Ax Vergaberecht

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Praxistipp: Der Auftraggeber hat das in Aussicht genommene Auftragsvolumen so genau wie möglich ermitteln und bekanntzugeben

von Thomas Ax

Nach § 21 Abs. 1 S. 2 VgV hat der Auftraggeber das in Aussicht genommene Auftragsvolumen so genau wie möglich ermitteln und bekanntzugeben, ohne dies abschließend festzulegen. Da regelmäßig der Zweck einer Rahmenvereinbarung ist, das genaue Auftragsvolumen nicht von Beginn an definieren zu können, kann der Auftraggeber keine verbindliche Angabe zum Auftragsvolumen abgeben. § 21 Abs. 1 S. 2 VgV stelle dies in seinem Wortlaut klar heraus, da das Auftragsvolumen gerade nicht abschließend festgelegt werden müsse (Senat, Beschl. v. 28.03.2012 – VII-Verg 90/11, IBRRS 2012, 2199). Bei Rahmenvereinbarungen gelten die Gebote der Bestimmtheit, Eindeutigkeit und Vollständigkeit der Leistungsbeschreibung nur eingeschränkt. Das in Aussicht genommene Auftragsumfang ist lediglich “so genau wie möglich zu ermitteln” (und bekannt zu geben), es “braucht aber nicht abschließend festgelegt zu werden” (Senat, Beschl. v. 11.05.2016 – VII-Verg 2/16, IBRRS 2016, 2511; Senat, Beschl. v. 28.03.2012 – VII-Verg 90/11, juris Rn. 12). Diese Abschwächung des vergaberechtlichen Bestimmtheitsgebotes trägt dem Umstand Rechnung, dass Rahmenvereinbarungen auch weiterreichende Unsicherheiten immanent sein können, die das Auftragsvolumen und damit die Preiskalkulation der Bieter betreffen (Senat, Beschl. v. 11.05.2016 – VII-Verg 2/16, IBRRS 2016, 2511). Der Auftraggeber ist aber zumindest verpflichtet, ihm bekannte, zugängliche oder zumutbar zu beschaffende Informationen über den voraussichtlichen Auftragsumfang zur Verfügung zu stellen. Den Bietern ist eine belastbare Kalkulationsgrundlage bereitzustellen, die auf einer gründlichen Schätzung der durchschnittlich zu erwartenden Leistungen oder – sofern vorhanden – Vergleichswerten aus der Vergangenheit beruht (vgl. auch Biemann, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar, 3. Aufl., § 21 VgV Rn 16).

Darüber hinaus hat der Europäische Gerichtshof mit Entscheidung vom 17.06.2021 erkannt, dass Art. 49 der Richtlinie 2014/24 sowie deren Anhang V Teil C Nrn. 7 und 10 lit. a) in Verbindung mit deren Art. 33 und den in Art. 18 Abs. 1 dieser Richtlinie genannten Grundsätzen der Gleichbehandlung und der Transparenz dahin auszulegen sind, dass die Schätzmenge und / oder der Schätzwert sowie eine Höchstmenge und/oder ein Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren als Gesamtmenge oder -wert in der Bekanntmachung anzugeben sind und dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliert, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht ist (EuGH, Urt. 17.06.2021 – C 23/20, zitiert nach juris Rn 68 und 80). Dass der öffentliche Auftraggeber die Schätzmenge und / oder den Schätzwert sowie eine Höchstmenge und / oder einen Höchstwert der gemäß einer Rahmenvereinbarung zu liefernden Ware angebe, sei für den Bieter von erheblicher Bedeutung, da er auf der Grundlage dieser Schätzung seine Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtung aus der Rahmenvereinbarung beurteilen könne (EuGH, Urt. v. 17.06.2021 – C 23/20, zitiert nach juris Rn 63). Zudem werde durch die Pflicht zur Angabe einer Höchstmenge der von einer Rahmenvereinbarung erfassten Leistungen das Verbot konkretisiert, das Instrument der Rahmenvereinbarung missbräuchlich oder in einer Weise anzuwenden, durch die der Wettbewerb behindert, eingeschränkt oder verfälscht werde (EuGH, Urt. v. 17.06.2021 – C 23/20, zitiert nach juris Rn 67).