsprechender Fachkunde ungeeignet ist. Würde man dem Bieter das Nachreichen weiterer neu zu prüfenden Referenzen ermöglichen, käme dies einer inhaltlichen Nachbesserung seines Angebots gleich, die von Sinn und Zweck der Nachforderungs- und Nachreichungsmöglichkeit nicht gedeckt ist (vgl. Dittmann in: Röwekamp/Kus/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VgV, § 56 Rn. 32; Frister in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB, 8. Aufl. 2022, § 16a VOB/A Rn. 20; von Wietersheim in: Ingenstau/Korbion, VOB, 22. Aufl. 2023, § 16a VOB/A, Rn. 21). Nachbesserungen des Angebotsinhalts sind vergaberechtlich unzulässig, weil sie den Grundsätzen der Gleichbehandlung und Transparenz widersprechen (vgl. EuGH, Urteil vom 14. September 2017 – C-223/16). Möglich ist damit nur die Behebung offensichtlicher Unrichtigkeiten, also das Korrigieren von Schreibfehlern, Übertragungsfehlern oder das Erläutern unklarer oder widersprüchlicher Angaben (vgl. Steck in: ZiekowNöllink, Vergaberecht, § 16a VOB/A-EU Rn. 15). Jede weitere Vorlage “passender” Referenzen stellt eine über eine zulässige Aufklärung des Angebots hinausgehende im offenen und nicht offenen Verfahren gemäß § 15 EU Abs. 3 VOB/A unzulässige Nachverhandlung zur Änderung des ursprünglichen Angebots dar. Die Möglichkeit einer Nachforderung scheidet demnach aus, wenn ein Nachweis oder eine geforderte Erklärung nicht körperlich fehlen, sondern lediglich inhaltlich hinter dem Geforderten zurückbleiben. Eine Berücksichtigung nachträglich eingereichter ausgetauschter – Referenzen ist daher nicht zulässig.
Unterlagen, die lediglich inhaltlich unzureichend sind, aber körperlich vorliegen, unterfallen nicht der Nachforderungsregelung. Die Frage, welcher Erklärungswert den maßgeblichen Teilen der Vergabeunterlagen zukommt, ist nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Januar 2014, X ZB 15/13). Dabei ist im Rahmen einer normativen Auslegung auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter beziehungsweise Bewerber, also einen abstrakten Adressatenkreis, abzustellen. Es kommt nicht darauf an, wie die einzelne Bewerberin die Unterlagen verstanden hat, sondern wie der durchschnittliche Bewerber des angesprochenen Bieterkreises sie verstehen musste oder konnte. Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe oder die Abgabe eines Teilnahmeantrags erforderliche Fachwissen verfügt.