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OLG Saarbrücken: Zwischen Gebäudeeigentümer als Anschlussnehmer und Abwasserentsorgungsbetrieb geschlossener öffentlich-rechtlicher Entsorgungsvertrag entfaltet Schutzwirkung zugunsten des Mieters des dem Anschlussnehmer gehörenden Gebäudes

vorgestellt von Thomas Ax

Ein kommunaler Abwasserentsorgungsbetrieb hat die Abwasserkanäle regelmäßig zu warten und instand zu halten. Verletzt er diese Verpflichtung und kommt es aufgrund einer Verstopfung auf dem Grundstück eines Anschlussnehmers zu einem Wasserschaden, ist der Abwasserentsorgungsbetrieb zum Ersatz des dadurch entstehenden Schadens verpflichtet. Ein zwischen einem Gebäudeeigentümer als Anschlussnehmer und einem Abwasserentsorgungsbetrieb geschlossener öffentlich-rechtlicher Entsorgungsvertrag entfaltet Schutzwirkung zugunsten des Mieters des dem Anschlussnehmer gehörenden Gebäudes.

 

OLG Saarbrücken, Urteil vom 12.03.2020 – 4 U 47/18
vorhergehend:
LG Saarbrücken, 12.06.2018 – 4 O 422/15
nachfolgend:
BGH, Beschluss vom 21.10.2020 – VII ZR 50/20 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen)

 

Gründe:

 

I.

 

Die Parteien streiten um Ansprüche der Klägerin aus übergegangenem Recht (§ 86 VVG) wegen eines Wasserschadens, der am 20.06.2012 in der Arztpraxis des Dr. med. M. F. aufgetreten ist.

 

Die Klägerin ist Ertragsausfallversicherer von Herrn Dr. med. M. F. (im folgenden VN der Klägerin), der in dem Gebäude … im Souterrain eine Arztpraxis gemeinsam mit der Zeugin S. B. betreibt (Versicherungspolice: Blatt 139 ff. der Akte); das Innenverhältnis der Praxis wurde nicht offengelegt. Eigentümerin des Gebäudes und Vermieterin ist die Zeugin U. P., die in dem Anwesen im Übrigen das Hotel „P.“ betreibt. In dem zwischen dem VN der Klägerin und der Zeugin P. zum 01.01.1998 geschlossenen Mietvertrag (Blatt 173 der Akte) heißt es unter anderem:

 

§ 13 Haftung des Vermieters:

 

Schadensersatzansprüche des Mieters wegen anfänglicher oder nachträglicher Mängel der Mietsache sind ausgeschlossen, es sei denn, dass der Vermieter Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat.

 

Am 20.06.2012 kam es in dem Anwesen … zu einem Wasserschaden, weil Abwasser in das Souterrain, wo sich die Arztpraxis befindet, eindrang und Wände durchfeuchtete. Ursache hierfür war – jedenfalls auch – eine durch Wurzeleinwuchs verursachte Verstopfung des auf dem Nachbargrundstück gelegenen öffentlichen Kanals. Aufgrund der Verstopfung konnte das Abwasser des Gebäudes nicht mehr in den Kanal abfließen. Der weitere Schadenshergang ist zwischen den Parteien streitig.

 

Wegen der durch den Wasserschaden verursachten mehrmonatigen (vom 25.06.2012 – 31.12.2012) Betriebsunterbrechung entstand dem VN der Klägerin ein Nettoausfallschaden in Höhe von 28.252,00 Euro. Weitere 31.748,00 Euro musste er aufwenden, um zum Zwecke der Schadensminderung provisorische Ausgleichräume für die Arztpraxis einzurichten. Diese Aufwendungen wurden ihm von der Klägerin nebst Sachverständigenkosten in Höhe von 3.156,77 Euro, insgesamt mithin ein Betrag von 63.156,77 Euro, erstattet.

 

Die Beklagte zu 1) ist die Eigentümerin der öffentlichen Abwasserkanalisation im Bereich … sowie Eigentümerin des Nachbargrundstücks, auf dem sich die schadensursächliche Verstopfung befand. Die Beklagte zu 2) betreibt die gemeindliche Abwasserkanalisation.

 

Zwischen der Beklagten zu 2) als Betreiberin der Abwasserkanalisation und der Zeugin P., die als Eigentümerin des Grundstücks auch Anschlussnehmerin ist, besteht ein zumindest faktisch geschlossener Vertrag über die Abwasserentsorgung; detaillierter Vortrag hierzu ist nicht erfolgt, die Parteien haben das Vorliegen eines entsprechenden Vertrages jedoch übereinstimmend angenommen.

 

Die Klägerin hat behauptet, am 14.06.2012 sei im Souterrain des Anwesens (also in der Praxis des VN der Klägerin) erstmals eine ca. 20 cm große Pfütze im Flur entdeckt worden. In den Folgetagen sei aufsteigende Feuchtigkeit in den Wänden bemerkt worden. Ursache hierfür sei – alleine – gewesen, dass das Abwasser aus dem Gebäude infolge der – unstreitigen – Verstopfung des öffentlichen Kanals nicht mehr abfließen konnte. Hierdurch sei es zu einer Durchnässung der Gebäudesubstanz gekommen. Außerdem sei auch aus dem öffentlichen Kanal Wasser ausgetreten, das unterirdisch zum Anwesen geflossen sei und zur Durchnässung geführt habe. Die Beklagten hätten die ordnungsgemäße Wartung des Kanals versäumt, weshalb der Wurzeleinwuchs unbemerkt geblieben sei. Das von den Beklagten vorgetragene Wartungsintervall von 3 Jahren sei zu groß. Für die eingetretenen Schäden hafte daher die Erstbeklagte als Eigentümerin des Kanals und die Zweitbeklagte nach den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter.

 

Der geltend gemachte Amtshaftungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1) scheitere nicht an einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit. Ein Anspruch gegenüber der Vermieterin scheitere an deren fehlendem Verschulden sowie ergänzend an dem vertraglichen vereinbarten Haftungsausschluss (Blatt 115 der Akte).

 

Die Klägerin hat beantragt (Bl. 11 der Akte),

 

die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 63.156,77 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.02.2015 zu zahlen.

 

Die Beklagten haben beantragt (Bl. 84 der Akte),

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie haben behauptet, eine Pflichtverletzung der Beklagten liege nicht vor. Der streitgegenständliche Kanal sei letztmalig vor dem Schadensereignis am 19.01.2009 inspiziert und gewartet worden. Schäden seien hierbei nicht festgestellt worden. Die Beklagten hätten ihren sich aus §§ 61 Wasserhaushaltsgesetz, 50a, 54 SaarlWasserG i.V.m. mit der Abwassersatzung der Beklagten zu 1) ergebenden Pflichten genügt. Eine Beschädigung des Hauptkanals werde bestritten.

 

Zudem sei der Schaden den Beklagten nicht zuzurechnen. Ursächlich für den Schaden könne nur die schadhafte hauseigene Entwässerungsanlage bzw. -leitung gewesen sein. Diese sei höchst erneuerungsbedürftig gewesen. Der Schaden sei durch (gemeint: schlechte) Rohrverbindungen oder defekte Leitungsteile innerhalb des Grundstücks verursacht worden; ein Defekt am Hauptkanal habe nicht vorgelegen. Bei einer ordnungsgemäßen Rückstausicherung hätte sich zurückstauendes Wasser lediglich aufgestaut und durch einen Revisionsschacht nach außen gedrückt; es wäre nicht ausgetreten und ins Mauerwerk eingedrungen. Ein Rückstauventil sei nicht vorhanden gewesen und die eingebaute Rückstauklappe habe nicht den anerkannten Regeln der Technik bzw. nicht den Anforderungen der Abwassersatzung der Beklagten zu 1) entsprochen. Darüber hinaus sei der fehlerhafte Anschluss von Abwasserleitungen – vor statt hinter der Rückstauklappe – ebenso ursächlich für den Schaden wie das Fehlen einer Hebeanlage.

 

Aufgrund der unzureichenden Eigensicherung der Grundstückseigentümerin sei bereits der Schutzbereich in Betracht kommender Amtspflichten objektiv nicht betroffen. Ein Anspruch aus § 839 BGB scheide daher von vorneherein aus.

 

Amtshaftungsansprüche seien zudem gemäß § 839 Abs. 1 S. 2 BGB ausgeschlossen, weil dem VN der Klägerin als anderweitige Ersatzmöglichkeit Ansprüche gegen seine Vermieterin oder auch gegen die Zweitbeklagte zustünden. Eine Inanspruchnahme der Vermieterin wegen eines anfänglichen Mangels wäre „naheliegend“ gewesen (Blatt 404 der Akte); auf den vertraglich vereinbarten Gewährleistungsausschluss könne sich diese wegen des Verstoßes gegen § 307 BGB nicht berufen.

 

Das Landgericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschluss vom 12.07.2016 (Blatt 130 der Akte) durch Vernehmung der Zeugen Dr. med. M. F. (Blatt 156 der Akte), S. B. (Blatt 159 der Akte), F. A. (Blatt 161 der Akte), U. P. (Blatt 163 der Akte) und L. K. (Blatt 367 der Akte) sowie durch die Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. J. (Blatt 207 der Akte) nebst mündlicher Erläuterung (Blatt 354 der Akte). Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 04.11.2016 (Blatt 155 der Akte), 08.08.2017 (Blatt 353 der Akte) und vom 24.10.2017 (Blatt 366 der Akte) verwiesen.

 

Mit seinem am 12.06.2018 verkündeten Urteil (Blatt 420 der Akte) hat das Landgericht der Klage gegen die Beklagte zu 2) vollumfänglich stattgegeben und gegenüber der Beklagten zu 1) abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass aus dem zwischen der Beklagten zu 2) und der Zeugin P. geschlossenen Nutzungsvertrag über die Abwasseranlage, der Schutzwirkung zugunsten des VN der Klägerin entfaltet habe, ein Schadensersatzanspruch gegen die Beklagte zu 2) wegen des eingetretenen Wasserschadens folge. Die Beklagte zu 2) habe ihre vertraglichen Pflichten verletzt, da der Hauptkanal erhebliche Mängel aufgewiesen habe; dies hätte durch eine ordnungsgemäße Wartung verhindert werden können. Die vorhandenen Mängel hätten die streitgegenständlichen Schäden verursacht. Eine Kürzung des Anspruchs wegen eines Mitverschuldens komme nicht in Betracht, da die Beklagten nichts zu einer Kenntnis des VN der Klägerin oder der Zeugin P. hinsichtlich der Mängel an der hauseigenen Entwässerungsleitung vorgetragen hätten. Ein Anspruch gegenüber der Beklagten zu 1) komme allein aus § 839 BGB in Betracht; dieser scheitere jedoch nach § 839 Abs. 1 S. 2 BGB am bestehenden Ersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2). Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil Bezug.

 

Mit der gegen dieses Urteil eingelegten Erstberufung (Blatt 452 der Akte) verfolgen die Beklagten weiterhin die – vollständige – Abweisung der Klage. Die Zweitberufung (Blatt 464 der Akte) der Klägerin ist auf eine ergänzende Verurteilung der Beklagten zu 1) gerichtet.

 

Zur Begründung ihrer Zweitberufung trägt die Klägerin vor, das Landgericht habe verkannt, dass sich ein Anspruch gegen die Beklagten zu 1) und 2) nicht nur aus den Grundsätzen eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ergebe, sondern dass als selbstständige Anspruchsgrundlagen darüber hinaus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht der Beklagten zu 1) und 2) sowie ein Anspruch wegen enteignendem Eingriff bzw. einem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB in Betracht kämen.

 

Die unzureichende Kontrolle und Wartung der Abwasserleitung stelle eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten als Eigentümerin und Nutzerin des Nachbargrundstücks dar. Gleichzeitig liege ein Eingriff im Sinne des § 906 Abs. 2 BGB vor, den der VN der Klägerin nicht habe dulden müssen. Zugunsten des VN der Klägerin habe wegen der Beeinträchtigung des Grundstücks ein Abwehranspruch gegen die vorliegenden Immissionen bestanden und nun bestehe, nachdem dieser nicht habe durchgesetzt werden können, gegenüber der Beklagten zu 1) ein Ausgleichsanspruch.

 

Die Klägerin beantragt insoweit (Bl. 502 der Akte),

 

unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Saarbrücken vom 12.06.2018 – Az.: 4 O 422/15 – die Beklagte zu 1) als Gesamtschuldnerin neben der Beklagten zu 2) zu verurteilen, an die Klägerin 63.156,77 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 24.02.2015 zu zahlen.

 

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen jeweils (Bl. 516 der Akte),

 

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

 

Sie verteidigen die erstinstanzliche Entscheidung; das Landgericht habe die Klage gegenüber der Beklagten zu 1) zu Recht abgewiesen. Der Anspruch aufgrund einer möglichen Amtspflichtverletzung gemäß § 839 BGB scheitere am Bestehen einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit. Zwar komme als Ersatzschädiger nicht die – zu Unrecht verurteilte – Beklagte zu 2) in Betracht, jedoch die Vermieterin, die Zeugin P. Das Landgericht habe übersehen, dass der entsprechende Anspruch des VN der Klägerin nach § 536a Abs. 1, 1. Alt BGB von einem Verschulden der Vermieterin unabhängig sei.

 

Das Landgericht sei auch zutreffend davon ausgegangen, dass ein Anspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nicht in Betracht komme, da es im Streitfall an einer Einwirkung auf das Grundstück von außen fehle.

 

Der Klägerin stehe auch kein Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aufgrund eines enteignenden Eingriffs zu. Von den Voraussetzungen dieses gewohnheitsrechtlich anerkannten Ersatzanspruchs liege keine einzige vor. Die Klägerin bzw. ihr VN seien bereits nicht Eigentümer des betroffenen Grundstücks. Es liege auch keine Einwirkung vor, erst Recht nicht durch eine hoheitliche Maßnahme. Da die Schädigung nicht gewollt oder vorhersehbar gewesen sei, fehle zudem der zwischen dem öffentlichen Handeln und dem Schaden erforderliche Unmittelbarkeitszusammenhang. Nach der Rechtsprechung des BGH sei in der Anlage und der Unterhaltung einer Wasserleitung keine Maßnahme zu finden, die einen Anspruch unter enteignungsrechtlichen Gesichtspunkten rechtfertigen könnte.

 

Letztlich scheiterten sämtliche in Betracht kommenden Ansprüche gegenüber der Beklagten zu 1) – wie auch der Beklagten zu 2) – an der Mitverursachung der Schäden aufgrund der Mängel der hauseigenen Entwässerungsanlage. Allein aufgrund dieser Mängel seien die streitgegenständlichen Schäden eingetreten.

 

Ihre Erstberufung haben die Beklagten wie folgt begründet: Der Klägerin stehe entgegen der Auffassung des Ausgangsgerichts auch gegen die Beklagte zu 2) kein Anspruch aus übergegangenem Recht zu. Das Landgericht habe zurecht erkannt, dass ein Anspruch aus § 2 HaftPflG nicht in Betracht komme.

 

Ein Anspruch ergebe sich aber auch nicht aus § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter. Denn es fehle an der haftungsbegründenden Kausalität. Zwar sei der Schaden auch durch den Wurzeleinwuchs entstanden, er könne der Beklagten zu 2) aber nicht zugerechnet werden. Hauptursache des Schadens sei gewesen, dass die Entwässerungsanlage des Grundstücks nicht DIN-gerecht errichtet worden und im Übrigen schadhaft war (zu den Mängeln im Einzelnen: Blatt 482 der Akte). Dies führe zu einer Alleinverantwortung des Geschädigten oder zumindest zu einer Haftungskürzung aufgrund mitwirkenden Verschuldens. Der schadhafte Zustand des Anwesens sei im Wege eines Mitverursachungsanteils auch ohne Verschulden analog § 254 BGB anzurechnen.

 

Die Klägerin müsse sich zudem das Verschulden der Vermieterin gegenüber dem Mieter zurechnen lassen. In diesem Verhältnis greife § 536a BGB, wonach es im Fall eines anfänglichen Mangels auf ein Verschulden des Vermieters nicht ankomme. Der Vermieter sei generell unbeschadet eines Verschuldens dafür verantwortlich, dass das Gebäude mangelfrei und nach den anerkannten Regeln der Technik errichtet wurde. Nach den §§ 276278 BGB müsse sich der Geschädigte das hieraus folgende „Verschulden“ der Vermieterin anspruchsmindernd anrechnen lassen. Im Übrigen habe das Landgericht ein Verschulden der Vermieterin auch zu Unrecht verneint, dieser falle zumindest grobe Fahrlässigkeit zur Last. Hier läge auch zumindest die sekundäre Darlegungs- und Beweislast auf Seiten des Eigentümers. Denn die Beklagten könnten nicht wissen, wann der Vermieter sein Abwassersystem überprüft hat.

 

Die Beklagten zu 1) und 2) beantragen jeweils (Bl. 477 der Akte),

 

die Klage unter Abänderung des am 12.06.2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Saarbrücken, AZ: 4 O 422/15, abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Berufung der Beklagten zu 2) zurückzuweisen.

 

Das Landgericht habe zutreffend erkannt, dass der Klägerin gegenüber der Beklagten zu 2) ein Schadensersatz- und Ausgleichsanspruch zustehe. Eine Mithaftung aufgrund der Schäden an der hauseigenen Entwässerungsanlage sei nicht begründet. Die erforderliche Rückstausicherung habe vorgelegen; sie sei zudem nicht schadensursächlich geworden. Ein (zurechenbares) Verschulden des VN der Klägerin oder der Vermieterin P. sei zu Recht verneint worden. Für die Annahme einer verschuldensunabhängigen Mitverursachung fehle es an der hierfür erforderlichen Sach- oder Betriebsgefahr.

 

Es sei zu bestreiten, dass ein anfänglicher Mietmangel vorgelegen habe. Zwar habe der Sachverständige festgestellt, dass die Hausanlage schadhaft gewesen sei, es sei aber unzutreffend, dass eine nicht DIN-gerechte Ausführung für den Schaden ursächlich geworden sei, die bei der Begründung des Mietverhältnisses schon vorgelegen habe. Gleiches gelte für die festgestellten Undichtigkeiten der Hausanlage. Entsprechender neuer Sachvortrag der Beklagten sei nicht zu berücksichtigen.

 

Hinsichtlich des Sachverhalts und des Parteivortrages im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. J. (Bl. 206 ff. der Akte) sowie die Sitzungsniederschriften des Landgerichts vom 04.11.2016 (Blatt 155 der Akte), 08.08.2017 (Blatt 353 der Akte) und vom 24.10.2017 (Blatt 366 der Akte) sowie des Senats vom 13.02.2020 (Bl. 539 der Akte) Bezug genommen.

 

II.

 

Die Berufungen der Klägerin sowie der Beklagten zu 2) sind zulässig, da sie nach den §§ 511513517519 und 520 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden sind.

 

Soweit auch die Beklagte zu 1) Berufung eingelegt hat, ist deren Rechtsmittel jedoch unzulässig. Mit Schriftsatz vom 26.06.2018 (Blatt 452 der Akte) haben die Prozessbevollmächtigten der Beklagten Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken eingelegt. Diese bezeichnet die Beklagten einvernehmlich in der Mehrzahl als Beklagte und Berufungskläger, nicht lediglich die Beklagte zu 2) als Berufungsklägerin. Berufung wurde dabei eingelegt „im Namen unserer Partei„. Mit Schriftsatz vom 08.08.2018 (Blatt 477 der Akte) wird die Berufung ausdrücklich namens und mit Vollmacht der Beklagten zu 1) und 2) begründet.

 

Diese eindeutigen und ausdrücklichen prozessualen Erklärungen lassen eine Auslegung dahingehend, dass lediglich Berufung durch die Beklagte zu 2) eingelegt worden wäre, nicht zu. Die Berufung der Beklagten zu 1) ist nicht statthaft und damit unzulässig. Denn diese ist nach der zu ihren Gunsten ergangenen vollumfänglichen Abweisung der Klage durch das erstinstanzliche Urteil nicht beschwert (Zöller, ZPO, Vor § 511 Rn. 8). Eine der in Betracht kommenden Ausnahmen, die Beschwer eines Beklagten trotz Klageabweisung in der Vorinstanz anzunehmen, etwa bei Abweisung durch Prozess- statt Sachurteil (Zöller, a.a.O., Rn. 20), liegt nicht vor. Insbesondere kann die Beklagte nicht, was in der Berufungsbegründung anklingt, Rechtsmittel mit dem Ziel einlegen, die gleiche Art der Abweisung mit anderer Begründung zu erreichen.

 

III.

 

In der Sache hat die Berufung der Beklagten zu 2) keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO, noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, der Beklagten günstigere Entscheidung (§ 513 ZPO).

 

Zu Recht hat das Landgericht nach umfassender Beweisaufnahme festgestellt, dass die Beklagte zu 2) aufgrund der Mängel am öffentlichen Abwasserkanal zum Ersatz des Schadens verpflichtet ist, der dem VN der Klägerin im Jahr 2012 infolge eines Nässeschadens in seiner Arztpraxis entstanden war. Nachdem dieser Schaden ihres VN – sowie der mitversicherten Zeugin S. B. (vgl. Ergänzung zur Versicherungspolice, Blatt 147 der Akte) – durch die Klägerin ersetzt wurde, kann sie nach Forderungsübergang gemäß § 86 VVG bei der Beklagten zu 2) regressieren.

 

Beanstandungsfrei hat das Landgericht zudem weiter festgestellt, dass dieser Anspruch nicht aufgrund des mangelhaften Zustandes der Entwässerungsanlage des geschädigten Grundstücks ausgeschlossen oder im Wege eines anzurechnenden Mitverschuldens zu kürzen ist.

 

1. Zunächst besteht allerdings auch gegenüber der Beklagten zu 2) kein Anspruch aus § 2 HaftPflG.

 

a) Ein solcher Anspruch kam auch gegenüber der Beklagten zu 2) in Betracht, da diese – alleine oder zumindest neben der Beklagten zu 1) – Inhaberin der Anlage und damit Verpflichtete nach § 2 HaftPflG war.

 

aa) Inhaber ist, wer die tatsächliche Herrschaft über den Betrieb der Anlage ausübt und die hierfür erforderlichen Weisungen erteilen kann (BGH, Beschluss vom 30.04.2008 – III ZR 5/07VersR 2008, 1214; BGH, Urteil vom 01.02.2007 – III ZR 289/06NJW-RR 2007, 823). Regelmäßig wird es sich bei dem Inhaber einer Anlage um deren Eigentümer handeln; das Eigentum hat jedoch nur Indizwirkung (BGH, Beschluss vom 30.04.2008 – III ZR 5/07VersR 2008, 1214; OLG Naumburg, Urteil vom 19.05.1998 – 11 U 2088/97, R+S 1999, 277; OLG Düsseldorf, Urteil vom 20.12.2001 – 6 U 16/01, R+S 2003, 79). Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 8/108, 12 f.; s. auch BGH, Beschluss vom 30.04.2008, a.a.O.) ist entscheidend, wem die tatsächliche Verfügungsgewalt über den Betrieb zusteht. Hat der Eigentümer einem anderen im Rahmen eines Pacht-, Miet- oder Leasing-Verhältnisses, eines Betriebsführungs- oder Verwaltervertrags die Anlage eigenverantwortlich überlassen, wird dieser Inhaber (Filthaut/Kayser, HPflG, § 2 Rn. 43).

 

Dabei ist denkbar, dass etwa im Rahmen eines Betriebs- und Wartungsvertrags oder einer Vermietung die Verfügungsgewalt derart aufgeteilt ist, dass sowohl der Eigentümer als auch der Betriebsführer oder Mieter als Inhaber anzusehen sind (Filthaut/Kayser, HPflG § 2 Rn. 43).

 

bb) Nach dem Schreiben der GVV Versicherung VVaG vom 23.02.2015 (Blatt 43 der Akte) ist die Beklagte zu 2) Betreiberin des Kanals und nimmt in ihrer Funktion als Dienstleistungs-GmbH städtische Aufgaben wahr. Damit liegt eine tatsächliche Übertragung des Betriebs des Abwasserkanals durch die Gemeinde vor und die Beklagte zu 2) ist – eventuell neben der Beklagten zu 1) – zumindest auch als Inhaberin anzusehen, zumal die Beklagte zu 2) nach dem Vortrag der Parteien nach außen als Verantwortliche auftrat (vgl. JurisPK-Straßenverkehrsrecht/Weinland, § 2 HaftPflG Rn. 10, 30).

 

b) Zutreffend hat das Landgericht aber ausgeführt, dass ein Anspruch aus § 2 HaftPflG, obwohl die gemeindliche Abwasserkanalisation zu den Rohrleitungsanlagen im Sinne des § 2 Abs. 1 HaftPflG gehört (vgl. BGH vom 30.04.2008 – III ZR 5/07NVwZ 2008, 1157; JurisPK-Straßenverkehrsrecht/Weinland, § 2 HaftPflG Rn. 10), die Ersatzpflicht nicht nur Beschädigungen einer beweglichen Sache, sondern auch eines Grundstücks erfasst (Filthaut/Piontek, HPflG § 1 Rn. 131) und Anspruchsberechtigter auch der berechtigte Besitzer sein kann (Staudinger/Kohler, BGB, § 2 HaftPflG Rn. 3), ausscheidet, da nach ständiger Rechtsprechung des BGH Rückstauschäden nach dem Normzweck nicht der Gefährdungshaftung des § 2 Abs. 1 HaftPflG unterfallen sollen. Aus der Entstehungsgeschichte der Norm ergibt sich danach, dass der Gesetzgeber im Verhältnis zwischen einem Versorgungsunternehmen und seinem Abnehmer für eine Gefährdungshaftung kein Bedürfnis gesehen, sondern die gesetzliche Vertrags- und Deliktshaftung für ausreichend gehalten hat (BGH, Urteil vom 22.06.2010 – VI ZR 226/09). Der Anwendungsausschluss bezieht sich dabei sowohl auf die Wirkungshaftung, wie auch auf die Zustandshaftung (Filthaut/Kayser, HPflG § 2 Rn. 33).

 

Dabei ist festzuhalten, dass keine Gründe ersichtlich sind, diese Grundsätze vorliegend nicht anzuwenden, obwohl die zitierte Rechtsprechung – soweit ersichtlich – nur mit Fällen befasst war, in denen von Seiten des Versorgers „aktiv“ schädlich auf das Anwesen des Abnehmers eingewirkt wurde (vgl. BGH, Beschluss vom 30.07.1998 – III ZR 263/96VersR 1999, 230: „echter“ Rückstau aus dem Kanal; BGH, Urteil vom 22.06.2010 – VI ZR 226/09: hoher Stromfluss). Der Grundgedanke, dass die Gefährdungshaftung des § 2 Abs. 1 HaftPflG nicht in ein bestehendes Schuldverhältnis eingreifen soll, greift ebenso oder gar mehr, wenn nicht ein deliktisch zu beurteilender Eingriff in die Rechtsgüter des Abnehmers vorliegt, sondern der Versorger – wie hier – den Schaden gerade dadurch verursacht, dass er seinen vertraglichen Pflichten nicht nachkommt.

 

c) Darüber hinaus kommt ein Anspruch gemäß § 2 Abs. 1 HaftPflG vorliegend auch deshalb nicht in Betracht, da der vom Kläger geltend gemachte Schaden nicht auf die typischen Wirkungen des in einer Rohrleitungsanlage fortgeleiteten Wassers zurückzuführen ist.

 

aa) Voraussetzung einer Haftung aus § 2 Abs. 1 HaftPflG ist, dass es sich um Wirkungen handelt, die von der Stromleitungs- oder Rohrleitungsanlage ausgehen. Es muss ein Zusammenhang mit der Funktion der Anlage, dem Transport oder der Abgabe, bestanden haben, und dies muss eine entscheidende Ursache für die Schadensentstehung gewesen sein; denn gerade wegen der mit diesen Funktionen verbundenen besonderen Gefahren hat der Gesetzgeber die strengere Haftung eingeführt (Filthaut/Kayser, HPflG § 2 Rn. 22). Der Schaden muss also gerade und entscheidend auf die Funktion der Rohrleitungsanlage, d. h. die (typischen) Wirkungen des in einer solchen Anlage aufgenommenen und konzentriert fortgeleiteten Wassers zurückzuführen sein (BGH, Urteil vom 13.06.1996 – III ZR 40/95NJW 1996, 3208; OLG Schleswig, Urteil vom 16.08.2001 – 11 U 180/99; Senat, Urteil vom 03.03.2016 – 4 U 101/14, n.v.).

 

bb) Vorliegend geht es indes um Abwasser, das deshalb außerhalb der Entwässerungsleitung geflossen ist, weil der öffentliche Abwasserkanal aufgrund der festgestellten Verstopfung nicht mehr in der Lage war, das Wasser aufzunehmen. In einem solchen Fall kommt eine Haftung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftPflG nach ständiger Rechtsprechung nicht in Betracht (BGH, Urteil vom 08.03.2007 – III ZR 55/06VersR 2007, 1705; BGH, Urteil vom 21.06.2007 – III ZR 177/06VersR 2008, 119; OLG Brandenburg, Urteil vom 06.05.2008 – 2 U 20/02BeckRS 2008, 10270; Geigel/Kaufmann, Der Haftpflichtprozess, 28. Aufl., Kap. 26 Rn. 67). Denn wenn ein Überschwemmungsschaden im Bereich einer Abwasseranlage dadurch entsteht, dass Wasser nicht in ein Rohr der Anlage hineingelangen kann, weil dieses verstopft oder zugefroren oder bereits überflutet ist, verwirklicht sich nicht die mit dem konzentrierten Transport des Wassers in einer Rohrleitung typischerweise verbundene besondere Betriebsgefahr, die Anlage ist vielmehr außer Funktion. Es macht aber haftungsrechtlich keinen Unterschied, ob ungefasstes Wasser wegen des Nichtvorhandenseins einer Abwasserleitung oder dadurch zur Überschwemmung führt, dass es aus anderen Gründen nicht (mehr) in die Leitung gelangen kann (Filthaut/Kayser, HPflG § 2 Rn. 25 mit vielen weiteren Nachweisen).

 

2. Das Landgericht hat sodann zutreffend und mit überzeugender Begründung festgestellt, dass dem VN der Klägerin ein Anspruch auf Schadensersatz gem. § 280 Abs. 1 BGB in Verbindung mit den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter zustand.

 

a) Ein Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter führt – unabhängig, ob man ihn auf ergänzende Vertragsauslegung gemäß §§ 133157 BGB stützt oder auf eine rechtsfortbildende gesetzliche Ausgestaltung des Vertragsverhältnisses nach Treu und Glauben gem. § 242 BGB (vgl. MüKo-BGB/Gottwald, § 328 BGB, Rn. 166) – dazu, dass ein zwischen zwei anderen Personen geschlossener Vertrag Schutzwirkungen für einen Dritten begründet, ohne dass dieser die eigentliche Leistung fordern kann (MüKo-BGB/Gottwald, § 328 BGB, Rn. 171 ff m. w. N.). Voraussetzung ist, dass der Vertragsgläubiger an der sorgfältigen Ausführung der Leistung nicht nur ein eigenes, sondern auch ein berechtigtes Interesse hat (vgl. BGH, Urteil vom 02.07.1996 – X ZR 104/94BGHZ 133, 168; MüKo-BGB/Gottwald, § 328 BGB, Rn. 179). Dies wird angenommen, wenn die Auslegung des Vertrags zwischen dem Schuldner und dem Gläubiger ergibt, dass nach seinem Sinn und Zweck und nach Treu und Glauben der Gläubiger den Dritten in die ihm dem Schuldner gegenüber obliegende Schutzpflicht einbeziehen wollte, weil er für dessen Wohl und Wehe verantwortlich ist und wenn dieses Interesse des Gläubigers dem Schuldner erkennbar oder gar bekannt war (vgl. BGH, Entscheidung vom 15.06.1971 – VI ZR 262/69BGHZ 56, 269).

 

Voraussetzung ist weiter die Schutzbedürftigkeit des Dritten. Sie entfällt im Zweifel, wenn das Interesse des Dritten bereits durch eigene vertragliche Ansprüche, insbesondere gegen den Gläubiger, also seinen unmittelbaren Vertragspartner, voll abgedeckt ist (BGH, Urteil vom 02.07.1996 – X ZR 104/94BGHZ 133, 168; BGH, Urteil vom 12.01.2011 – VIII ZR 346/09MDR 2011, 222; BGH, Urteil vom 22.07.2004 – IX ZR 132/03NJW 2004, 3630). So entfällt etwa der Anspruch des Untermieters gegen den Vermieter, wenn er einen Anspruch gegen den Hauptmieter hat (vgl. MüKo- BGB/Gottwald, § 328 BGB, Rn. 185 m.w.N.). Ein Vertrag mit Schutzwirkungen zu Gunsten Dritter ist etwa anzunehmen, wenn dritte Personen durch die Ausführung eines Werks geschädigt werden (MüKo-BGB/Gottwald, § 328 BGB, Rn. 235) oder, im Fall eines Mietvertrages, die zur Hausgemeinschaft des Mieters gehörenden Personen (BGH, Urteil vom 25.01.1983 – VI ZR 24/82VersR 1983, 441).

 

Werden die zu Gunsten des Dritten bestehenden Schutzpflichten verletzt, so hat dieser einen vertraglichen Schadensersatzanspruch (MüKo-BGB/Gottwald, § 328 BGB, Rn. 174). Es handelt sich insoweit um einen eigenen Anspruch des geschützten Dritten (MüKo-BGB/Gottwald, § 328 BGB, Rn. 186 ff).

 

b) Dies vorausgeschickt hat das Landgericht zu Recht und von der Berufung unangegriffen festgestellt, dass der zwischen der Vermieterin und der Beklagten zu 2) bestehende Entsorgungsvertrag, von dessen Vorliegen die Parteien übereinstimmend ausgegangen sind und an dessen Existenz auch der Senat keine Zweifel hat, aufgrund gleicher Leistungsnähe und objektiver Schutzbedürftigkeit Schutzwirkung zugunsten des VN der Klägerin entfaltet.

 

Dabei hat das Landgericht auch richtig angenommen, dass die Grundsätze des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sinngemäß auf öffentlich-rechtliche Benutzungsverhältnisse anwendbar sind (vgl. BGH vom 20.06.1974 – III ZR 97/72 – NJW 1974, 1816). Insbesondere wird nach der Rechtsprechung des BGH der Mieter des angeschlossenen Grundstücks in den Schutzbereich des öffentlich-rechtlichen Schuldverhältnisses zwischen der Gemeinde und dem einzelnen Anschlussnehmer der gemeindlichen Abwasserkanalisation einbezogen (vgl. BGH vom 14.12.2006 – III ZR 303/05 – NJW 2007, 1061).

 

c) Im Ergebnis zu Recht hat das Landgericht eine solche Schutzwirkung des Versorgungsvertrages auch nicht deshalb entfallen lassen, weil der VN der Klägerin einen sonstigen Anspruch gegen seine Vermieterin, der Zeugin P., gehabt hätte und daher keine Schutzbedürftigkeit gegeben wäre.

 

Die Frage eines solches Drittanspruchs hat die Klägerin im Rahmen ihrer Klageschrift bei der allgemeinen Darstellung der rechtlichen Grundlagen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kurz angesprochen (Blatt 17 der Akte), ohne einen konkreten Bezug zum Streitfall herzustellen. In der Folge wurde das Bestehen eines Anspruchs gegenüber der Vermieterin stets nur im Zusammenhang mit dem Haftungsausschluss des § 839 Abs. 1 S. 2 BGB – also nur im Verhältnis mit der Beklagten zu 1) – diskutiert. Als Rechtsfrage ist sie in der Berufung aber auch ohne konkrete Rüge zu beantworten.

 

aa) Auch gegenüber der Zeugin P. als seiner Vermieterin steht dem VN der Klägerin kein Anspruch aus § 2 Abs. 1 HaftPflG wegen der nach den Feststellungen des Sachverständigen J. defekten hauseigenen Entwässerungsanlage zu.

 

(1) Ob die Voraussetzungen einer Gefährdungshaftung nach § 2 HaftPflG im Ausgangspunkt gegeben sind, insbesondere ob die Zeugin P. nach den oben dargestellten Grundsätzen als Eigentümerin des Grundstücks auch Inhaberin einer Entwässerungsanlage ist, die den in § 2 Abs. 1 Satz 1 HaftPflG genannten Rohrleitungsanlagen unterfällt, bedarf keiner Entscheidung.

 

(2) Einem Ersatzanspruch steht jedenfalls der Ausschlusstatbestand des § 2 Abs. 3 Nr. 1 HaftPflG entgegen. Danach ist die Ersatzpflicht ausgeschlossen, wenn der Schaden innerhalb eines Gebäudes entstanden und auf eine darin befindliche Anlage zurückzuführen ist (§ 2 Abs. 3 Nr. 1, Alt. 1 HaftPflG) oder wenn er innerhalb eines im Besitz des Inhabers der Anlage stehenden befriedeten Grundstücks entstanden ist (§ 2 Abs. 3 Nr. 1, Alt. 2 HaftPflG). Das Grundstück muss sich dabei im Besitz des Inhabers der Anlage befinden; Eigentum ist nicht erforderlich. Aus dem Begriff des Inhabers folgt jedoch, dass es sich um unmittelbaren Besitz, wenn auch nicht notwendig um Alleinbesitz handeln muss (Filthaut/Kayser, HPflG § 2 Rn. 63).

 

So liegt der Fall hier. Die Zeugin P. betreibt im Gebäude der geschädigten Arztpraxis das Hotel „P.„; sie ist insofern unmittelbare Besitzerin des Grundstücks in dem sich die schadhafte Anlage befand und auch der Schaden eingetreten ist. Dass es sich hierbei um ein Hotel handelt, steht dem Ausschluss nicht entgegen. Denn der Haftungsausschluss erstreckt sich auch auf solche befriedeten Grundstücke, die einer „breiten Öffentlichkeit“ zugänglich sind. Eine Einschränkung lässt sich dem Wortlaut nicht entnehmen; offensichtlich hat der Gesetzgeber von der allgemeinen Zielsetzung des § 2 HaftPflG, dem Schutz der Öffentlichkeit, abweichen wollen (Filthaut/Kayser, HPflG § 2 Rn. 64).

 

bb) Darüber hinaus besteht auch, entgegen der Ansicht der Beklagten, kein Ersatzanspruch des VN der Klägerin gegen die Vermieterin P. aufgrund eines anfänglichen Mangels des angemieteten Objekts gem. § 536a BGB.

 

(1) Ein solcher würde nicht an dem in § 13 des Mietvertrages (Blatt 173 der Akte) enthaltenen Haftungsausschluss scheitern. Da dieser einen Ausschluss auch solcher Schäden enthält, die aus der Verletzung des Lebens, des Körpers oder der Gesundheit des Mieters entstehen, ist er wegen Verstoßes gegen § 307 Abs. 2 S. 1 BGB unwirksam. Auf die zutreffenden und von der Berufung nicht in Frage gestellten Ausführungen des Landgerichts kann verwiesen werden.

 

Lediglich ergänzend stellt der Senat fest, dass sich im Hinblick auf die eindeutig formularmäßige Gestaltung des Mietvertrages alleine der unspezifischen Angabe des Zeugen Dr. med. M. F. (dem VN der Klägerin) in der Vernehmung vom 04.11.2016, dass der Vertrag „damals so erarbeitet“ wurde (Blatt 158 der Akte) nicht hinreichend entnehmen lässt, dass eine individualvertragliche Vereinbarung vorliegt, die eine Überprüfung der Klausel ausschließen würde (§ 305 Abs. 1 S. 3 BGB).

 

(2) Indes steht auch unter Berücksichtigung der anlässlich der erstinstanzlichen Beweisaufnahme gewonnenen Erkenntnisse aus dem Jahr 2017 ein anfänglicher Mangel der gewerblichen Mieträume, zu dem die Beklagte zu 2) im Übrigen keinen Vortrag gehalten hat, nicht für das Jahr 1998 fest.

 

Die Klägerin hatte bereits in ihrer Klage angemerkt, dass ein inhaltsgleicher Gewährleistungsanspruch des geschädigten Mieters gegen seinen Vermieter, der eine Anwendung der Regeln über einen Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ausschließen könnte, nur in Betracht kommt, wenn ein anfänglicher Mangel der Mietsache vorlag (§ 536a BGB) oder den Vermieter ein Verschulden trifft (Blatt 17 der Akte). Den Gesichtspunkt eines Ersatzanspruchs des Mieters gegen seine Vermieterin haben die Beklagten in der Folgezeit immer wieder aufgegriffen, wenngleich nur im Zusammenhang mit der Frage einer anderweitigen Ersatzmöglichkeit im Rahmen des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB. Konkreter Vortrag hierzu ist jedoch nicht erfolgt, weder zum Vorliegen eines anfänglichen Mangels, noch zu einem Verschulden der Vermieterin. So heißt es zunächst in der Klageerwiderung lediglich, dass der Mieter aufgrund der mangelhaften Rohrleitungsanlage Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter geltend machen könne und müsse (Blatt 91 der Akte). Im Schriftsatz vom 19.03.2018 heißt es sodann, die Inanspruchnahme des Vermieters wegen eines anfänglichen Mangels der Mietsache sei „naheliegend“ gewesen (Blatt 404 der Akte). Selbst in der Berufungsschrift vom 08.08.2018 wird pauschal auf das Vorliegen eines anfänglichen Mangels hingewiesen (Blatt 483 der Akte) und in den Raum gestellt, dass Ansprüche gegeben wären (Blatt 479 der Akte).

 

Die Klägerin hat demgegenüber – erstinstanzlich ebenso pauschal – bestritten, dass ein Ersatzanspruch gegenüber der Vermieterin gegeben wäre. Zuletzt hat sie aber ausdrücklich und dezidiert bestritten, dass bereits ein anfänglicher Mietmangel vorgelegen habe. Zwar habe der Sachverständigen festgestellt, dass die Hausanlage schadhaft gewesen sei, es sei aber unzutreffend, dass eine nicht DIN-gerechte Ausführung für den Schaden ursächlich geworden sei, die bei der Begründung des Mietverhältnisses schon vorgelegen habe. Dies gelte ebenso für die festgestellten Undichtigkeiten der Hausanlage (Blatt 507 der Akte). Die Beklagten haben hierzu auch in ihren weiteren Schriftsätzen vom 09.10.2018 und zuletzt vom 09.03.2020 nichts mehr vorgetragen.

 

Nach den damit zugrunde zu legenden Tatsachen kann nicht von anfänglichen Mängeln der Mietsache ausgegangen werden. Zwar ist es auf den ersten Blick naheliegend, dass die fehlerhaften Anschlüsse der Entwässerungsanlage (siehe GA, Blatt 215 der Akte) von Anfang an vorlagen; offensichtlich ist auch, dass die Abwasserhebeanlage schon immer fehlte. Dies genügt jedoch nicht, um die erforderlichen Feststellungen zu treffen. Denn es sind weder zum Alter der einzelnen Teile der Abwasseranlage oder zum Zeitpunkt der Schäden Feststellungen getroffen worden, noch wurden die technischen Vorgaben (DIN) durch den Sachverständigen präzisiert.

 

Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten war der Hauptkanal (lediglich) 20 Jahre alt (Blatt 88 der Akte). Das Alter der hauseigenen Entwässerungsanlage ist demgegenüber nicht bekannt. Die Zeugin P. hat jedenfalls Angaben dazu gemacht, dass in dem Gebäude verschiedene Anschlüsse neu gemacht und Sanierungen an den Rohren durchgeführt worden seien (Blatt 165 der Akte). Bereits dies verhindert einen hinreichend sicheren Rückschluss darauf, in welchem Zustand die Anlage sich bei Beginn des Mietverhältnisses am 01.01.1998 befand.

 

Im Übrigen hat der Sachverständige lediglich angegeben, dass die Anschlüsse „im jeweiligen Baujahr“ nicht fachgerecht gebaut gewesen seien (Bl. 223 der Akte). Gerade das Fehlen einer Abwasserhebeanlage, die der Sachverständige durchaus als grundsätzlich erforderlich angesehen hat, kann so nicht beurteilt werden. Denn die von ihm vorgelegte DIN 1986-100 hat einen frühesten Stand aus dem Jahr 2004 (Bl. 272 der Akte).

 

d) Die weiteren Voraussetzungen eines Anspruchs des VN der Klägerin aufgrund des Drittschutz entfaltenden Vertrages der Vermieterin mit der Beklagten zu 2) hat das Landgericht zutreffend bejaht.

 

Die Beklagte zu 2) hat ihre Pflichten aus dem mit der Zeugin P. bestehenden Entsorgungs- und Benutzungsvertrag verletzt, indem sie den Abwasserkanal nicht ordnungsgemäß gewartet und instandgehalten hat. Eine Überprüfung wäre ihr ohne weiteres möglich gewesen (vgl. BGH, Urteil vom 24.08.2017 – III ZR 574/16VersR 2018, 178). Nach den klaren Feststellungen des Sachverständigen (Blatt 356 der Akte) waren die gravierenden Schäden des Kanals bei der von den Beklagten vorgetragenen letzten Überprüfung im Jahr 2009 schon vorhanden und hätten unverzüglich beseitigt werden müssen.

 

Gerade diese aus der Pflichtverletzung folgende Verwurzelung und Verstopfung des Kanals hat dazu geführt, dass das Abwasser des Anwesens nicht mehr abfließen konnte, weshalb es zum Wassersaustritt und damit zu dem streitgegenständlichen Schaden kam (Blatt 354 der Akte). Die im Verfahren wiederholt aufgeworfenen Frage der (Nicht-)Existenz oder der Funktionsfähigkeit einer Rückstauklappe hat nach den überzeugenden und nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen, dass es nicht zu einem Rückstau aus dem öffentlichen Kanal kam, sondern lediglich ein verhinderter Abfluss vorlag, für den Streitentscheid insgesamt keine Bedeutung.

 

All dies wird, wie auch der Eintritt des kausalen Schadens, dass die Räume für einen längeren Zeitraum nicht nutzbar waren, von der Berufung nicht mehr in Zweifel gezogen.

 

3. Die Ersatzpflicht der Beklagten zu 2) ist weder aufgrund des mangelhaften Zustandes der Entwässerungsanlage der Geschädigten ausgeschlossen, noch aufgrund eines anzusetzenden Mitverschuldens nach § 254 BGB zu kürzen.

 

a) Zunächst entfällt die Haftung der Beklagten nicht insgesamt bereits deshalb, weil ihr der entstandene Schaden nicht mehr zugerechnet werden könnte. Nach anerkannter Rechtsprechung entfällt der adäquate Kausalzusammenhang nur in den Fällen, in denen der Schaden dem Schädiger billigerweise nicht mehr zugerechnet werden kann, weil dieser außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit eingetreten ist (BGH, Urteil vom 07.03.2001 – X ZR 160/99NJW-RR 2001, 887). Anders ausgedrückt bleibt die Zurechnung bestehen, wenn das Ereignis im Allgemeinen und nicht nur unter besonders eigenartigen, unwahrscheinlichen und nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge außer Betracht zu bleibenden Umständen geeignet ist, einen Erfolg der konkreten Art herbeizuführen (BGH, Urteil vom 25.01.2018 – VII ZR 74/15NJW 2018, 944). Dies ist vorliegend ersichtlich der Fall. Durch die Verstopfung des Hauptkanals konnte das Abwasser des geschädigten Grundstücks nicht abfließen und ist durch andere Öffnungen ausgetreten. Dies beruhte zwar seinerseits auf Mängeln der Rohre, war aber weder unvorhersehbar, noch begründete es ein neues, arteigenes Risiko.

 

Dem steht nicht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entgegen, dass im Fall einer rückstaubedingten Schadensverursachung Ansprüche aus allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen (§ 2 HaftPflG, § 839 BGB i.V.m. Art 34 GG oder einem öffentlich-rechtlichen Benutzungsverhältnis) ausscheiden, wenn der Hauseigentümer, der nach allgemeinen Grundsätzen verpflichtet ist, sein Anwesen, insbesondere die unterhalb der Rückstauebene gelegenen Räumlichkeiten, durch geeignete Maßnahmen gegen Rückstauschäden abzusichern, diese im eigenen Interesse bestehenden Pflichten verletzt (BGH, Beschluss vom 30.07.1998 – III ZR 263/96VersR 1999, 230; Senat, Urteil vom 08.02.2000 – 4 U 649/99; JurisPK-Straßenverkehrsrecht/Weinland, § 4 HaftPflG Rn. 6). Denn diese Rechtsprechung beruht auf dem Gedanken, dass sich jeder Anschlussnehmer im Eigeninteresse gegen von Zeit zu Zeit zu erwartende Ereignisse wie etwa einen besonders heftigen Regen und dem daraus folgenden Rückstau schützen muss. Dies ist nicht vergleichbar mit einer – nicht üblichen – Verstopfung des städtischen Abwasserrohres aufgrund unzureichender Wartung. Den objektiv erforderlichen Selbstschutz durch Einbau einer Rückstauklappe (wie auch in § 16 der Entwässerungssatzung der Beklagten zu 1) gefordert) hat die Hauseigentümerin – anders als etwa die Geschädigte in dem Fall des OLG Braunschweig (Urteil vom 16.11.2016, 3 U 31/16) aber eingehalten; Die weiteren Mängel der hauseigenen Entwässerungsanlage waren ihr nicht bekannt, ohne dass ihr ein Verschuldensvorwurf gemacht werden könnte.

 

b) Auch ist kein Mitverschulden oder ein sonstiger Mitverursachungsbeitrag der Zeugin P., des geschädigten VN oder gar der Klägerin selbst anzunehmen, die dem Anspruch im Rahmen des § 254 Abs. 1 BGB schadensmindernd entgegengehalten werden könnten.

 

Vorwegzunehmen ist dabei, dass das Landgericht von den richtigen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen ist, als dass sich die Klägerin im Rahmen des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter nicht nur ihr eigenes Mitverschulden (und das ihres VN als dem ursprünglich Geschädigten) anrechnen lassen muss, sondern nach dem Rechtsgedanken der §§ 334846 BGB auch das des Gläubigers, hier der Vermieterin P. (vgl. BGH, Urteil vom 14.06.2012 – IX ZR 145/11NJW 2012, 3165; Palandt/Grüneberg, BGB, 79. Auflage, § 254 Rn. 56).

 

Die dagegen erhobenen Einwände der Berufung bleiben ohne Erfolg:

 

aa) Dass die Vermieterin für die mangelbehaftete Entwässerungsanlage gemäß § 536a BGB gegenüber dem Mieter schadensersatzpflichtig sein könnte, führt nicht zu einem zugunsten der Beklagten anrechenbaren „Mitverschulden„. Unabhängig davon, dass ein anfänglicher Mietmangel, wie oben dargestellt, nicht feststellbar ist, geht der entsprechende gedankliche Ansatz der Beklagten fehl. Denn ein anzurechnendes Mitverschulden der Vermieterin kann nur ein solches sein, das gerade gegenüber dem Schädiger wirkt, mithin ihren eigenen Anspruch kürzen würde, wenn sie selbst die Geschädigte wäre. Dies wäre vorliegend nicht der Fall. Dass sie aufgrund anderer gesetzlicher Wertung ihrem Mieter gegenüber – die Voraussetzungen im Übrigen als gegeben unterstellt – nach § 536a BGB auch ohne eigenes Verschulden haftet, geht nicht zugunsten des Schädigers.

 

bb) Mit der Frage eines tatsächlich vorliegenden Mitverschuldens der Zeugin P. wegen etwaiger Kenntnis der Mängel hat sich das Landgericht ausführlich auseinandergesetzt und dieses zutreffend verneint. Überzeugend hat das Landgericht insbesondere darauf abgestellt, dass es bis zum Jahr 2012 noch zu keinen anderen Wasserschäden oder sonstigen ähnlichen Problemen gekommen war. Konkrete Einwände gegen diese Feststellungen werden mit der Berufung nicht erhoben; sie verweist lediglich auf eine vermeintlich bestehende sekundäre Darlegungs- und Beweislast der Klägerin, da die Beklagten nicht wissen könnten, wann und wie die Zeugin ihre Abwasseranlage kontrolliert habe. Dieser Gedanke greift jedoch bereits deshalb nicht, da die Beklagten ein Verschulden der Zeugin P. im Verfahren noch nicht einmal behauptet hatten.

 

Ein Verschulden der Zeugin P. kommt im Übrigen auch nicht unter dem Gesichtspunkt in Betracht, dass sie – wie auch für die Beklagte zu 2) angenommen – eine Pflicht hätte, ihre eigene Entwässerungsanlage regelmäßig zu überprüfen. Denn insoweit gilt ein anderer Maßstab. Im Rahmen des § 254 BGB ist zu fragen, ob der Geschädigte die ihm in eigenen Angelegenheiten obliegende Sorgfalt außer Acht gelassen hat, sog. Verschulden gegen sich selbst (BeckOK, § 254 Rn. 15; Palandt/Grüneberg, BGB, a.a.O. Rn. 9). Es entspricht aber der allgemeinen Lebenserfahrung, dass Privatpersonen ihre Kanalanlagen nur dann untersuchen (lassen), wenn hierfür eine konkrete Veranlassung besteht. Sonstige Gründe, eine besondere regelmäßige Prüfpflicht anzunehmen, sind nicht ersichtlich; insbesondere unterfällt die Zeugin P. als normale Anschlussnutzerin nicht der gesetzlichen Pflicht zur Selbstüberwachung des § 61 Abs. 2 WHG (vgl. Berendes/Frenz/Müggenborg, WHG, § 61 Rn. 9).

 

cc) Letztlich ist eine Anspruchskürzung auch nicht im Wege einer verschuldensunabhängigen Mitverursachung deshalb vorzunehmen, da die Zeugin P. für ihre Entwässerungsanlage als allgemeiner Gefahrenquelle verantwortlich gewesen wäre und dies dem Geschädigten zugerechnet werden könnte.

 

(1) Allerdings ist in Rechtsprechung und Literatur trotz der Bezugnahme auf das „Verschulden des Beschädigten“ anerkannt, dass den Geschädigten auch eine verschuldensunabhängige Einstandspflicht treffen kann. Im Rahmen von § 254 Abs. 1 BGB ist eine verschuldensunabhängige Haftung dann gegeben, wenn eine vom Geschädigten beherrschte Gefahrenquelle für die Schadensentstehung mitursächlich war und nach der Rechtsordnung das Risiko der Gefahrenquelle demjenigen zugewiesen ist, der diese geschaffen hat und beherrscht (MüKo/Oetker, BGB, § 254 Rn. 5). Sofern sich also eine von dem Geschädigten beherrschte Betriebs- oder Stoffgefahr verwirklicht, führen auch seine nicht verschuldeten Eigenbeiträge zu einer Anspruchskürzung (BeckOK, BGB, § 254 Rn. 22; JurisPK-BGB/Rüßmann, § 254 Rn. 5). In Anlehnung an die Gefährdungstatbestände muss sich der Geschädigte eine mitwirkende Sach- oder Betriebsgefahr jedoch (nur) anrechnen lassen, wenn dafür ein Haftungstatbestand besteht, nach welchem er im Fall einer Fremdschädigung schadensersatzpflichtig wäre (BGH, Urteil vom 13.12.1994 – VI ZR 283/93NJW 1995, 1150; BGH vom 23.06.1952 – III ZR 297/51BGHZ 6, 319).

 

(2) In diesem Fall könnte sich die anzurechnende Betriebsgefahr aus der Haftung der Zeugin P. gemäß § 2 Abs. 1 HaftPflG ergeben, die bei der Schädigung eines Dritten vorliegen würde. Wie ausgeführt, ist die Zeugin P. als Eigentümerin des Grundstücks auch Inhaberin der hauseigenen Entwässerungsanlage; für die von dieser Anlage ausgehenden Gefahren hat sie einzustehen. Aus der Absicht des Gesetzgebers, gefährliche „Betriebe“ der verschärften Haftung zu unterstellen, kann nämlich nicht gefolgert werden, dass es sich stets um „betrieblich“ genutzte Anlagen handeln muss; auch privat betriebene Anlagen können die Haftung nach § 2 Abs. 1 HPflG begründen (Filthaut/Kayser HPflG § 2 Rn. 3). Dabei fallen auch Anlagen, deren Größe und Ausdehnung begrenzt sind, unter die Haftung nach § 2 Abs. 1 HPflG (Senat, Urteil vom 27.11.2001 – 4 U 174/01VRS 102, 92).

 

Wie dargelegt, waren die Rohre im Anwesen der Zeugin P. defekt (vgl. die Aussage des Zeugen F. A., Blatt 163 der Akte, und die Feststellungen des Sachverständigen, Blatt 217, 355 der Akte); die Abflussrohre des Obergeschosses sind fehlerhaft vor der Rückstauklappe angeschlossen, statt dahinter, und es ist keine Hebeanlage vorhanden. Hierdurch war Wasser ausgetreten, unter die Bodenplatte gelaufen und hatte zu der Durchfeuchtung der Räumlichkeiten geführt. Diese Mängel haben einen deutlichen Mitverursachungsbeitrag zur Schadensverursachung gesetzt.

 

(3) Dennoch scheidet eine Haftungskürzung unter diesem Gesichtspunkt aus. Dabei kann es dahinstehen, ob der Rechtsgedanke der §§ 334846 BGB, wonach sich der in den Vertrag eines Dritten einbezogene Geschädigte auch das Verschulden des Hauptgläubigers zurechnen lassen muss (BGH, Urteil vom 14.06.2012 – IX ZR 145/11NJW 2012, 3165; Palandt, BGB, § 254 Rn. 56), generell dafür ausreichend wäre, dem Geschädigten die verschuldensunabhängige Gefährdungshaftung des Gläubigers zuzurechnen. Aus Sicht des Senats sprechen sowohl Wortlaut als auch Sinn und Zweck der Normen gegen eine solche ausufernde Zurechnung. Insbesondere wäre es nicht gerechtfertigt, dem Geschädigten den ihm zustehenden Anspruch zu kürzen, ohne dass er einen dies ersetzenden Anspruch gegen den Hauptgläubiger erhält.

 

Auf die Frage einer möglichen Zurechnung kommt es letztlich aber deshalb nicht an, weil die Gefährdungshaftung der Zeugin P. für ihre Entwässerungsanlage im Streitfall nicht eingreifen würde. Wie gezeigt – vgl. oben unter 2. c) aa) (2) – steht einer Haftung der Zeugin P. für den eingetretenen Wasserschaden der Ausschluss des § 2 Abs. 3 Nr. 1 HaftPflG entgegen, wonach eine Haftung für solche Schäden ausscheidet, die auf dem Grundstück eingetreten sind, auf dem sich auch die Rohrleitungsanlage befindet. Damit ist aber schon von vorneherein keine Haftung gegeben, die dem VN der Klägerin im Rahmen des § 254 BGB anspruchsmindernd entgegengehalten werden könnte.

 

IV.

 

Auch die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil beruht auch im Verhältnis zur Beklagten zu 1) weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne des § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine der Klägerin vorteilhaftere Entscheidung (§ 513 ZPO). Zu Recht hat das Landgericht einen Anspruch der Klägerin gegenüber der Gemeinde unter den in Betracht kommenden Gesichtspunkten verneint. Soweit die Berufung weitere aus ihrer Sicht denkbare Anspruchsgrundlagen heranzieht, greifen diese nicht durch.

 

1. Ein Anspruch aus § 2 HaftPflG kommt nach den dargelegten Grundsätzen (vgl. oben unter III. 1.) auch gegenüber der Beklagten zu 1) nicht in Betracht, ohne dass es darauf ankommt, ob die Beklagte zu 1) nach Übertragung des Betriebs der Abwasserentsorgung der Gemeinde auf die Beklagte zu 2) neben dieser noch als haftende Inhaberin der schadensverursachenden Rohrleitungsanlagen anzusehen wäre (vgl. Filthaut/Kayser, HPflG § 2 Rn. 43).

 

2. Soweit das Landgericht einen bürgerlich-rechtlichen Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB analog verneint hat, wird dies von der Zweitberufung nicht in erheblicher Weise angegriffen. Nach den Ausführungen wird schon nicht vollständig klar, welche Rechtsgrundlagen im Einzelnen angeführt werden. So heißt es in der Berufungsbegründung, hier sei ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB analog „bzw.“ ein solcher wegen enteignenden Eingriffs gegeben.

 

a) Wie das Landgericht festgestellt hat, scheitert ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch bereits daran, dass die Schäden im Streitfall allein durch das Abwasser des Grundstücks der Zeugin P. verursacht wurden, das aufgrund der Verstopfung des öffentlichen Kanals nicht abfließen konnte. Damit liegen schon im Ausgangspunkt keine Einwirkungen im Sinne des § 906 BGB vor, die einen Anspruch begründen könnten, den diese sind nur solche, die als Immissionen von außen auf das Grundstück des Geschädigten einwirken (vgl. ausführlich BGH, Urteil vom 30.05.2003 – V ZR 37/02BGHZ 155, 99). Zu diesem, den Anspruchsausschluss alleine tragenden Argument, ist der Berufungsbegründung nichts zu entnehmen.

 

Darüber hinaus kann über den bürgerlich-rechtlichen Ausgleichanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz. 2 BGB ein angemessener Geldausgleich nur dann beansprucht werden, wenn von einem Grundstück im Rahmen seiner privatwirtschaftlichen Benutzung unzumutbare Einwirkungen auf ein anderes Grundstück ausgehen, die nicht rechtzeitig zu unterbinden waren (vgl. BGH, Urteil vom 12.12.2003 – V ZR 180/03BGHZ 157, 188; BGH, Urteil vom 11.06.1999 – V ZR 377/98BGHZ 142, 66; OLG Schleswig, Urteil vom 16.08.2001 – 11 U 180/99) Die vorliegenden Auswirkungen auf das geschädigte Grundstück der Zeugin P. gingen aber gerade nicht von einer solchen privatwirtschaftlichen Nutzung des (Straßen)Grundstücks der Beklagten aus.

 

b) Ebenso besteht kein Anspruch der Klägerin aufgrund eines enteignenden Eingriffs. Unter dem Gesichtspunkt des enteignenden (enteignungsgleichen) Eingriffs wird ein Entschädigungsanspruch aus Art. 14 GG ausgelöst, wenn – unter anderem -durch eine konkrete hoheitliche Maßnahme in eine als Eigentum geschützte Rechtsposition „eingegriffen“ wird. Dabei genügt jedoch es nicht, dass zwischen einer hoheitlichen Maßnahme und der Eigentumsbeeinträchtigung ein adäquater Ursachenzusammenhang besteht. Zwar wird für einen „Eingriff“ in die Rechtsposition des Betroffenen nicht (mehr) verlangt, dass es sich um eine gewollte (gezielte) Eigentumsbeeinträchtigung handeln müsse. Nach der Rechtsprechung kann aber von einem einen Enteignungstatbestand verwirklichenden „Eingriff“ nur dort gesprochen werden, wo von einer hoheitlichen Maßnahme unmittelbare – und nicht nur mittelbare – Auswirkungen auf das Eigentum des Betroffenen ausgehen (BGH, Urteil vom 25.01.1971 – III ZR 208/68BGHZ 55, 229). Dies ist bei den Auswirkungen einer schadhaften Wasserleitung auf das Grundstück eines Nachbarn nicht der Fall (vgl. BGH, a.a.O.).

 

Unabhängig davon kommt ein solcher Entschädigungsanspruch wegen eines enteignenden Eingriffs in Parallelität zum nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nur in Betracht, wenn tatsächlich eine positive Einwirkung auf den Betroffenen vorliegt, was bei dem vorliegenden Schadenseintritt durch das hauseigene, nicht abgeflossene Abwasser gerade nicht der Fall ist.

 

3. Auch deliktische Ansprüche aus § 839 Abs. 1 BGB hat das Landgericht zu Recht verneint. Daneben kommt der von der Berufung der Klägerin angeführte Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung von Verkehrssicherungspflichten nicht in Betracht.

 

a) Nach den dargestellten Feststellungen des Sachverständigen J. zum Zustand des gemeindlichen Abwasserkanals kann nicht in Zweifel stehen, dass ein amtspflichtwidriges Handeln der Beklagten zu 2), der die entsprechende Überwachung mit dem Betrieb der Kanalisation übertragen worden war, und für das die Beklagte zu 1) einzustehen hatte (Art. 34 GG), vorlag. Denn generell umfasst die allgemeine Amtspflicht auch das Gebot der Verkehrssicherung, wonach derjenige, der in seinem Verantwortungsbereich eine Gefahrenquelle schafft, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen hat, dass Schädigungen Dritter möglichst verhindert werden (BGH, Urteil vom 06.02.2007 – VI ZR 274/05NJW 2007, 1683; OLG Hamm, Urteil vom 26.05.2010 – 11 U 129/08; JurisPK-BGB/Zimmerling, § 839 Rn. 50 ff.). Dies kann insbesondere den Eigentümer eines Grundstücks verpflichten, dafür Sorge zu tragen, dass die auf seinem Grundstück stehenden Bäume nicht durch den Wurzeleinwuchs in Kanalrohre andere schädigen (vgl. BGH, Urteil vom 24.08.2017 – III ZR 574/16VersR 2018, 178).

 

Da es sich bei der Abwasserbeseitigung aber um eine im Kern hoheitliche Aufgabe handelt, die gemäß § 50a Saarländisches Wassergesetz den Gemeinden übertragen ist, richten sich die aus einer Pflichtverletzung folgenden Ansprüche der Geschädigten allein nach § 839 BGB (zur Abgrenzung von privatrechtlichem Handeln: Senat, Urteil vom 30.11.2017 – 4 U 19/17), was das Haftungsprivileg des § 839 Abs. 1 Satz 2 BGB miteinschließt. Danach ist der Anspruch ausgeschlossen, wenn eine anderweitige Ersatzmöglichkeit bei Erhebung der Amtshaftungsklage vorhanden war oder der Gläubiger die Geltendmachung schuldhaft versäumt hat (BGH, Beschluss vom 28.06.1984 – III ZR 208/83NVwZ 1984, 748). Das Bestehen einer solchen anderweitigen Ersatzmöglichkeit hat das Landgericht zutreffend unter Verweis auf den schuldrechtlichen Anspruch gegenüber der Beklagten zu 2) bejaht.

 

b) Da es sich bei der Beklagten zu 1) als Gemeinde um eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und damit einen Beamten im statusrechtlichen Sinn handelt (vgl. Palandt/Sprau, BGB, a.a.O. Rn. 14), kommen weitergehende Ersatzansprüche nach § 823 Abs. 1 BGB wegen Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht oder als eine Haftung des Gebäudebesitzers nach § 836 BGB (im Fall eines Rohrbruchs etwa: BGH, Urteil vom 25.01.1971 – III ZR 208/68BGHZ 55, 229) nicht in Betracht. Denn § 839 BGB regelt die Verantwortlichkeit des Amtswalters abschließend und verdrängt in seinem Anwendungsbereich als lex specialis die allgemeinen Deliktstatbestände der §§ 823 ff. BGB (JurisPK-BGB/Zimmerling, § 839 Rn. 8; Palandt/Sprau, a.a.O., Rn. 3).

 

V.