von Thomas Ax
Der Umfang der Akteneinsicht ist wegen der Akzessorietät dieses Verfahrensrechts begrenzt auf diejenigen Inhalte “der Akten” der Vergabestelle, die erforderlich sind, um dem Antragsteller ausreichend Gelegenheit zu geben, seine vorgenannten Rechte zu wahren.
Der Umfang der im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren zu gewährenden Akteneinsicht steht in einem unmittelbaren Zusammenhang mit dem Gegenstand der Nachprüfung.
1. Das Gesetz gewährt den Beteiligten eines vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahrens in § 165 GWB bzw. in §§ 175 Nr. 2 i.V.m. 70 GWB zwar ein weitgehend voraussetzungsloses Akteneinsichtsrecht, der Gesetzgeber hat aber den Umfang der Akteneinsicht nicht geregelt.
2. Es gehört zur generellen Eigenheit von Auskunftsrechten, dass sie nicht über die Reichweite des materiellen Begehrens in der Hauptsache hinausgehen (vgl. nur BGH, Urteil v. 07.07.1982 – IVb ZR 738/80, NJW 1982, 2771, m.w.N.; BGH, Urteil v. 15.11.2017 – XII ZB 503/16, BGHZ 217, 24, m.w.N. dort jeweils zum Auskunftsanspruch nach § 1580 BGB). In der Hauptsache geht es in den vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren sachlich um die Prüfung, ob die Vergabestelle eine dem Schutz der Bieter dienende vergaberechtliche Vorschrift verletzt hat, und – wegen der Ausgestaltung des sog. Primärrechtsschutzes nach den §§ 155 ff. GWB als Individualrechtsschutz – darum, ob die in Betracht kommende Rechtsverletzung zu einem Nachteil des Antragstellers in Form der Möglichkeit der Beeinträchtigung seiner Chance auf Zuschlagserteilung im konkreten Verfahren geführt hat. Der Umfang der Akteneinsicht ist wegen der Akzessorietät dieses Verfahrensrechts begrenzt auf diejenigen Inhalte “der Akten” der Vergabestelle, die erforderlich sind, um dem Antragsteller ausreichend Gelegenheit zu geben, seine vorgenannten Rechte zu wahren.
3. Daneben ist zu berücksichtigen, dass – ungeachtet der gesondert vorzunehmenden Prüfung der Beeinträchtigung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen anderer Teilnehmer des Vergabeverfahrens durch die Gewährung von Akteneinsicht – auch die Gesichtspunkte der Verhältnismäßigkeit (geringstmöglicher Eingriff in Rechte Dritter) und insbesondere des Beschleunigungsgrundsatzes im Verfahren eine Beschränkung der Akteneinsicht rechtfertigen können.
4. Der Bundesgerichtshof hat diese ständige Rechtsprechung der Vergabesenate der Oberlandesgerichte, u.a. des erkennenden Senats (vgl. nur OLG Naumburg, Beschluss v. 01.06.2011 – 2 Verg 3/11, VergabeR 2012, 250, noch zum Akteneinsichtsrecht im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren nach § 111 GWB a.F. ), ausdrücklich bestätigt und dazu zutreffend auf die nach § 175 Nr. 2 GWB ergänzend heranzuziehende Vorschrift des § 72 Abs. 2 Satz 4 GWB verwiesen (vgl. BGH, Beschluss v.31.01.2017 – X ZB 10/16 “Notärztliche Dienstleistungen”, BGHZ 214, 11,; vgl. auch Kus in: Röwekamp/ Kus/ Portz/ Prieß, GWB, 5. Aufl. 2020, § 165 Rn. 28 ff. mw.w.N.; vgl. Byok in: Byok/ Jaeger, VergabeR, 4. Aufl. 2018, § 165 Rn. 6 m.w.N.).