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OLG Düsseldorf: Streit über die Frage, ob der Vorschuss nach einer günstigeren oder teureren Mängelbeseitigungsmethode zu bemessen ist darf nicht dem Verfahren über die Abrechnung des Vorschusses vorbehalten bleiben

von Thomas Ax

Der Vorschussanspruch ist nach den voraussichtlich anfallenden erforderlichen Aufwendungen zu bemessen. Maßgeblich sind die mit überwiegender Wahrscheinlichkeit entstehenden Kosten. Die Zubilligung des Mindestbetrages würde den Besteller zu stark beschränken und dazu führen, dass regelmäßig Vorschuss nachgefordert werden müsste. Die Zubilligung des Höchstbetrages (also: welche Kosten entstehen für die Mangelbeseitigung, wenn der denkbar schlechteste Fall eintritt) bedeutete demgegenüber ein großes Insolvenzrisiko für den Unternehmer (Halfmeier FS Leupertz 195, 200 f.; Halfmeier BauR 2022, 830, 833, BeckOGK/Rast, 01.10.2022, § 637 Rn. 206; Rodemann NZBau 2022, 713). Der Vorschussanspruch ist zu schätzen. Genauere Feststellungen zur Höhe von Vorschuss sind entbehrlich, weil über den Vorschuss abzurechnen ist (BGH, Urt. v. 22.02.2001 – VII ZR 115/99, NZBau 2001, 313).
Streiten die Parteien über die Frage, ob der Vorschuss nach einer günstigeren oder teureren Mängelbeseitigungsmethode zu bemessen ist, muss grundsätzlich darüber Beweis erhoben werden, ob der Mangel nur mit der teureren Methode behoben werden kann. Dieser Streit darf jedenfalls bei erheblichen Unterschieden zwischen den zu erwartenden Kosten nicht dem Verfahren über die Abrechnung des Vorschusses vorbehalten bleiben (Senat, Urt. v. 13.01.2017 – 22 U 134/16, NZBau 2017, 280; OLG Düsseldorf, Urt. v. 30.08.2011 – 21 U 157/10, BauR 2012, 1680).

Das bedeutet allerdings nicht, dass schon im Vorschussprozess abschließend festgelegt würde, wie der Mangel später zu beseitigen ist. Die Frage, wie der Mangel zu beseitigen ist, ist lediglich Vorfrage für die Bemessung des Vorschussanspruchs. An der Rechtskraft der Entscheidung nimmt diese Vorfrage nicht teil (OLG Hamburg, Urt. v. 19.02.2015 – 4 U 111/13, NZBau 2016, 29 Rn. 75; Rodemann NZBau 2022, 713, 715). Soweit dem Urteil des Senats vom 13.01.2017 – 22 U 134/16 (NZBau 2017, 280 Rn. 10) etwas anderes entnommen werden könnte, wird hieran nicht festgehalten.
Wenn es auch im Ausgangspunkt zutreffend sein mag, dass der Besteller die Darlegungs- und Beweislast für die Höhe der Mangelbeseitigungskosten trägt, so müssen bei der Bemessung von Vorschuss indessen auch weitere Aspekte berücksichtigt werden. Bei durchgeführter Mangelbeseitigung sind auch überhöhte Kosten der Mangelbeseitigung zu ersetzen, wenn sie der Besteller für erforderlich halten durfte. Die Ersatzpflicht des Unternehmers endet erst an der Grenze des Mitverschuldens. Das gilt ebenso für die Art der Mangelbeseitigung. Der Besteller darf sich auf die Beratung von Fachleuten verlassen und er muss nicht eine Methode der Mangelbeseitigung wählen, deren Erfolg unsicher ist (BGH, Urt. v. 07.03.2013 – VII ZR 119/10, NJW 2013, 1528; BeckOK/Voit BGB § 637 Rn. 9). Der Besteller kann schließlich die Mängelbeseitigungsmethode wählen, die Mängel sicher und nachhaltig beseitigt. Er muss sich nicht auf Experimente einlassen (OLG Hamburg, Urt. v. 05.11.2015 – VII ZR 144/14, NZBau 2016, 29 Rn. 75). Das darf bei der Beurteilung des Vorschussanspruchs nicht außer Acht gelassen werden. Der Vorschussanspruch ist der vorweggenommene Anspruch wegen der Kosten der Ersatzvornahme. Für die Zubilligung von Vorschuss können daher keine strengeren Anforderungen gelten als für die Zubilligung der Kosten der Ersatzvornahme (OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.02.2020 – 23 U 127/19, BeckRS 2020, 60838). Für den fiktiven Schadensersatz hat der BGH ausgeführt, dass sich die Ersatzfähigkeit von Maßnahmen und Kosten an den Möglichkeiten orientiert, die der Besteller im Rahmen der Schadensminderungspflicht nutzen muss (BGH, Urt. v. 10.04.2003 – VII ZR 251/02, NJW-RR 2003, 878).

Der Vorschussanspruch wird zugesprochen, um den Besteller in den Stand zu setzen, Mängel beseitigen zu können. Die Planung ist Teil dieser Mängelbeseitigung und auch die Planungskosten soll der Besteller durch den Vorschuss abdecken können. Müsste die Planung der Mangelbeseitigung schon im Rechtsstreit erfolgen – um die Höhe der Mangelbeseitigungskosten zu klären – so würde ein Teil der Mangelbeseitigung schon im Rechtsstreit geleistet und müsste von dem Besteller letztlich doch vorfinanziert werden, weil er für die entsprechenden Feststellungen des Sachverständigen Vorschüsse leisten muss. Eine Planung der Mängelbeseitigung mit erheblicher Planungstiefe ist auch nicht deshalb erforderlich, weil die konkrete Art der Mangelbeseitigung durch das Vorschussurteil festgelegt würde. Wie bereits dargelegt, nehmen Feststellungen zur Art und Weise der Mangelbeseitigung nicht an der Rechtskraft teil und binden für das Abrechnungsverfahren nicht.
OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.01.2023 – 22 U 300/21