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Pressemitteilung – AxRechtsanwälte erwägen Nachprüfung der Vergabe an Firma Emix durch Bundesminister Jens Spahn, Anrufung des Bundesrechnungshofs und Strafanzeige

A

Wie der „Spiegel“ berichtet, kümmerte sich Jens Spahn persönlich um das sündhaft teure Angebot einer Firma aus der Schweiz. Eingefädelt hatte die Sache demnach Andrea Tandler, Tochter des früheren CSU-Generalsekretärs Gerold Tandler.

Für rund 350 Millionen Euro soll der Bund laut Bericht bei einer Schweizer Firma namens Emix Trading eingekauft haben. Weitere 15,2 Millionen Euro soll das Unternehmen mit Bayern gemacht habe, 5,2 Millionen Euro mit Nordrhein-Westfalen. Ende Februar soll sich Tandler demnach im bayerischen Gesundheitsministerium gemeldet haben, erst einen Monat später soll es einen direkten Kontakt zum Lieferanten gegeben haben. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Freistaat aber nicht nur längst FFP2-Masken und Schutzanzüge bestellt. Vielmehr hatte die damalige Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) laut Bericht auch ihren Amtskollegen Karl-Josef Laumann (CDU) bereits auf das Angebot hingewiesen – und dessen Haus ebenfalls bestellt.

Auch der Bund bestellte Anfang März – laut Bericht soll es zuvor direkten Kontakt zu Spahn gegeben haben: „Per Smartphone sollen die Emix-Emissäre dem Minister persönlich Maskenangebote unterbreitet haben. Und schon vor den Verhandlungsrunden, so heißt es, habe Spahn der Emix gegenüber Aussagen gemacht, die den Spielraum eingrenzten“, schreibt der „Spiegel“. Spahn habe sich zugunsten der Firma in die Beschaffung eingemischt: „Emix hingegen hatte offenbar das Ohr des Ministers – und seine Handynummer.“

Gegenüber dem „Spiegel“ wollten sich die Beteiligten nicht konkret zum Hergang oder zum Vorwurf, Spahn habe sich „von einer Lobbyistin aus dem Unionsmilieu einspannen lassen“, äußern. Die Sache werde „wie ein Staatsgeheimnis behandelt“, so der „Spiegel“: „So als ginge es um Hochsicherheitstechnik, nicht um simple Atemmasken.“ Alle drei Ministerien verwiesen auf die damalige Marktlage: Die Preise seien seinerzeit so hoch gewesen und die Bezugsquellen rar. Doch die Autoren zeigen auch, dass es sehr wohl günstigere Angebote gab und dass etwa das BMG auch noch Verträge mit Emix zum Stückpreis von rund 5,40 Euro schloss, als es sein eigenes Open-House-Verfahren zu einem Preis von 4,50 Euro schon abgebrochen hatte. Merkwürdig sei auch, dass der Auftrag des Bundes nicht im europäischen Vergabeportal zu finden sei.

B

Es spricht alles für eine vergaberechtswidrige Beschaffung.

Dass eine wettbewerbliche Vergabe per transparentem Verhandlungsverfahren durchgeführt worden wäre ist nicht erkennbar.

Das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV rechtfertigt allein kein gänzliches Absehen von einer Vergabe nach wettbewerblichen Grundsätzen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 GWB). Das auf der Rechtsfolgenseite eingeräumte Ermessen nötigt vielmehr dazu, grundsätzlich auch in den Fällen der Notvergabe zumindest mehrere Angebote einzuholen und damit wenigstens „Wettbewerb light“ zu eröffnen.

OLG Rostock, Beschluss vom 09.12.2020 – 17 Verg 4/20

Nur als ultima ratio kommt eine Direktvergabe an einen von vornherein alleinig angesprochenen Marktteilnehmer in Betracht.

OLG Rostock, Beschluss vom 09.12.2020 – 17 Verg 4/20

Ist der Tatbestand des § 14 Abs. 4 Nr. 3 VgV erfüllt, die „konkurrenzlose“ Direktbeauftragung des von vornherein exklusiv angesprochenen Unternehmens aber nach den vorbezeichneten Grundsätzen ermessensfehlerhaft, so ist der Vertrag nach Maßgabe des § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB unwirksam. Dass der öffentliche Auftraggeber in einem solchen Fall den Auftrag auch ohne Ausschreibung rechtmäßig hätte vergeben können, ist nicht ausschlaggebend.

OLG Rostock, Beschluss vom 09.12.2020 – 17 Verg 4/20

Es spricht alles für eine vergaberechtswidrig unterbliebene Bekanntmachung der erfolgten Beschaffung.

Die erfolgte Beschaffung hätte nach § 39 VgV bekannt gemacht werden müssen. Danach übermittelt der öffentliche Auftraggeber spätestens 30 Tage nach der Vergabe eines öffentlichen Auftrags oder nach dem Abschluss einer Rahmenvereinbarung eine Vergabebekanntmachung mit den Ergebnissen des Vergabeverfahrens an das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union. Die Vergabebekanntmachung wird nach dem Muster gemäß Anhang III der Durchführungsverordnung (EU) 2015/1986 erstellt.

Bezogen auf die vergaberechtswidrige Beschaffung kommt die Erfüllung der folgenden Strafnormen in Betracht kommen:

Zu erwähnen ist zunächst § 298 Strafgesetzbuch (StGB), der wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen unter Strafe stellt (Ziffer 1.1). Auch weitere Strafnormen, wie Betrug oder Untreue (Ziffer 1.2), können relevant werden.

1.1. Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Ausschreibungen

In Betracht kommt zunächst eine Strafbarkeit wegen wettbewerbsbeschränkenden Absprachen bei Ausschreibungen gemäß § 298 Abs. 1 StGB. Diese Strafrechtsnorm hat folgenden Wortlaut: „(1) Wer bei einer Ausschreibung über Waren oder Dienstleistungen ein Angebot abgibt, das auf einer rechtswidrigen Absprache beruht, die darauf abzielt, den Veranstalter zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen, wird mit Freiheitstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. (2) Der Ausschreibung im Sinne des Absatzes 1 steht die freihändige Vergabe eines Auftrages nach vorausgegangenem Teilnahmewettbewerb gleich. (3) Nach Absatz 1, auch in Verbindung mit Absatz 2, wird nicht bestraft, wer freiwillig verhindert, dass der Veranstalter das Angebot annimmt oder dieser seine Leistung erbringt. Wird ohne Zutun des Täters das Angebot nicht angenommen oder die Leistung des Veranstalters nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Annahme des Angebots oder das Erbringen der Leistung zu verhindern.“ Strafrechtlich relevant können auch solche Absprachen sein, die gegen das Kartellrecht verstoßen. Darunter fallen insbesondere Absprachen, die gegen das Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) und die kartellrechtlichen Normen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstoßen. Erfasst werden sowohl horizontale Absprachen (Absprachen zwischen den Bietern) als auch vertikale Absprachen (Absprachen zwischen dem Veranstalter und den Bietern). Der Bundesgerichtshof (BGH) geht davon aus, dass eine täterschaftliche Verwirklichung des § 298 Abs. 1 StGB auch für den Veranstalter einer Ausschreibung in Betracht kommt: „Täter kann daher nicht nur derjenige sein, der selbst ein Angebot abgibt. Da seit der Neufassung des § 1 GWB auch vertikale Absprachen den Tatbestand des § 298 Abs. 1 StGB erfüllen, müssen sich vielmehr auch Veranstalter als Täter strafbar machen können, sofern ihnen nach den allgemeinen Regeln der Abgrenzung von Täterschaft und Teilnahme die Abgabe des Submissionsangebots im Sinne des § 25 StGB zurechenbar ist; ansonsten würde der mit der kartellrechtskonformen Ausgestaltung von § 298 StGB verfolgte Zweck – Vermeidung von Wertungswidersprüchen zwischen Kartellrecht und Strafrecht – unterlaufen.“ Der § 298 Abs. 1 StGB schützt als Rechtsgut den Wettbewerb bei öffentlichen Ausschreibungen, beschränkten Ausschreibungen und nicht offenen Verfahren; das Vermögen des Veranstalters wird nur mittelbar geschützt. Für eine Strafbarkeit nach § 298 Abs. 1 StGB kommt es demnach nicht auf den Eintritt eines Vermögensschadens beim Veranstalter an. Erfasste Vergabeverfahren sind – die Öffentliche Ausschreibung oder das Offene Verfahren, – die Beschränkte Ausschreibung oder das Nichtoffene Verfahren und – das Verhandlungsverfahren oder die Freihändige Vergabe.

1.2. Untreue

In Betracht kommt weiter eine täterschaftliche Verwirklichung der Untreue nach § 266 Abs. 1 StGB. Wegen Untreue wird bestraft, „wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt“. In der Praxis kommt eine Strafbarkeit wegen Untreue bei der Vergabe von öffentlichen Aufträgen insbesondere dann in Betracht, wenn vergaberechtswidrig die Durchführung einer Ausschreibung unterlassen wurde (sogenannte „Direktvergabe“).

Der Tatbestand der Untreue differenziert zwischen dem Missbrauchstatbestand (vgl. hierzu Ziffer 1.2.1) und dem Treuebruchtatbestand (vgl. Ziffer 1.2.2).

1.2.1. Missbrauchstatbestand

Der Missbrauchstatbestand verlangt den Missbrauch einer dem Täter eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten. Dies setzt zunächst voraus, dass der Täter eine Verfügungs- oder Verpflichtungsbefugnis über fremdes Vermögen innehat. Eine solche Befugnis bezeichnet die rechtliche Möglichkeit des Täters, Vermögensrechte eines anderen wirksam zu übertragen, aufzuheben, zu belasten oder zu ändern oder ihn Dritten gegenüber wirksam zu solchen Verfügungen zu verpflichten. Die Strafbarkeit setzt weiter voraus, dass die eingeräumte rechtliche Befugnis missbraucht wird. Von einem solchen Missbrauch ist auszugehen, wenn der Täter ein im Außenverhältnis zu Dritten rechtlich wirksames Verfügungs- oder Verpflichtungsgeschäft vornimmt, das jedoch im Widerspruch zu seinen Pflichten aus dem Innenverhältnis zu dem Geschädigten steht.  Dies erfordert zunächst die Bestimmung des jeweiligen Pflichtenkreises des Innenverhältnisses zwischen Täter und Geschädigtem. Schließlich setzt der Missbrauchstatbestand in objektiver Hinsicht zwingend den Eintritt eines kausalen Vermögensnachteils beim Geschädigten voraus. Dies bedeutet, dass dem vertretenen Hoheitsträger durch die vergaberechtswidrige Vergabe des öffentlichen Auftrags ein Vermögensnachteil entstanden sein muss. Hierfür ist ein Vergleich des Vermögens vor und nach der vergaberechtswidrigen Vergabe anzustellen, wobei nachgewiesen werden muss, dass durch den Verstoß gegen das Vergaberecht ein Schaden eingetreten ist, bloße Vermutungen reichen nicht aus. Die Strafgerichte müssen im Einzelfall „den von ihnen angenommenen Nachteil der Höhe nach beziffern und dessen Ermittlung in wirtschaftlich nachvollziehbarer Weise in den Urteilsgründen darlegen“. In subjektiver Hinsicht setzt eine Strafbarkeit wegen des Missbrauchstatbestands der Untreue voraus, dass der Täter vorsätzlich in Bezug auf die Pflichtwidrigkeit seines Tuns und den Eintritt eines Vermögensnachteils beim Geschädigten gehandelt hat. Dies entscheidet sich nach den Umständen des Einzelfalles.

1.2.2.

Treuebruchtatbestand

Der Treuebruchtatbestand ist erfüllt, wenn der Täter eine beliebige vermögensrelevante Handlung vornimmt, die die ihm obliegende Vermögensbetreuungspflicht verletzt. Wiederum ist die Pflichtverletzung akzessorisch zum Vergaberecht festzustellen, sodass eine Strafbarkeit davon abhängt, ob die Vergabe des öffentlichen Auftrags gegen Vergaberecht verstößt. Auch der Treuebruchtatbestand setzt den Eintritt eines Vermögensschadens und ein vorsätzliches Handeln des Täters bezüglich der Pflichtwidrigkeit seines Handelns und dem Eintritt eines Schadens beim Geschädigten voraus. Auch dies entscheidet sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles.

1.3.

Korruptionsstraftaten

Je nach den Umständen des Einzelfalls können die Korruptionsstraftaten der §§ 331 ff. StGB verwirklicht sein. Nach § 331 Abs. 1 StGB macht sich ein Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. StGB), ein europäischer Amtsträger (§ 11 Abs. 1 Nr. 2a StGB) oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter (§ 11 Abs. 1 Nr. 4 StGB) strafbar, „der für die Dienstausübung einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt“. Weiter macht sich nach § 332 Abs. 1 ein Amtsträger, ein europäischer Amtsträger oder ein für den öffentlichen Dienst besonders Verpflichteter strafbar, „der einen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er eine Diensthandlung vorgenommen hat oder künftig vornehme und dadurch seine Dienstpflichten verletzt hat oder verletzen würde“. Spiegelbildlich werden nach §§ 333, 334 StGB diejenigen bestraft, die den genannten Personen einen Vorteil für diesen oder Dritten anbieten, versprechen oder gewähren. Soweit sich Angestellte des öffentlichen Dienstes, die an der Vergabe öffentlicher Aufträge beteiligt sind, während des Verfahrens Vorteile für sich oder Dritte fordern, versprechen lassen oder annehmen, kommt die Anwendung der jeweiligen Korruptionsstraftaten für Amtsträger in Betracht.

2. Ordnungswidrigkeiten

Von besonderer Bedeutung ist daneben das Ordnungswidrigkeitenrecht des GWB und hier insbesondere § 81 GWB und §§ 30, 130 OWiG mit der Möglichkeit von hohen Geldbußen und Ausschluss von öffentlicher Auftragsvergabe. Danach handelt unter anderem ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder fahrlässig dem § 1 GWB zuwiderhandelt. Nach § 1 GWB sind „Vereinbarungen zwischen Unternehmen, Beschlüsse von Unternehmensvereinigungen und aufeinander abgestimmte Verhaltensweisen, die eine Verhinderung, Einschränkung oder Verfälschung des Wettbewerbs bezwecken oder bewirken“ verboten. Erfasst werden hiervor sowohl horizontale als auch vertikale Wettbewerbsbeschränkungen. Bei der Vergabe öffentliche Aufträge kommt eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB wegen vertikaler Wettbewerbsbeschränkungen in Betracht. Das Kartellverbot des § 1 GWB, auf dessen Verstoß die Ordnungswidrigkeit des § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB fußt, richtet sich nach seinem Wortlaut allein an Unternehmen und Unternehmensvereinigungen. Im Rahmen ihrer Beschaffungstätigkeit handelt die öffentliche Hand regelmäßig als Unternehmen im Sinne des § 1 GWB und muss gleichermaßen wie andere Marktteilnehmer die rechtlichen Grenzen des Wettbewerbsrechts achten. Für das grundsätzliche Auftreten der öffentlichen Hand im Rahmen der Vergabe eines öffentlichen Auftrags hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) festgestellt: „Der Staat wird als Nachfrager am Markt tätig, um seinen Bedarf an bestimmten Gütern oder Leistungen zu decken. In dieser Rolle als Nachfrager unterscheidet er sich nicht grundlegend von anderen Marktteilnehmern. Auf seine übergeordnete öffentliche Rechtsmacht greift er bei einer Vergabeentscheidung nicht zurück, so dass kein Anlass besteht, seine Maßnahme als Ausübung öffentlicher Gewalt im Sinne des Art. 19 Abs. 4 GG einzuordnen.“ Die Vergabe eines öffentlichen Auftrags erfolgt mithin nicht als hoheitliches Handeln. Entsprechend muss die öffentliche Hand die Vorgaben des § 1 GWB achten; bei einem Verstoß durch einen Angestellten des öffentlichen Dienstes kommt daher eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 2 Nr. 1 GWB in Betracht. Soweit durch rechtswidrige Absprachen zwischen öffentlicher Hand und Bieter auf einen öffentlichen Auftrag zwischenstaatliche Wettbewerbsbeschränkungen innerhalb der Europäischen Union verursacht werden, kommt eine Ordnungswidrigkeit nach § 81 Abs. 1 Nr. 1 GWB i.V.m. Art. 101 Abs.1 AEUV in Betracht.