vorgestellt von Thomas Ax
1. Der Besteller eines Werks das Recht, einen Werkmangel selbst zu beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen zu verlangen, wenn er dem Unternehmer zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und diese erfolglos abgelaufen ist.
2. Der Unternehmer kann die Nacherfüllung verweigern, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Unverhältnismäßigkeit in diesem Sinn ist in aller Regel nur dann anzunehmen, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht.
3. Hat der Besteller objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags, kann ihm der Unternehmer regelmäßig die Nachbesserung wegen hoher Kosten der Mängelbeseitigung nicht verweigern.
4. Die von einem Besteller vorformulierte Klausel, wonach die Gewährleistungsfrist für Mängel fünf statt zwei Jahre beträgt, benachteiligt den Unternehmer nicht unangemessen, wenn ein Werk herzustellen ist, bei dem Mängel häufig vorkommen und erfahrungsgemäß oft erst später als fünf Jahre nach der Abnahme auftreten.
OLG Jena, Urteil vom 11.07.2023 – 7 U 328/20
vorhergehend:
LG Gera, 02.03.2020 – 11 HK O 84/19
Gründe
I.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 313 á Abs. 1 Satz 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist statthaft (§ 511 ZPO) und auch im Übrigen in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 517, 519, 520 Abs. 2, 3 ZPO).
Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klage ist begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Ersatz der Aufwendungen der Selbstvornahme gemäß §§ 631, 633 Abs. 2, 634 Nr. 2, 637 Abs. 1 BGB zu.
Danach hat der Besteller eines Werkes das Recht, einen Mangel des Werkes selbst zu beseitigen und Ersatz der erforderlichen Aufwendungen zu verlangen, wenn er dem Unternehmer zuvor eine angemessene Frist zur Nacherfüllung gesetzt hat und diese erfolglos abgelaufen ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
1. Zwischen den Parteien ist ein Werkvertrag über die Reparatur von Sicherungsventilen der Kälteanlage der Klägerin zustande gekommen. Die Beklagte hat das Angebot der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 31.01.2017 konkludent durch Ausführung der Arbeiten und der Bestätigung in dem Arbeitsnachweis angenommen.
Das Werk ist mit einem Sachmangel behaftet. Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der plausiblen Ausführungen des Sachverständigen ### seinem Gutachten vom 19.08.2022 (Bl. 160 ff d.A.).
Der Sachverständige hat konstatiert, gewechselt worden seien Sicherheitsventile mit Wechselbrücke – Hochdruck – sowie Sicherheitsventile – Niederdruck -. Dabei habe die Beklagte zur Abdichtung der Verschraubungen ein Teflonband verwendet, welches für die Ausführungen der Arbeiten jedoch nicht geeignet gewesen sei. Denn die Anlage sei mit dem Kältemittel R407C befüllt gewesen. Jenes habe Bestandteile von Difluormethan, Tetrafluormethan und Pentafluormethan, die dazu beitragen, dass sich das verbaute Teflonband nach längerer Zeit und je nach Kontakt zersetze und in der Folge undicht werde. Auch sei bei den bestehenden Betriebszuständen mit einem Kältemittelverlust langfristig zu rechnen gewesen. Die Teflon-Datenblätter zeigten, bis zu welchem Druckbereich das Dichtband verwendet werden könne, z. B. Druckbereich Gas < = 5 bar, Druckbereich Flüssig < = 20 bar. Nach der Drucktabelle für das Kältemittel liege allerdings bei einer Temperatur ab 3 °C der Druck auf der Saugseite über 5 bar. Mit diesem Betriebszustand sei aufgrund des Druckausgleiches zu rechnen gewesen, wenn die Anlage stehe oder nicht in Betrieb sei (Saug- und Druckseite). Bei diesen Betriebszuständen sei somit mit einem Kältemittelverlust langfristig zu rechnen gewesen.
Indes hat der Sachverständige den weiteren von der Klägerin geltend gemachten Mangel einer fehlenden Aufhängung oder Halterung nicht bestätigt. Der Sachverständige hat ausgeführt, eine wie klägerseits geforderte zusätzliche Halterung sei jedenfalls nicht erforderlich gewesen sei, da auftretende Schwingungen nach Wechseln der Wechselbrücken nicht aufgetreten seien.
Der Senat folgt den Ausführungen der Sachverständigen ### hat in seinem Gutachten prägnant die Beweisfrage beantwortet und ist dabei von zutreffenden Anschlusstatsachen ausgegangen. Die Ausführungen sind verständlich, in sich schlüssig und überzeugen den Senat. Zweifel an der Fachkompetenz des Sachverständigen haben sich nicht ergeben und werden von den Parteien auch nicht geltend gemacht.
Soweit die Beklagte indes erstmals mit Schriftsatz vom 13.07.2023 Einwendungen gegen das Gutachten des Sachverständigen ### vom 19.08.2022 erhebt, sind diese gemäß §§ 411 Abs. 4 Satz 2, 296 Abs. 1 ZPO und nach § 296a ZPO präkludiert.
Danach sind Einwendungen gegen ein Gutachten, die erst nach Ablauf einer zu ihrer Geltendmachung gesetzten Frist vorgebracht werden, nur zuzulassen, wenn hierdurch der Rechtsstreit nicht wesentlich verzögert würde oder wenn die Partei die Verzögerung genügend entschuldigt. Vorliegend wurde den Parteien das Gutachten vom 19.08.2022 gemäß Verfügung vom 29.08.2022 übersandt und ihnen unter Hinweis auf die Folgen einer Verzögerung eine Frist zur Erhebung von Einwänden und Stellung von Anträgen und Ergänzungsfragen bis zum 26.09.2022 gesetzt. Erst nahezu 10 Monate nach Ablauf der Frist und zudem nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung hat die Beklagte eingewandt, dass nicht ersichtlich und nachvollziehbar sei, woher der Sachverständige die Information zum verwendeten Teflonband nehme. Eine Zulassung dieses Einwands, dessen verspätetes Vorbringen nicht entschuldigt wird, würde den Rechtsstreit erheblich verzögern, da er einen Wiedereintritt in die mündliche Verhandlung und eine schriftliche oder mündliche Ergänzung des Gutachtens erfordern würde. Auch ist die Verhandlung nicht nach §§ 296a, 156 ZPO von Amts wegen wieder zu eröffnen, denn der Senat teilt den Beweiseinwand der Beklagten nicht. Die Erläuterung zur Ungeeignetheit des verbauten Teflonbandes sind plausibel; es besteht kein Anlass, an den fachlichen Ausführungen zu zweifeln.
Fazit der Beweiserhebung ist eine mangelhafte Werkleistung der Beklagten. Jene hat die Klägerin mit Schreiben vom 05.03.2019 angezeigt und eine Frist zur Mangelbeseitigung bis zum 30.03.2019 gesetzt.
Letztmalig wurde die Beklagte zur Beseitigung des Mangels mit Schreiben vom 21.03.2019 unter Fristsetzung zum 05.04.2019 – indes fruchtlos – aufgefordert.
Dem Umfang nach besteht der Anspruch in geltend gemachter Höhe. Die Klägerin beauftragte eine Fremdfirma mit der Beseitigung der Undichtigkeit, die dafür 6.705,50 Euro netto in Rechnung stellte. Unter Abzug des Gewährleistungseinbehaltes aus dem ursprünglichen Auftrag ergibt sich die Forderung der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 6.341,55 Euro. Der Klägerin steht der Anspruch in dieser Höhe zu, auch wenn der Sachverständige Mängel nicht auch mit Bezug auf die Halterung festgestellt hat. In der Rechnung findet sich hinsichtlich der Halterung nämlich kein Ansatz, dass im Zusammenhang mit der Anbringung derselben überhaupt Kosten geltend gemacht wurden.
Die Beklagte hat die Nacherfüllung auch nicht zu Recht verweigert gemäß § 637 Abs. 1 letzter Halbsatz BGB. Danach kann der Unternehmer die Nacherfüllung verweigern, wenn sie einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert. Unverhältnismäßigkeit in diesem Sinne ist in aller Regel nur dann anzunehmen, wenn einem objektiv geringen Interesse des Bestellers an einer mangelfreien Vertragsleistung ein ganz erheblicher und deshalb vergleichsweise unangemessener Aufwand gegenübersteht. Hat der Besteller objektiv ein berechtigtes Interesse an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrages, kann ihm der Unternehmer regelmäßig die Nachbesserung wegen hoher Kosten der Mängelbeseitigung nicht verweigern.
Der Einwand der Unverhältnismäßigkeit ist nur dann gerechtfertigt, wenn das Bestehen auf ordnungsgemäßer Vertragserfüllung im Verhältnis zu dem dafür erforderlichen Aufwand unter Abwägung aller Umstände einen Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt. Von Bedeutung bei der gebotenen Abwägung ist auch, ob und in welchem Ausmaß der Unternehmer den Mangel verschuldet hat (BGH, Urteil vom 10.11.2005 – VII ZR 64/04, BauR 2006, 377 = ZfBR 2006, 154 = NZBau 2006, 110 m.w.N.). Nach diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für eine Unverhältnismäßigkeit der Nachbesserung vorliegend nicht gegeben. Zwar übersteigen die Kosten der Mangelbeseitigung in Höhe von 6.704,50 Euro netto, die Auftragssumme in Höhe von 6.100,00 Euro netto. Da vorliegend mit der Mangelbeseitigung aber die Funktionsfähigkeit der Klimaanlage wieder hergestellt wurde und diese für das Gebäude der Klägerin eine wichtige Anlage darstellt, ihr insbesondere für die Funktion und den Betrieb der gesamten Immobilie der Klägerin eine wesentliche Bedeutung zukommt, sich somit die Reparatur der Klimaanlage auf die Funktionsfähigkeit der gesamten Anlage auswirkt und diese weitaus werthaltiger ist, ist das Interesse der Klägerin an der Mangelbeseitigung objektiv berechtigt.
2. Der Geltendmachung des Zahlungsanspruch steht nicht die Einrede der Verjährung entgegen (§ 214 BGB).
Grundsätzlich richtet sich die Verjährung nach § 634 a Abs. 1 Nr. 1 BGB und beträgt damit zwei Jahre. Das Landgericht ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, dass es sich nicht um Arbeiten an einem Bauwerk mit der Folge einer fünfjährigen Verjährungsfrist nach § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB handelt.
Vorliegend ist die Verjährung jedoch abweichend geregelt worden, indem der Rechtsvorgänger der Beklagten mit Auftrag vom 31.01.2017 ein Angebot unterbreitet hat, in dem unter Teil B Ziff. 4 ausgeführt ist: “Die Gewährleistungszeit beträgt gemäß BGB fünf Jahre“. Die Klägerin hat dieses Angebot konkludent angenommen, indem sie die Arbeiten ausgeführt hat.
Die in dem Auftrag vom 31.01.2017 getroffene Regelung ist, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, als Allgemeine Geschäftsgrundlage (AGB) zu werten. Es ist nicht von einem bloßen Verweis auf die gesetzlichen Regelungen auszugehen.
Diese Klausel verstößt jedoch entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht gegen § 307 BGB; sie benachteiligt die Klägerin nicht unangemessen.
Eine unangemessene Benachteiligung ist gemäß § 307 Abs. 2 BGB im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu vereinbaren ist oder wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt werden, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
Die Klausel ist hierbei objektiv auszulegen. Damit ist gemeint, dass der Sinngehalt der AGB-Klausel “nach objektiven Maßstäben, losgelöst von der zufälligen Gestaltung des Einzelfalles und den individuellen Vorstellungen der Vertragsparteien, unter Beachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise” zu ermitteln ist (MüKo, BGB, 9. Aufl., 305c Rn.34). Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders.
Entgegen der Ansicht der Beklagten, wonach die Regelung widersprüchlich sei, da der klägerische Anspruch nach den Vorschriften des BGB in zwei Jahren verjähren würde und Zweifel zu Lasten des Verwenders und somit zu Lasten der Beklagten gehen würden, sind vorliegend die Voraussetzungen der Unklarheitenregelung nach § 305c Abs. 2 BGB gerade nicht gegeben. Dabei ist es unschädlich, dass die Bezugnahme auf die Regelung des BGB sachlich falsch ist, denn ausdrücklich formuliert ist eine fünfjährige Frist. Bei der Formulierung einer fünfjährigen Frist ist objektiv erkennbar, was gemeint war. Letzteres musste auch die Beklagte erkennen. Das Benennen einer fünfjährigen Gewährleistungsfrist ist nämlich eindeutig und bedarf deshalb keiner Auslegung. Daran ändert auch nichts der ergänzende Hinweis “gemäß BGB“. Dieser, unbestimmte, weil keine konkrete Norm benennende und eine rechtliche Würdigung erfordernde Hinweis erhält gegenüber der klaren, eindeutigen und unmissverständlichen Formulierung der Verjährungsfrist von fünf Jahren kein Gewicht.
Auch wenn die Klausel von der gesetzlichen Regelfrist abweicht, indem sie die in § 638 Abs. 1 BGB für Bauwerke vorgesehene Verjährungsfrist von zwei Jahren auf fünf Jahre verlängert, ist diese Abweichung von der gesetzlichen Regelung vorliegend. durch besondere Interessen des Auftraggebers gerechtfertigt (BGH, Urteil vom 09.05.1996 – VII ZR 259/94 -, BGHZ 132, 383-389, Rn. 25; OLG München, Urteil vom 19.06.2012 – 5 U 3445/11). Die in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes entwickelten Grundsätze haben auch noch unter der gegenwärtigen Rechtslage Gültigkeit (OLG Köln, Urteil vom 28.07.2016 – 7 U 179/15). Tragender Gesichtspunkt für die Abwägung ist dabei eine angemessene Risikoverteilung. Der Verwender muss besondere Gründe vorbringen, die die Abweichung von der Regelverjährungsfrist rechtfertigen. Beispielhaft werden insoweit genannt: produktspezifische Besonderheiten (BGH NJW 1996, 2155, 2156 Flachdächer), eine fehlende Prüfungsmöglichkeit, Notwendigkeit langer Lagerhaltung (BGH NJW 2006, 47, 48 Baumarkt). Nicht ausreichend ist der Verweis auf noch fortbestehende Regresslücken.
Als Abwägungskriterien herangezogen wird weiter die Überlegung, ob häufig vorkommende und erfahrungsgemäß oft erst später als fünf Jahre nach der Abnahme auftretende Mängel vorliegen. Vorliegend handelt es sich um ein beiderseitiges Handelsgeschäft und der Klimaanlage kommt für die Funktion und den Betrieb der Immobilie der Klägerin eine wesentliche Bedeutung zu. Da es sich bei den Arbeiten an der Klimaanlage um eine für das Gebäude wichtige Anlage handelt, war es nicht sachfremd, sondern entsprach es vielmehr einer angemessenen Risikoverteilung, die Verjährungsfrist zu verlängern.
3. Der Zinsanspruch ist gerechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Verzuges gemäß §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 Nr.3, 288 Abs. 2 BGB. Die Beklagte hat die Mangelbeseitigung und eine Kostenübernahme von einer Drittfirma, hier die Rechnung vom 31.05.2019, abgelehnt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit findet Ihre Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 10, 711, 713, 544 Abs, 2 Nr. 1 ZPO.
Die Revision ist nicht zuzulassen, § 543 Abs. 2 ZPO.