von Thomas Ax
Voraussetzung dafür, dass der Auftraggeber eine Leistung teilfunktional beschreibt, mithin den Entwurf selbst erstellt und den Auftragnehmer mit der Ausführungsplanung bis zur schlüsselfertigen Errichtung beauftragt, ist, dass diese Art der Ausschreibung nach Abwägung aller Umstände zweckmäßig erscheint.
1. Im Gegensatz zu einer konstruktiven Leistungsbeschreibung ist eine funktionale Leistungsbeschreibung dadurch gekennzeichnet, dass nur Rahmenbedingungen für das Ziel zur Beschaffung etablierter Lösungen vorgegeben werden und der Auftraggeber bestimmte Planungsaufgaben, aber auch Risiken, auf den Bieter verlagert. Typischerweise kombiniert die funktionale Leistungsbeschreibung einen Wettbewerb, der eine Konzeptionierung und Planung der Leistung zum Gegenstand hat, mit der Vergabe der Leistung als solcher und unterscheidet sich dadurch vom reinen Wettbewerb um einen klar umrissenen und beschriebenen Auftrag. Dass die Bieter dabei, und zwar unter anderem bei der Konzeptionierung und Planung der Leistung, Aufgaben übernehmen sollen, die an sich dem Auftraggeber obliegen, lässt die funktionale Ausschreibung nicht per se unzulässig werden. Deren Wesen liegt nämlich gerade darin, dass der Auftraggeber im Planungsbereich auf Bieterseite vorhandenes Knowhow abschöpfen will und dies grundsätzlich auch tun darf. Ihrem Wesen entsprechend schließt die funktionale Ausschreibung ebenso wenig aus, dass nicht oder nicht genau kalkulierbare und damit riskante Leistungen ausgeschrieben werden. Denn es gibt keinen Rechtssatz, der Bietern oder Auftragnehmern eine Übernahme riskanter Leistungen verbietet. Dass bei funktionaler Ausschreibung von Planungsleistungen Risiken auf den Auftragnehmer übertragen werden, ist für diese Art der Ausschreibung vielmehr typisch und für die Bieter auch zu erkennen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 – Verg 22/13 -, und vom 19. Juni 2013, Verg 7/13 -; VK Niedersachsen, Beschluss vom 7. Oktober 2015 – VgK-31/2015 -).
2. Gleiches gilt für eine Ausschreibung, die nur teilweise funktionale Elemente enthält. Denn auch bei einer nur teilfunktionalen Ausschreibung überträgt der Auftraggeber wesentliche Planungsaufgaben, insbesondere die Ausführungsplanung des Architekten und/oder des Ingenieurs, ganz oder größtenteils auf den Bieter und übernimmt nur planerische Vorarbeiten wie die Erstellung von Entwürfen selbst. Gegen eine teilfunktionale Ausschreibung bestehen vergaberechtlich keine Bedenken, weil ein in allen Details ausgearbeitetes Leistungsverzeichnis zwar den Regelfall der Leistungsbeschreibung darstellt, andere Formen, das heißt funktionale Leistungsmerkmale, jedoch nicht ausgeschlossen sind (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 11. Dezember 2013 – Verg 22/13 -, und vom 19. Juni 2013 – Verg 7/13 -; Prieß, in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Kommentar zur VOB/A, § 7 Rn. 191; vgl. auch § 121 Abs. 1 Satz 2 GWB.
3. Voraussetzung dafür, dass der Auftraggeber eine Leistung teilfunktional beschreibt, mithin den Entwurf selbst erstellt und den Auftragnehmer mit der Ausführungsplanung bis zur schlüsselfertigen Errichtung beauftragt, ist, dass diese Art der Ausschreibung nach Abwägung aller Umstände zweckmäßig erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. April 2014 – VI-2 Kart 2/13 (V) -; VK Münster, Beschluss vom 17. Juli 2013 – VK 6/13 -; Lampert, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar Band 2 (3. Aufl. 2019), § 7c VOB/A-EU Rn. 5).
Auch wenn an die Zweckmäßigkeitsgründe keine überhöhten Anforderungen gestellt werden (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 28. Juni 2017 – Verg 2/17 -; OLG München, Beschluss vom 10. Dezember 2009 – Verg 16/09 -; VK Münster, Beschluss vom 17. Juli 2013 – VK 6/13 -; Zimmermann, jurisPR-VergR 12/2017 Anm. 2), stellt die Wahl einer Leistungsbeschreibung mit Leistungsprogramm einen Ausnahmefall dar, der vom Auftraggeber zu begründen und zu dokumentieren ist (vgl. VK Niedersachsen, Beschluss vom 7. Oktober 2015 – VgK-31/2015 -; Krohn, in: Gabriel/Krohn/Neun, Handbuch Vergaberecht (3. Aufl. 2021), § 19 Rn. 15; Lampert, in: Beck’scher Vergaberechtskommentar Band 2 (3. Aufl. 2019), § 7c VOB/A-EU Rn. 22; Kratzenberg, in: Ingenstau/Korbion, VOB Teile A und B (15. Aufl. 2004), § 9 Rn. 125; Markus, in: Kapellmann/Messerschmidt, VOB-Kommentar Teil A/B (8. Aufl. 2022), § 7c Rn. 38).