Ax Vergaberecht

  • Uferstraße 16, 69151 Neckargemünd
  • +49 (0) 6223 868 86 13
  • mail@ax-vergaberecht.de

OVG Bremen zu der Frage, wie ein Auswahlverfahren zur Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Einbringen von E-Scootern in den Straßenraum zum Verleih durchgeführt werden kann und ob ein Losverfahren in Frage kommt

vorgestellt von Thomas Ax

Es begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, wenn sich eine Behörde im Rahmen komplexer Entscheidungsverfahren zur Strukturierung ihrer Ermessensausübung einer Bewertungsmatrix bedient, bei der eine Punktevergabe und Gewichtung einzelner Faktoren erfolgt. Ob die Entscheidung in der Folge allein durch das rechnerische Ergebnis vorgegeben wird oder weitere wertende Betrachtungen hinzutreten können, unterliegt ebenfalls grundsätzlich der Entscheidung der handelnden Behörde. Es ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken dagegen, auf einen Losentscheid zurückzugreifen. Auch unter Berücksichtigung grundrechtlicher Garantien und vorliegend namentlich des Art. 12 Abs. 1 GG kann ein Losverfahren zur Vergabe einer Erlaubnis oder Genehmigung jedenfalls dann zur Anwendung kommen, wenn sich mehrere Konkurrenten nach Festlegung von sachbezogenen Auswahlkriterien und deren Anwendung auf den konkreten Einzelfall als gleichrangig erweisen.

OVG Bremen, Beschluss vom 27.10.2023 – 1 B 146/23

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über die Erteilung einer Sondernutzungserlaubnis für das Einbringen und entgeltlichen Anbieten von E-Scootern im öffentlichen Straßenraum.

Die Antragstellerin und die Beigeladene sind Vermieterinnen von E-Scootern. Die Antragstellerin besaß für das Land B. eine befristete Sondernutzungserlaubnis, die im Jahr 2023 auslief. Bereits 2021 beschloss die Stadtbürgerschaft B. ein Sondernutzungskonzept für die Erteilung von Sondernutzungserlaubnissen für Elektrokleinstfahrzeuge (Drs. 20/494 S). Dieses legte ein Gesamtkontingent von insgesamt 2.500 E-Scootern fest, das auf zwei Anbieter verteilt werden sollte. Eine weitere Zersplitterung würde die Überwachung unverhältnismäßig erschweren. Der Auswahl solle eine Muster-Sondernutzungserlaubnis zugrunde gelegt werden und es sollten diejenigen Verleihunternehmen eine Erlaubnis erhalten, deren Konzepte in qualitativer Hinsicht am besten die Gewähr dafür böten, die Nebenbestimmungen der Sondernutzungserlaubnis einzuhalten und die Anforderungen des § 18 BremLStrG umzusetzen. Soweit danach keine überwiegenden Sachgründe eine Entscheidung vorgäben, solle die Auswahl durch Losentscheid erfolgen. Am 08.02.2023 gab die Antragsgegnerin unter Veröffentlichung einer Muster-Sondernutzungserlaubnis öffentlich bekannt, dass ab dem 01.05.2023 ein entsprechendes Auswahlverfahren durchgeführt werde.

Am 27.02.2023 teilte die Antragsgegnerin einer Konkurrentin der Antragstellerin auf Nachfrage per E-Mail mit, wenn alle Bewerber die Mindeststandards erfüllten, würde eine darüber hinausgehende qualitative Bewertung der eingereichten Unterlagen vorgenommen: Es erhielten dann die Verleihunternehmen eine Erlaubnis, deren Konzepte in qualitativer Hinsicht am besten die Gewähr dafür böten, dass die Nebenbestimmungen der Mustererlaubnis eingehalten werden. Dies sei mit den “überwiegenden Sachgründen” gemeint. Nur wenn sich kein “qualitativer Vorsprung” einzelner Bewerber erkennen ließe, fände ein Losentscheid statt.

Die Antragsgegnerin erstellte unter dem 03.04.2023 einen Vermerk zum Ausgang des Auswahlverfahrens. Darin wurde ausgeführt, um das Ermessen transparent und nachvollziehbar auszuüben, sei eine Bewertungsmatrix erstellt worden, welche auf die Regelungen der Muster-Sondernutzungserlaubnis ausgerichtet sei. Nach dieser Bewertungsmatrix erfolgte eine Priorisierung der Nebenbestimmungen in drei Kategorien. Die Anforderungen der Kategorie A wurden mit dem Faktor 3, die der Kategorie B mit dem Faktor 2 und die der Kategorie C mit dem Faktor 1 gewichtet. Insgesamt waren 120 Punkte erreichbar. Die erreichte Gesamtpunktzahl sollte nicht zwangsläufig zur Erteilung oder Versagung eine Sondernutzungserlaubnis führen, vielmehr sollte hiernach noch eine ergänzende Gesamtschau erfolgen. Von den vier am Verfahren teilnehmenden Unternehmen erhielt das am besten bewertete Unternehmen insgesamt 112 Punkte. Bei der Auswertung der Ergebnisse wurde u.a. darauf abgestellt, dass dieses Unternehmen insbesondere bei den nutzerbezogenen Maßnahmen zur Wahrung der Barrierefreiheit stets die höchste Punktzahl erhalten habe. Es biete daher am besten die Gewähr dafür, die Nebenbestimmungen der Muster-Sondernutzungserlaubnis einzuhalten. Das nach Punkten am schlechtesten bewertete Unternehmen habe hingegen häufig intransparente und oberflächliche Angaben gemacht, was sich in einer Punktzahl von 82 Punkten widerspiegele. Ferner habe dieses Unternehmen bei den Sanktionsmaßnahmen keine eindeutigen und klaren Maßnahmen benannt. Die Antragstellerin (98 Punkte) und die Beigeladene (92 Punkte) lägen sehr nah beieinander. Sie unterschieden sich in lediglich sechs Punkten in der Gesamtwertung. Bezogen auf die in die Kategorie B eingruppierten Anforderungen glichen sich die unterschiedlich bewerteten Punkte teilweise untereinander aus. Der Vergleich bei den Nebenbestimmungen der Priorisierungsstufe A sei ausgeglichen. Auch wenn die Antragstellerin “bekannt und bewährt” sei, lägen in der Gesamtschau keine überwiegenden Sachgründe vor, die eine Entscheidung vorgeben würden, sodass ein Losverfahren durchgeführt werde.

Am 17.04.2023 wurde im Beisein von Vertretern der Antragstellerin eine Losziehung durchgeführt, die zugunsten der Beigeladenen ausfiel.

Mit Bescheid vom 24.04.2023 lehnte die Antragsgegnerin den Antrag der Antragstellerin ab. Sie erläuterte die an die Anbieter vergebenen Punkte und verwies auf die vorgenommene Gesamtschau und das Ergebnis des Losverfahrens. Dabei wiederholte sie zur Begründung im Wesentlichen die Ergebnisse des Auswahlvermerks. Am 25.04.2023 erhob die Antragstellerin Widerspruch gegen die Ablehnung ihres Antrages, wobei sie zugleich Widerspruch gegen die an die Konkurrentinnen erteilten Erlaubnisbescheide einlegte.

Am 27.04.2023 teilte die Beigeladene der Antragsgegnerin mit, dass sie nur die Genehmigung von 800 E-Scootern beantrage, sich aber vorbehalte, die Flotte ggf. nach oben anzupassen. Unter dem 28.04.2023 wurde ihr eine auf zwei Jahre befristete und für sofort vollziehbar erklärte Sondernutzungserlaubnis für das Einbringen und Anbieten von 800 Fahrzeugen erteilt.

Bereits am 27.04.2023 hat die Antragstellerin im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes beantragt, die Antragsgegnerin zur Erlass einer Sondernutzungserlaubnis, hilfsweise zur erneuten Bescheidung zu verpflichten. Zudem hat sie beantragt, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 25.04.2023 gegen die Sondernutzungserlaubnis der Beigeladenen wiederherzustellen.

Mit Beschluss vom 24.05.2023 hat das Verwaltungsgericht die Antragsgegnerin verpflichtet, den Antrag der Antragstellerin vom 08.03.2023 unter Beachtung seiner Rechtsauffassung neu zu bescheiden. Im Übrigen lehnte es den Eilantrag ab. Bei der begehrten Erlaubnis handle es sich um ein Sondernutzungsbegehren im Sinne von § 18 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 BremLStrG. Dem Auswahlverfahren unter Zugrundelegung einer Mustererlaubnis stünden keine Bedenken entgegen. Die Stadtbürgerschaft sei befugt, allgemeine Richtlinien zur Ausübung des Ermessens vorzugeben. Bei dem Sondernutzungskonzept handle es sich um materielle Verwaltungstätigkeit, die eine Bindung nur insoweit hergebe, als dass eine Vereinbarkeit mit höherrangigem Rechts bestehe, und eine Orientierung an spezifisch straßenrechtlichen Erwägungen gegeben sei. Die Begrenzung der Anzahl der E-Scooter diene wie die Beschränkung auf lediglich zwei Anbieter der Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehres. Eine fehlerhafte Entscheidung ergebe sich weder aus der Priorisierung einzelner Auswahlkriterien noch aus einem Verstoß gegen das Transparenzgebot. Insbesondere habe die Antragsgegnerin ihre Entscheidung nicht von anderen als in den Verfahrensinformationen genannten Kriterien abhängig gemacht. Die Auswahlentscheidung sei auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die Erlaubnis der Beigeladenen die zulässige Höchstzahl von 1.250 Fahrzeugen nicht ausschöpfe. Der (Mindest-)Umfang eines Antrags sei nicht vorgegeben gewesen. Dass die Antragstellerin die nach Punkten Zweitplazierte sei, führe ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit. Wann “überwiegende Sachgründe” im Sinne des Sondernutzungskonzepts eine Entscheidung vorgäben, bestimme sich nach der Ermessenspraxis der Behörde. Diese gehe hier nicht dahin, im Falle eines Punktevorsprungs ohne weitere Abwägung eine Erlaubnis zu erteilen. Die verwandte Bewertungsmatrix habe nur eine verwaltungsinterne Orientierungshilfe sein sollen. Der maßgeblichen Ermessenspraxis könne entnommen werden, dass bei einem Punkteunterschied von sechs Punkten zwischen Zweit- und Drittplatziertem nicht automatisch von “überwiegenden Sachgründen” für den punktbesseren Antragsteller auszugehen sei, sondern es zusätzlich einer Gesamtabwägung bedürfe. Der E-Mail eines Sachbearbeiters vom 27.02.2023 im Verwaltungsverfahren käme für die Entscheidungspraxis keine Bedeutung zu. Unabhängig davon stünden die dortigen Aussagen nicht zwingend im Widerspruch dazu, einen “qualitativen Vorsprung” nicht schon bei einem geringfügigen Punktevorsprung anzunehmen. Die Antragsgegnerin habe auch nicht bei einem festgestellten qualitativen Vorsprung ein Losverfahren durchgeführt, sondern sei von einer Gleichwertigkeit der Konzepte ausgegangen. Die Entscheidung der Antragsgegnerin, deshalb ein Losverfahren durchzuführen, erweise sich aber als ermessensfehlerhaft, weil ihr bei der Bepunktung ein Fehler unterlaufen sei. Sie sei hinsichtlich des Einsatzes einer Fußpatrouille in Bezug auf die Beigeladene von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen. Mangels einer Ermessensreduzierung auf Null folge hieraus nur ein Anspruch auf erneute Entscheidung. Soweit die Antragstellerin die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches begehre, fehle es am Rechtsschutzbedürfnis. Der Erlaubnisbescheid der Beigeladenen zeitige für sie keine unmittelbare belastende Wirkung.

Als Reaktion auf die verwaltungsgerichtliche Entscheidung hat die Antragsgegnerin Ermittlungen zum Einsatz einer Patrouille durch die Beigeladene vorgenommen und in deren Rahmen auch bei dieser hierzu Informationen eingeholt. Mit Bescheid vom 29.06.2023 hat sie sodann den Antrag der Antragstellerin unter Rücknahme des Bescheides vom 24.04.2023 erneut abgelehnt. Die Beigeladene habe Angaben zum Vorhandensein einer Patrouille gemacht. Es verbliebe bei ihr und der Antragstellerin bei der vorgenommenen Bepunktung. Lediglich das am schlechtesten bewertete vierte Unternehmen erhalte nun zwei Punkte mehr und daher insgesamt 84 Punkte. Im Rahmen einer Gesamtschau sei weiterhin nicht vom Vorliegen überwiegender Sachgründe für die Antragstellerin oder die Beigeladene auszugehen, weshalb zu losen sei. Hierbei sei das Ergebnis des durchgeführten Losverfahrens bindend. Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 10.07.2023 ebenfalls Widerspruch eingelegt.

Am 08.06.2023 hat die Antragstellerin Beschwerde gegen den ihr am 26.05.2023 zugestellten Beschluss erhoben. Zudem hat sie mit Schriftsatz vom 10.07.2023 erklärt, auch im Lichte der Neubescheidung vom 29.06.2023 an der Beschwerde festhalten zu wollen. Die Antragsgegnerin sei derart an ihr Bewertungskonzept gebunden gewesen, dass die Auswahl anhand des Punktevorsprungs habe erfolgen müssen. Dass die Bewertungsmatrix nur als Orientierung habe dienen sollen, werde erst im nach der Bepunktung erstellten Auswertungsvermerk erwähnt. Ein Losentscheid sei nur bei einem Fehlen überwiegenden Sachgründe für eine Entscheidung vorgesehen gewesen. Nach den Verfahrensunterlagen sei dies bei einem qualitativen Unterschied nicht der Fall. Dies sei in der Email vom 27.02.2023 bestätigt worden. Die Voraussetzungen einer Losentscheidung hätten angesichts des Punktevorsprungs der Antragstellerin nicht vorgelegen. Die Antragsgegnerin habe die Bewertungsentscheidung akribisch vorbereitet und durchgeführt. Das detailorientierte und ausgewogene Vorgehen lasse es absurd erscheinen, das Ergebnis zu verwerfen und stattdessen eine Zufallsentscheidung zu treffen. Bei einem Vorsprung von sechs Punkten lägen die Ergebnisse nicht sehr nahe beieinander. Mit der Formulierung, die Konzepte der Antragstellerin und der Beigeladenen seien “annähernd gleich”, habe die Antragsgegnerin zu erkennen gegeben, dass die Konzepte nicht gleichwertig seien. Zudem erschöpfe sich die Begründung für den Losentscheid in einer Darstellung der Bepunktung. Dass die vermeintliche “Gesamtschau” tatsächlich nicht vorgenommen worden sei, zeige auch ein Vergleich zwischen Ablehnungs- und Neubescheid. Obwohl sich die Bewertung des vierten und schlechtplatziertesten Unternehmens geändert habe und nun deren Abstand zur Beigeladenen von acht Punkten kaum größer sei als der Abstand der Beigeladenen zur Antragstellerin, habe die Antragsgegnerin dies in den Ausführungen zu der “Gesamtschau” nicht berücksichtigt. Zudem sei ein Losentscheid nur als Ultima Ratio zulässig. Das Vorgehen verstoße zudem gegen die unionsrechtlich garantierten Grundfreiheiten der Dienstleitungs- und Niederlassungsfreiheit sowie gegen das Kartellrecht. Auch die Abweichung von den in den Verfahrensunterlagen vorgesehenen 1.250 Fahrzeugen durch die Beigeladene widerspräche den Verfahrensvorgaben. Wenn sich die Antragsgegnerin für eine strenge Kontingentierung entscheide, dürfe sie Erlaubnisse nur zur tatsächlichen Ausübung erteilen. Ansonsten müsse die Erlaubniss einem anderen Unternehmen erteilt werden. Schließlich habe es im Rahmen der Neubescheidung eines neuen Losentscheids bedurft und der Beigeladenen habe keine Gelegenheit gegeben werden dürfen, ihr Konzept nachzubessern.


Die Antragstellerin beantragt unter Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 24.05.2023 (Az. 5 V 829/23), soweit dieser entgegensteht,

1. die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin die am 08.03.2023 beantragte Sondernutzungserlaubnis für das Einbringen und entgeltliche Anbieten von E-Scootern im öffentlichen Straßenraum der Stadtgemeinde B. vorläufig zu erteilen,

hilfsweise dazu: die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, über den Antrag der Antragstellerin vom 08.03.2023 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts vorläufig erneut zu entscheiden,

2. die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin vom 25.04/ 12.05.2023 gegen die der Beigeladenen erteilte Sondernutzungserlaubnis vom 28.04.2023 wiederherzustellen.


Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten. Die Beschwerde sei unzulässig. Sie könne die Rechtsstellung der Antragstellerin nicht verbessern, weil sich die erstinstanzliche Entscheidung, deren Aufhebung begehrt werde, auf den aufgehobenen Bescheid vom 24.04.2023 beziehe. Weder die Ausgangsverfügung noch die erneute Verfügung wiesen Defizite auf. Im Rahmen ihrer neuen Entscheidung sei zur Patrouille der Beigeladenen ermittelt worden. Dies habe die Richtigkeit der Einschätzung zu deren Bedeutung in der ursprünglichen Verfügung bestätigt. Ein erneutes Losverfahren sei nicht geboten gewesen, da im Beschluss des Verwaltungsgerichts nur ein vermeintlicher Ermessensfehler in einem abgrenzbaren Teilbereich der Auswahlentscheidung gerügt worden sei. Formelle Einwände gegen den durchgeführten Losentscheid bestünden nicht. Die Situation habe sich seit dem Losentscheid im April nicht geändert.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und auf ihren Vortrag in einem von ihr angestrengten eigenständigen Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts (Az: 1 B 151/23) Bezug genommen.

15Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.


II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

1. Der Antrag zu 1. ist zulässig, aber unbegründet.

a) Der Zulässigkeit der Beschwerde steht die Neubescheidung des Antrags der Antragstellerin während des Beschwerdeverfahrens nicht entgegen. Zunächst ist weiterhin ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Neubescheidung ändert nichts daran, dass die Antragstellerin weiterhin ein schutzwürdiges Interesse an einer Sachentscheidung über ihren Eilantrag hat. Ein Obsiegen im Beschwerdeverfahren würde ihr einen rechtlichen Vorteil verschaffen Ob sich der Streitgegenstand des Verfahrens durch die Einbeziehung des Umstands der Neubescheidung verändert hat, erscheint fraglich, kann aber im Ergebnis dahinstehen, da eine dann notwendige Antragsänderung nach § 122 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 2. Alt VwGO zulässig wäre. Zum Teil wird vertreten, der Versagungsbescheid gehöre zur “Vorgeschichte” eines geltend gemachten Anspruchs auf Erlass eines Verwaltungsakts und sei daher vom Streitgegenstand umfasst (so Schübel-Pfister, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 40; a.A. BVerwG, Urt. v. 22.05.1987 – 4 C 77.84, wo im Falle einer Verpflichtungsklage in der Einbeziehung eines neuen Ablehnungsbescheids keine Klageänderung gesehen wurde; danach differenzierend, ob eine Verpflichtungs- oder eine Bescheidungssituation vorliegt: Decker, in: Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, 66. Edition 01.07.2023, § 113 Rn. 71 f.). Folgte man dem, läge in der Einbeziehung der neuen Bescheidung eine Antragsänderung. Die damit einhergehende Änderung des Streitgegenstandes in der Beschwerdeinstanz eines Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes wird weder durch den Beschleunigungsgedanken noch die grundsätzliche Beschränkung des Beschwerdeverfahrens auf eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) ausgeschlossen. So soll § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO den Beschwerdeführer zwar dazu zwingen, seine Einwände gegen die Entscheidung zügig und vollständig auf den Punkt zu bringen, nicht aber sachdienliche Änderungen des Streitgegenstandes verhindern (OVG Bremen, Beschluss vom 29.03.2021 – 1 B 100/2; Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 146 Rn. 25). Gerade im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) können daher auch hier Antragsänderungen in entsprechender Anwendung des § 91 Abs. 1 VwGO sachdienlich und zulässig sein. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn – wie vorliegend – die Antragsänderung einer Veränderung der Sach- oder Rechtslage Rechnung trägt, die nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichts eingetreten ist (vgl. OVG Bremen, Beschluss vom 19.05.2022 – 2 B 89/22 m.w.N., auch zur gegenteiligen Ansicht). Die Voraussetzungen einer Antragsänderung lagen auch im Übrigen vor, da diese jedenfalls im Sinne des § 122 Abs. 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 2. Alt VwGO sachdienlich ist. Eine Änderung ist regelmäßig dann sachdienlich, wenn sie die Möglichkeit bietet, den Streitstoff zwischen den Beteiligten endgültig zu bereinigen und keine erhebliche Verzögerung des ansonsten entscheidungsreifen Rechtsstreits nach sich zieht. Beides ist vorliegend bezogen auf eine vorläufige Klärung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache der Fall.

b) Die Beschwerde ist allerdings unbegründet. Das Beschwerdevorbringen, das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der Überprüfung durch das Oberverwaltungsgericht bestimmt, rechtfertigt keine Änderung oder Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses. Dies wäre nur in Betracht gekommen, wenn die Antragstellerin im Sinne des § 123 Abs. 1 VwGO einen Anordnungsanspruch hinsichtlich einer Verpflichtung der Antragsgegnerin zu einer erneuten Entscheidung glaubhaft gemacht hätte. Dies ist ihr nicht gelungen.

Der Senat legt seiner Entscheidung dabei neben der angefochtenen Entscheidung des Verwaltungsgerichts und dem innerhalb der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO eingebrachten Vortrag der Antragstellerin auch die erst nach Ablauf der Begründungsfrist ergangene neuerliche Ablehnung vom 26.06.2023 sowie den hierauf bezogenen Vortrag der Beteiligten zugrunde. Für den Erfolg der Beschwerde ist nicht maßgeblich, ob das Verwaltungsgericht unter Zugrundelegung der ihm bekannten Tatsachen richtig entschieden hat, sondern, ob die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis zutreffend ist. Das Beschwerdegericht ist deshalb in seiner Prüfung nicht auf solche Tatsachen beschränkt, die bereits zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung vorgelegen haben und auch vom Beschwerdeführer geltend gemacht worden sind. Es hat in seine Prüfung vielmehr grundsätzlich auch nachträglich eingetretene und vorgetragene Veränderungen der Sach- oder Rechtslage einzubeziehen (OVG Bremen, Beschluss vom 11.04.2023 – 1 B 295/22). Die Prüfungsbefugnis ist nach Sinn und Zweck des § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO sowie dessen systematischen Zusammenhangs mit den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nur auf Umstände beschränkt, die der Beschwerdeführer in der Begründungsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO vortragen konnte und musste (OVG MV, Beschluss vom 22.10.2015 – 2 M 13/15; vgl. auch Kautz, in: Fehling/Kastner/Störmer, VerwR, 5. Aufl. 2021, § 146 VwGO Rn. 27 f.; s.a. OVG Bremen, Beschluss vom 17.11.2022 – 2 B 206/22, sowie Urt. v. 24.09.2020 – 2 B 187/20). Nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist eintretende jedenfalls offensichtliche entscheidungserhebliche Tatsachen, Rechtsänderungen sowie neue, bislang unverschuldet nicht unterbreitete präsente Beweismittel und der diesbezügliche Vortrag der Beteiligten sind daher grundsätzlich berücksichtigungsfähig (VGH BW, Beschluss vom 26.01.2017 – 5 S 1791/16; Happ, in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 146 Rn. 19 und 29; Külpmann, in: Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz, 7. Aufl. 2017, Rn. 1157 f.; a.A. OVG MV, Beschluss vom 20.08.2018 – 3 M 14/16; OVG Bln.-Bbg., Beschluss vom 30.05.2016 – 2 S 8.16; NdsOVG, Beschluss vom 11.12.2012 – 7 ME 131/12 -, jeweils unter Verweis auf § 80 Abs. 7 VwGO). Hierfür sprechen, da der Vortrag des Beschwerdegegners normativ keinen thematischen oder zeitlichen Beschränkungen unterliegt, auch der Grundsatz der Waffengleichheit und prozessökonomische Gründe (VGH BW, Beschluss vom 08.03.2011 – 10 S 161/09).

Die Antragstellerin hat es dennoch nicht vermocht, darzutun, dass ein Anordnungsanspruch für die von ihr mit ihrem Antrag zu 1. begehrte Regelung besteht. Zwar hatte sie, wenn man die in der Beschwerde nicht bestrittene Ansicht des Verwaltungsgerichts zugrunde legt, dass der Einsatz der E-Scooter eine Sondernutzung darstellt, aus § 18 Abs. 4 BremLStrG grundsätzlich einen Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über ihren Antrag auf die Gewährung einer Sondernutzungserlaubnis. Da die Anzahl der vorgesehenen Zulassungen von der Antragsgegnerin auf zwei begrenzt wurde, stellte die Entscheidung über die Sondernutzungserlaubnis zudem eine Verteilungsentscheidung in einem wettbewerblich geprägten Umfeld mit grundrechtlicher Relevanz für die Freiheit der Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG), aber auch für den Gleichbehandlungsgrundsatz (Art. 3 Abs. 1 GG) dar. Dieser Verteilungskonflikt musste unter Wahrung der Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz gelöst werden (Barth/Kase, NVwZ 2021, 177, 180; vgl. auch NdsOVG, Urt. v. 19.02.2015 – 7 LC 63/13). Dass dies nicht jedenfalls unter Berücksichtigung der Erwägungen in der erneuten Bescheidung vom 26.06.2023 erfolgt ist und damit der Anspruch der Antragstellerin aus § 18 Abs. 4 BremLStrG erfüllt wäre (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 412), ist nicht zu erkennen.

aa) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat die Antragsgegnerin die im Vorfeld ihrer Entscheidung formulierten Maßstäbe für die vorzunehmende Auswahl beachtet und durfte auf dieser Grundlage ermessensfehlerfrei zu dem Ergebnis kommen, dass eine Auslosung vorzunehmen war.

Nach den Festlegungen der Bürgerschaft und auch den in der Folge veröffentlichten Ausschreibungsbedingungen sollten diejenigen Verleihunternehmen eine Genehmigung erhalten, deren Konzepte in qualitativer Hinsicht am besten Gewähr dafür bieten, dass die Nebenbestimmungen der Mustererlaubnis eingehalten und die Anforderungen des § 18 BremLStrG umgesetzt werden. Soweit danach keine überwiegenden Sachgründe eine Entscheidung vorgeben, sollte die Auswahl zur Auflösung der Konkurrenzsituation durch Losentscheid erfolgen. Gegen diese Konzeption der Auswahl ist grundsätzlich nichts einzuwenden. Zudem hat die Antragsgegnerin dadurch, dass sie den Genehmigungsbewerbern diese im Vorfeld ihrer Entscheidung unter Übermittlung der Muster-Sondernutzungserlaubnis mitteilte, eine hinreichende Transparenz hergestellt. Die potenziellen Bewerber konnten sich so bei ihrer Bewerbung auf die mitgeteilten Anforderungen einstellen. Dass die im Auswahlverfahren als Hilfsmittel herangezogene Bewertungsmatrix nicht veröffentlicht wurde und damit u.a. die Gewichtung der Kriterien den Antragstellern nicht bekannt war, ändert daran nichts. Es ist nicht erforderlich, dass sie die Auswahlentscheidung anhand derart detaillierter Angaben bereits selbst vorab vornehmen oder “errechnen” konnten, da ihnen durch die Kenntnis der Kriterien hinreichend Gelegenheit gegeben wurde, ihre Eignung darzulegen und nachzuweisen, inwieweit sie die gestellten Anforderungen erfüllen (vgl. VGH BW, Beschluss vom 28.03.2023 – 6 S 1168/22; NdsOVG, Urt. v. 14.09.2016 – 8 LC 160/15 -).

(1) Nach derzeitigem Sachstand ist nicht ersichtlich, dass eine Selbstbindung der Antragsgegnerin dahingehend bestanden hat, bereits dann zwingend von “überwiegenden Sachgründen” auszugehen, wenn sich aus der Bewertungsmatrix ein auch nur geringer Punktevorsprung für einen der Bewerber ergibt.

Es begegnet grundsätzlich keinen Bedenken, wenn sich eine Behörde im Rahmen komplexer Entscheidungsverfahren zur Strukturierung ihrer Ermessensausübung einer Bewertungsmatrix bedient, bei der eine Punktevergabe und Gewichtung einzelner Faktoren erfolgt. Ob die Entscheidung in der Folge allein durch das rechnerische Ergebnis vorgegeben wird oder weitere wertende Betrachtungen hinzutreten können, unterliegt ebenfalls grundsätzlich der Entscheidung der handelnden Behörde. Vorliegend ist indes nicht erkennbar, dass die Antragsgegnerin ihre Entscheidung, wie von der Antragstellerin unterstellt, streng und ausschließlich dem rechnerischen Ergebnis nach Punkten unterwerfen wollte. Dafür lässt sich zunächst weder der Entschließung der Bürgerschaft noch den bekanntgemachten Unterlagen etwas entnehmen. In beiden Fällen wird die Bewerbungsmatrix nicht erwähnt. Sie wurde auch ansonsten im Vorfeld der Entscheidung nicht veröffentlicht, sodass nach außen der Eindruck hätte entstehen können, es käme allein auf die dort zu erreichenden numerischen Werte an. Weiterhin ergibt sich aus dem Vermerk zum Auswahlverfahren vom 03.04.2023, dass die Bewertungsmatrix auf die Regelungen der Muster-Sondernutzungserlaubnis lediglich dazu dienen sollte, das Ermessen transparent und nachvollziehbar auszuüben (Bl. 466 Behördenakte). Ausdrücklich sollte dabei die vergebene Gesamtpunktzahl nicht zwangsläufig zur Erteilung einer Erlaubnis führen, sondern ergänzend eine wertende Gesamtschau vorgenommen werden (Bl. 467 Behördenakte). Der von Antragstellerin in Bezug genommenen E-Mail eines Behördenmitarbeiters aus dem Auswahlverfahren an eine ihrer Konkurrentinnen lässt sich nichts anderes entnehmen. Auch diese erwähnt die Bewertungsmatrix nicht, sondern befasst sich lediglich damit, wann unter Würdigung der veröffentlichten Ausschreibungsbedingungen von einer Situation auszugehen sein sollte, in der eine Losentscheidung erfolgt.

Auch ansonsten bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin von einer strikten Bindung an das Punktesystem ausgegangen ist. Allein die Existenz der Matrix und dass darin im Wege der Gewichtung von Kriterien bereits wertende Elemente enthalten sind, zeigt dies nicht auf. Vielmehr ist es nachvollziehbar, dass aus Sicht der Behörde eine strikte Bindung an das Bepunktungssystem angesichts der Komplexität der zu treffenden Entscheidung problematisch gewesen wäre.

(2) Aus den Einwänden der Antragstellerin ergeben sich auch ansonsten keine durchgreifenden Bedenken dagegen, auf einen Losentscheid zurückzugreifen.

Auch unter Berücksichtigung grundrechtlicher Garantien und vorliegend namentlich des Art. 12 Abs. 1 GG kann ein Losverfahren zur Vergabe einer Erlaubnis oder Genehmigung jedenfalls dann zur Anwendung kommen, wenn sich mehrere Konkurrenten nach Festlegung von sachbezogenen Auswahlkriterien und deren Anwendung auf den konkreten Einzelfall als gleichrangig erweisen (vgl. NdsOVG, Beschluss vom 04.09.2017 – 11 ME 330/17; Jarass, NVwZ 2017, 273, 277; s.a. OVG NRW, Beschluss vom 15.05.2017 – 4 A 1504/15; weitergehend BVerwG, Beschluss vom 04.10.2005 – 6 B 63.05).

Von einem solchen Fall der Gleichwertigkeit ist die Antragsgegnerin erkennbar ausgegangen, wenn sie feststellt, dass keine überwiegenden Sachgründe für die Antragstellerin auf der einen und die Beigeladene auf der anderen Seite vorlägen und diese “sehr nahe beieinander” lägen (Bl. 480 Behördenakte). Sowohl dem zunächst ergangenen Ablehnungsbescheid vom 24.04.2023 als auch dem Bescheid vom 26.06.2023 lässt sich entnehmen, dass die Antragsgegnerin eine wertende Gesamtschau durchgeführt hat, auf deren Grundlage sie zu dem Ergebnis kam, dass zwischen den Konzepten der Antragstellerin und der Beigeladenen keine Unterschiede bestanden, die aus ihrer Sicht eine von Sachgründen getragene Differenzierung rechtfertigen würden. Diese Würdigung war vom Einschätzungsspielraum der Antragsgegnerin gedeckt und ist angesichts des Ergebnisses aus der Bewertungsmatrix auch nachvollziehbar begründet worden. Die Antragsgegnerin hat nach der Feststellung und Punktevergabe in den einzelnen Nebenbestimmungen aufgezeigt, aus welchen Gründen aus ihrer Sicht keine überwiegenden Sachgründe für eine Entscheidung zugunsten der Antragstellerin bestehen. Dabei hat sie darauf hingewiesen, dass der nach der Matrix vorgenommene Vergleich bei den Nebenbestimmungen der am höchsten bewerteten Kategorie A ausgeglichen ausfiel. Soweit sich die Unterschiede auf Nebenbestimmungen in der Kategorie B beziehen, lag die Antragstellerin zwar in zwei Bereichen vorne (“Wartung der Fahrzeuge” und “Meldewege”), während die Beigeladene nur in einer Kategorie ein besseres Ergebnis erzielte (“Aufstellen und Umverteilen”). Insofern wird im Auswahlvermerk indes darauf verwiesen, dass sich die einzelnen Punkte teilweise untereinander ausglichen (Bl. 480 Behördenakte). Durch die niedrigere Priorisierung dieser Anforderung durch die Antragsgegnerin wird zudem deutlich, dass diesen Unterschieden im Vergleich mit Differenzen bei den Kriterien der höchsten Priorisierungsstufe nur eine untergeordnete Bedeutung zukam. Zudem bezieht sich bei näherer Betrachtung der Unterschied in der Kategorie “Meldewege” lediglich darauf, dass die Beigeladenen keine Angaben zur Meldung per Chatbot, Live-Chat und QR-Code gemacht hat (vgl. Bl. 220 d.A.).

Die Entscheidung Antragsgegnerin ist auch nicht deshalb nicht nachvollziehbar oder intransparent, weil nach der im Rahmen der Neubescheidung festgestellten Punkteverteilung ein vierter Mitbewerber nunmehr 84 Punkte und damit acht Punkte weniger als die Beigeladene (92 Punkte) erhielt. Wenn die Antragstellerin anführt, dieser Abstand sei im Vergleich zu dem zwischen ihr und der Beigeladenen bestehenden Unterschied von sechs Punkten als “kaum mehr größer” anzusehen, geht dies an den vorgenommenen Wertungen vorbei. Die Antragsgegnerin hat sich nie ausschließlich auf einen absoluten Punktestand gestützt, sondern daneben angeführt, dass gerade in den Kategorien der höchsten Priorisierungsstufe die Beigeladene und die Antragstellerin in einer Kategorie jeweils besser abgeschnitten hätten. Das vierte Unternehmen konnte dagegen ausweislich der Bewertungsmatrix in keinem Punkt ein besseres Ergebnis erzielen als die Antragstellerin. Im Verhältnis zur Beigeladenen erhielt es lediglich in einer der vier mit höchster Bedeutung priorisierten Anforderungen mehr Punkte, während die Beigeladene in zwei Bereichen vorn lag. Zudem hat die Antragsgegnerin im Zuge der Begründung, warum das vierte Unternehmen nicht ausgewählt wurde, sowohl im Auswahlvermerk als auch in den an die Antragstellerin gerichteten Bescheiden angeführt, dass die Angaben des vierten Unternehmens oberflächlich und häufig intransparent gewesen seien. Dies hat sie im Auswahlvermerk noch näher spezifiziert und u.a. auf die Bedeutung fehlender und klarer Maßnahmen bei den Sanktionen verwiesen (Bl. 479 Behördenakte). Vor diesem Hintergrund ist es ohne Weiteres nachvollziehbar, warum das vierte Unternehmen weder in Relation zur Beigeladenen noch der Antragstellerin als gleichwertig eingestuft wurde, während die Antragsgegnerin im Binnenvergleich zwischen Beigeladener und Antragstellerin zu einem anderen Ergebnis kam.

(3) Dass die Auswahlentscheidung rechtswidrig war, weil die Beigeladene die zulässige Höchstzahl von 1.250 Fahrzeugen nicht ausschöpft, ist unter Zugrundelegung des Beschwerdevorbringens ebenfalls nicht anzunehmen.

Entgegen der Ansicht Antragstellerin hat die Antragsgegnerin keine Vorgabe aufgestellt, nach der Genehmigungsbewerber nur zum Zuge kommen sollten, wenn sie tatsächlich 1.250 E-Scooter anbieten. Eine im Rahmen einer Selbstbindung entstehende Verpflichtung zur Berücksichtigung eines geringeren Angebotes bestand deshalb nicht. Nach den Angaben im Sondernutzungskonzept (Drs. 20/494 S) und auch in der Ausschreibung zum Genehmigungsverfahren waren die vorgesehenen Gesamtkontingente für die zwei auszuwählenden Anbieter als Höchstwerte zu verstehen. Dies ergibt sich unzweifelhaft aus der dort jeweils gewählten Formulierung, nach der die jeweiligen Anzahlen “höchstens” zu genehmigen waren. Vor diesem Hintergrund genügt es auch nicht, dass im Tenor der Muster-Sondernutzungserlaubnis unter Ziffer 1 von der Genehmigung von 1.250 E-Scootern ausgegangen wird, um von etwas anderem auszugehen.

Es ist auch nicht ersichtlich, warum für die Antragstellerin ansonsten eine Verpflichtung bestanden haben sollte, dafür zu sorgen, dass die ausgewählten Anbieter möglichst viele Fahrzeuge anbieten. Das Recht der Antragstellerin auf eine freie Berufsausübung wird nicht dadurch beeinträchtigt, wie viele Fahrzeuge ihre Konkurrentinnen einsetzen. Vielmehr folgt ihre Beeinträchtigung daraus, dass lediglich zwei Anbieter zugelassen wurden, zu denen sie nicht gehört. Diese Einschränkung greift die Antragstellerin in der Sache nicht an und befasst sich insofern auch nicht mit den dies als rechtmäßig erachtenden Gründen der angegriffenen Entscheidung. Demnach sei die grundsätzliche Beschränkung auf zwei Anbieter zur Erleichterung der Überwachung und damit Gefahrenabwehr ermessensfehlerfrei. Soweit die Antragstellerin ausführt, die Beigeladene habe sich einen ungerechtfertigten Vorteil verschafft, weil die von der Antragsgegnerin aufgestellten “Spielregeln”, für die betriebswirtschaftliche Kalkulation und die Konzepterstellung von Bedeutung gewesen seien, kann sie damit ebenfalls nicht durchdringen. Eine Ausschöpfung des maximal möglichen Kontingents gehörte nicht zu den Vorgaben der Antragsgegnerin. Sollte die Antragstellerin dennoch ihr Konzept darauf ausgerichtet haben, liegt dies in ihrem Verantwortungsbereich.

bb) Ein Anordnungsanspruch der Antragstellerin besteht auch nicht deshalb, weil im Rahmen der Neubescheidung keine erneute Losentscheidung erfolgte. Auch insofern kommt es allein darauf an, ob der Anspruch der Antragstellerin aus § 18 Abs. 4 Satz 1 BremLStrG auf eine fehlerfreie Ermessensausübung bereits erfüllt wurde (vgl. Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 113 Rn. 412). Dies ist jedenfalls unter Berücksichtigung der in der Neubescheidung vom 26.06.2023 enthaltenen erneuten Befassung der Antragsgegnerin mit dem Betriebskonzept der Beigeladenen der Fall.

Durch die von der Antragsgegnerin vorgenommene Strukturierung bestand der Prozess der Auswahl zwischen den Genehmigungsbewerbern aus mehreren Teilen. Die Teilentscheidung, ob eine Auslosung stattzufinden hatte, musste dabei zwangsläufig vor einer Bescheidung der Genehmigungsbewerber erfolgen und ist bereits im Auswahlvermerk vom 03.04.2023 dokumentiert worden. Entgegen der Ansicht der Antragstellerin hat sich daher bei der Überprüfung im Rahmen der Neubescheidung nicht etwa eine “erneute Konkurrenzsituation ergeben”. Vielmehr wurde unter Berücksichtigung der vom Verwaltungsgericht als nicht hinreichend aufgeklärt angesehenen Frage des Bestehens einer Patrouille der Beigeladenen die schon zuvor getroffene Annahme einer Gleichwertigkeit ihres Konzepts mit dem der Antragstellerin bestätigt. Die ergänzenden Feststellungen – deren Richtigkeit die Antragstellerin nicht infrage stellt – sind lediglich nachgeschobene Erwägungen, durch welche sich die vor der Auslosung erfolgte und im Auswahlvermerk dokumentierte Entscheidung über das “Ob” des Losens als fehlerfreie Ermessensausübung darstellt.

Ob in Bezug auf eine solche Entscheidung ohne Außenwirkung die im Rahmen des Nachschiebens von Gründen bei Verwaltungsakten bestehenden Anforderungen heranzuziehen sind und § 114 Satz 2 VwGO entsprechend anzuwenden ist, kann dahinstehen. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen, dass die neuen Gründe schon zum Entscheidungszeitpunkt vorgelegen haben müssen, keine Wesensänderung eintreten darf und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird, liegen jedenfalls vor (vgl. zu diesen Anforderungen bei Verwaltungsakten BVerwG, Urt. v. 20.06.2013 – 8 C 46.12 -). Im Ergebnis hat sich lediglich die bereits im Auswahlvermerk vorhandene Annahme der Antragsgegnerin, dass auch die Beigeladene eine proaktiv agierende Patrouille einsetzt, bestätigt. Dies war nach dem Dafürhalten des Verwaltungsgerichts von der Beigeladenen lediglich in ihren Antragsunterlagen nicht hinreichend klar dargelegt worden. Im Übrigen ergibt sich auch aus der angegriffenen Entscheidung nicht, dass es davon ausging, im Rahmen der Neubescheidung müsse zwingend eine neue Auslosung erfolgen.

cc) Schließlich ist die Auswahlentscheidung der Antragsgegnerin auch nicht deshalb fehlerhaft, weil sie der Beigeladenen im Rahmen der Neubescheidung Gelegenheit gegeben hat, zur Bedeutung der von ihr eingesetzten Patrouille vorzutragen.

Zunächst ist weder den Ausschreibungsbedingungen noch dem sonstigen Verhalten der Antragsgegnerin zu entnehmen, dass sie ihre Entscheidung ursprünglich allein anhand der Angaben in den von sich aus eingereichten Antragsunterlagen bzw. Konzepten hätte treffen wollen. Insbesondere hat sie bereits im Vorfeld der Erstellung des Auswahlvermerks über die eingereichten Konzepte hinaus Informationen bei den Anbietern eingeholt (vgl. zu solchen Nachfragen an die Antragstellerin Bl. 446 Behördenakte und an die Beigeladene Bl. 78 Behördenakte).

Es verstieß es auch nicht gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und Nichtdiskriminierung, dass die Antragsgegnerin in Folge der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bei der Beigeladenen Informationen zur Patrouille einholte. Zum einen stand es ihr im Rahmen des Auswahlverfahrens grundsätzlich frei, nur zu den Punkten und bei den Anbietern Nachfragen zu stellen, in denen sie eine Klärungsbedürftigkeit annahm. Eine Ungleichbehandlung oder Diskriminierung könnte hier nur dann vorliegen, wenn sie dies bei vergleichbaren Unklarheiten in den eingereichten Unterlagen der anderen Bewerberinnen unterlassen hätte. Dafür ist nichts vorgetragen. Die Kritik der Antragstellerin, auch sie hätte “gerne von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, zur Verbesserung der Bewertung Klarstellungen an ihrem Konzept vorzunehmen”, geht an der Sache vorbei, weil die Antragsgegnerin auch der Beigeladenen keine allgemeine Nachbesserungsmöglichkeit eingeräumt hat, sondern nur die Klärung einer offenen Tatsachenfrage zuließ. Zudem erfolgte dies auch nicht, um ihr eine Verbesserung der Bewertung zu ermöglichen, sondern um zu überprüfen, ob die bereits erfolgte Bewertung auf zutreffenden Annahmen basierte.

Schließlich kann entgegen der Annahme der Antragstellerin auch aus dem angegriffenen Beschluss nicht entnommen werden, dass die Antragsgegnerin keine weiteren Aufklärungsmaßnahmen durchführen durfte. Das Verwaltungsgericht ist dort zwar unter Auswertung der vorliegenden Konzepte davon ausgegangen, dass die Antragstellerin in Bezug auf die Beigeladene von einem unzutreffenden Sachverhalt hinsichtlich der Annahme des Bestehens einer Patrouille ausging. Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass es meinte, die Neubescheidung müsse aus rechtlichen Gründen allein auf dieser Grundlage erfolgen. Das Verwaltungsgericht hat insofern lediglich den ihm damals bekannten Sachverhalt gewürdigt. Auch aus den Aussagen dazu, dass sich bei einer ermessensfehlerfreien Bewertung eine andere Entscheidung in Betracht kommt (S. 28 des Beschlusses), ergibt sich nichts anderes. Auch hier handelt es sich lediglich um die Bewertung der Sachlage nach dem damaligen Kenntnisstand.

c) Auch unter Berücksichtigung des Unionsrechts ergibt sich kein anderes Ergebnis.

Zwar sind nach Art. 56 Abs. 1 AEUV Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs innerhalb der Union für Angehörige der Mitgliedstaaten, die in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen des Leistungsempfängers ansässig sind, grundsätzlich verboten. Auch wenn man im Sinne der Antragstellerin die hierzu im Kontext von Konzessionsvergaben ergangene Rechtsprechung des EuGH auf die hiesige Fallgestaltung überträgt, verhilft ihr dies indes nicht zum Erfolg. Demnach muss ein System der vorherigen behördlichen Genehmigung auf objektiven, nicht diskriminierenden und im Voraus bekannten Kriterien beruhen. Zur Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und des sich daraus ergebenden Transparenzgebots gehört es, dass die objektiven Kriterien, die die Eingrenzung des Ermessens der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten ermöglichen, ausreichend bekannt gemacht werden (vgl. EuGH, Urt. v. 03.06.2010 – Rs. C-203/08 -). Der Ausübung des Ermessens sollen hinreichende Grenzen gesetzt werden, um die seine missbräuchliche Ausübung zu verhindern. Zudem soll es, um eine Nachprüfung zu ermöglichen, ob die Genehmigungsverfahren unparteiisch durchgeführt worden sind, erforderlich sein, dass die zuständigen Behörden jede ihrer Entscheidungen auf eine öffentlich zugängliche Argumentation stützen, in der genau angegeben wird, aus welchen Gründen eine Genehmigung gegebenenfalls versagt wurde (EuGH, Urt. v. 19.07.2012 – Rs. C-470/11 -).

Diesen Anforderungen wurde vorliegend entsprochen. Die Antragsgegnerin hat die Kriterien, nach denen sie die Auswahl durchführte im Rahmen der Bekanntmachung veröffentlicht. Dass sie dabei die Bewertungsmatrix nicht veröffentlichte, ist unschädlich. Die objektiven Kriterien, nach der sie ihre Entscheidung vorzunehmen gedachte, ergaben sich ausreichend deutlich aus dem Hinweis in der Bekanntmachung, dass maßgeblich auf die Gewähr der Einhaltung der Nebenbestimmungen der ebenfalls veröffentlichten Sondernutzungserlaubnis abgestellt werden sollte (vgl. auch oben unter b)). Entgegen der Ansicht der Antragstellerin wurde damit eine Verfahrensgestaltung gewählt, welche die Ausübung des Ermessens inhaltlich hinreichend strukturiert hat und geeignet war, dessen Missbrauch zu verhindern. Dass dennoch Entscheidungsspielräume verblieben, liegt im Wesen von Ermessensentscheidungen, die im Grundsatz auch in der zitierten Rechtsprechung des EuGH gerade gebilligt werden.

Die herangezogenen Kriterien waren auch weder selbst diskriminierend, noch wurden sie in solcher Weise angewandt. Insbesondere folgt, anders als die Antragstellerin meint, aus der Vornahme einer Gesamtschau keine Diskriminierung. Die Antragsgegnerin hat sich mit dieser nicht etwa über die eigenen Bewertungskriterien hinweggesetzt, sondern lediglich ihr Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

2. Auch der Hilfsantrag zum Antrag zu. 1 hat keinen Erfolg. Es fehlt auch insoweit an einem glaubhaft gemachten Anordnungsanspruch, da auf Grundlage des Vortrags der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht ersichtlich ist, dass ihr Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht mittlerweile erfüllt wurde.

3. Bezüglich des Antrages zu 2. kann die Beschwerde schon deshalb keinen Erfolg haben, weil sie sich mit den Gründen des Verwaltungsgerichts hinreichend auseinandersetzt. Insbesondere befasst sie sich nicht mit der Annahme, dass die grundsätzlich vorgesehene Beschränkung auf zwei Anbieter einer Zulassung der Antragstellerin in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden sei und es der Antragsgegnerin überdies freistehe, ihre Ermessenspraxis für die Zukunft zu ändern und (doch) mehrere Anbieter zuzulassen (BA S. 31). Damit ist den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht genügt.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Es entsprach der Billigkeit, der Beigeladenen keine Kostenerstattung zuzusprechen, da sie im Beschwerdeverfahren keinen Antrag gestellt hat und somit kein Kostenrisiko eingegangen ist (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Ziffer 43.1 Streitwertkatalog, wobei die Wertung der Ziffer 54.1 hinsichtlich eines Mindeststreitwerts von 15.000 Euro im Falle von Gewerbeerlaubnissen mit herangezogen wurde. Eine Halbierung im Sinne von Ziffer 1.5 Satz 2 des Streitwertkataloges war nicht vorzunehmen. Es ist davon auszugehen, dass mit der Entscheidung im Eilverfahren jedenfalls für die für die Bemessung des Streitwertes relevante Dauer eines Jahres (vgl. Ziffer 43.1 Streitwertkatalog) die Hauptsache vorweggenommen wird.

Hinweis: Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).