Ax Vergaberecht

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Praxistipp: Förmliche Abnahme eigentlich zwingend

von Thomas Ax

Ist eine förmliche Abnahme vereinbart, kann sich der Auftragnehmer zwar im Regelfall nicht auf eine konkludente Abnahme durch den Auftraggeber stützen (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn 1819 mwN in Fn 121).

Die Parteien können im Einzelfall auf eine vereinbarte förmliche Abnahme einvernehmlich verzichten (vgl. Werner/Pastor, a.a.O., Rn 1820 mwN in Fn 124 ff.; Rn 1857/1858 mwN). Ein solcher Verzicht kann insbesondere darin liegen, dass der Auftragnehmer die Schlussrechnung stellt und der Auftraggeber die fertige Bauleistung in Benutzung nimmt, ohne dass eine der Parteien dabei deutlich macht, dass sie noch auf die vereinbarte förmliche Abnahme zurückkommen will, wobei unerheblich ist, ob sich die Parteien der Tatsache bewusst waren, dass eine förmliche Abnahme eigentlich vorgesehen war oder ob sie das nur vergessen haben (vgl. BGH, Urteil vom 13.07.1989, VII ZR 82/88, juris; BGH, Urteil vom 21.04.1977, VII ZR 108/76, juris; OLG Düsseldorf, Urteil vom 12.11.1996, 21 U 68/96, juris, dort Rn 21; Werner/Pastor, a.a.O., Rn 1820 mwN in Fn 126-128; Kniffka/Koeble, a.a.O., 4. Teil, Rn 37 mwN in Fn 116-122; Leinemann-Jansen, VOB, 6. Auflage 2016, § 12, Rn 91 mwN in Fn 326/327; Ingenstau/Korbion-Oppler, VOB, 20. Auflage 2017, § 12 Abs. 4, Rn 5 mwN).

Eine fiktive Abnahme gemäß § 12 Abs. 5 VOB/B ist durch die Vereinbarung einer förmlichen Abnahme ausgeschlossen (vgl. BGH, Urteil vom 10.11.1983, VII ZR 373/82, juris; Kniffka/Koeble, a.a.O., 4. Teil, Rn 31/46 mwN in Fn 139).

Zu differenzieren ist aber zum einen zwischen einer fiktiven (d.h. gesetzlich fingierten) und einer konkludenten (d.h. stillschweigenden) Abnahme (in Gestalt eines sog. Erklärungsverhaltens) und – davon nochmals zu trennen – einem konkludenten (d.h. stillschweigenden) Verzicht auf eine eigentlich vereinbarte förmliche Abnahme. Zum anderen ändert ein regelmäßig anzunehmender Ausschluss einer fiktiven Abnahme durch die Vereinbarung einer förmlichen Abnahme nichts an den vorstehenden Feststellungen dazu, dass auf eine eigentlich vereinbarte förmliche Abnahme unter Berücksichtigung entsprechender Umstände des Einzelfalles durchaus konkludent (im Sinne eines Erklärungsverhaltens) verzichtet werden kann und dann – indes erst nach Eintritt der Abnahmereife – die Annahme einer konkludenten Abnahme durchaus statthaft ist.