Nachgefragt bei … Rechtsanwalt Dr. Thomas Ax
Frage: Wodurch zeichnet sich das neue Vergaberecht für Rheinland-Pfalz nach Verwaltungsvorschrift 2021 aus?
Antwort: Haushalts- und Vergabegrundsätze
Bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen sind die haushaltsrechtlichen Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (§ 7 LHO, § 93 der Gemeindeordnung – GemO – vom 31. Januar 1994 – GVBl. S. 153, BS 2020-1 – in der jeweils geltenden Fassung) zu beachten. Darüber hinaus gelten die Vergaberechtsgrundsätze des Wettbewerbs, der Transparenz, der Wirtschaftlichkeit, der Gleichbehandlung und der Verhältnismäßigkeit. Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale und umweltbezogene Aspekte werden nach Maßgabe dieser Verwaltungsvorschrift und der anzuwendenden Verfahrensvorschriften berücksichtigt.
Anzuwendende Vergabeverfahrensvorschriften
Für öffentliche Aufträge unterhalb der EU-Schwellenwerte gelten § 55 LHO und die Verwaltungsvorschrift zum Vollzug der Landeshaushaltsordnung (VV-LHO) vom 20. Dezember 2002 (MinBl. 2003 S. 22, 324; 2017 S. 340) zu § 55 LHO sowie § 22 GemHVO und die Verwaltungsvorschriften zu § 22 GemHVO entsprechend der Neufassung der Verwaltungsvorschriften zur Durchführung der Gemeindehaushaltsverordnung (GemHVO-VV) vom 17. Januar 2017 (MinBl. S. 105) in ihren jeweils geltenden Fassungen.
Es sind anzuwenden:
a) die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) vom 2. Februar 2017 (BAnz AT 07.02.2017 B1, ber. BAnz AT 08.02.2017 B1) und der Teil B der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL/B) vom 5. August 2003 (BAnz Nummer 178a vom 23.09.2003),
b) die Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) – Ausgabe 2019 – Teil A, Abschnitt 1 vom 19. Februar 2019 (BAnz AT 19.02.2019 B2), Teil B vom 7. Januar 2016 (BAnz AT 19.01.2016 B3, ber. BAnz AT 01.04.2016 B1) und Teil C in der Fassung der Allgemeinen Technischen Vertragsbedingungen für Bauleistungen (ATV), herausgegeben als DIN-Normen, Ausgabe September 2016, in der jeweils geltenden Fassung, sofern in dieser Verwaltungsvorschrift keine abweichenden oder ergänzenden Regelungen getroffen sind. Die Vergabe- und Vertragsordnungen stehen im Internet unter bmwi.de unter der Rubrik „Öffentliche Aufträge und Vergabe“ und www.fib-bund.de unter der Rubrik „Vergabe“ zur Verfügung.
Öffentliche Auftraggeber im Unterschwellenbereich
Öffentliche Auftraggeber im Sinne der Verwaltungsvorschrift 2021 sind:
a) das Land und die landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die § 55 LHO unmittelbar oder nach § 105 LHO zu beachten haben,
b) die kommunalen Gebietskörperschaften und ihre juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die § 22 GemHVO unmittelbar oder durch Verweisung auf diese Bestimmung zu beachten haben.
Binnenmarktrelevanz
Bei binnenmarktrelevanten öffentlichen Aufträgen und Konzessionen kann sich die Verpflichtung zur Einhaltung der Grundsätze der Transparenz und Gleichbehandlung aus dem primären Unionsrecht ergeben. In diesen Fällen sind die Auftragsbekanntmachung und die Vergabeunterlagen diskriminierungsfrei auszugestalten, so dass in der Europäischen Union niedergelassene Unternehmen die Möglichkeit haben, ihr Interesse zu bekunden und am Wettbewerb teilzunehmen.
Auf die Mitteilung der Kommission vom 1. August 2006 zu Auslegungsfragen in Bezug auf das Gemeinschaftsrecht, das für die Vergabe öffentlicher Aufträge gilt, die nicht oder nur teilweise unter die Vergaberichtlinien fallen (ABl. EU Nr. C 179 S. 2), wird hingewiesen.
Vergabehandbücher
Die mit der Durchführung von Bauaufgaben betrauten Dienststellen werden im Hinblick auf eine ordnungsgemäße und wirtschaftliche Beschaffung hingewiesen auf:
a) das „Vergabe- und Vertragshandbuch für die Durchführung von Bauaufgaben des Bundes“,
b) das „Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-StB)“,
c) das „Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Lieferungen und Leistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA L-StB)“ sowie
d) das „Handbuch für die Vergabe und Ausführung von freiberuflichen Leistungen der Ingenieure und Landschaftsarchitekten im Straßen- und Brückenbau (HVA F-StB)“.
Vergabeverfahrensarten
Die Vergabe von öffentlichen Aufträgen erfolgt grundsätzlich nach öffentlicher Ausschreibung oder beschränkter Ausschreibung mit Teilnahmewettbewerb (§ 55 Abs. 1 LHO, § 22 Abs. 1 GemHVO, § 8 Abs. 2 Satz 1 UVgO, § 3 a Abs. 1 Satz 1 VOB/A). § 8 Abs. 3 und 4 UVgO und § 3 a Abs. 2 und 3 VOB/A bestimmen die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine beschränkte Ausschreibung ohne Teilnahmewettbewerb und die Verhandlungsvergabe oder freihändige Vergabe.
Auftragswertgrenzen
Bei öffentlichen Aufträgen über Liefer- und Dienstleistungen sind ohne weitere Einzelbegründung zulässig:
a) Verhandlungsvergaben bis zu 40.000 Euro (§ 8 Abs. 4 Nr. 17 UVgO),
b) beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb bis zu 80.000 Euro.
Bei öffentlichen Aufträgen über Bauleistungen sind ohne weitere Einzelbegründung zulässig:
a) freihändige Vergaben bis zu 40.000 Euro (abweichend von § 3 a Abs. 3 Satz 2 VOB/A),
b) beschränkte Ausschreibungen ohne Teilnahmewettbewerb bis zu 200.000 Euro (abweichend von § 3 a Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c VOB/A).
Für die Einhaltung der Auftragswertgrenzen ist der objektiv geschätzte Auftragswert (ohne Umsatzsteuer) zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens maßgebend. Die Schätzung des Auftragswerts oder Aufteilung des Auftrags in Gewerke/Lose darf nicht in der Absicht erfolgen, die Wertgrenzen zu unterschreiten. Die Auftragswerte beziehen sich auf den im jeweiligen Vergabeverfahren angestrebten zivilrechtlichen Vertrag. Werden z. B. die Bauleistungen für etwa die Herstellung eines beabsichtigten Bauvorhabens in mehreren Losen vergeben, ist – insofern abweichend von § 3 Abs. 7 VgV – der Auftragswert des jeweiligen Loses maßgeblich.
Das für die Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens zuständige Ministerium kann die Auftragswertgrenzen für beschränkte Ausschreibungen und Verhandlungsvergaben oder freihändige Vergaben befristet erhöhen:
a) im Rahmen konjunkturfördernder Maßnahmen,
b) zur Bewältigung von Krisensituationen.
Direktauftrag
Die Beschaffung von Liefer-, Dienst- und Bauleistungen ist unter Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens bis zu einem voraussichtlichen Auftragswert von 3.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) zulässig. Hierzu empfiehlt sich, eine Markterkundung (z. B. Preisrecherche) durchzuführen.
Vergabe freiberuflicher Leistungen
Allgemeine Grundsätze
Bei der Vergabe von Leistungen, die im Rahmen einer freiberuflichen Tätigkeit erbracht oder im Wettbewerb mit freiberuflich Tätigen angeboten werden (§ 50 UVgO) ist Abschnitt 1 Unterabschnitt 1 (§§ 1 bis 6) und § 44 UVgO anzuwenden. Die Aufträge sind an solche Leistungserbringer zu vergeben, deren Eignung feststeht und bei denen Ausschlussgründe nach § 31 Abs. 1 UVgO in Verbindung mit §§ 123 und 124 GWB nicht vorliegen. Bei der Auftragsvergabe ist ohne Bindung an die übrigen Bestimmungen der Unterschwellenvergabeordnung ein wettbewerbsoffenes Verfahren durchzuführen.
Sofern es im Einzelfall nach der Natur des Geschäfts oder aufgrund besonderer Umstände im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Vergabe geboten erscheint, darüber hinaus gehende wettbewerbliche Anforderungen zu stellen, kann die Vergabestelle hierbei auch auf weitere Bestimmungen der Unterschwellenvergabeordnung zurückgreifen. Nur wenn zwingende Gründe vorliegen (z. B. besondere Dringlichkeit oder unverhältnismäßiger Aufwand) kann mit nur einem Unternehmen ohne Aufforderung weiterer Unternehmen zur Abgabe eines Angebotes verhandelt werden. Die Inanspruchnahme dieser Ausnahme ist besonders zu dokumentieren.
Planungsleistungen
Planungsleistungen von Architekten und Ingenieuren (Grundleistungen, Beratungsleistungen wie Umweltverträglichkeitsstudien und Besondere Leistungen wie Bedarfsplanung und Bedarfsermittlung nach § 3 Abs. 1 bis 3 der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure – HOAI – vom 10. Juli 2013 – BGBl. I S. 2276 –, geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 2. Dezember 2020 – BGBl. I S. 2636 –) dürfen bis zu einer Auftragswertgrenze von 25.000 Euro (ohne Umsatzsteuer) auch ohne Aufforderung weiterer Planungsbüros zur Abgabe eines Angebots mit nur einem Planungsbüro verhandelt werden. § 30 UVgO gilt entsprechend. § 77 VgV gilt entsprechend. Die Vergütung ist den Unternehmen vor Ausarbeitung der zusätzlichen Unterlagen zur Kenntnis zu geben. Die Vergütung kann entweder mit der Bekanntmachung oder mit der Aufforderung zur Angebotsabgabe festgesetzt werden. In solchen Fällen eignet sich auch, ein zweistufiges Verfahren durchzuführen.
Rahmenvereinbarungen
Für die Vergabe von freiberuflichen Leistungen kann in geeigneten Fällen das Instrument der Rahmenvereinbarung genutzt werden.
Vergabe von Konzessionen im Unterschwellenbereich
Baukonzessionen
Für die Vergabe von Baukonzessionen unterhalb des EU-Schwellenwertes sind die Bestimmungen über die Vergabe von Bauleistungen sinngemäß anzuwenden (§ 23 VOB/A).
Dienstleistungskonzessionen
Dienstleistungskonzessionen unterhalb des EU-Schwellenwertes sind in einem wettbewerbsoffenen Verfahren zu vergeben.
Regelungen für ein wettbewerbsoffenes Verfahren
Bei der Durchführung eines wettbewerbsoffenen Verfahrens ist Folgendes zu beachten:
a) es sind grundsätzlich wenigstens drei geeignete Unternehmen zur Angebotsabgabe aufzufordern, sofern nicht zwingende Gründe dagegensprechen,
b) bei wiederkehrenden Vergaben soll der Kreis der Unternehmen, die zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert werden, möglichst gewechselt werden, c) der Wettbewerb darf nicht auf Unternehmen beschränkt werden, die in bestimmten Regionen oder Orten ansässig sind,
d) der Zuschlag erfolgt auf das wirtschaftlichste Angebot,
e) die einzelnen Schritte der Vergabe, insbesondere die Beachtung des Wechselgebots sind zu dokumentieren.
Anforderungen an Unternehmen
Eignung, Zuverlässigkeit und Nichtvorliegen von Ausschlussgründen
Bieter und Bewerber müssen im Interesse einer sachgerechten Auftragserfüllung nachweisen, dass sie fachkundig und leistungsfähig sind. Bei Bauleistungen ist zudem zu prüfen, ob sie zuverlässig sind, bei Liefer- und Dienstleistungen darf kein Ausschlussgrund im Sinne der §§ 123 oder 124 GWB vorliegen. Ergänzend zu §§ 31 bis 36 UVgO und §§ 6 a und 6 b VOB/A müssen die zur ordnungsgemäßen Ausführung des Auftrags erforderlichen Anforderungen mit dem Auftragsgegenstand in Verbindung und zu diesem in einem angemessenen Verhältnis stehen. Sie sind bei öffentlichen Ausschreibungen und Verfahrensarten mit Teilnahmewettbewerb bereits in der Auftragsbekanntmachung, bei den übrigen Vergabearten in den Vergabeunterlagen aufzuführen. Der öffentliche Auftraggeber kann abweichend von § 6 a Abs. 5 VOB/A auch oberhalb eines Auftragswertes von 10.000 Euro auf Angaben nach § 6 a Abs. 2 Nr. 1 bis 3, 5 und 6 VOB/A verzichten, wenn dies durch Art und Umfang des Auftrags gerechtfertigt ist.
Nachweis der Eignung
Als Nachweis der Eignung dürfen nur solche Unterlagen (Eigenerklärungen, Angaben, Bescheinigungen und sonstige Nachweise) gefordert werden, die durch den Gegenstand des Auftrags gerechtfertigt sind und sich aus der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen ergeben. Eigenerklärungen sind grundsätzlich ausreichend. Auf die Vorlage von Einzelnachweisen soll verzichtet werden, soweit die Vergabestelle bereits im Besitz dieser Nachweise ist.
Präqualifizierung
Sind zu der Eignung als Auftrag nehmendes Unternehmen Nachweise zu führen und sind diese
a) in einem anerkannten Register eines Mitgliedstaates der Europäischen Union oder eines nach dem Recht der Europäischen Union gleichgestellten Vertragsstaates oder
b) in der Liste des anerkannten Vereins für Präqualifikation von Bauunternehmen e. V. (https://www.pq-verein.de/) oder c) im Präqualifikationsregister der Auftragsberatungsstelle Hessen e. V. (https://www.absthessen.de/hpqr.html) oder d) im amtlichen Verzeichnis der Industrie- und Handelskammern (https://amtliches-verzeichnis.ihk.de/) hinterlegt und nicht älter als 13 Monate, sollen die Vergabestellen diese Bescheinigungen wie individuelle Einzelnachweise zulassen und anerkennen, wenn die geprüften Einzelnachweise nach Form und Inhalt den geforderten Eignungsnachweisen entsprechen. Der öffentliche Auftraggeber zieht Eintragungen und Angaben in zugelassenen Bescheinigungen nur in begründeten Fällen in Zweifel (Eignungsvermutung). Das Präqualifikationsverfahren im Liefer- und Dienstleistungsbereich ist dezentral nach Bundesländern organisiert. Die Präqualifizierung nehmen Industrie- und Handelskammern oder die von ihnen getragenen Auftragsberatungsstellen vor (PQ-Stellen). Die Industrie- und Handelskammer Wiesbaden führt für die Länder Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland ein amtliches Verzeichnis für präqualifizierte Unternehmen nach § 35 Abs. 6 UVgO.