OLG Celle, Beschluss vom 14. April 2016 – 13 Verg 11/15 –, juris: Vorgelagerte Mitwirkungshandlungen müssen nicht schädlich sein
von Thomas Ax
Vorgelagerte Mitwirkungshandlungen wie etwa das Ausarbeiten der Leistungsbeschreibung oder die Überprüfung einer bereits erstellten Kostenschätzung unter Vorlage der vorhandenen Unterlagen, insbesondere des bepreisten Leistungsverzeichnisses sind als Projektantenproblematik zu bewerten und handzuhaben.
Hier ist weniger das mitwirkende Unternehmen als der Auftraggeber in der Pflicht: Wenn ein Bieter oder Bewerber vor Einleitung des Vergabeverfahrens den Auftraggeber beraten oder sonst unterstützt hat, hat der Auftraggeber sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme des Bieters oder Bewerbers nicht verfälscht wird.
Durch Teilnahme eines Unternehmens am Vergabeverfahren, das den Auftraggeber bereits in dessen Vorfeld beraten oder unterstützt hat, kann eine Wettbewerbsverzerrung entstehen, denn dieses kann in der Regel die an die ausgeschriebenen Leistungen gestellten Anforderungen besser beurteilen und sein Angebot deshalb leichter an die Bedürfnisse des Auftraggebers anpassen als andere, vorher unbeteiligte Bieter.
Ferner kann sich ein Wettbewerbsvorteil daraus ergeben, dass das vorbefasste Unternehmen als Berater des Auftraggebers den Gegenstand und die Bedingungen des Auftrags mit Rücksicht auf seine eigene spätere Bieterstellung beeinflusst hat.
Eine entsprechende Situation kann auch bei rechtlichen, wirtschaftlichen oder personellen Verflechtungen zwischen den Projektanten und dem Bewerber oder Bieter anzunehmen sein.
Häufig anzutreffen ist in der Praxis der Fall, dass der Inhaber eines Ingenieurbüros für den Auftraggeber die Vergabeunterlagen erstellt und sich dann ein Unternehmen, bei dem der Inhaber dieses Ingenieurbüros als Geschäftsführer tätig ist, um den Auftrag bewirbt.
Trotz dieser Gefahren ist die Teilnahme vorbefasster Unternehmen an dem Vergabeverfahren grundsätzlich zulässig.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union wäre ein genereller Ausschluss unverhältnismäßig und gemeinschaftswidrig (EuGH, Urteil vom 3. März 2005 – C-21/03 und C 34/03 „Fabricom“, Tz. 34 ff.; Urteil vom 19. Mai 2005 – C-538/07, VergabeR 2009, 756 ff., Tz. 28 ff.).
Dies würde dazu führen, dass Personen, die bestimmte vorbereitende Arbeiten ausgeführt haben, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, ohne dass ihre Beteiligung daran eine Gefahr für den Wettbewerb unter den Bietern bedeuten würde (EuGH, Urteil vom 3. März 2005, a. a. O., Tz. 35).
Entscheidend ist vielmehr, ob sich aus der Vorbefasstheit tatsächlich ein Wettbewerbsvorteil ergibt bzw. ob dieser durch geeignete Maßnahmen ausgeglichen werden kann und ausgeglichen wird (OLG München, Beschluss vom 10. Februar 2011 – Verg 24/10).
Es ist daher unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls zu bewerten, ob bei einer Beteiligung des Projektanten der Grundsatz des fairen Wettbewerbs gewahrt wird oder nicht. Grundsätzlich steht es im pflichtgemäßen Ermessen, welche Maßnahmen der Auftraggeber zur Herstellung eines fairen Wettbewerbs ergreift.
Ist die Chancengleichheit aller Teilnehmer tatsächlich tangiert, ist zu klären, ob es hierfür eine sachbezogene Begründung gibt. Nur wenn dem nicht so ist, ist sie vergaberechtswidrig.
Weiter ist zu prüfen, ob nicht durch andere Maßnahmen – etwa durch Zurverfügungstellung weiterer Informationen an die anderen Bieter, um den Wissensvorsprung auszugleichen, oder die Verlängerung der Angebotsfrist – hergestellt werden kann.
Das bloße Ausarbeiten der Leistungsbeschreibung durch einen späteren Bieter führt nicht per se zu einer Beeinträchtigung der Chancengleichheit und schon gar nicht zu einer vergaberechtswidrigen Beeinträchtigung der Chancengleichheit.
Dem Auftraggeber obliegt es dabei im Rahmen des Zumutbaren aufzuklären, ob ein Sachverhalt vorliegt, der die Chancengleichheit aller Teilnehmer vergaberechtswidrig beeinträchtigen könnte.