vorgestellt von Thomas Ax
Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, dass die Behörde auch in Fällen des intendierten Ermessens den ihr zustehenden Ermessensspielraum erkennt und prüft, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der vollständige Widerruf des Zuwendungsbescheides in Betracht kommt.
Gericht: | Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein 5. Senat |
Entscheidungsdatum: | 23.08.2022 |
Aktenzeichen: | 5 LB 9/20 |
Tatbestand
Randnummer1
Die Beteiligten streiten über den Widerruf einer Zuwendung aus Mitteln der Feuerschutzsteuer für die Beschaffung eines Feuerwehrlöschfahrzeuges in Höhe von 48.227,46 € zzgl. Zinsen in Höhe von 10.215,42 €.
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Mit Schreiben vom 20. September 2007 beantragte die Klägerin, die eine freiwillige Feuerwehr unterhält, die Gewährung einer Zuweisung nach § 31 Finanzausgleichsgesetz (FAG) für die Anschaffung eines neuen Löschgruppenfahrzeugs (LF 10/6). Die voraussichtlichen Gesamtkosten gab sie mit 140.000,00 € an.
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Mit Bescheid vom 7. November 2007 bewilligte der Beklagte der Klägerin im Wege der Anteilsfinanzierung eine Zuweisung aus der Feuerschutzsteuer in Höhe von höchstens 49.000,00 € (35% der zuwendungsfähigen Gesamtkosten). Bestandteile des Bescheides waren u. a. die Allgemeinen Nebenbestimmungen für Zuwendungen zur Projektförderung an kommunale Körperschaften (ANBest-K) und die Richtlinien zur Förderung des Feuerwehrwesens (§ 31 FAG) iVm den jeweils geltenden Rundschreiben. In dem Bescheid heißt es weiter:
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„Gem. 1.4 der Richtlinie zur Förderung des Feuerwehrwesens sind bei der Durchführung von Beschaffungen die Vorschriften des Vergaberechts einzuhalten.
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Ich behalte mir vor, die Zuweisung bei Nichteinhaltung der Vergabevorschriften zurückzufordern.“
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Mit Schreiben vom 11. Dezember 2007 erklärte sich die Klägerin mit dem Bescheid einverstanden.
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Die Beschaffung des Feuerwehrfahrzeugs wurde im März 2008 im Rahmen einer gemeinsamen Ausschreibung für die Gemeinden …, …, … und … in zwei Losen (Fahrgestell und Fahrzeugaufbau) beschränkt ausgeschrieben. Die Zuschlagsfrist endete am 9. Mai 2008. Die Aufträge erteilte die Klägerin mit Schreiben vom 28. Mai 2008 an die Firma Mercedes-Benz (Fahrgestell) und die Oshkosh BAI Deutschland GmbH (Fahrzeugaufbau).
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In der Zeit vom 6. Oktober 2010 bis 5. Januar 2011 wurde die Zuweisung in Höhe von 48.227,46 € in drei Raten ausgezahlt.
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Im Jahr 2012 führte das Rechnungs- und Gemeindeprüfungsamt des Kreises (GPA) u. a. bei der Klägerin für die Jahre 2006 bis 2011 eine Ordnungsprüfung durch, in deren Rahmen auch die Vorgänge für die Beschaffung von Feuerwehrfahrzeugen begutachtet wurden. In seinem Prüfungsbericht vom 21. November 2012 wies das GPA darauf hin, dass anlässlich des Beschaffungsvorgangs verbindliche Vorgaben des Vergaberechts mehrfach und zum Teil schwerwiegend missachtet worden seien: Abweichungen von der vorgeschriebenen Vergabeart seien unzureichend begründet worden, eine weite Einschränkung des Bewerberkreises sei unbegründet gewesen, bestimmte Firmen seien gegenüber anderen möglichen Mitbewerber*innen bevorzugt behandelt worden und es habe wettbewerbswidrige Preisabsprachen gegeben.
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Auf die Aufforderung des Beklagten nahm die Klägerin mit Schreiben vom 10. Juli 2013 zum Prüfungsbericht Stellung.
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Mit Schreiben vom 14. April 2014 gab der Beklagte der Klägerin Gelegenheit, zu einer möglichen Rückforderung der Zuwendungen Stellung zu nehmen. Die Stellungnahme ging am 9. Mai 2014 bei dem Beklagten ein. Am 19. Mai 2014 fand zwischen den Beteiligten ein Gespräch über die mögliche Rückforderung statt, an dessen Ende der Beklagte vermerkte, dass das Anhörungsverfahren abgeschlossen sei und sich keine neuen entscheidungsrelevanten Ergebnisse ergeben hätten. In der Folgezeit entwarf der Beklagte einen Widerrufsbescheid, den er jedoch zunächst nicht absandte.
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In der Zeit vom 17. Juni 2014 bis zum 12. Juni 2015 fanden zwischen dem Beklagten und mehreren Gemeinden, u. a. auch der Klägerin, mehrfach Gespräche statt, in denen hinsichtlich der Rückforderung der Zuwendungen ohne Erfolg nach einem Kompromiss gesucht wurde.
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Mit Bescheid vom 14. September 2015 widerrief der Beklagte gegenüber der Klägerin den Bewilligungsbescheid vom 7. November 2007 und forderte die Erstattung der Zuweisung in Höhe von 48.227,46 € zzgl. Zinsen in Höhe von 10.215,42 € bis zum 23. Oktober 2015. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Klägerin habe eine mit dem Bewilligungsbescheid verbundene Auflage, nämlich die Einhaltung der Vorschriften des Vergaberechts, mehrfach nicht eingehalten. Die Verstöße gegen zwingende Vergabevorschriften rechtfertigten den Widerruf des Bewilligungsbescheides. Das auf Rechtsfolgenseite eröffnete Ermessen habe sich zu einem sog. intendierten Ermessen verdichtet, weil im Hinblick auf die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit in der Regel nur die Entscheidung für den Widerruf ermessensfehlerfrei sei, wenn eine mit der Gewährung von Zuwendungen verbundene Auflage nicht erfüllt werde. In Fällen dieser Art bedürfe es der Darlegung der Ermessenserwägungen nur bei Vorliegen atypischer Gegebenheiten. Solche lägen hier nicht vor, weshalb er die Zuweisung in voller Höhe zurückzufordern habe.
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Die Zuweisung sei vom Eintritt der Unwirksamkeit des Bewilligungsbescheides an mit fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz nach § 247 BGB für das Jahr zu verzinsen, Ziffer 8.5 der Verwaltungsvorschrift (VV-K) zu § 44 Abs. 1 Landeshaushaltsordnung (LHO) iVm § 117a Abs. 3 LVwG. Da während der Beschaffung gegen die Auflage verstoßen worden sei und somit vor Auszahlung der Zuweisung, beginne die Verzinsung mit dem Tag der Auszahlung (9. Oktober 2009). Als Endpunkt bestimmte der Beklagte den 6. Juni 2014 (vier Wochen nach Eingang der Stellungnahme der Klägerin im Rahmen des Anhörungsverfahrens).
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Mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie führte zur Begründung aus, der Rückforderungsbescheid vom 14. September 2015 sei verfristet. Die einjährige Widerrufsfrist des § 117 Abs. 3 Satz 2 LVwG iVm § 116 Abs. 4 LVwG habe mit Eingang ihrer Stellungnahme am 9. Mai 2014 begonnen und sei am 11. Mai 2015 (einem Montag) abgelaufen.
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Zumindest lägen keine schwerwiegenden Verstöße gegen das Vergaberecht vor. Sie habe sich auf eine Aussage eines Mitarbeiters des GPA vom 10. Juli 2007 verlassen, wonach eine Öffentliche Ausschreibung nicht erfolgen müsse, wenn – wie hier – ein Vorführfahrzeug beschafft werde. Sie sei daher nach § 3 Nr. 4 lit. m VOL/A berechtigt gewesen, den Auftrag freihändig zu vergeben.
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Jedenfalls habe sie gemäß § 3 Nr. 3 lit. a VOL/A eine Beschränkte Ausschreibung durchführen dürfen, weil für die Beschaffung des Feuerwehrfahrzeugs nur ein beschränkter Bieterkreis in Betracht gekommen sei. Feuerwehrfahrzeuge würden nur von einer geringen Anzahl an Unternehmen angeboten. Sie habe die nach § 4 VOL/A gebotene Erkundung des Bewerberkreises ordnungsgemäß durchgeführt, ihren Bedarf bestimmt und anschließend im Wege einer Beschränkten Ausschreibung all diejenigen Marktteilnehmer*innen zur Angebotsabgabe aufgefordert, die die technischen Anforderungen an das zu beschaffende Fahrzeug erfüllt hätten. Hinsichtlich der Beschaffungsart könnten ihr allenfalls Dokumentationsfehler zur Last gelegt werden, die jedoch keine vollständige Rückforderung rechtfertigten.
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Die Angebotsprüfung sei ordnungsgemäß dokumentiert worden. Sie habe entsprechend § 23 Nr. 2 Satz 1 VOL/A eine Überprüfung der Angebote auf fachliche und rechnerische Richtigkeit vorgenommen und dabei festgestellt, dass das Angebot der Oshkosh BAI Deutschland GmbH einen offensichtlichen Rechenfehler enthalten habe. Den habe sie gemäß § 23 Nr. 3 VOL/A aktenkundig gemacht. Nachdem sie die Bieterin über die Korrektur in Kenntnis gesetzt habe, habe ihr diese zur Bestätigung eine korrigierte Fassung des Angebots übersandt.
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Die Zuschlagsfrist sei zulässig verlängert worden. Sie habe sämtliche Bieter*innen gleichzeitig informiert und gemäß § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A mündlich deren Einverständnis zur Verlängerung der Zuschlagsfrist eingeholt.
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Dass die Niederschrift der Angebotseröffnung nur von einem Mitarbeiter der Amtsverwaltung unterzeichnet worden sei, stelle einen reinen Formfehler dar, der keinen Einfluss auf das Vergabeverfahren habe.
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Hinsichtlich des Widerrufsermessens sei der Beklagte zu Unrecht davon ausgegangen, dass es intendiert sei. Bei den beanstandeten Vergaberechtsverstößen handele es sich nicht um schwerwiegende Verfahrensfehler, sondern in erster Linie um Dokumentationsmängel. Selbst wenn bei Verstößen gegen Auflagen hinsichtlich des „ob“ des Widerrufs ein intendiertes Ermessen bestünde, gelte dies nicht für die Frage, in welcher Höhe eine Rückforderung erfolge. Aus dem Rückforderungsbescheid sei nicht ersichtlich, dass der Beklagte hinsichtlich der Höhe der Rückforderung überhaupt von seinem Ermessen Gebrauch gemacht habe.
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Eine Rückforderung in Höhe von 100 % sei insbesondere unverhältnismäßig. Bei Unregelmäßigkeiten rein formeller Art ohne tatsächliche oder formelle Auswirkungen, etwa bei wie hier vorliegenden Dokumentationsfehlern, sei eine Rückforderung in voller Höhe nicht gerechtfertigt.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 24. März 2016, zugestellt am 30. März 2016, wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, eine Verfristung liege nicht vor. Die Jahresfrist des § 117 Abs. 3 Satz 2 LVwG iVm § 116 Abs. 4 LVwG habe nicht bereits am 9. Mai 2014 zu laufen begonnen. Die Klägerin habe mehrfach ihre Stellungnahme ergänzt und dadurch das Anhörungsverfahren verlängert. In der Zeit von Juni 2014 bis Juni 2015 hätten mehrere Gespräche stattgefunden, in denen die Klägerin stets neue Aspekte vorgetragen habe. Erst nach dem 12. Juni 2015, dem letzten gemeinsamen Gesprächstermin, seien alle entscheidungsrelevanten Aspekte ausgearbeitet gewesen, so dass die Frist erst dann zu laufen begonnen habe.
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Die Klägerin habe die im Zuwendungsbescheid aufgegebene Maßgabe, das Vergaberecht einzuhalten, mehrfach nicht beachtet. Es sei unerheblich, ob sich die Vergabeverstöße als „schwerwiegend“ oder „weniger schwerwiegend“ darstellten, denn im Zuwendungsrecht komme es nur darauf an, ob objektiv Rechtsverstöße begangen worden seien.
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Einen sachlichen Grund für das Abweichen von der Öffentlichen Ausschreibung nach § 3 Nr. 2 VOL/A habe es nicht gegeben. Es bestehe ein großer Markt für Feuerwehrkraftfahrzeuge. Das ergebe sich aus den parallel zu diesem Vergabeverfahren durchgeführten Öffentlichen Ausschreibungen desselben Amtes.
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Die Klägerin habe zudem gegen die Grundsätze des fairen und gleichberechtigten Wettbewerbs nach § 2 VOL/A iVm § 97 GWB verstoßen In der Zeit vom 17. bis 25. März 2008 habe es zwischen dem Amt und der Oshkosh BAI Deutschland GmbH eine umfangreiche Korrespondenz gegeben, die weitergehend gewesen sei als eine bloße Kontaktaufnahme mit dem Ziel zu erfahren, ob die Oshkosh BAI Deutschland GmbH bereit sei, sich an einer Beschränkten Ausschreibung zu beteiligen. Dadurch sei der Firma ein nicht unerheblicher Wissensvorsprung und Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Anbieter*innen eingeräumt worden.
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Soweit nur ein Mitarbeiter der Amtsverwaltung die eingegangenen Angebote geöffnet habe, handele es sich nicht um einen reinen Formfehler, sondern um immanente Vorgaben eines vergaberechtlichen Verfahrens.
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Die nach § 23 Nr. 2 Satz 1 VOL/A vorzunehmende Prüfung der rechnerischen Richtigkeit des Angebots der Oshkosh BAI Deutschland GmbH hätte nur von der prüfenden Stelle in den Angebotsunterlagen selbst durchgeführt werden dürfen. Eine nachträgliche Berichtigung durch die Anbieterin sei unzulässig. Zudem seien zwischen der Öffnung des Angebots und der Zuschlagserteilung mit der Oshkosh BAI Deutschland GmbH unzulässige Preisverhandlungen geführt worden.
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Da die Verlängerung der Zuschlagsfrist mit den in Betracht kommenden Bieter*innen nur mündlich vereinbart worden sei, mangele es an der ordnungsgemäßen Dokumentation des Vergabeverfahrens gemäß § 30 VOL/A. Dies sei als weiterer Verstoß gegen vergaberechtliche Vorschriften zu werten. Bei der unzureichenden Dokumentation handele es sich nicht nur um einen Formfehler, der keinen Einfluss auf das Vergabeverfahren habe. Der Vergabevermerk habe eine materiell-rechtliche Bedeutung. Die unzureichende Dokumentation sei ein objektiver Verstoß gegen die Nachprüfungsrechte, die der Kreis sich im Zuwendungsbescheid vorbehalten habe.
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Es lägen somit die Tatbestandsvoraussetzungen für den Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes nach § 117 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LVwG vor. Ob die Behörde von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch mache, stehe in ihrem Ermessen. Die zu beachtenden Haushaltsgrundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit überwögen im Allgemeinen das Interesse der Begünstigten, die Zuwendung behalten zu dürfen, und verböten einen großzügigen Verzicht auf den Widerruf von Subventionen.
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Hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Rückforderung stehe ihm kein Ermessen zu. Die Rückforderungssumme betrage stets 100 % der Zuwendungssumme. Weder das Haushaltsrecht noch das Zuwendungsrecht würden für die Rückforderung ein Abweichen von der gesamten Höhe der Zuwendungssumme kennen. Dies gelte erst recht nicht, wenn – wie hier – gravierend und wiederholt gegen das Vergaberecht und gegen weitere öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoßen worden sei.
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Die Klägerin hat am 2. Mai 2016 Klage beim Verwaltungsgericht erhoben.
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Sie hat ergänzend geltend gemacht, die einjährige Widerrufsfrist sei eine Ausschlussfrist, die von dem Beklagten nicht verlängert werden könne. Die Behörde könne nicht durch ein weiteres Betreiben des Anhörungsverfahrens in Form von Nachfragen den Fristbeginn immer weiter hinausschieben.
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Die Jahresfrist sei auch im Verhältnis zweier öffentlich-rechtlicher Körperschaften anwendbar. Dagegen spreche nicht das fehlende Vertrauensschutzerfordernis zwischen zwei öffentlichen Rechtsträgern. Die Jahresfrist diene neben dem Vertrauensschutz auch der Rechtssicherheit, worauf sie sich als Hoheitsträgerin berufen könne. Sie habe ein Interesse an der Rechtssicherheit gehabt, weil sie sich Klarheit über ihre finanziellen Planungsgrundlagen habe verschaffen müssen.
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Schwerwiegende Verstöße gegen das Vergaberecht lägen nicht vor. Sie habe das Angebot der Oshkosh BAI Deutschland GmbH annehmen dürfen, weil es um mehr als 25 % günstiger gewesen sei als das Ausschreibungsergebnis der Nachbargemeinde …. Sie habe das Angebot daher als „vorteilhafte Gelegenheit“ behandeln und den Auftrag gemäß § 3 Nr. 4 lit. m VOL/A im Wege der Freihändigen Vergabe erteilen dürfen. Der besonders günstige Preis sei von der Anbieterin gewährt worden, weil es sich um ein sog. Vorführfahrzeug gehandelt habe. Hätte sie nicht im Vorfeld der Beschaffung Kontakt mit der Anbieterin gehabt, hätte sie nicht von der vorteilhaften Gelegenheit erfahren. Obwohl dies aus vergaberechtlicher Sicht nicht erforderlich gewesen sei, habe sie drei weitere Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert.
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Im Rahmen der Ermessensausübung habe der Beklagte verkannt, dass ein sog. intendiertes Ermessen entsprechend der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts höchstens bei einer Zweckverfehlung der Zuwendung in Betracht komme, nicht aber bei einem Verstoß gegen Auflagen. Das sei auch sachgerecht, weil die Zuwendungsgewährung bei einem Auflagenverstoß anders als bei der Verfehlung des Zuwendungszwecks nicht grundlos erfolge. Dass die Zuwendungen vorliegend nicht ihrem Zweck entsprechend verwendet worden seien, habe der Beklagte nicht geltend gemacht.
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Jedenfalls lägen aber im Hinblick darauf, dass die Vergabe in enger Abstimmung mit dem GPA erfolgt sei, atypische Gegebenheiten vor. Sie habe sich auf die Auskünfte des Mitarbeiters des GPA verlassen und deshalb von einer Öffentlichen Ausschreibung abgesehen. Sofern sich daraus Verstöße gegen das Vergaberecht ergeben hätten, habe der Beklagte diese schuldhaft mitverursacht. Das hätte bei der Entscheidung über die Rückforderung berücksichtigt werden müssen.
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Soweit der Beklagte in seinem Widerspruchsbescheid mitgeteilt habe, dass ihm hinsichtlich der Höhe der Rückforderung kein Ermessen zustehe und die Rückforderung stets 100 % der Zuwendungssumme betrage, sei dies mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbar und widerspreche § 117 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LVwG, wonach auch ein teilweiser Widerruf eines begünstigenden Verwaltungsaktes möglich sei.
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Die Klägerin hat beantragt,
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den Rückforderungsbescheid des Beklagten vom 14. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. März 2016 aufzuheben.
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Der Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung hat er ergänzend vorgetragen, das auf Rechtsfolgenseite eröffnete und grundsätzlich freie Widerrufsermessen habe sich hier zu einem intendierten Ermessen verdichtet. Das folge auch daraus, dass „Zweckverfehlung“ nach Ziffer 8.2.3 VV-K zu § 44 LHO nicht allein den inhaltlichen Zweck meine, nämlich die Beschaffung eines bestimmten Gegenstandes, sondern auch die Beachtung der Auflagen des Zuwendungsbescheides. Die Verwaltungsvorschrift habe ihre maßgebliche Grundlage im Haushaltsrecht. Dort überlagere der allgemeine Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit das gesamte Haushaltsrecht der jeweiligen Kommune. „Zweck“ im Sinne dieser Regelung sei letztendlich die rechtskonforme Beschaffung von Dienstleistungen oder Gegenständen und die ordnungsgemäße Verwendung der öffentlichen Mittel nach Maßgabe des Vergabe- oder Haushaltsrechts im Rahmen eines transparenten Verfahrens.
Randnummer44
Mit Urteil vom 6. April 2017 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe bei der Durchführung der Anschaffung eines Feuerwehrlöschfahrzeuges gegen die Vorschriften des Vergaberechts verstoßen. Die von der Klägerin durchgeführte Beschränkte Ausschreibung sei unzulässig gewesen. Die Vergabe hätte im Wege der Öffentlichen Ausschreibung erfolgen müssen.
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Die fehlerhafte Wahl des Vergabeverfahrens rechtfertige als schwerer Vergabeverstoß bereits im Regelfall den Widerruf einer Zuweisung, ohne dass der Zuweisungsgeber verpflichtet sei, einen zusätzlichen Verstoß gegen das Gebot der wirtschaftlichen und sparsamen Mittelverwendung zu belegen. Vielmehr indiziere die Missachtung des Vergaberechts die Unwirtschaftlichkeit.
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Von der sich daraus ergebenen Widerrufsmöglichkeit des § 117 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LVwG habe der Beklagte rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht. Die Frage, ob dem Beklagten hier ein intendiertes Ermessen zustehe, könne offenbleiben, weil bereits der schwerwiegende Verstoß gegen die Auflage im Zuwendungsbescheid den Widerruf rechtfertige.
Randnummer47
Die Jahresfrist aus § 117 Abs. 3 Satz 2 iVm § 116 Abs. 4 Satz 1 LVwG stehe dem Widerruf des Bewilligungsbescheides nicht entgegen. Sie sei zum Zeitpunkt des Widerrufs noch nicht abgelaufen. Erst nach den in der Zeit zwischen dem 17. Juni 2014 und dem 12. Juni 2015 geführten Gesprächen der Beteiligten, in denen es um die Rückforderung der Zuweisung gegangen sei, habe der Beklagte das Anhörungsverfahren als abgeschlossen angesehen. Die Jahresfrist habe daher erst im Juni 2015 zu laufen begonnen.
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Die geltend gemachte Zinsforderung in Höhe von 10.215,42 € beruhe auf § 117a Abs. 3 Satz 1 LVwG iVm Ziffer 9.4 ANBest-K und Ziffer 8.5 Satz 1 VV-K zu § 44 LHO.
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Gegen das am 21. April 2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19. Mai 2017 einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt. Die Berufung ist mit Beschluss vom 7. Dezember 2020 nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen worden.
Randnummer50
Die Klägerin trägt zur Begründung der Berufung vor, der angefochtene Rückforderungsbescheid sei erst nach der auch im Verhältnis zwischen den Beteiligten geltenden einjährigen Ausschlussfrist (§ 117 Abs. 3 Satz 2 LVwG iVm § 116 Abs. 4 LVwG) erlassen worden und daher rechtswidrig. Der Beklagte sei nach Eingang ihrer Stellungnahme im Anhörungsverfahren ohne weitere Sachaufklärung in der Lage gewesen, unter sachgerechter Ausübung seines Ermessens über den Widerruf des Verwaltungsaktes zu entscheiden.
Randnummer51
Der Anwendung der Ausschlussfrist stehe nicht entgegen, dass die Beteiligten als Gebietskörperschaften jeweils Hoheitsträger seien. Im Falle der Rücknahme eines anfänglich rechtswidrigen Verwaltungsaktes könnten sich öffentlich-rechtliche Körperschaften nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgrund ihrer Bindung an Art. 20 Abs. 2 GG zwar nicht auf die besonderen Vertrauensschutzvorschriften des § 48 Abs. 2 und 3 VwVfG berufen. Daraus folge jedoch nicht, dass sie kein Interesse an einer verlässlichen und bestandssicheren Entscheidung des staatlichen Zuwendungsgebers hätten. Vielmehr müssten auch die öffentlichen Zuwendungsempfänger mit den ihnen zugewiesenen Mitteln kalkulieren und sich auf eine staatlich verbindlich zugesagte Refinanzierung verlassen könne.
Randnummer52
Der Beklagte habe auch sein Widerrufsermessen fehlerhaft ausgeübt. Er habe von dem ihm auch im Hinblick auf die Höhe einer etwaigen Rückforderung zustehenden Ermessen ersichtlich keinen Gebrauch gemacht. Die Grundsätze des sog. intendierten Ermessens seien auf § 117 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LVwG nicht anwendbar. Ein intendiertes Ermessen könne nur in Ausnahmefällen angenommen werden. Voraussetzung sei stets, dass die Richtung der Ermessensbetätigung vom Gesetz vorgezeichnet sei und davon nur ausnahmsweise abgesehen werden dürfe. Es sei jeweils in Bezug auf die konkrete Vorschrift durch Gesetzesauslegung zu ermitteln, ob die jeweilige gesetzliche Ermächtigungsgrundlage beim Vorliegen ihrer Tatbestandsvoraussetzungen die Ermessensbetätigung in eine bestimmte Richtung vorzeichne. Bei Zuwendungen, die ihren Zweck verfehlten, habe das Bundesverwaltungsgericht ein intendiertes Ermessen wegen des haushaltsrechtlichen Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit angenommen, so dass im Regelfall das Widerrufsermessen nur durch den Widerruf fehlerfrei ausgeübt werden könne. Davon unterscheide sich der Widerruf aufgrund eines Auflagenverstoßes grundlegend. Der Norm lasse sich kein gesetzlicher Regelfall entnehmen, weil der Begriff „Auflage“ zu unbestimmt sei. Die enorme Bandbreite an formellen und materiellen Vorgaben gebiete es der Widerrufsbehörde im Fall eines Verstoßes, den Verstoß und seine konkreten Auswirkungen zu gewichten.
Randnummer53
In Bezug auf das Vergaberecht sei zu beachten, dass nicht jeder Verstoß gegen vergaberechtliche Vorgaben typischerweise auch zu einer unwirtschaftlichen Verwendung der Mittel führe. Daher sei der abstrakte Schluss von jedem vergaberechtlichen Verstoß auf einen zwingenden Widerruf der gesamten Zuwendung unzulässig. Erforderlich sei vielmehr eine wertende Gewichtung des angenommenen Vergaberechtsverstoßes unter besonderer Berücksichtigung der Haushaltsgrundsätze. Vorliegend hätte beachtet werden müssen, dass die gewährten Mittel zweckentsprechend verwendet worden seien, indem ein Feuerwehrfahrzeug beschafft worden sei, das noch heute im Betrieb sei. Zugleich wäre der Zeitablauf zu beachten gewesen und der Umstand, dass sie eine sehr kleine Gemeinde sei, für die die Rückforderung der gesamten Zuwendungssumme eine unverhältnismäßige Härte bedeute.
Randnummer54
Selbst bei unterstellter Übertragbarkeit der Grundsätze des intendierten Ermessens auf die streitentscheidende Norm des § 117 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LVwG hätte der Beklagte den ihm zustehenden Ermessensspielraum erkennen und prüfen müssen, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der vollständige Widerruf des Zuwendungsbescheides in Betracht komme. Diesen Anforderungen genüge der angefochtene Widerspruchsbescheid nicht.
Randnummer55
Die Klägerin beantragt,
Randnummer56
das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig vom 6. April 2017, Az. 12 A 136/16 sowie den angefochtenen Widerrufsbescheid des Beklagten vom 14. September 2015 – Az. 38.00/1852-08/Lo 26/2008 – in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 24. März 2016 – Az. II/38.00/1852-08/Lo 29/2008 – aufzuheben.
Randnummer57
Der Beklagte beantragt,
Randnummer58
die Berufung zurückzuweisen.
Randnummer59
Zur Begründung trägt er vor, die Widerrufsfrist sei zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 14. September 2015 noch nicht abgelaufen. Es handele sich um eine Entscheidungsfrist, die zu laufen beginne, wenn der für die Rücknahme zuständige Amtswalter oder die zuständige Amtswalterin Kenntnis aller für die Entscheidung erheblichen Umstände und Tatsachen erlange. Insbesondere bei Ermessensentscheidungen sei regelmäßig ein Anhörungsverfahren durchzuführen, jedoch könne die Behörde auch außerhalb des Anhörungsverfahrens relevante Tatsachen erfahren und zusammentragen. Nur aufgrund des Umstandes, dass ein Anhörungsverfahren allein keine weiteren Erkenntnisse bringe, sei nicht automatisch darauf zu schließen, dass in sich anschließenden lösungsorientierten Gesprächen nicht ggf. Aspekte zu Tage treten könnten, die Einfluss auf die Ermessensentscheidung hätten. So habe es hier gelegen.
Randnummer60
In Bezug auf die Höhe der Rückforderung habe nicht nur entschieden werden müssen, ob der Zuwendungsbescheid überhaupt widerrufen werden solle, sondern auch, in welchem Umfang. Auch unter der etwaigen Annahme eines intendierten Ermessens in Fällen des Widerrufs von Subventionsbescheiden müsse sorgfältig geprüft werden, ob in dem konkreten Fall nicht ein atypischer Sachverhalt vorliege, der eine Abweichung von der regelmäßigen Entscheidung gebiete.
Randnummer61
Selbst wenn die Jahresfrist des § 116 Abs. 4 LVwG neben dem Vertrauensschutz auch der Rechtssicherheit diene, sei die Klägerin jedenfalls nicht schutzwürdig. Zumindest während der Gespräche bis April 2015 habe sie nicht auf den Bestand des Subventionsbescheides vertrauen können, denn dieser sei Gegenstand und Anlass für die Gespräche, um welche insbesondere die Klägerin insistierend nachgesucht habe. Jedenfalls wäre aufgrund der Gespräche aber die Frist analog § 203 BGB gehemmt gewesen.
Randnummer62
Auf Rechtsfolgenseite habe ein intendiertes Ermessen vorgelegen. Entgegen den Ausführungen der Klägerin sei die Annahme eines intendierten Ermessens nicht nur auf Fälle der Zweckverfehlung reduziert, sondern auch in Fällen des Auflagenverstoßes anerkannt. Auflagen stellten sich immer – ganz abstrakt – als belastend für den Adressaten und die Adressatin dar, unabhängig von der konkreten Ausgestaltung. Sie dienten dazu, die Auswirkungen eines genehmigten Handelns für die Allgemeinheit oder den Einzelnen/die Einzelne abzufedern und unter bestimmte Voraussetzungen der Regelungen zu stellen. Finanzhilfen, die von der öffentlichen Hand gewährt würden, unterlägen stets den allgemeinen Haushaltsgrundsätzen wie der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Art. 114 Abs. 2 iVm Art. 109 GG, § 6 Abs. 1, 2 Haushaltsgrundsätzegesetz – HGrG –). In diesem Zusammenhang spiele das Vergaberecht und seine Berücksichtigung bei der Mittelverwendung eine entscheidende Rolle, weil es eines der stärksten Ausprägungen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei. Dies gelte umso mehr vor dem Hintergrund, dass sich die öffentliche Hand fast ausschließlich von Steuergeldern finanziere. Daher könne der Verstoß gegen eine Auflage, durch die die Einhaltung der vergaberechtlichen Vorschriften angesichts der oben genannten Grundsätze sichergestellt werden solle, nur zu einer grundsätzlich uneingeschränkten Rückforderung der Finanzhilfe führen. Die oben genannten Haushaltsgrundsätze überwögen im Allgemeinen das Interesse des oder der Begünstigten, die Finanzhilfe anteilig behalten zu dürfen und verböten einen großzügigen Verzicht auf den anteiligen Widerruf von Subventionen und Zuwendungen. Aus diesen Gründen nehme die Rechtsprechung regelmäßig ein sog. intendiertes Ermessen an. Das Vergabeverfahren solle u. a. die Wirtschaftlichkeit der Auftragsvergabe sicherstellen, so dass ein falsch durchgeführtes oder mängelbehaftetes Vergabeverfahren die Unwirtschaftlichkeit der Auftragsvergabe indiziere, und zwar unabhängig davon, wie schwerwiegend der Verstoß oder der Mangel gewesen sei. Anderenfalls würde das Prinzip der Sanktion bei einem Auflagenverstoß nicht durchgesetzt oder der rechtliche Aussagegehalt einer Nebenbestimmung in unzulässiger Weise eingeschränkt werden. Denn es könne keinen minderschweren oder gravierenden Verstoß gegen die Haushaltsgrundsätze geben, sondern eben nur einen festgestellten Verstoß.
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Hinsichtlich der Höhe der Rückforderung gebe es in einigen Bundesländern (bspw. Hessen, Nordrhein-Westfahlen) Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Erlasse zu den Landeshaushaltsordnungen, an denen sich die Zuwendungsgeber orientieren könnten. Schleswig-Holstein habe derartige Richtlinien oder Erlasse nicht geschaffen, so dass es an einer Rechtsgrundlage fehle, an der sich orientiert werden könne, was ein schwerer oder was ein minderschwerer Verstoß des Vergaberechts sei. Eine solche Qualifikation dürfe der Zuwendungsgeber nicht vornehmen. Eine wie auch immer geartete Klassifizierung eines Verstoßes gegen Vergaberegelungen und somit eine Bestimmung von Prozentsätzen hinsichtlich der Höhe der Rückforderungssumme dürfe jeder Zuwendungsgeber nur für sich und ausschließlich anhand des Haushaltsrechts vornehmen. Das bedeute auch, dass ein Verstoß gegen vergaberechtliche Regelungen, welcher für sich genommen aus vergaberechtlicher Sicht weder dem Zuwendungszweck noch dem Wirtschaftlichkeitsgebot widerspräche, nicht gewichtet werden könne, solange keine Atypik, z. B. erkennbar unbedeutende Verstöße ohne Außenwirkung, vorliege. Eine solche Atypik habe im vorliegenden Fall, in dem bewusst von der vorgeschriebenen Vergabeart abgewichen worden sei, nicht vorgelegen, so dass kein Raum für eine weitergehende Ermessensausübung gegeben sei.
Randnummer64
Der angefochtene Widerspruchsbescheid zeige auf, dass sich bei der Entscheidungsfindung sehr wohl über etwaige Ausnahmetatbestände eines intendierten Ermessens bewusst gewesen sei, diese Ausnahmen jedoch mangels eines Sachgrundes und hinsichtlich der Höhe der Rückforderung auch mangels einer Rechtsgrundlage schlicht nicht vorgelegen hätten. Selbst dann, wenn der Rechtsverstoß nicht zur Unwirtschaftlichkeit führe, seien immer noch die Aspekte des fairen Wettbewerbs, der Transparenz der Auftragsvergabe und der Gewährleistung gleicher Wettbewerbschancen betroffen. Davon abgesehen begründe bereits der Verstoß gegen § 3 Nr. 1 Abs. 1 und 2 VOL/A eine derartige Missachtung sämtlicher Zwecke des Vergaberechts, dass es für einen rechtmäßigen Widerruf überhaupt keiner weiteren Verstöße mehr bedurft habe.
Randnummer65
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Randnummer66
Die zulässige Berufung ist begründet.
Randnummer67
Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Der Bescheid vom 14. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. März 2016 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Randnummer68
Rechtsgrundlage für den Widerruf des Zuwendungsbescheids ist § 117 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LVwG Danach kann ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden, wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und die oder der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb der ihr oder ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
Randnummer69
Die tatbestandlichen Voraussetzungen liegen vor. Die Klägerin hat die mit dem Zuwendungsbescheid vom 7. November 2007 verbundene Auflage nicht erfüllt (I.). Der Beklagte hat jedoch das ihm auf Rechtsfolgenseite zustehende Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt (II.).
Randnummer70
- Der Zuwendungsbescheid vom 7. November 2007 war mit einer Nebenbestimmung in Form einer Auflage im Sinne des § 107 Abs. 2 Nr. 4 LVwG verbunden. Der Bescheid vom 7. November 2007 enthält folgende Formulierung:
Randnummer71
„Gem. 1.4 der Richtlinie zur Förderung des Feuerwehrwesens sind bei der Durchführung von Beschaffungen die Vorschriften des Vergaberechts einzuhalten.
Randnummer72
Ich behalte mir vor, die Zuweisung bei Nichteinhaltung der Vergabevorschriften zurückzufordern.“
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Die Verpflichtung zur Einhaltung der Vergaberechtsvorschriften als Hinweis auf das Gesetz stellt für sich genommen noch keine Auflage dar. Maßgeblich für den Auflagencharakter ist der Vorbehalt der Rückforderung, denn damit macht der Beklagte deutlich, die vergaberechtswidrige Verwendung der Mittel an weitergehende Konsequenzen zu knüpfen.
Randnummer74
Diese Auflage hat die Klägerin nicht erfüllt. Sie hat gegen die Vorschriften des Vergaberechts, die Verdingungsordnung für Leistungen – Teil A, in der hier einschlägigen Fassung vom 6. April 2006 (VOL/A), Abschnitt 1, verstoßen. Die Durchführung einer Beschränkten Ausschreibung im Sinne des § 3 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A war nicht zulässig.
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Gemäß § 3 Nr. 2 VOL/A muss bei der Vergabe von Leistungen eine Öffentliche Ausschreibung stattfinden, soweit nicht die Natur des Geschäfts oder besondere Umstände eine Ausnahme rechtfertigen. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt.
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Zunächst rechtfertigt der geschätzte Auftragswert für das Feuerwehrfahrzeug kein Abweichen von der Öffentliche Ausschreibung. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 der Schleswig-Holsteinischen Vergabeordnung (SHVgVO) vom 3. November 2005 (GVBl. Nr. 16 vom 24. November 2005 S. 524) iVm § 3 Nr. 1 Abs. 2 VOL/A ist eine Beschränkte Ausschreibung unterhalb eines geschätzten Auftragswertes von 50.000 € zulässig. Dieser Wert wurde überschritten. Die Klägerin ist von einem Auftragswert von 140.000 € ausgegangen.
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Gemäß § 3 Abs. 3a VOL/A kann eine Beschränkte Ausschreibung auch stattfinden, wenn die Leistung nach ihrer Eigenart nur von einem beschränkten Kreis von Unternehmen in geeigneter Weise ausgeführt werden kann, besonders, wenn außergewöhnliche Fachkunde oder Leistungsfähigkeit oder Zuverlässigkeit erforderlich ist. Die Norm ist aufgrund ihres Ausnahmecharakters eng auszulegen und betrifft nur spezielle Leistungen, die objektiv aus der Sicht neutraler Dritter nur von einem oder zumindest sehr wenigen spezialisierten Unternehmen erbracht werden können. Anknüpfungspunkt muss dabei eine Eigenart der zu beschaffenden Leistung sein, die eine sachgerechte Ausführung nur von einem auf diese Eigenart spezialisierten, besonders geeigneten Unternehmen möglich erscheinen lässt (OLG Naumburg, Beschluss vom 10. November 2003 – 1 Verg 14/03 – juris Rn. 28). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
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Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass nur ein beschränkter Kreis von Unternehmen die von ihr geforderten Leistungen ausführen kann und deshalb eine Beschränkte Ausschreibung durchzuführen war. In ihrem nach der Durchführung des Vergabeverfahrens am 29. Juni 2010 angefertigten Vermerk gibt die Klägerin zwar an, dass nur zwei Firmen ein Fahrgestell, das den Anforderungen der Euro-V-Norm entspreche, liefern könnten. Weiter belegt hat sie diesen Umstand nicht. Zu der Angebotslage hinsichtlich des gewünschten Fahrzeugaufbaus äußert sich der Vermerk nicht.
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Der Beklagte ist dem Vorbringen der Klägerin zum eingeschränkten Unternehmerkreis im erstinstanzlichen Verfahren entgegengetreten, indem er mehrere Firmen benannt hat, die auf dem Markt für Feuerwehrfahrzeuge tätig sind. Die Klägerin erklärt insoweit, dass die Fahrgestelle und Aufbauten unterschiedlicher Hersteller*innen nicht immer kompatibel seien und nur wenige Kombinationsmöglichkeiten bestünden, weshalb sich der Anbieterkreis deutlich reduziert habe. Die Eingrenzung auf die angeschriebenen Hersteller*innen ist dadurch jedoch nicht nachvollziehbar erläutert. Die Klägerin hätte beispielsweise erklären können, zwischen welchen Hersteller*innen Kompatibilitätsprobleme bestehen.
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Nicht dargelegt ist weiter, dass die Klägerin eine ausreichende Marktübersicht hatte und deshalb von einer Erkundung des in Betracht kommenden Bewerberkreises absehen konnte, § 4 Nr. 1 VOL/A. Die Klägerin gibt zwar im Schriftsatz vom 3. April 2017 an, dass sie Markterkundung durchgeführt habe. Belege darüber legt sie jedoch nicht vor und finden sich auch nicht in der Vergabeakte.
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Die Klägerin bringt vor, die Durchführung der Beschränkten Vergabe könne ihr jedenfalls nicht entgegengehalten werden. Sie hätte zulässigerweise eine Freihändige Vergabe im Sinne des § 3 Nr. 1 Abs. 3 VOL/A durchführen dürfen, weil es sich bei dem Angebot der Oshkosh BAI Deutschland GmbH um eine „vorteilhafte Gelegenheit“ im Sinne des § 3 Nr. 4 lit. m VOL/A gehandelt habe. Indem sie das an strengere Voraussetzungen geknüpfte formelle Vergabeverfahren mit Wettbewerb durchgeführt habe, obwohl sogar eine formlose Freihändige Vergabe materiell möglich gewesen wäre, könne die Durchführung der Beschränkten Vergabe nicht zu ihren Lasten gewertet werden. Dem ist nicht zu folgen.
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Der Klägerin mag zwar zuzustimmen sein, dass sich eine „vorteilhafte Gelegenheit“ im Sinne des § 3 Nr. 4 lit. m VOL/A gegebenenfalls erst im Rahmen einer bereits begonnenen Ausschreibung ergeben kann. Die Klägerin trägt insofern vor, dass sie bei dem von der Oshkosh BAI Deutschland GmbH angebotenen Fahrzeug schnell habe handeln müssen, um sich den besonderen finanziellen Vorteil des angebotenen Vorführfahrzeugs zu sichern. Das Fahrzeug sei im Vergleich zum Marktpreis über 25 % günstiger gewesen. Es sei davon auszugehen gewesen, dass für den Großraum Norddeutschland lediglich ein Vorführfahrzeug vorhanden sei, das zügig veräußert werden würde. Ob es sich dabei tatsächlich um eine „vorteilhafte Gelegenheit“ im Sinne des § 3 Nr. 4 lit. m VOL/A gehandelt hat, kann dahinstehen. Die „vorteilhafte Gelegenheit“ und damit die Begründung der Zulässigkeit einer Freihändigen Vergabe beträfe schon nur den Fahrzeugaufbau. Das Fahrgestell wurde im Wege der Beschränkten Vergabe beschafft. Insoweit konnte die Klägerin nicht belegen, dass die Voraussetzungen für eine Beschränkte Vergabe vorlagen. Jedenfalls kann die Klägerin aber die fehlerhafte Wahl des Vergabeverfahrens nicht damit rechtfertigen, dass eine andere, von ihr nicht durchgeführte, Vergabeart rechtmäßig gewesen wäre. Im Übrigen ist eine Freihändige Vergabe über denselben Gegenstand auch nur dann zulässig, wenn zuvor – wie hier nicht erfolgt – die Beschränkte Ausschreibung aufgehoben wurde, § 26 Nr. 5 VOL/A.
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Darüber hinaus hat die Klägerin gegen das Wettbewerbsverbot, das sich aus § 2 Nr. 1 VOB/A ableitet, und das Verbot der Diskriminierung anderer Anbieter*innen aus § 2 Nr. 2 VOL/A verstoßen, indem es der Oshkosh BAI Deutschland GmbH vorab die Ausschreibungsunterlagen hat zukommen lassen und von ihr ein sog. Informationsangebot eingeholt hat. Zugleich wurde eine weitere Firma ohne nachvollziehbare Begründung von der Beschränkten Ausschreibung ausgeschlossen, der ebenfalls vorab die Ausschreibungsunterlagen zugesandt wurden. Ziel des Vergaberechts ist der faire Wettbewerb der Anbieter*innen und ein transparentes und nichtdiskriminierendes Verfahren für alle Bewerber*innen zu gewährleisten. Der Oshkosh BAI Deutschland GmbH wurde durch die Vorabinformation ein erheblicher Wissens- und Zeitvorsprung und somit ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Anbieter*innen eingeräumt. Deswegen kann dem Vortrag der Klägerin, es sei ein üblicher Vorgang, unverbindliche Leistungsangebote einzuholen, nicht gefolgt werden. Selbst wenn es üblich wäre, vorab unverbindliche Leistungsangebote zu beschaffen, ist vorliegend festzustellen, dass nicht mehrere Angebote angefordert wurden, sondern lediglich ein Unternehmen aufgefordert wurde, ein Vorabangebot abzugeben.
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Die Klägerin hat auch gegen § 22 Nr. 2 Abs. 2 und § 22 Nr. 4 Abs. 3 VOL/A verstoßen. Nach diesen Normen muss in der Verhandlung zur Öffnung der Angebote neben dem Verhandlungsleiter oder der Verhandlungsleiterin ein weiterer Vertreter oder eine weitere Vertreterin des Auftraggebers anwesend sein und beide müssen die Niederschrift über die Öffnung der Angebote unterschreiben. Dies ist nicht geschehen. Die Niederschrift wurde nur von dem Verhandlungsleiter ausgefüllt und unterschrieben. Dementsprechend geht das Gericht davon aus, dass bei der Öffnung der Angebote eine weitere Vertreterin oder ein weiterer Vertreter nicht anwesend war. Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten.
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Die im Rahmen der Öffnung der Angebote vorgenommene Korrektur des Angebots der Oshkosh BAI Deutschland GmbH wurde entgegen § 23 Nr. 2 und 3 VOL/A nicht ausreichend dokumentiert. Nach § 23 Nr. 2 Satz 1 VOL/A sind die Angebote auf Vollständigkeit sowie auf rechnerische und fachliche Richtigkeit zu überprüfen. Das Ergebnis der Prüfung ist gemäß § 23 Nr. 2 VOL/A aktenkundig zu machen. Den Akten ist zu entnehmen, dass das Angebot der Oshkosh BAI Deutschland GmbH von dem Verhandlungsleiter von 93.611,53 € auf 92.715,92 € korrigiert wurde. Die Firma hat der Klägerin nachträglich ein Angebotsblatt mit dem korrigierten Angebotspreis zukommen lassen. Wie das korrigierte Ergebnis zustande gekommen ist, ergibt sich nicht aus den Akten. Insofern fehlt es an einer Berechnung, aus der sich ein Rechenfehler ergibt.
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Der Auftrag ist auch erst nach Ablauf der Zuschlagfrist erteilt worden. Gemäß § 28 Nr. 2 Abs. 2 VOL/A kann die Zuschlagfrist zwar im Einvernehmen mit den in Frage kommenden Bieter*innen verlängert werden, wenn sich der Zuschlag verzögert. Vorliegend endete die Zuschlagfrist ausweislich der Angebotsaufgabe durch die Klägerin am 9. Mai 2008. Den Zuschlag erhielten die Oshkosh BAI Deutschland GmbH für den Fahrzeugaufbau und die Firma Mercedes-Benz für das Fahrgestell erst am 28. Mai 2008. Inwiefern und warum sich vorliegend der Zuschlag verzögert hat und eine Verlängerung vereinbart wurde, ist den Akten nicht zu entnehmen. Die Klägerin trägt vor, dass sie mit den Bieter*innen mündlich eine Verlängerung der Zuschlagfrist vereinbart habe. Dargelegt ist der Umstand nicht. In den Akten findet sich kein Vermerk über diese Gespräche.
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Schließlich fehlt es an einer ausreichenden Dokumentation des Vergabeverfahrens. Gemäß § 30 Nr. 1 VOL/A ist über die Vergabe ein Vermerk zu fertigen, der die einzelnen Stufen des Verfahrens, die Maßnahmen, die Feststellung sowie die Begründung der einzelnen Entscheidungen enthält. Diese Verpflichtung dient der Transparenz des Vergabeverfahrens und soll das Vergabeverfahren überprüfbar machen. Ein vollständiger Vergabevermerk kann naturgemäß erst nach der endgültigen Vergabeentscheidung angefertigt werden. § 30 Nr. 1 VOL/A ist im Sinne des Transparenzprinzips aber so auszugelegt, dass das Vergabeverfahren und alle wesentlichen Entscheidungen laufend und nachvollziehbar zu dokumentieren sind (vgl. Vergabekammer München, Beschluss vom 19. Januar 2009 – Z3-3-3194-1-41-11-08 – juris Rn. 91). Die im Vergabevermerk enthaltenen Angaben und die in ihm mitgeteilten Gründe für die getroffenen Entscheidungen müssen so detailliert gemacht werden, dass sie für mit der Sachlage des jeweiligen Vergabeverfahrens betraute Leser*innen nachvollziehbar sind (vgl. Vergabekammer Freistaat Thüringen, Beschluss vom 7. Juli 2010 – 250-4003.20-2249/2010-007-SLF – juris Rn. 177). Dies ist vorliegend nicht geschehen.
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Die Klägerin hat am 13. Mai 2008 sowie am 29. Juni 2010 jeweils einen Vergabevermerk angefertigt. Beide Vermerke entsprechen jedoch nicht den Anforderungen des § 30 Nr. 1 VOL/A. Sie enthalten lediglich Feststellungen zur Wahl des Vergabeverfahrens und zur Auswahl der angeschriebenen Unternehmen. Eine nachvollziehbare Begründung der einzelnen Entscheidungen und Stufen des Verfahrens fehlt. Die Vergabeentscheidungen sind – wie bereits aufgezeigt – nur zum Teil nachvollziehbar. Ob die Dokumentationsmängel jederzeit nachträglich geheilt werden können, wie die Klägerin meint, kann dahinstehen, denn dies ist bis zum Abschluss des Berufungsverfahren nicht geschehen.
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- Bei Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen eröffnet § 117 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LVwG dem Beklagten auf Rechtsfolgenseite ein Ermessen. Dies hat der Beklagte jedoch nicht fehlerfrei ausgeübt. Eine Ermessensentscheidung kann nach § 114 Satz 1 VwGO vom Gericht nur daraufhin geprüft werden, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden, von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde oder die Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen gar kein Gebrauch gemacht hat. So liegt es hier. Dem Beklagten ist ein Ermessensfehler in Form des Ermessensnichtgebrauchs unterlaufen.
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Es kann dahinstehen, ob § 117 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LVwG im Hinblick auf den zu beachtenden haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit dahin auszulegen wäre, dass im Regelfall von einer Ermessensausübung in einem bestimmten Sinne auszugehen ist. Denn auch in einem solchen Fall des sogenannten intendierten Ermessens müssen bei einem vom Regelfall abweichenden Sachverhalt besondere Umstände bei der Entscheidung berücksichtigt werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Juni 1997 – 3 C 22.96 – juris Rn. 14). Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verlangt, dass die Behörde auch in Fällen des intendierten Ermessens den ihr zustehenden Ermessensspielraum erkennt und prüft, ob ausnahmsweise eine andere Entscheidung als der vollständige Widerruf des Zuwendungsbescheides in Betracht kommt. Dabei kann u. a. auch die Schwere der Pflichtverstöße beachtlich sein (vgl. Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2020 – 5 LA 179/20 – juris Rn. 4, mit Verweis auf: BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – 3 C 22.02 – juris Rn. 36).
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Daran fehlt es hier. Der Beklagte ist davon ausgegangen, dass ihm nur hinsichtlich des „ob“ des Widerrufs, jedoch nicht hinsichtlich der Höhe der Rückforderung ein Ermessen zusteht. Das folgt aus dem Widerrufsbescheid vom 14. September 2014, in dem der Beklagte formuliert, dass es in seinem Ermessen stehe, ob er von seinem Widerrufsrecht Gebrauch mache (dort S. 8). Zu einem Ermessen hinsichtlich der Höhe der Rückforderung äußert er sich dort nicht. Deutlicher ist es im Widerspruchsbescheid vom 24. März 2016 formuliert (dort S. 16, dritter Absatz): „Hinsichtlich der Festsetzung der Höhe der Rückforderung steht mir kein Ermessen zu. Die Rückforderungssumme beträgt stets 100 % der Zuwendungssumme.“ Zwar kann auch in den Fällen des intendierten Ermessens von einer weiteren Begründung der Entscheidung abgesehen werden, soweit nicht atypische Umstände vorliegen, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten. Dennoch muss deutlich werden, dass die Behörde erkannt hat, dass ihr überhaupt ein Ermessen zusteht.
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Der Beklagte führt dazu erläuternd aus, dass es für einen teilweisen Widerruf an einer Rechtsgrundlage fehle. Anders als in einigen Bundesländern gebe es in Schleswig-Holstein keine Verwaltungsvorschriften, Richtlinien und Erlasse zu den Landeshaushaltsordnungen, an denen sich orientiert werden könne, was ein schwerer oder was ein minderschwerer Verstoß des Vergaberechts sei. Eine solche Qualifikation dürfe er als Zuwendungsgeber nicht vornehmen. Diese Annahme geht fehl. Der Beklagte übersieht, dass ihm ein dahingehendes Ermessen eingeräumt ist. Die Richtlinien, Erlasse oder Verwaltungsvorschriften der anderen Bundesländer mögen eine ermessenslenkende Wirkung haben, sie ersetzen jedoch nicht das den dortigen Behörden zustehende Ermessen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. Februar 2013 – 3 B 58.12 – juris Rn. 8). Umso weniger bedeutet das Fehlen von vergleichbaren Richtlinien, Erlassen oder Verwaltungsvorschriften in Schleswig-Holstein, dass dem Beklagten kein Ermessen eingeräumt ist.
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Vorliegend hätte Anlass zu Ermessenserwägungen bestanden, weil die Klägerin gleich mehrfach gegen vergaberechtliche Vorschriften verstoßen hat. Die einzelnen Verstöße, beispielsweise die fehlerhafte Wahl des Vergabeverfahrens, der Wettbewerbsverstoß und auch – entgegen der Ansicht der Klägerin – die Dokumentationsmängel, können grundsätzlich schwerwiegende Verstöße darstellen (vgl. Vergabekammer des Saarlandes, Beschluss vom 23. Januar 2006 – 1 VK 06/2005 –, juris Rn. 69 zur schwerwiegenden Verletzung des Transparenzprinzips durch eine nicht ordnungsgemäße Dokumentation). Zugleich hätte der Beklagte bewerten müssen, ob und inwiefern sich diese Verstöße auf den haushaltsrechtlichen Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit auswirken (vgl. Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2020 – 5 LA 179/20 – juris Rn. 5).
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Gleiches gilt auch für den Umstand, dass der Widerruf vorliegend einen weiter zurückliegenden Zeitraum erfasst und eine hohe Rückzahlungspflicht auslöst, die für eine kleine Gemeinde wie die Klägerin eine erhebliche finanzielle Belastung darstellen dürfte. In solchen Fällen stellt sich die Frage, ob der Widerruf aus Gründen der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall auf bestimmte Zeiträume oder in anderer Weise zu beschränken ist. Eine derartige Sachlage bietet vom Regelfall eines Widerrufs abweichende Umstände, die eine andere Entscheidung als den vollständigen Widerruf des ergangenen Zuwendungsbescheids als möglich und gegebenenfalls sogar als geboten erscheinen lassen können (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 – 3 C 22.02 – juris Rn. 36).
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Weshalb nach der Auffassung des Beklagten die Berücksichtigung der Schwere des vergaberechtlichen Verstoßes im Rahmen der Ermessensausübung und die Möglichkeit eines beschränkten Widerrufs mit § 117 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LVwG unvereinbar sein soll, erschließt sich nicht. Die Feststellung der Schwere eines Pflichtverstoßes und die daraus resultierenden Folgen für den Widerruf eines Zuwendungsbescheids sind Teil des von dem Beklagten stets zu prüfenden Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2020 – 5 LA 179/20 – juris Rn. 8).
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Der vollständige Widerruf rechtfertigt sich auch nicht dadurch, dass – wie der Beklagte meint – mit der Beschaffung des Feuerwehrfahrzeugs eine Zweckverfehlung im Sinne der Ziffer 8.2.3. der VV-K zu § 44 LHO vorliege. Gemäß Ziffer 8.2.3. der VV-K zu § 44 LHO hat die Bewilligungsbehörde regelmäßig einen Zuwendungsbescheid mit Wirkung auch für die Vergangenheit ganz oder teilweise nach § 117 Abs. 3 LVwG unverzüglich zu widerrufen und die Zuwendung, auch wenn sie bereits verwendet worden ist, zurückzufordern, soweit sie nicht oder nicht mehr ihrem Zweck entsprechend verwendet worden ist. Soweit der Beklagte vorträgt, die Verwaltungsvorschrift meine nicht allein den inhaltlichen Zweck, nämlich die Beschaffung eines bestimmten Gegenstandes, sondern auch den Zweck der Beachtung der Auflagen des Zuwendungsbescheides, kann ihm nicht gefolgt werden. Nach § 23 LHO sind Zuwendungen Leistungen zur Erfüllung bestimmter Zwecke. Diese dürfen nur veranschlagt werden, wenn das Land an der Erfüllung dieser Zwecke ein erhebliches Interesse hat. Die Einhaltung des Vergaberechts ist nicht Zweck der Zuwendung, sondern hat eine dienende Funktion. Aus der Zusammenschau von §§ 44, 23 LHO folgt – entgegen der Auffassung des Beklagten – nichts Anderes (vgl. Beschluss des Senats vom 18. Dezember 2020 – 5 LA 179/20 – juris Rn. 9). Darüber hinaus hat die Klägerin die Zuweisung zweckentsprechend verwendet, nämlich zur Anschaffung eines Feuerwehrfahrzeugs.
Randnummer97
Der Widerruf des Zuwendungsbescheids gemäß § 117 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LVwG ist nach alledem rechtswidrig. Auf die Frage, ob die Jahresfrist gemäß § 117 Abs. 3 Satz 2 LVwG iVm § 116 Abs. 4 Satz 1 LVwG bereits vor Erlass des Widerrufsbescheids verstrichen war und ob sich die Klägerin als öffentlich-rechtliche Hoheitsträgerin auf die Jahresfrist berufen kann, kommt es daher nicht an.
Randnummer98
Aus der Rechtswidrigkeit des Widerrufs des Zuwendungsbescheids folgt die Rechtswidrigkeit der Erstattungsforderung und der Zinsforderung, § 117a Abs. 1 Satz 1, § 117a Abs. 3 Satz 1 LVwG.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Randnummer100
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO iVm § 711, § 708 Nr. 10 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.